Rolling Releases - irgendwann hat es sich ausgerollt
Fr, 24. Februar 2023, Ralf Hersel
So manch einer fragt sich, ob ein getaktetes, ein LTS (long term support) oder ein Rolling-Release Modell die beste Wahl für die eigenen Bedürfnisse ist. Was ich damit meine, zeige ich am Beispiel dieser Distributionen:
- Fedora fährt ein getaktetes Release-Modell: alle 6 Monate gibt es eine neue Version.
- Ubuntu ist auch getaktet: jeden Frühling und Herbst erscheint eine neue Version.
- Ubuntu publiziert ausserdem allen 2 Jahre eine LTS-Version.
- Arch-Linux ist ein Rolling-Release: die aktuellen Pakete treffen kontinuierlich ein.
- Manjaro verfolgt den Semi- oder kuratierten Rolling-Release Ansatz: Pakete werden in kontinuierlichen Stufen ausgerollt.
Bei den getakteten oder LTS-Varianten bedeutet das für die Anwenderin eine Neuinstallation nach einer bestimmten Zeit; bei getakteten nach ca. 6 bis 18 Monaten, bei LTS-Releases nach ca. 2 Jahren. Verwendet man eine Rolling-Release-Distribution, muss man theoretisch niemals neu installieren. Um das "theoretische" geht es in diesem Artikel.
Wer eine Rolling-Distro installiert hat, fragt sich vielleicht, wie lange das Ding schon läuft. Um das herauszufinden, gibt es drölfzig verschiedene Kommandos. Das Einfachste ist dieses:
stat -c %w /
2022-05-04 04:14:44.000000000 +0200
Mein Notebook läuft demnach nicht einmal ein Jahr lang rollend. Auf diesem System habe ich keine Probleme. Manjaro/GNOME läuft darauf bestens. Etwas anders sieht es auf meinem HP-Desktop aus:
stat -c %w /
2021-05-08 15:08:45.000000000 +0200
Der läuft ziemlich genau 1 Jahr länger auf Manjaro, also seit 2 Jahren. Zwei Jahre sollten für ein Rolling-Release kein Problem sein. Im Grossen und Ganzen ist es das auch nicht. Erst seit dem GNOME 43.3 Update kann sich die Desktop-Umgebung auf meinem HP nicht mehr daran erinnern, dass ich das dunkle Erscheinungsbild eingestellt habe. Nach jedem Log-in wird das standardmässige helle Theme angezeigt. Trotz Recherche in diversen Foren und Befragung unserer HELP-Gruppe habe ich noch keine Lösung gefunden. Doch bin ich zuversichtlich; bisher hat die Kraft der Community noch jedes Problem gelöst. In der Zwischenzeit behebe ich das Beibehalten des Dark-Modus mit einem Autostart-Shell-Skript:
gsettings set org.gnome.desktop.interface color-scheme prefer-dark
Spannend wird es, wenn man länger als die üblichen Zweijahres-Zyklen der LTS-Releases unterwegs ist. Da ich diese Laufzeit-Erfahrung noch nicht habe, kann ich nur spekulieren, bzw. die Zeichen, die ich sehe, extrapolieren. Wer an einer Rolling-Distro nicht herumschraubt, wird vermutliche viele Jahre ohne Probleme damit arbeiten können. Doch das Schrauben liegt den meisten Linuxern im Blut. Bei mir ist es sozusagen "berufsbedingt". Für die Artikel bei GNU/Linux.ch muss ich oft Anwendungen installieren, um sie testen und darüber schreiben zu können. Nicht immer mache ich das in einer virtuellen Maschine. Ausserdem optimiere ich gerne meinen GNOME-Desktop mit Erweiterungen, auf dem Weg zur perfekten Umgebung.
Beim GNOME-Desktop kann man sich mit Vanille zufriedengeben, oder den Kampf gegen die Minimalisierung aufnehmen. Ich schätze, dass viele den zweiten Weg wählen. Und dieser Weg hat einen Namen: Extensions. Dummerweise ist die Welt der Erweiterungen ein Minenfeld. Sehr ähnliche Erweiterungen drehen an sehr ähnlichen Parametern in den GNOME-Settings. Da ist es kein Wunder, wenn die Erweiterungen die Desktop-Umgebung zur Konfusion bringen.
Meine Vermutung ist, dass man jede Rolling-Distribution nach einer gewissen Zeit "kaputtgefrickelt" hat. Dann ist eine Neuinstallation fällig. Die Formel dafür hat zwei Variablen: Zeit und Frickel-Energie. Je länger, desto kaputt. Je mehr Gefrickel, desto kaputt.
Mich würde die Erfahrung der Langzeit-Roller zu diesem Thema interessieren. Wie lange konntet ihre eure Rolling-Distro am Leben erhalten? Wie sah euer Frickel-Faktor aus? Schreibt es gerne in die Kommentare.