Plug-&-Play-Photovoltaikanlagen

  Remo   Lesezeit: 8 Minuten  🗪 21 Kommentare

Eine Plug-&-Play-Photovoltaikanlage ist eine steckbare Photovoltaikanlage zur dezentralen Energieeinspeisung in das elektrische Netz.

plug-&-play-photovoltaikanlagen

Vor einiger Zeit wurde im Talk über die Energiekrise und den Mangel an Gas, Öl und Strom im nächsten Winter gesprochen. Das hat mich motiviert, euch kurz über Plug-&-Play-Photovoltaikanlagen zu informieren und euch meine Anlage vorzustellen.

Ganz im Sinne der Hackethik, Misstraue Autoritäten – fördere Dezentralisierung, passt das Thema auch gut zur freien Gesellschaft und zu unserer Community. Natürlich wird Open Source Software benutze.

Was ist eine Plug-&-Play-Photovoltaikanlagen?

Eine Plug-&-Play-Photovoltaikanlage, dies ist die offizielle Bezeichnung des Eidgenössischen Starkstrominspektorat (ETSI), ist eine steckbare Photovoltaikanlage zur dezentralen Energieeinspeisung in das elektrische Netz. Im Internet findet sich auch häufig die Bezeichnung Balkonsolaranlage oder Guerilla-Solaranlage. Diese Anlagen sind netzgekoppelt, wie die allermeisten Photovoltaikanlage, und können nicht als Inselanlage, z.B. für Notstrom, betrieben werden. Grundsätzlich könnte man seine Balkonsolaranlage auch mit einem Stromspeicher betreiben. Die Wirtschaftlichkeit ist dann aber sehr fragwürdig.

Normative Anforderungen

In der Ausgabe No. 148 2020 von CHECK Das Magazin des VSEK auf der Seite 31 gibt es einen sehr guten Artikel und auch das Papier vom ETSI bezüglich Steckbare Photovoltaikanlagen geben sehr genaue Auskünfte zu den technischen und normativen Anforderungen in der Schweiz.

Kurz zusammengefasst müssen folgende Punkte beachtet werden:

  • Maximal 600 W AC Leistung (auch eine Abriegelung auf dem Wechselrichter ist zulässig)
  • Für die PV-Anlage muss eine Konformitätserklärung vorhanden sein
  • Es muss eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (PRCD, Typ B, 30 mA) oder allstromsensitive Fehlerstrom-Überwachungseinheit (RCMU) im Wechselrichter vorhanden sein (IEC / EN 62109-1 / -2 sowie VDE-AR-N 4105)
  • Es muss ein frei steckbares Erzeugnis im Sinne der NEV sein

Sind alle Anforderungen erfüllt, ist die Betreiberin verpflichtet, die Balkonsolaranlage der Netzbetreiberin schriftlich zu melden. Die Netzbetreiberin darf die Anlage nicht verbieten. Ich habe eine kurze Meldung verfasst, mit den Angaben zu meinem Hausanschluss sowie den Datenblättern und Konformitätserklärungen der Komponenten. Anschliessend musste ich noch ein technisches Anschlussgesuch (TAG) ausfüllen, was eigentlich nicht vorgeschrieben wäre, und der Betrieb wurde abgesegnet. Danke dem TAG, gibt es aber bei uns in der Gemeinde auch für Plug-&-Play-Photovoltaikanlagen eine Einspeisevergütung.

Technik

Aus Sicht der Nachhaltigkeit war es mir wichtig, so viele Secondhand Komponenten wie möglich zu verwenden. Über die bekannten Internetauktionshäuser und Handelsplattformen in der Schweiz sowie von einem lokalen Solarteure habe ich die Solarpanels und den Wechselrichter gekauft. Das Kleinmaterial habe ich über meinen Arbeitgeber beim Elektrogrosshandel erstanden.

  • 3 x 280 W Monokristalline Solarmodule (20.- CHF)
  • Mastervolt SOLADIN 1000 WEB (200.- CHF)
  • Kleinmaterial wie Kabel, Stecker, etc. (100.- CHF)
  • Shelly Plus1PM (20.- CHF)

Im Vergleich zu komplett fertigen Balkonsolaranlagen aus dem Fachhandel, könnte ich meine Komponenten sehr günstig erstehen.

Installation

Da ich eine elektrotechnische Ausbildung abgeschlossen habe, bin ich imstande solche Installationen selbst zu machen. Alle Installationen am Stromnetz oder bei hohen Spannungen an der Gleichstromseite sollten immer von Fachpersonal gemacht werden. Es besteht Lebensgefahr! Wenn keine Fachkenntnisse vorhanden sind, sollte eine steck-fertige Anlage aus dem Fachhandel gekauft werden.

Auf der Südseite unseres Hauses haben wir ein Velohäuschen das fast den ganzen Tag gut besonnt ist. Ich habe mich dazu entschieden, die Solarmodule flach auf das Dach zu legen, da dies mit sehr wenig Aufwand verbunden war. Das Dach hat eine Neigung von ca. 5°, damit das Regenwasser abfliessen kann. Da es leider kein Stromanschluss im Velohäuschen gab, mussten wir noch Installationsrohre verlegen.

Den Wechselrichter musste ich bei 600 W Ausgangsleistung abriegeln, damit ich die normativen Anforderungen erfülle. Allerdings bringen die 10 Jahre alten Solarmodule mit insgesamt 840 W auch nur selten mehr als die erlaubten 600 W Leistung.

Monitoring

Der Wechselrichter ist von Hause aus WLAN-fähig und konnte seine Messdaten an ein Solarportal der Herstellerin senden. Allerdings wurde dieses Solarportal vor ein paar Jahren eingestellt. Der Wechselrichter bietet sonst keine andere Möglichkeit die Prozessdaten abzurufen! Das ist wieder einmal ein Negativbeispiel für ein Vendor-lock-in. Zum Glück lässt sich der Wechselrichter auch ohne die Cloud der Herstellerin betreiben.

Natürlich interessieren mich aber die Leistungsdaten der PV-Anlage. Als günstige und einfache Lösung bin ich auf die Geräte von Shelly gestossen. Auf diese könnte auch eine freie Firmware geflasht werden. Darauf habe ich aus Zeitgründen verzichtet. Die Geräte sprechen aber von Hause aus MQTT und können ohne Cloud im lokalen Netzwerk betrieben werden. Da ich sowieso schon einen Stack für diverse Monitorings betreibe (InfluxDB, Telegraf, Mosquitto und Grafana) habe ich das ganze auch mit integriert und ein Dashboard dazu gebaut. Auf dem Dashboard sind die Leistungsdaten, Wetterinformation sowie einige Berechnungen ersichtlich.

Dashboard: https://github.com/MrReSc/BlogPosts/blob/main/Balkonsolar/Photovoltaik_Shelly.json

Fazit

Bis Dato haben wir 48 Betriebstage und durchschnittlich 3.35 kWh pro Tag produziert. Das deckt ca. 30 bis 50 % von unsrem Tagesbedarf. Während der Sonnenstunden wird die Grundlast von ca. 150 W problemlos gedeckt. Während den Mittags- und Nachmittagsstunden bei moderaten Temperaturen werden die 600 W locker erreicht. Wir haben unser Verhalten dahin angepasst, dass wir zu den Spitzenleistungszeiten die Grossverbraucher wie die Waschmaschine oder Geschirrwaschautomat einschalten. So kann der Eigenverbrauch optimiert werden. Dadurch dass ich drei Solarmodule verwende und eine recht grosse Fläche habe, ist der Ertrag auch bei diffusen Lichtverhältnissen ziemlich gut. Das bring bei schlechten Wetterverhältnissen ein Vorteil.

Da ich alles selbst zusammengebaut habe und sehr günstig an meine Komponenten gekommen bin, rechne ich mit einer Amortisation nach bereits zwei bis drei Jahren.

Als Hausbesitzer, sofern es die finanziellen Verhältnisse zulassen, sollte eigentlich eine grosse Photovoltaikanlage auf dem Dach installiert werden. Und zwar auf so viel Fläche wie möglich. Ist dies aber nicht möglich, ist eine Balkonsolaranlage ein günstiger und auch für Mieter machbarer Beitrag zur Energiewende. Ich bin der Meinung, dass jede kWh aus erneuerbaren Energien zählt!

Tags

Photovoltaik, Balkonsolar, GuerillaPV, Solar

Stanok
Geschrieben von Stanok am 2. August 2022 um 10:30

Hallo, habe mir auch überlegt so etwas zu realisieren.

Welches Gerät haben Sie von Shelly genommen?

Remo
Geschrieben von Remo am 2. August 2022 um 12:11

Wie oben im Text beschrieben, habe ich ein Shelly Plus 1PM verwendet.

mh
Geschrieben von mh am 2. August 2022 um 11:24

Es ist aber suboptimal, die Panels derart flach zu legen. Ab Herbst wird da nichts mehr produziert werden. Ein verstellbares Holzgestell ist schnell gemacht.

Remo
Geschrieben von Remo am 2. August 2022 um 12:18

Ja ich weiss, das es suboptimal ist. Die Ausbeute über das Jahr scheint aber nicht so schlecht zu sein. Ich habe bereits etwas konstruiert um einen steileren Winkel zu realisieren.

kaligule
Geschrieben von kaligule am 2. August 2022 um 20:47

Ich hatte erwartet, dass es da ausreicht, ein paar Ziegel unterzulegen. Welchen Winkel peilst du denn an?

Remo
Geschrieben von Remo am 12. August 2022 um 14:10

Ich denke ca. 20°. Ich habe die Panels mit Starken Magneten am Blechdach befestigt, da kann ich leider nichts unterlegen.

kaligule
Geschrieben von kaligule am 2. August 2022 um 20:51

Spannend. Ich hätte gedacht, dass die Paneele den größten Kostenpunkt ausmachen, aber die fallen ja kaum ins Gewicht. Erstaunlich.

Hast du Mal ausgerechnet, ab wann sich die Anlage finanziell ausgezahlt hat?

Remo
Geschrieben von Remo am 12. August 2022 um 14:00

Habe ich im Artikel geschrieben. Ich denke in 2-3 Jahren werden die Materialkosten armotisiert sein.

Micha
Geschrieben von Micha am 2. August 2022 um 22:33

Hallo, ich habe 2 Wohnungen und zwei Stromzähler. Brauche ich dann auch zwei Wechselrichter oder gibt es irgendeine Möglichkeit den Strom des Wechselrichters auf zwei Steckdosen aufzuteilen?

Remo
Geschrieben von Remo am 12. August 2022 um 14:00

Du brauchst zwei Wechselrichter. Bei zwei Wohnungen wären ja zwei Anlagen an je 600W sinnvoll.

Micha
Geschrieben von Micha am 3. August 2022 um 06:55

Hallo, ich habe zwei Wohnungen im gleichen Haus. Also auch zwei Stromzähler. Gibt es eine Möglichkeit den Strom des Wechselrichters auf zwei Steckdosen aufzuteilen? Oder Brauche ich auch zwei Wechselrichter?

Fabian
Geschrieben von Fabian am 3. August 2022 um 10:57

Warum ist die Wirtschaftlichkeit mit einem Stromspeicher fragwürdig?

Remo
Geschrieben von Remo am 12. August 2022 um 14:03

Weil die Anschaffung sehr teuer ist und die Lebenszeit der Akkus begrenz. Meist ist es so, dass die Armotisationszeit und die Lebenszeit ungefähr gleich ist.

Matthias
Geschrieben von Matthias am 3. August 2022 um 11:02

Sehr guter Artikel vielen Dank.

Peter V.
Geschrieben von Peter V. am 4. August 2022 um 17:52

Diese Anlage ist ein wahres Schnäppchen, nicht jeder hat so viel Glück

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Remo
Geschrieben von Remo am 12. August 2022 um 14:04

Ja ich hatte Glück und vor dem Boom damit angefangen meine Komponenten zu suchen (ab Januar 2022).

Peter V.
Geschrieben von Peter V. am 4. August 2022 um 18:01

Das Dashboard zu Deinem Shelly wäre sicher ein Artikel wert. Grosses Interesse hätte ich als Wartender auf mein Balkonkraftwerk: Förderprogramm Stecker-Solaranlagen des zürcherischen Elektrizitätswerkes, mit europäischen Pannels https://www.ekz.ch/de/privatkunden/energieberatung/foerderprogramme/foerderprogramm-stecker-solaranlagen.html

Remo
Geschrieben von Remo am 12. August 2022 um 14:06

Du kannst dich bei mir melden, dann kann ich dir mein Dashboard gerne zur Verfügung stellen.

Reiner
Geschrieben von Reiner am 11. Dezember 2022 um 10:17

Hallo Remo, kannst du das Dashboard noch bereitstellen? Ich nutze Grafana, influxdb 2.0 Gruß

Remo
Geschrieben von Remo am 11. Dezember 2022 um 11:44

Hier findest du das Dashboard das ich mit dem Shelly benutzt habe.

https://github.com/MrReSc/BlogPosts/blob/main/Balkonsolar/Photovoltaik_Shelly.json

Udo
Geschrieben von Udo am 15. Dezember 2022 um 17:50

Hallo liebes Team,

Ihr habt hier eine sehr interessante Seite auf die Beine gestellt, danke dafür.

Ich habe auch eine openDTU (gekauft) die auch wunderbar funktioniert. Alledings scheitere ich immer wenn es auf die gethub Seite geht. Ich finde dort nicht einmal die Updates für die openDTU.

Auch würde es mich berennend interessieren wie man über die MQTT Schnittstelle Verlaufskurven darstellen kann.

Habt ihr vielleicht eine kleine Beschreibung wie man z.B. die Firmware herunterladen und die DTU flashen bzw. wie man die Daten als Kurven grafisch darstellen kann?

Die Beschreibung vielleicht nicht gerade auf gethub ,-)

Viele Grüsse