Raspberry Pi5 nach 5 Monaten als Desktop-Ersatz

  Actionschnitzel   Lesezeit: 8 Minuten  🗪 4 Kommentare

Langzeit-Test des Raspberry Pi5 als Desktop-Ersatz.

raspberry pi5 nach 5 monaten als desktop-ersatz

Seit dem 5. November '23 habe ich meinen Pi 5 jetzt ausschließlich als Desktop/Daily Driver genutzt. Ich denke, es ist genug Zeit vergangen, um ein erstes Resümee zu ziehen.

Von Anfang

Mehr oder weniger lief der Verkaufsstart ja nicht so ganz rund. Die Stückzahlen waren so limitiert, dass man sich auf BerryBase bei einer Lotterie anmelden musste, um den Pi 5 vorbestellen zu können. Der 5er mit 8 GB RAM war gar nicht lieferbar, sodass man sich nur für die 4 GB Version "bewerben" konnte. Ich war einer der Glücklichen, die gezogen wurden.

Da ich im Vorhinein dachte, dass die Geschichte etwas einfacher ablaufen würde, habe ich mir schon ein paar Wochen früher das passende Stromkabel, den offiziellen Aktivkühler und ein Gehäuse gekauft. Die waren schon vorrätig.

Seitdem kam ich schon etwas ins Schwitzen, weil der Pi 5 Verkaufsstart in Europa verzögert wurde. Hinzu kam, dass ich im Discord eines Entwicklers, mit dem ich zusammenarbeite, lesen durfte, wie sich das Team bedankte, dass die Foundation es möglich gemacht hat, dass sie einen 5er bekommen haben. Ich saß aber immer noch ohne da …

Wenn man Software entwickelt, ist es, gelinde gesagt, uncool, wenn auf GitHub Issues hereinkommen. Vor meinem geistigen Auge habe ich schon gesehen, dass die Issue-Section aus allen Nähten platzt, weil meine Software nicht auf den neuen Pi angepasst ist. Ok, rückblickend habe ich mir echt zu viel Druck gemacht, weil: "Wenn ich schlecht an einen Pi 5 komme, haben andere genau das gleiche Problem". Letztlich ist alles gut gegangen.

Hardware & Zubehör + Preise (Zur Zeit des Kaufs)

  • Raspberry Pi 5 Rev. 1.0 | 4 GB RAM: 69,00 €
  • Activ Cooler: 5,50 €
  • Netztteil: 12,20 €
  • Gehäuse: 10,70 €
  • Pimoroni NVME-Base: 16,00 €
  • Lexar NM620 256 GB SSD, PCIe 3.0 x4, NVMe 1.4, M.2 2280: 33,10 €
  • UGREEN Externe USB Soundkarte Klinke USB Adapter: 8,41 €

    Gesamt (Versandkosten nicht einbezogen ;) ): 154,91 €

Seit es dem Pi 4 möglich ist, SSDs über USB zu nutzen, bin ich vollkommen ab von microSD-Karten. Ich habe allerdings noch welche, um darauf angepasste ISOs zu sichern. Der Pi 5 kann jetzt M.2s über PCI einlesen, und das ist eine tolle Sache. Auf YouTube gibt es so manche Speed-Tests, und die Ergebnisse kann ich so unterschreiben. Mein letzter Test lag über 700 MB/s. Eine SSD ist meiner Meinung nach unerlässlich, wenn man ein ordentliches Desktop-Feeling auf dem Pi haben will.

Ist es das wert?

Natürlich lässt sich darüber streiten, ob es sinnvoll ist, diese Summe für ein kleines Gerät auszugeben. Für mich ist der Raspberry Pi ein Hobby, eigentlich sogar mehr, da ich für ihn programmiere und mittlerweile einige meiner Software nutze. Man darf nicht vergessen, dass der Spaß im Vordergrund steht. Wie Spaß aussieht und was er kostet, muss jeder selbst wissen. Bei mir kommt noch hinzu, dass wir im Jahr 2022 eine sehr hohe Stromrechnung hatten und ich mir selbst auferlegt habe, nicht mehr am PC zu zocken. Ob das den Kohl fett gemacht hat, sei dahingestellt. Der Pi 4 konnte schon so einiges, aber war für den Einsatz als Daily Driver noch zu unperformant. Webseiten ließen sich gut laden, aber mit einer kleinen Wartezeit. YouTube war doch etwas hakelig. Da stellt sich die Frage:

Wie schaut's jetzt aus ?

Im Linux-Desktop-Bereich steht und fällt alles mit der richtigen Distribution. Raspberry Pi OS konnte bis zum Pi 4 mit einer hervorragenden Anpassung punkten. Es war/ist schlank und hat kaum Ressourcen verbraucht. Das war es aber schon. Der Pixel-Desktop (lxde-pi) war so ausgedünnt, dass ich nicht gerne damit gearbeitet habe. Um ehrlich zu sein, finde ich den Weg, den der wayfire-pi-desktop einschlägt, nicht gerade berauschend. Natürlich ist alle Software "Work in Progress". Zum Release von PiOS Bookworm habe ich mich jedoch an eine Alpha erinnert gefühlt.

Ubuntu hat den Einstieg zum Pi 5 mit der Version 23.10 gemacht. Stellenweise gab es kleine Hakeleien, so hat zu Beginn die PWM-Fan-Control nicht funktioniert, aber die Performance wurde vor allem mit jedem Kernel-Update besser. Für mich als Gnome-Nutzer ist das natürlich ein Segen. Und nein, wenn man Gnome auf ein Raspberry Pi OS Lite installiert, kommt nicht das Gleiche dabei heraus. "ubuntu-gnome" zusammen mit den Spezial-Kernels ist getunt, und das merkt man, wenn man sich beide Varianten nebeneinander anschaut. Hier sieht man auch, dass Mark Shuttleworth es ernst gemeint hat in einem Interview mit Destination Linux, dass Ubuntu sich auch auf Raspberry Pi und IoT fokussieren wird.

Im Alltag

Was mache ich so mit meinem Pi 5, außer Zocken? Das geht auch, aber ist mir zu viel Bastelei.

  • Wartung von Geräten per SSH: Bestanden
  • Berufliches arbeiten im Browser: Bestanden
  • Privates arbeiten im Browser: Bestanden
  • E-Mail-Korrespondenz mit Thunderbird: Bestanden
  • Textverarbeitung mit LibreOffice: Bestanden
  • WhatsApp mit Flatpak-App: Bestanden
  • RSS-Feeds: Egal welches Programm, wenn zu viele Nachrichten geladen werden müssen, geht der Pi in die Knie und die Oberfläche friert ca. 1 Minute ein.
  • YouTube/Freetube: 1080p ist kein Problem
  • Streaming: Leider musste ich hier basteln und mir libwidevine.so von PiOS rüberkopieren und in Brave integrieren. Ubuntu_arm64 unterstützt von Haus aus kein DRM. Prime und Disney+ laufen anstandslos. Netflix verweigert das Abspielen. Spotify funktioniert sehr gut. Einziges Problem ist, dass ich es als Web-App mit Brave nutzen muss, da nur hier DRM funktioniert.
  • Programmieren: Läuft einwandfrei. Wenn man in VSCode/VSCodium "black" zum Formatieren von Python-Skripten nach "PEP8" nutzt, stürzt VSCode unter der Last ab. Nutzt man black im Terminal, ist das nicht so. Anbindung an die Nextcloud: Hier läuft alles, wie es soll. Gimp: Maus zieht nach und ist sehr schwammig (kommt auf die Komplexität des Bildes an)

Was verbraucht das Teil?

NIX!

  • Booten: bis ca. 10 Watt
  • Leerlauf: ca. 5 Watt
  • Programm-Starts: bis ca. 8,5 Watt
  • Surfen: 5 bis 5,2 Watt
  • Streaming & YouTube 720p/1080p: ca. 6 bis 9,1 Watt

Und die Nachteile?

Klar, der Pi 5 kann nicht die Leistung eines Desktop-PCs neueren Datums bringen. Für Gimp und Videobearbeitung gehe ich immer noch sporadisch an den PC; Videospiele kann man sich zurechtbasteln mit Box86/64. Das ist aber nur Spielerei, die eher dazu dient, die aarch64-Architektur generell massentauglicher zu machen. Für mich ist der Pi5 ein Desktop zum Arbeiten so wie Multi-Media-Inhalte konsumieren. Es gibt zwar schon viele Programme für arm64, aber noch nicht viele. Discord ist ein solches Beispiel. Einen offiziellen Client gibt es bisher nicht, aber in der Szene gibt es begabte Leute, die auch so etwas gangbar machen.

Fazit

Man muss Bock darauf haben, und natürlich müssen die Anwendungsfelder passen. Kommt das alles zusammen, ist der Pi 5 ein guter Alltagsbegleiter mit EINSCHRÄNKUNGEN.

Ich für meinen Teil habe neulich verzweifelt VirtualBox im Menü gesucht, bis ich auf einmal gemerkt habe, dass ich gar nicht an meinem PC sitze, sondern am Pi. Das sagt, glaube ich, einigermaßen gut aus, wie sich der Raspberry Pi 5 in meinen Alltag integriert hat. Persönlich freue ich mich schon auf die Pi-Variante von Ubuntu 24.04.

Quelle: Interview Mark Shuttleworth: https://www.youtube.com/watch?v=3XLBo_OhUN0

Dieser Artikel wurde ursprünglich im Blog des Autors im Linux-Guides-Forum veröffentlicht.

Tags

Raspberry Pi 5, Ubuntu, Test

Understater
Geschrieben von Understater am 24. April 2024 um 10:08

Hast Du Erfahrungen mit SSD am USB am RasPi4? Ich habe damit experimentiert und hatte immer wieder Probleme. Es ist mehrfach passiert, dass das System nach mehreren Tagen oder Wochen Betrieb, plötzlich nicht mehr bootbar war. Auch wenn die SSD nur als weiteres Laufwerk, nach dem Boot von der SD-Karte, verwendet wurde, passierten Ausfälle. Meine Hoffnung ist, dass das mit dem RasPi5 besser wird, habe aber noch keinen. Ich verwende die RasPies überwiegend als KVM Hostsysteme auf denen VM's für Nextcloud, PiHole, Nagios o.ä. laufen. Das funktioniert seit ca 4 Monaten ganz gut auf SD Karten. Wenn man regelmäßig Backups der VM's macht kann man nach einem SD-Karten Ausfall relativ schnell mit einer neuen SD-Karte weitermachen.

Actionschnitzel
Geschrieben von Actionschnitzel am 24. April 2024 um 10:31

Im Desktop-Bereich kann ich nur Gutes sagen, wobei die Stabilität stark von deinem USB-zu-SATA-Adapter abhängt. Da würde ich mal ein paar Foren durchsuchen und sehen, was andere Leute verwenden. Ich habe vier 4er im Rack, die Headless mit microSD laufen. Sowohl HDDs als auch SSDs (zum Beispiel mit Nextcloud) brauchen manchmal nach einer unbestimmten Zeit einen Neustart, das ist meine Erfahrung.

Micha
Geschrieben von Micha am 24. April 2024 um 11:48

Ich hatte auch Probleme mit dem 4er und USB SSDs, aber nur mit manchen. Ich hatte eine Intenso 256 GB 2,5 '' mit externem USB Gehäuse dran und alles ohne Probleme mehrere Monate 24/7 ohne SD Karte. Dann die gleiche Baureihe nur mit 512 GB wurde beim Booten nicht erkannt. Zuvor hatte ich noch eine andere Intenso USB3 Gen2 die zusätzlich zu einer SD Karte eingebunden und es dann beim Abspielen eines Videos von der SSD zu kompletten Systemfreezes kam. Deshalb mit SD weil das System ohne SD nicht bootbar war. Mit dem Raspi 5 habe ich diese Probleme nicht mehr und die USB SSDs laufen bisher sauber.

Micha
Geschrieben von Micha am 24. April 2024 um 12:07

Ich verwende den PI5 auch als daily driver und bin begeistert. Habe mit den 4ern auch gerne Ubuntu benutzt mit Mate oder XFCE4. Hatte dann aber folgende Probleme:

lauter Lüfter wie im Artikel beschrieben kein bluetooth Benutzer auf Ubuntu mit Xorg konnte sich nicht anmelden. Snaps starteten über X2go nicht.

Das war mir alles zu "beta"

Nun benutze ich das sehr schnelle MX Linux und bin sehr zufrieden. Einziges Problem war das Einrichten von Wireguard beim Booten mit sysVInit anstatt mit systemd. Ist halt ohne wayland aber für mich perfekt.