Bianca Kastl, Adriana Groh, Peter Ganten
Der Ausschuss für Digitales des Deutschen Bundestages hat sich gestern in einer öffentlichen Anhörung mit dem Thema Open Source befasst. Die geladenen Sachverständigen sollten sich zu den Vor- und Nachteilen von Open-Source-Technologie allgemein und besonders im Hinblick auf technische, sicherheitsrelevante, konzeptionelle, soziale, finanz-, aussenpolitische und gesellschaftliche Aspekte äussern.
Die Abgeordneten wollten erfahren, welche der genannten Vor- und Nachteile besonders zum Tragen kommen, wenn Open-Source-Technologien im staatlichen Kontext eingesetzt werden. Der Ausschuss interessiert sich für unter anderem Voraussetzungen und Infrastrukturen des erfolgreichen Einsatzes von Open-Source-Technologien im staatlichen Kontext.
Als Sachverständige waren geladen:
- Prof. Dr. Stefan Decker - Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik
- Isabel Drost-Fromm - Open Source Strategieberaterin und ehemalige Direktorin der Apache Software Foundation
- Peter H. Ganten - Open Source Business Alliance
- Adriana Groh - Sovereign Tech Agency
- Dr. Oliver Grün - Bundesverband IT-Mittelstand e.V.
- Bianca Kastl - Innovationsverbund öffentliche Gesundheit e. V.
- Prof. Dr. rer. oec. Helmut Krcmar - Krcmar Lab an der TUM School of Computation
- Alexander Sander - Free Software Foundation Europe e.V.
- Jutta Horstmann - Zentrum für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung (ZenDis) GmbH
Die Sachverständigen haben vorher Stellungnahmen eingereicht, in denen sie auf 18 Fragen reagieren, die in einem Fragenkatalog festgelegt sind. Die knapp zweistündige Videoaufzeichnung der Ausschusssitzung findet ihr ebenfalls unter der Hauptquelle.
Alexander Sander (FSFE), Helmut Krcmar (TUM)
Ich habe mir die Anhörung angesehen und möchte in diesem Artikel meine subjektiven Eindrücke schildern.
Unter den Sachverständigen bestand eine grosse Einigkeit, was den Einsatz von Open Source in der Verwaltung angeht. Einzig Dr. Oliver Grün, als Vertreter des IT-Mittelstands, scherte aus. Er verwies darauf, dass man die 85 % der deutschen Unternehmen, die proprietäre Software herstellen, nicht vergessen sollte. Ich habe seine Argumentation nicht verstanden; er kam mir als der Quoten-Proprietäre in dieser Runde vor.
Die Fragen der Parteien kamen mir ziemlich zufällig vor. Es waren Vertreter von SPD, CDU, den Grünen, FDP, der Linken und AfD anwesend. Sinnvolle Fragen kamen von der FDP, der Linken und den Grünen. Der Informationsbedarf erschien mir generell etwas dürftig. Wenn man die Gelegenheit hat, mit einem gut besetzten Expertengremium in Austausch zu treten, hätte ich mehr Struktur und sinnvollere Fragen erwartet. Mir stellt sich die Frage, welchen Nutzen die Parteien aus dieser Anhörung gezogen haben.
Dann fiel mir auf, dass alle von "Open Source" sprechen, ausser Alexander Sander, der von "Freier Software" spricht. Da stellt sich die Frage, ob es überhaupt einen Unterschied gibt und ob dieser den Parlamentariern bewusst ist. Falls euch das unklar ist, kommt hier die Erklärung:
"Open Source" und "Freie Software" haben viele Gemeinsamkeiten, unterscheiden sich aber in ihrer Philosophie und ihren Zielen.
Gemeinsamkeiten:
- Beide erlauben Zugang zum Quellcode der Software
- Benutzer dürfen die Software modifizieren und weiterverbreiten
- Beide fördern Gemeinschaft und Kollaboration in der Softwareentwicklung
- Die meisten Lizenzen werden von beiden Gemeinschaften akzeptiert
Hauptunterschiede:
Philosophie und Ziele:
- Freie Software: Fokussiert auf ethische und moralische Freiheiten der Benutzer. Die Free Software Foundation (FSF) betont die Kontrolle der Benutzer über die Software und die Zusammenarbeit in der Gemeinschaft.
- Open Source: Betont praktische Vorteile wie Qualität, Flexibilität und Innovation durch gemeinsame Nutzung des Quellcodes. Die Open Source Initiative (OSI) konzentriert sich mehr auf das Entwicklungsmodell als auf ethische Aspekte.
Definition der Freiheiten:
- Freie Software: Definiert durch die vier grundlegenden Freiheiten (Ausführen, Studieren, Verändern, Weiterverbreiten).
- Open Source: Definiert durch den freien Zugang zum Quellcode und eine Lizenz, die Veränderung und Weiterverbreitung erlaubt.
Terminologie:
- Der Begriff "Freie Software" kann missverständlich sein, da "frei" oft mit "kostenlos" verwechselt wird.
- "Open Source" wurde als neutralerer Begriff eingeführt, um das Marketing bei Unternehmen zu erleichtern.
Trotz dieser Unterschiede überschneiden sich beide Konzepte stark, und viele Projekte erfüllen die Kriterien sowohl für Freie Software als auch für Open Source.
Wer noch nie eine Sachverständigenanhörung in einem Ausschuss des Deutschen Bundestages verfolgt hat, kann sich diese anschauen, um sich einen Eindruck der politischen Meinungsbildung zu verschaffen. Es lohnt sich.
Am Ende dieses Artikels habe ich eine Quizfrage zum Titelbild: Welche Software läuft auf den Notebooks von Bianca Kastl und Adriana Groh? Ist es Asahi Linux?
Titelbild: Bildausschnitt aus dem Video in der Quelle
Quellen:
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw49-pa-digitales-open-source-1029830
> Welche Software läuft auf den Notebooks von Bianca Kastl und Adriana Groh?
Die Frage ist gut. Da hilft nur direkt fragen :o)
Wieso verzettelt man sich beim Thema Open Source eigentlich überhaupt noch in irgendwelche Details? Wozu sollen die Experten Vor- und Nachteile ¿¿welche Nachteile?? aufzählen? Der Hauptunterschied ist doch ganz einfach und kurz erklärt: TRANSPARENZ! Und wo will man bestenfalls eine größtmögliche Transparenz erzielen? Natürlich in der Politik, den Behörden und der öffentlichen Verwaltung.
Ist ein wenig wie beim Kochen: Man kann schnell ein Fertiggericht im Supermarkt kaufen, kocht das entsprechend den Anweisungen und fühlt sich danach satt. Oder, man kocht selbst: Besorgt frische und nachhaltige Zutaten, kann die Lieferkette nachverfolgen. Portionen können individuell angepasst und verteilt werden. Das Wichtigste: Der Inhalt des Topfes ist TRANSPARENT und die Möglichkeit einer eigenen Würzung des Essens ist eine Selbstverständlichkeit. Dauert etwas länger aber schmeckt so viel besser!
Man hat sich jedoch Jahrzehnte lang freiwlllig in die Abhängigkeit von proprietärer Software begeben. Die Fertigsoftware war immer einfacher, schneller, verlockender und lösungsorientierter als irgendeine Open Source Lösung einzusetzen oder selbst ein OS-Projekt zu beginnen. Jetzt ist man in dieser Situation festgefahren und das allergrößte Hauptproblem ist IMHO das in Deutschland jedes der 16 Bundesländer seine eigenen verwaltungstechnischen Fachverfahren hat - also Abläufe nicht vereinheitlicht werden können. Dazu kommen dann noch die Kommunen wo auch jeder alles anders oder eben so macht wie er will. Und niemand auf politischer Ebene hat die Macht das zu ändern. Deutschland und Digitalisierung ist ein Oxymoron! Deshalb fürchte ich Open Source hilft uns hier nur begrenzt weiter.
https://www.heise.de/news/Open-Source-Software-Deutschland-muss-raus-aus-der-Abhaengigkeit-10188035.html
NACHTRAG: Von 9 Dokumenten der Experten wurden nur 3 mit Open Source erstellt ...
https://www.heise.de/forum/heise-online/Kommentare/Open-Source-Software-Deutschland-muss-raus-aus-der-Abhaengigkeit/Von-9-Dokumenten-der-Experten-nur-3-mit-Open-Source-erstellt/posting-44686166/show/
Vielen DAnk für den Artikel, gibt es eine Aufösung für die Quizfrage ? - diese beschäftigte mich aufgrund des bildes auch sehr.
Grüße ralf
" ... Ist es Asahi Linux? ..."
Oder MacOS? Ich hätte, spätestens für eine solche Veranstaltung, den Apfel überklebt.
Die Quizfrage finde ich sehr spannend! 😅 Und äußerst relevant! Vielen Dank für die wie immer gute Information.
Ich wollte mir die Anhörung ansehen, habe aber schon nach kurzer Zeit abgeschaltet. Reine Zeitverschwendung. Es dreht sich doch alles sinnlos im Kreis. Am Anfang die Statements der Experten "Digitale Souveränität", "Freie Software als Motor für die Wirtschaft", "Sicherheit in der IT durch freie Software", ... und dann die ersten Fragen. Ich hab ausgeschaltet. Über Jahre höre ich immer wieder die gleichen Argumente und die gleiche Fragen zum Einsatz freier Software. Irgendwann müssten sich die Politiker doch so schlau gefragt haben, dass sie keine Fragen mehr haben oder sich aus den Fragestellungen zumindest ein Fortschritt in der Sache erkennen lässt.
Ich bedaure die Experten, die sich unermüdlich für den Einsatz freier Software einsetzen.
Die Quizfrage war als Scherz gemeint; ich habe darauf keine Antworten erwartet. Aber der Kommentar von Robert "Von 9 Dokumenten der Experten wurden nur 3 mit Open Source erstellt" beantwortet die Frage hinreichend.
Zumimdedt Bianca hat auf Mastodon wie folgt geantwortetgeantwortet "... auf meinem Notebook gibt es zumindest einen Dual Boot Mac OS / Fedora Asahi"
Moin,
"Open Source" ist übrigens per Definitionem nur eine andere Erklärung für Freie Software. Und der Begriff "Open Source" kann auch gut missverstanden werden. Spannend auch, dass Bruce Perens den Begriff recht schnell als gescheitert angesehen hat.
Wer mehr dazu wissen möchte:
https://fsfe.org/freesoftware/comparison.de.html
https://intevation.de/~bernhard/publications/200408-hmd/200408-wandel_der_it_20j_fs.html
Würde in der Runde darauf hingewiesen, warum nicht viel mehr freie Software eingesetzt wird? Wichtige Teile unserer Infrastruktur laufen auf freier Software. Wenn sie dafür gut ist, warum dann nicht auch für Arbeitsplätze (mal ganz plakativ)? Den Begriff Freie Software lege ich auch etwas weiter aus. Für mich gehören dazu auch die Konzepte, die dann eventuell in Strukturen oder Programmcode - proprietär oder frei - umgesetzt werden. Ein paar Stichworte dazu: Network Layers, Network Topology, Protokolle, RFCs, ... So gut wie alles was wir heute treiben, basiert auf diesen offenen Standards. Die sind ja nicht ohne Grund nicht vom Himmel gefallen, sondern mussten schwer erarbeitet werden und haben sich gegen proprietäre Ansätze durchsetzen müssen und eben auch durch gesetzt.
Sorry, hab's irgendwie geschafft 2x zu kommentieren.
Software regiert darüber was ein Computer tut. Bei proprietärer Software weiß nur der Hersteller was seine Programme tun und was sie nicht tun. Die Verwaltung eines demokratisch verfassten Staates ist mit proprietärer, geschlossener Software nicht möglich, weil sowohl dem Souterrain als auch seinen repräsentativen Vertretern jeglicher Einblick was die Software eigentlich macht verwehrt wird. Proprietäre Software kann nicht kontrolliert werden und stellt ein enormes Sicherheitsrisiko für die Allgemeinheit da. Offene Software gestattet den transparenten Blick auf den Quellcode einer Software, jedoch bleibt der Nutzer, in diesem Fall der Staat, in Abhängigkeit des jeweiligen Herstellers. Freie Software garantiert als einziges Lizenzmodell, dass die Allgemeinheit die Software unabhängig von Besitzrechten eines Herstellers in ihren Sinne anpassen, weiterentwickeln und weitergeben kann. Da die Gelder des Staates gesamt-gesellschaftlicher Besitz darstellt solle nur solche Software gekauft oder gefördert werden, die auch der Allgemeinheit wieder zur Verfügung steht. Alles andere ist nicht nur ein enormes Sicherheitsrisiko, sondern stellt auch eine Privatisierung von Allgemeinbesitz da.
Mir erscheint die Anhörung vom Format her mehr wie ein Schaulaufen gegenüber der Öffentlichkeit für bestimmte Positionen: "Seht her wir auch etwas gearbeitet...". Es repräsentiert vielleicht auch einen Zwischenstand oder doch eher nur einen Anfang .. ein Kick Off. Hier müßte man vielleicht tiefer einsteigen und sich damit befassen, wie solche Prozesse ablaufen: Warum es einen diesen Ausschuss gibt oder wo dessen Ergebnisse einfließen und an welcher Stelle die Anhórung erfolgt. Mir ist das nicht so ganz klar. Dem Format ist anscheinend geschuldet, dass an der Stelle gewisses nicht in Tiefe ausdiskutiert wird und bestimmte Positionen stehenbleiben.
Hier vielleicht erfreulicherweise positiv gestimmt gegenüber Opensource, aber das liegt vermutlich am gesetzten Thema und den dazu bestellten Experten. Die Fragen der Ausschussmitglieder würde ich teilweise jetzt nicht als in sinnvoll disqualifizieren. Sondern man kann vielleicht eher einen gewissen Informationsstand herauslesen. Wenn man jetzt gewisse Fragen als nicht sinnvoll oder zielführend ansieht, sollte man auf diese (oder auf deren Widersprüchen) im Detail hinweisen. Es kann schon sein, dass gewisse Teilnehmer Politik simulieren oder Nebelkerzen setzen, um gewisse ursprüngliche Zielsetzungen zu verwässern oder Clientel-Interessen einbringen. Aber zunächst muss man immer auch vom guten Willen der Beteiligten ausgehen, nachfragen was sie relevant an der jeweilgen Fragestellung finden ...