Captain it's Wednesday - Folge 061 - Populismus

  Ralf Hersel   Lesezeit: 11 Minuten  🗪 4 Kommentare

Folge 061 des CIW Podcasts. Populismus, was ist das und wozu führt er?

captain it's wednesday - folge 061 - populismus

Populismus, was ist das und wozu führt er?

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Shownotes

CIW - Folge 061 - 08.11.2023 - Populismus

Intro

Hausmitteilungen

  • Keine

Thema: Populismus, was ist das und wozu führt er?

Lioh

  • Winston Churchill: 'Die Demokratie ist das kleinste Übel unter den bekannten Formen politischer Regierung'
  • Eidgenössische Wahlen 2023. SVP wirbt vorab mit Initiative zur '10 Millionen Schweiz' https://www.svp.ch/aktuell/kampagnen/keine-10-millionen-schweiz-nachhaltigkeits-initiative/
  • Ähnliche Brisanz wie die sogenannte Ausschaffungsinitiative, mit dem berüchtigten Schwarze Schafe Plakat: https://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%A4fchenplakat - diese Initiative forderte die Ausweisung kriminell gewordener Ausländer und wurde angenommen.
  • Landtagswahl in Bayern und Hessen. In Bayern hat die AfD von 10,2 Prozent im Jahr 2018 auf knapp 15 Prozent zulegen können und ist damit drittstärkste Kraft. Ähnlich in Hessen hat sich die AfD von 13,1 Prozent auf gut 18 Prozent gesteigert. Auch hier war das Hauptwahlkampfthema Migration.
  • Gründe: Öffnung und Schliessung in demokratischen Prozessen: wird von einer Öffnung eine Verbesserung oder zumindest keine Verschlechterung erwartet, sind die Bürger an Offenheit interessiert. Andernfalls wird eine Schliessung nach aussen bevorzugt.

Ralf

  • Definition: Populismus (von lateinisch populus ‚Volk‘). Charakteristisch ist eine mit politischen Absichten verbundene, auf Volksstimmungen gerichtete Themenwahl und Rhetorik. Dabei geht es einerseits um die Erzeugung bestimmter Stimmungen, andererseits um die Ausnutzung und Verstärkung vorhandener Stimmungslagen zu eigenen politischen Zwecken. Oft zeigt sich Populismus in einem spezifischen Politikstil und dient als Strategie zum Machterwerb. Populismus ist politischer Opportunismus.

  • Dem gegenüber steht das: Demokratieprinzip: Prinzip, das in einer Demokratie die Macht vom Volk ausgehen lässt. Es ist die wesentliche Basis für die Legitimation politischer Entscheidungen und Institutionen. Siehe auch Artikel 20 des deutschen Grundgesetzes. In der Schweiz lässt sich das Demokratieprinzip aus der Präambel der Bundesverfassung ableiten. In Österreich kann man das Demokratieprinzip aus Artikel 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes entnehmen.

  • Abgrenzung: Die Instrumentalisierung von Volksstimmungen ist nicht mit dem Demokratieprinzip vereinbaren, weil dadurch nur bestimmte Stimmungen verstärkt und für politische Absichten verwendet werden. Das ist wie der Unterschied zwischen Induktion (Ableiten vom Besonderen auf das Allgemeine) und Deduktion (Ableiten vom Allgemeinen auf das Besondere). Beispiele folgen.

    Wie gesagt betreibt Populismus Cherry-Picking bei der Themenwahl und erzeugt Stimmungen, indem auf diese Kirschen hingewiesen wird (Stammtisch). Die Stimmungsmache ist ebenfalls nicht mit dem Demokratieprinzip vereinbar, weil damit die Breite der Meinungen im Volk ausgeschaltet wird.

    Neben dem Überhöhen von bestimmten Themen, versuchen Populisten oft, das Volk von den Eliten zu unterscheiden. Diese Trennung ist in mehrfacher Hinsicht falsch: a) die Eliten sind Bestandteil des Volkes. b) Der Begriff Eliten wird nicht, schwammig oder für den gerade passenden Zweck ausgelegt. Mal sind es die (anderen) Politiker, mal die Regierung, mal die Reichen oder die Wissenschaftler:innen. Häufig findet man hier auch ein antisemitisches Narrativ aus dem Bereich der Verschwörungserzählungen.

  • Beispiele
    • Induktion: "Ein Türke stinkt, also stinken alle Türken". Das ist ein logischer Fehlschluss und somit nicht zulässig.
    • Deduktion: "Alle nutzen staatliche Infrastruktur, also muss jede Einzelperson Steuern zahlen".
    • Populismus induziert: "Die Migration ist ein Problem, also wird sie als Ursache für alle Probleme dargestellt".
    • Demokratieprinzip deduziert: "Die Migration ist kein Problem, sondern ein Menschenrecht. Deshalb müssen wir die Ausgestaltung der Migration für die Betroffenen verbessern".

  • Das sind die Top-Sorgen der Schweizer, Deutschen und Österreicher im Jahr 2023:
  • Schweiz
    1. Gesundheitskosten
    2. Situation der Umwelt
    3. Altersvorsorge
    4. Klimawandel
  • Deutschland
    1. Inflation und steigende Preise
    2. Politische Lage im In- und Ausland
    3. Sorge um die eigenen Kinder
    4. Spaltung der Gesellschaft
  • Österreich
    1. Kluft zwischen Reich und Arm
    2. Massnahmen der Bundesregierung für die Zukunft
    3. Flüchtlinge in Österreich
    4. Inflation

      Ich stelle fest, dass das Geld im Portemonnaie in D.A.CH. an erster Stelle der Sorgen steht. Danach lassen sich kaum Übereinstimmungen erkennen. Umwelt und Klima haben in der Schweiz einen hohen Stellenwert. In DE und AT erscheinen gesellschaftliche Themen an höherer Stelle. Das Thema Migration steht in AT immerhin an vierter Stelle. In CH erscheint Migration nicht in den Top-10. Bei den Deutschen kommen die Migrationssorgen erst an siebter Stelle.

  • An diesem Ausflug in die Statistik erkennt man gut die Wirkung von Populismus. Insbesondere die rechtsextremen Parteien wie Afd, SVP und FPÖ behaupten Migration als Hauptsorge der Bevölkerung, obwohl das nicht stimmt. Durch Reproduktion dieser Behauptung in gesinnten Medien wird diese falsche Behauptung zur Verstärkung der Stimmung missbraucht. Wenn man tausendmal wiederholt, dass Migration ein Problem ist, glaubt es irgendwann auch die letzte Wählerin.

  • Mitnichten ist der Populismus ein Phänomen des rechten Randes. Dieses Werkzeug findet man im Repertoire alle Parteien, weil es sich zur Beförderung der parteipolitischen Ideen geradezu anbietet. Nach meiner Meinung ist daran die gesetzliche Ausgestaltung der Staatsform Demokratie schuld. Parteien werden für eine Legislaturperiode gewählt, also für einen begrenzten Zeitraum von 4 Jahren, in dem sie ihre politischen Ideen umsetzen müssen, um für die nächste Legislatur wiedergewählt zu werden. In ruhigen und friedlichen Zeiten mag das funktionieren. Jedoch nicht, wenn dringende Probleme entgegen einer latent populistischen Stimmung umgesetzt werden müssen. Das sieht man zurzeit gut bei der deutschen Ampelkoalition: Die Grünen sind an allem Schuld, obwohl sie die einzige Partei ist, die versucht, dringend nötige Entscheidungen gegen den Populismus umzusetzen.

  • Anders gesagt: In der heutigen Medienlandschaft (insb. Social Media) halte ich es für unmöglich, ein Parteiprogramm durchzusetzen. Das liegt nicht am Willen einer Partei, sondern am Populismus, den Koalitionspartner gegen dich einsetzen. Es liegt am latenten Populismus der Menschen in einem Land. Populismus lässt sich viel einfacher umsetzen als schmerzhafte Ehrlichkeit und Notwendigkeit. Populisten framen das als "Verbotspolitik".

  • Was hilft gegen Populismus?
    • Wenig, weil die Ignoranz, Politik-Verdrossenheit, Medien-Inkompetenz, ungenügende Bildung, die Leichtgläubigkeit, Haltungsferne und der Egoismus in der Gesellschaft dagegen wirken.
    • Demokratie ist ein fragiles Gut, das jederzeit von allen erhalten, gestärkt und verteidigt werden muss.

Outro

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Tags

Podcast, CIW, Captain

Andanan
Geschrieben von Andanan am 8. November 2023 um 16:17

FYI: Wir hatten bei der Darstellung der Shownotes einige Darstellungsprobleme. Hier im Artikel hat Ralf diese Fehler von Hand behoben, im RSS-Feed des Podcasts ist aktuell aber noch die "kaputte" Version. Das Problem waren im Grunde die Unterschiede zwischen der klassischen Markdown-Spezifikation und CommonMark.

Bis zum nächsten Podcast konnten wir das hoffentlich beheben.

Stefan
Geschrieben von Stefan am 8. November 2023 um 23:53

Bitte konzentriert euch wieder auf eure ursprünglichen Themen: Linux, FOSS und IT. Dort habt habt ihr unzweifelhaft eine enorme Kompetenz, die ich sehr schätze. Natürlich sollte es jedermann frei stehen, politische Themen zu diskutieren. Doch ist gnulinux.ch dafür der richtige Platz? Hier kommt man hin, weil man sich für freie Software interessiert, nicht für Populismus, Gendern & Co. Dafür gibt es bereits unzählige Plätze im Netz. Für Linux nicht. Eine Entpolitisierung dieser Plattform und back to the roots wäre schön.

Lioh
Geschrieben von Lioh am 11. November 2023 um 07:28

GLN war immer schon politisch. Das Motto lautet Freie Software, Freie Gesellschaft. Linux ist nur eine Ausprägung davon.

Pol Rubi
Geschrieben von Pol Rubi am 11. November 2023 um 08:09

@Stefan Von mir aus dürfte es gerne noch mehr "politische Themen" geben. Man muss ja die Artikel nicht lesen oder Podcast nicht hören, wenn einem das Thema nicht zusagt.