Distributionssuche die Entscheidungsfaktoren

  Jürg Rechsteiner   Lesezeit: 5 Minuten  🗪 16 Kommentare

Die Suche nach der richtigen Distribution sollte eigentlich systematisch angegangen werden, es sollte dabei keine Rolle spielen wie cool die Oberfläche aussieht.

distributionssuche die entscheidungsfaktoren

Die logische Reihenfolge der Prioritäten zur Auswahl einer Distribution:

  • Stabilität der Distribution und der Programme
  • Sicherheit
  • Hardware Kompatibilität
  • Programm Auswahl
  • Effizienz
  • Grafische Oberfläche, Outfit

1. Stabilität
Die Zufriedenheit mit einer Distribution ist am grössten, wenn keine Probleme auftauchen. Der Fokus müsste deshalb auf der Stabilität der Distribution und der Programme liegen. Am meisten Abstürze gibt es durch Software Abhängigkeiten. Hier müsste der Schwerpunkt auf einem App-Store wie Flatpak oder Appimage liegen. Viele Abstürze gibt es auch durch Veränderungen von Dateien in der Root-Partition. Ein System mit einer immutablen Root Partition bringt hier enorme Vorteile.

2. Sicherheit
Die Sicherheit rückt in letzter Zeit viel stärker in den Mittelpunkt, wegen den vielen Meldungen über Hackerangriffe. Um grösstmögliche Sicherheit zu gewährleisten, sollte der Kernel so aktuell wie möglich sein. Auch für die Sicherheit ist eine immutable Root Partition eigentlich ein Muss. Ein System mit bereits aktivierter Firewall sollte Standard sein. Auch mit Linux sollte man den Virenschutz nicht mehr ausser Acht lassen.


3. Hardware Kompatibilität
Systeme, die auf irgendeine Art mit dem Internet verbunden werden, sollten aus Gründen der Sicherheit eine möglichst aktuelle Distribution einsetzen. Aktuelle Treiber bringen dem System Sicherheit und Stabilität. Es ist wesentlich einfacher, mit einem neuen Kernel zu arbeiten, bei dem die aktuellen Treiber schon integriert sind, als passende Treiber zu finden und zu installieren. Die Hardwarekompatibilität muss unter Linux immer abgeklärt werden. Auch wer ältere Hardware benutzt, sollte versuchen, eine möglichst aktuelle Distribution einzusetzen.

4. Programm Auswahl
Die Programmauswahl ist ein wichtiger Faktor. Es kommt immer relativ schnell der Moment, wo man eine spezielle Software braucht oder zumindest gerne hätte, weil man damit eine spezielle Aufgabe leichter erledigen kann. Wenn man von Anfang an darauf schaut, dass man ein grosses Repository hat, ist das ein riesiger Vorteil. Wenn man aus irgendeiner Quelle ein Programm installiert, ist das zum einen ein Sicherheitsrisiko und zum andern kann das die Stabilität der Distribution stark beeinflussen.

5. Effizienz
Wie effizient man mit der Software arbeiten kann, sollte ein wesentlicher Punkt sein für die Auswahl der Distribution und wichtiger als das Aussehen der grafischen Oberfläche. Wie viele Klicks braucht man, um ein Programm zu öffnen. Wie schnell findet man das Programm und wie lange dauert es. Wie viele Male muss man ein Programm öffnen, in einer Stunde, in einem Tag? Was lässt sich mit Tastaturkürzel bewerkstelligen, um noch schneller eine Arbeit auszuführen? Nicht jede Oberfläche, nicht jede Software ist hier effizient. Effizienz bedeutet Zeit sparen, Zeit effektiv nutzen und eine Arbeit schneller erledigen können. Das sollte auch bei der Computerarbeit ein wichtiges Thema sein.

6. Grafische Oberfläche
Der Brennpunkt liegt bei den meisten zuerst auf der grafischen Oberfläche oder dem coolen Outfit. Es wäre jedoch ratsam, wenn man diesen Punkt den anderen Faktoren unterordnen würde. Viele Distributionen bieten Ihre Systeme mit verschiedenen Desktops an. Das Aussehen kann bei den meisten Desktops sehr gut angepasst werden, sodass man leicht ein gefälliges Outfit einrichten kann. Es lassen sich leicht andere Taskleisten installieren, die zum Beispiel einen MacOS ähnlichen Look bieten.

Die übliche Art der Entscheidung für eine Distribution:

  • Heft am Kiosk gekauft, dann wird vermutlich Linux Mint gewählt.
  • Von Bekannten empfohlen, die Vorlieben des Bekannten entscheiden die Wahl.
  • Rangliste bei Distrowatch, diese Liste zeigt nicht die wirklichen Installation an.

Leider gibt es keine Liste mit den am häufigsten auftretenden Problemen, wenn man jedoch die Foren besucht, kann man schon Trends ausmachen.

Das andere sind Erfahrungswerte. Ich habe schon sehr viele Installationen von Distributionen gemacht. Bei einigen Distributionen gibt es immer wieder Abstürze entweder bei der Installation der Distribution, bei der Installation von Programmen oder bei Updates oder auch erst nach einiger Zeit des Gebrauchs. Man bekommt ein Gefühl wie stabil, wie rund eine Distribution läuft. Diese Werte kann man nicht klassifizieren, aber man empfiehlt solche nicht weiter. Nicht alle machen hier die gleichen Erfahrungen, denn je nach Hardware verhält sich die Software anders.

Es gibt aber auch Distributionen, wo es praktisch immer rund läuft. Es wird aber immer irgendwo einen Bereich geben, wo es mal ein Problem gibt, das merkt man vielleicht besser, wenn man an die Grenzen dessen geht, was ein normaler User macht.

Einige Distributionen zeichnen sich aus durch wenig Probleme und das auch wiederholt bei neuen Ausgaben. Das zeigt sich auch sehr gut nach Updates.

Ein Beispiel möchte ich hier einfügen. Ich bin ein Fan von EndeavourOS und von Manjaro Linux. So hatte ich Manjaro installiert und parallel dazu EndeavourOS. Nun hat das Bootmenü von Manjaro sofort erkannt (Voraussetzung dafür ist ein Kernelupdate), dass ein anderes Betriebssystem installiert wurde und hat es ins Bootmenü integriert. Umgekehrt hat das nicht geklappt und das nicht nur einmal. Das sind dann so kleine Ungereimtheiten, die einem nachdenklich machen.

Die verschiedenen Distributionen mit der Immutable Root-Partition sind besonders interessant. Wirklich ausgezeichnet funktionieren nur wenige. Ganz vorn dabei sind Fedora Kinoite, Fedora Silverblue und Opensuse MicroOS. Der grosse Vorteil von Fedora: bisher habe ich kein Programm gefunden, das ich nicht installieren konnte, zudem habe ich das System bis jetzt nicht zum Absturz bringen können.

Quelle: Text von Jürg Rechsteiner

Tags

Distributionssuche, Stabilität, Sicherheit, Kompatibilität, Programmauswahl,

Michael
Geschrieben von Michael am 7. März 2023 um 14:19

Was mir aufgefallen ist, dass unterschiedliche Kernel zu Problemen führt. Hatte Mint und Antergos damals noch. Bei Antergos musste ich den Fallback verwenden. Seitdem ist nur noch ein Betriebssystem drauf. Was mir aktuell Kopfschmerzen bereitet ist die Systemlast für mein Dualcore Pentium, selbst XFCE verträgt nicht mehr viel, den 1GB Ram braucht es schon und die CPU ist oft in sehr hohen Bereich. Zuverlässigkeit, Aktualität, Systemumgebung und dann Zugriff auf meine Standardapps ist dann immer wieder ein abwägen. Dazu ist auch die Frage, wie stabil ist die Basis des Anbieters. Archcraft hat nicht die Community, wie Manjaro oder Endeavour. Den mir war es schon oft passiert, dass meine Distro verschwand und das Projekt eingestellt wurde aus Zeitgründen.

Jürg Rechsteiner
Geschrieben von Jürg Rechsteiner am 8. März 2023 um 18:42

Bei den aktuellen Distros gibt es, nach meinen Erfahrungen, keine Probleme mehr mit unterschiedlichen Kernel. Natürlich müssen die Kernel zum System passen. In einem Manjaro sind meistens mehrere Kernel Versionen gleichzeitig vorhanden und man kann nach belieben den einen oder andern starten. Ein so alter Computer mit nur 1 GB Ram kann man nur noch mit wenigen neueren Distros nutzen. Wichtig sind schon Distributionen mit einer grösseren Community.

kamome
Geschrieben von kamome am 9. März 2023 um 23:29

Solange man kein Firefox oder Chromium verwendet, kann 1 GB schon ausreichen.

Alfons
Geschrieben von Alfons am 7. März 2023 um 15:10

Dieser Kriterienkatalog entspricht auch in etwa dieser Reihenfolge meinem Auswahlschema. Ein weiteres Kriterium war bislang "Wenn eine Firma Geld damit verdienen muss, kann das für die Stabilität nur nützlich sein." Ubuntu, auch in den LTS-Versionen, war dafür aber bislang immer das beste Gegenbeispiel. Spätestens beim Update von einem auf das nächste LTS gabs irgendwelche Macken.

OpenSuSE Tumbleweed hingegen hat sich bei mir erstaunlich stabil gehalten, von daher finde ich den Hinweis auf das MicroOS (oder Silverblue / Kinoite) sehr interessant. Vielleicht ist das doch mal eine Option für die Oma, wo ganz plötzlich irgendetwas nicht mehr funktioniert, obwohl niemand was gemacht hat. Ich habe schon angefangen, mit ChromeOS zu liebäugeln, weil die alten Leutchen beim Zerstören von Systemen immer mehr Erfolg haben als ich seit SuSE 8.2...

Jürg Rechsteiner
Geschrieben von Jürg Rechsteiner am 8. März 2023 um 18:50

Eine Distribution die auch eine kostenpflichtige Variante anbietet ist mir immer ein wenig Suspekt. Die Marktwirtschaftlichen Interessen behindern meist die optimale Entwicklung der freien Version. Trotzdem ist Fedora Kinoite eine der besten Distributionen die es gibt, wenn nicht sogar die beste. Mein Problem ist, dass sie fast zu gut funktioniert. Sie funktioniert einfach, ohne grosse Anpassungen nach der Installation oder langwierigen nötigen Konfigurationen. Man könnte sogar fast auf das Terminal verzichten.

UbIx
Geschrieben von UbIx am 9. März 2023 um 07:27

Hier muss man etwas aufpassen. SUSE ist nicht gleich openSUSE! Zwar verwendet openSUSE viel von SUSE, abrr speziell being tumbleweed trifft die Community viele entscheidungen. Klar orientiert man sich an den zielen von SUSE da diese den Hauptanteil der Entwickler stellen.

Henry
Geschrieben von Henry am 7. März 2023 um 16:29

Ich hatte zu dem Thema schon mal vor paar Jahren was aufgeschrieben. Meine Prioritären sind (in dieser Reihenfolge)

  1. Sicherheit, zeitnahe Sicherheitsupdates, möglichst öffentliche Advisories

  2. Per default nur freie Software bzw. saubere Trennung von freier und unfreier Software

  3. Vernünftige Release-Politik, kein "bleeding edge" und einführen "disruptiver Technologien".

  4. Vernünftige Voreinstellungen, Standard-Konfigurationen nutzen, keine Sonderwege

https://write.as/allgoodthings/how-to-choose-a-distro

Jürg Rechsteiner
Geschrieben von Jürg Rechsteiner am 8. März 2023 um 19:00

Freie Software ist sicher ein wichtiger Faktor. Aber wenn ich für eine Arbeit dringend eine spezielle Software brauche, dann brauche ich eine Distribution mit einem Respository das die entsprechende Software beinhaltet. Mit einem Manjaro bekommt man fast jede Software und sogar alles freie Software. Es wäre schön wenn es Softwarearchive gäbe wo man jede Software bekommt und wenn man diese Archive in jeder Distribution integrieren könnte. Ein guter Ansatz ist hier Flatpak, unter anderem auch weil es da keine Abhängigkeiten gibt die das System beschädigen können.

ianspe
Geschrieben von ianspe am 7. März 2023 um 16:36

Prima Zusammenfassung! Seit über 20 Jahren mit Linux als daily driver unterwegs, habe ich oft Dutzende Distris installiert und mich ebenfalls von Zeitschriften, Bekannten und coolem GUI (ver)leiten lassen. Später dann mit Live-Systemen die Hardware getestet, aber immer wieder geswitcht. Dabei den Umgang mit allen Paketmanagement-Systemen gelernt und schliesslich vor etwa 5 Jahren bei Manjaro gelandet: Gute Balance zwischen aktuell und rock-solid, breite Hardwareunterstützung und grosse Community! Love it!

Aber man kann mit jeder Distribution glücklich oder unglücklich werden!

Es gibt nur zwei Sorten zufriedene Linux-Kunden: Solche, die angefixt werden und mich nicht mehr brauchen und solche, die nichts wollen, ausser auf Icons klicken (und dann mailen, surfen, schreiben, etc.). Also im Prinzip Apple-Kunden, die sich Apple nicht leisten können ;-) Freundliche Grüsse

Gast
Geschrieben von Gast am 8. März 2023 um 11:02

Guter Artikel

Mein Ablauf für "Umsteiger":

  1. Programm Auswahl: ist bei mir Punkt 1, gekaufte Software ja/nein und welche

  2. Hardware Kompatibilität: welche Drucker Scanner NAS usw hast du, und wer bringt die zum laufen?

Dann die wichtige Frage: Hast du jemanden in der Nähe 2-5min der sofort kommt und dir bei Problemen hilft? Meistens/immer: NEIN Dann hat es sich fast immer erledigt.

Alle anderen Punkte sind "Böhmische Dörfer" für reine ANWENDER, und interessieren überhaupt nicht.

Dieser Ablauf ist nur für "reine Anwender" und keine Admins oder die ein OS Linux/Windows verstehen/lernen wollen.

Gruß Gast

Jürg Rechsteiner
Geschrieben von Jürg Rechsteiner am 8. März 2023 um 19:02

Dieser Ablauf wird dann ziemlich schnell wichtig wenn es Probleme gibt und die kommen auf jeden Fall mit dieser Prioritätenliste, leider.

Dani
Geschrieben von Dani am 8. März 2023 um 12:29

Hi Hier Argumente Nummer 1 und 2: NLS und Friendly Support. Da kann eine Disti noch so hübsch und sexy daherkommen. Abgesehen davon gibt es Tails und Coreboot. AOSP oder Openwrt. Papier und Bleistift oder sowas Unmodernes wie ein Gespräch/eine Begegnung. Endbenutzer können mit sowas oder Luftschloss Kriterien nichts anfangen. "Ich habe doch nichts zu verbergen". Und leider weder Banken noch Behörden oder Polizei.

Danke für Eure Arbeit. Bitte dranbleiben.

Jürg Rechsteiner
Geschrieben von Jürg Rechsteiner am 8. März 2023 um 19:48

Diese Argumente richten sich in erster Linie an Personen die schon eine Ahnung haben was Linux ist. Darf ich fragen was Du mit NLS und Friendly Support meinst? Persönliche Gespräche sind natürlich das schönste.

Dani
Geschrieben von Dani am 9. März 2023 um 13:22

Salü Jürg.

National Language Support. Und das Vorhandensein einer lebendigen Community. MX wäre eben auch lässig. Habe einen X41 der damit toll saust.

Dani

Dani
Geschrieben von Dani am 9. März 2023 um 19:09

Nachtrag. Wer eine Ahnung hat, dem braucht man nicht zu predigen. Gerade hierzulande haben wir einen Haufen schlaue und engagierte Leute. Ich überlege, ob die Kirche wieder mal ins Dorf soll. Oder weiterhin vatikanisch rumfasele. War das mit dem Gespräch ein Angebot?

Geert
Geschrieben von Geert am 17. Mai 2023 um 21:14

Super Techno-gequatsche! Ich hab schon verstanden, dass Linux nicht für normale User gemacht ist - aber wenigstens die Auswahl der Version könntet ihr einem leichter machen. Kein Wunder, dass Windows rules.