Ersteindrücke zu Fedora Silverblue: Frischer Wind in der GNU/Linux-Welt

  Fabian Schaar   Lesezeit: 7 Minuten  🗪 2 Kommentare

Die "unveränderliche" Distribution Fedora Silverblue setzt auf Flatpaks und weiß positiv zu überraschen.

ersteindrücke zu fedora silverblue: frischer wind in der gnu/linux-welt

Hinweis: Das ist ein Meinungsartikel.

"Immutable" Distributionen sind in letzter Zeit in aller Munde. Alle reden über openSUSE ALP, Fedora Silverblue und Konsorten, oder haben zumindest davon mitbekommen. Ich wusste lange Zeit nicht, was ich von dieser Entwicklung halten sollte. Ein System, was "unberührbar" ist, klang für mich eher nach "unkontrollierbar" als nach "unkaputtbar".

Mittlerweile kann ich besser nachvollziehen, warum unveränderliche Distributionsmodelle und Distributionen einen derartigen Aufschwung erlebt haben. Das Konzept ist für mich umso spannender geworden, je länger ich mich damit beschäftigt habe. Besonders wichtig war vermutlich auch, das Ganze selbst einmal unvoreingenommen auszuprobieren. Ohne die Ganze Zeit an etwaige Nachteile zu denken.

Heute habe ich Fedora Silverblue auf meinem Hauptrechner installiert: All-in sozusagen. Interessanter Weise bin ich wirklich überrascht, sehr positiv. Ursprünglich hatte ich bedenken, dass das Zusammenspiel aus Flatpaks und System-Layering zu speicherintensiv werden könnte. Ich habe mir schon durchgerechnet, wie groß so ein System wohl werden könnte, aber rückblickend wäre das vielleicht gar nicht nötig gewesen.

Der Bedarf an Plattenplatz beläuft sich auf etwa 15 GB, und das bei knapp über 50 installierten Flatpaks. Die Bedenken, die ich ursprünglich hatte, waren nicht gerechtfertigt und haben meine Vorstellungen, nicht nur von Silverblue, aber auch vom Gesamtkonzept "Immutable" getrübt.

Dieser ursprüngliche Pessimismus hat sich, sobald ich das System einmal tatsächlich auf der richtig echten Platte hatte, ziemlich schnell in eine gewisse Euphorie gewandelt. Sicher, Silverblue hat noch ein paar Ecken und Kanten, um ein Einlesen in die Dokumentation kommt man auf keinen Fall drum herum und auch eine gewisse Aufbruchstimmung kann nicht schaden. Aber: Alles in Allem bin ich doch ziemlich angetan.

Ich hätte nicht gedacht, dass mich ein Konzept, dem ich bis vor ein paar Wochen oder Tagen noch eher skeptisch gegenüberstand derartig überzeugen könnte. Ja, Silverblue macht manches anders, manches muss man umlernen und auch ich habe noch ein paar Wünschlein. Aber: Alles in allem ist Silverblue schwer in Ordnung, zumindest meinem ersten Eindruck zu Folge.

Die Systemeinrichtung selbst fällt dabei erstaunlich unkompliziert aus, wobei man sich vielleicht darauf einstellen sollte, was man von der Distribution erwartet. Die Installation verläuft eigentlich ziemlich genau wie eine reguläre Fedora-Installation. Danach muss man sich mit Flatpaks an stelle der klassischen RPMs versorgen.

Fedora liefert nur einen kleine Satz an vorinstallierten Anwendungen aus, dazu gibt es noch Firefox als RPM. Über die Fedora-Flatpaks lassen sich dann weitere Anwendungen installieren. Eine größere Auswahl kann man sich über das Flathub-Repository verschaffen; stand jetzt scheint das auch noch ein Muss zu sein. Die Fedora-Flatpaks sind in der Auswahl dann doch relativ begrenzt. Nichtsdestotrotz zeigt sich hier, dass Fedora und de facto auch Red Hat massiv auf diese Containertechnologie setzen.

Nach der Einrichtung wirkt Silverblue wie ein gut integriertes und vor allem robustes Fedora-System. Dabei wird die typische Aktualität des Software-Stacks gewahrt, aber mit dem Rollback-Konzept kombiniert. Theoretisch kann mit Silverblue eigentlich wenig schief gehen, wenn es denn einmal läuft oder auch nur lief. Ein Rollback und fertig, so einfach soll das gehen. Ich selbst habe diese Funktion noch nicht gebrauchen müssen.

Als Desktop-Anwender komme ich tatsächlich besser mit Flatpak aus, als ich mir das selbst hätte vorstellen können. Die Auswahl ist, gerade mit dem Flathub, mehr als ausreichend groß. Das Plattenplatz-Problem scheint zumindest momentan alles andere als ein Problem zu sein.

Im Zuge der Flatpak-Installationen habe ich wesentlich mehr mit GNOME Software als der Kommandozeile gearbeitet. Davon mag man halten, was man will. Flatpak ist jedenfalls nicht unbedingt für die unkomplizierte Namensgebung der einzelnen Pakete bekannt.

Auch die Kritikpunkte, die mir bisher aufgefallen sind, halten sich eher in Grenzen: Einerseits sind die Fedora-Flatpaks zu limitiert, als das man auf das Flathub verzichten könnte. Dieses kann aber während der Ersteinrichtung in Version 37 aber noch nicht einfach hinzugefügt werden. Für Version f38 soll sich das aber ändern, zumindest für die reguläre Workstation-Ausgabe.

Das Konzept der Fedora-Flatpaks finde ich trotzdem löblich. Fedora kann so eine gewisse Kontrolle über die eigene Anwendungsverwaltung behalten, steht aber einer etwaigen Vereinfachung der Paketverwaltungen auf das Flatpak-Format nicht im Wege.

Schade finde ich, dass sich die Flathub-Anwendungen nicht nach Lizenzen filtern lassen, weder auf flathub.org, noch über GNOME Software. Dahingehend würde ich mir, der Softwarefreiheit zu Liebe, einige Verbesserungen wünschen.

Über die Performance-Probleme von GNOME Software selbst kann ich einigermaßen hinwegsehen. So weit ich weiß, arbeiten die GNOME-Entwickler gerade daran. Ganz nebenbei scheint mir das einfache Konzept der GNOME-Arbeitsumgebung nur zu gut in das von Silverblue zu passen. Beide Projekte scheinen sich angenehm zu ergänzen.

Der größte Verbesserungsbedarf besteht in meinen Augen bei der Integration von Drittanbieterquellen, insbesondere RPM Fusion. Ich vermute stark, dass ein Großteil der Anwender um die Installation von Multimedia-Codecs nicht herumkommen wird, ich bin da keine Ausnahme.

Während die Installation von RPM Fusion an sich, und auch die der Codecs ohne Probleme funktioniert hat, bemerken selbst die Maintainer im entsprechenden HowTo-Abschnitt auf rpmfusion.org, dass die Integration momentan noch nicht ideal ist, gerade, was den Wechsel zwischen den Fedora-Hauptversionen angeht.

Ich hoffe, dass es in Zukunft noch weitere Fortschritte in dieser Richtung geben wird. Im Moment ist die Situation nicht unfassbar schrecklich, und doch merkt man, dass Silverblue nicht primär darauf ausgelegt ist, mit (Drittanbieter-)RPMs umzugehen. Vermutlich wäre ein erster sinnvoller Schritt eine Erweiterung der offiziellen Fedora-Dokumentation um derartige Problemstellungen.

Was die bestehende Dokumentation angeht, werden neue Nutzerinnen und Nutzer gut in das Konzept eingeführt. Man muss halt lesen wollen, aber ich glaube, dafür ist die Distribution interessant genug. Die wichtigen Grundfunktionen sind gut und übersichtlich dokumentiert, die Grundkonzepte werden vergleichsweise anschaulich dargelegt. Schade ist, dass diese Dokumentation im Moment noch ausreichende Englischkenntnisse voraussetzt.

Abschließend möchte ich festhalten: Fedora Silverblue hat mich sehr positiv überrascht. Die Einrichtung und Nutzung des Systems wirken zwischen den mittlerweile oftmals gesehen Konzepten der Distributionslandschaft frisch und modern. Wer sich einmal darauf einlässt, scheint mit Silverblue ein modernes und gleichzeitig robustes System zu erhalten.

Ich persönlich bin mittlerweile umso gespannter, wie sich das Projekt weiterentwickelt. Mittlerweile aber nicht mehr, weil ich Angst habe um die bisherigen Errungenschaften der GNU/Linux-Welt, sondern weil ich hoffe, dass sich Silverblue dort verbessern kann, wo es sinnvoll und manchmal auch nötig ist.

Fedora-Projektseite: https://getfedora.org/

Fedora-Silverblue-Projektseite: https://silverblue.fedoraproject.org/

Bild: "Fedora (clothing)" von David Ring, Europeana Fashion; Creative Commons CC0 1.0 Universal Public Domain Dedication, verteilt über Wikimedia Commons.

Tags

Fedora, Silverblue, immutable, Flatpak, rpm-ostree

Henry
Geschrieben von Henry am 24. Februar 2023 um 22:25

Für mich ist Flatpak nach wie vor allenfalls eine Ergänzung, native Pakete sind immer noch zu bevorzugen. Nativ ist besser bei Performance, Ressourcenverbrauch, Integration und Sicherheit.

Die Integration in Syteme ohne Desktop Environment ist suboptimal - "flatpak run foo.bar.bla" ist halt umständlicher als einfach nur "bla", also muss man sich kleine Scriptwrapper schreiben. Auch zwei Paketsysteme pflegen zu müssen ist eher umständlich. Flatpak als Paketsystem ist auch nicht besonders schnell.

Matthias
Geschrieben von Matthias am 26. Februar 2023 um 18:18

Vielen Dank, ich zögere noch aber Dein Artikel ermutigt mich.