Gestern habe ich über das Spieglein an der Wand geschrieben und die angepasste Benutzeroberfläche von Zorin OS gelobt. Tatsächlich hatte ich die Idee, weitere Schönheitskönige vorzustellen. Davon hat mich die Erfahrung mit EndeavourOS in einer virtuellen Maschine abgehalten. Diese Arch-basierte Distribution erfreut sich einer grossen Beliebtheit, weil sie Calamares als grafisches Installationsprogramm verwendet und ebenfalls viel Wert auf ein stimmiges Erscheinungsbild legt.
Leider musste ich die Übung vorzeitig abbrechen, da EndeavourOS mit KDE-Plasma als Desktop-Umgebung in der virtuellen Maschine (VM) GNOME-Boxes nicht bedienbar ist. Die Distro funktioniert zwar, jedoch derart zähflüssig, dass man nach ein paar Minuten die Lust verliert. Diese Erfahrung brachte mich zur Idee für diesen Artikel.
Stellen wir uns folgenden Anwendungsfall vor:
In eurem von Microsoft beherrschten Büro möchtet ihr in einer VM eine GNU/Linux-Distribution installieren, damit ihr produktiv arbeiten könnt. Welche Distro eignet sich dafür?
Ich habe noch einen weiteren Use Case zu bieten:
Du verwendest Linux als Haupt-Distribution auf deinem Heimrechner. Gelegentlich möchtest du Anwendungen in einer VM ausprobieren, ohne den Hauptrechner zu versauen.
Diese VM-Installation muss diese Bedingungen erfüllen:
- einfache Installation in einer VM
- gute Aufführungsgeschwindigkeit in einer VM
- Verfügbarkeit von aktuellen Paketen
Wenn das eure Anforderungen sind, empfehle ich Manjaro mit dem Xfce-Desktop. Ich habe die Distro in GNOME-Boxes installiert und für euch kurz getestet. Hier sind meine Ergebnisse:
Installation
Nachdem ihr die ISO-Datei von Manjaro mit dem Xfce-Desktop heruntergeladen habt, erfolgt die Installation wie man es von Manjaro gewohnt ist. Zuerst erscheint ein TUI, in dem man grundlegende Optionen für den Installer einstellen kann. Danach bootet man in die Live-Session und klickt auf das Installieren-Icon. Dann folgt man den Anweisungen des grafischen Installationsprogramms. Ich zeige euch hier keine Bildschirmaufnahmen dieses Prozesses, weil ihr diese bestimmt schon x-mal gesehen habt.
Nachdem die Installation abgeschlossen ist seht ihr nach einem Neustart diese Oberfläche:
Xfce verwendet das Whisker-Menü, welches nach meiner Meinung zu den Besten gehört. Im Screenshot seht ihr den Dateimanager Thunar. Auch diese Anwendung gehört in den Olymp, wenn es um Dateimanager geht. Das Erscheinungsbild entspricht nicht dem Manjaro-Xfce-Standard. Ich habe das Hintergrundbild geändert und von hell auf dunkel umgeschaltet. Ausserdem habe ich dem Panel Anwendungsstarter hinzugefügt.
Nachteile von Xfce
Die Desktop-Umgebung entwickelt sich langsam und bedächtig. Die aktuelle Version von Xfce 4.18 ist am 15. Dezember 2022 erschienen. Die nächste Version Xfce 4.20 ist für den 15. Dezember 2024 geplant. Wie ihr seht, vergehen zwei Jahre zwischen den Releases. Dafür erhaltet ihr eine sehr stabile und durchdachte Arbeitsumgebung.
Das Panel von Xfce ist nicht einsteigerfreundlich. Die Trennung zwischen Starter-Icons und der Anzeige von laufenden Anwendungen ist längst nicht mehr der Stand der Dinge. Man kann im Xfce-Panel zwar alles Gewünschte erreichen, aber nicht als Anfänger:in.
Die Einstellungsverwaltung erinnert an Windows 11. Schlimmer geht es nicht. Das erinnert an die 90er-Jahre. KDE-Plasma und GNOME zeigen, wie es besser geht. Die Xfce-Einstellungen sind ein Sammelsurium von verschiedenen Anwendungen:
Vorteile von Xfce
Xfce ist ein Fels in der Linux-DE-Brandung. Das XForms Common Environment wurde 1996 von Olivier Fourdan begonnen und wird seit fast 30 Jahren bewusst und stetig weiterentwickelt. Diese Desktop-Umgebung gehört zwar nicht zu den Neuesten, behauptet sich jedoch durch ihre Ausgewogenheit zwischen Design, Funktionalität und Geschwindigkeit. Je nachdem, wie Xfce konfiguriert ist, erscheint der Desktop modern und stylish.
Manchmal überlege ich, ob ich vom modernen GNOME-Desktop auf die sauschnelle Xfce-Benutzerumgebung wechseln soll.
Der grösste Vorteil von Xfce ist seine Geschwindigkeit. Das gilt generell, aber besonders bei den oben genannten Anwendungsfällen. KDE-Plasma halte ich für unbenutzbar in virtuellen Umgebungen; langsamer geht es nicht. (Alle KDE-Fans dürfen gerne den Gegenbeweis antreten). Der GNOME-Desktop ist auch lahm, lässt sich aber in VMs noch geradeso anwenden.
Wir schreiben das Jahr 2024. Wir haben in unseren PCs, Notebooks und Smartphones CPUs, GPUs und NPUs zur Verfügung, die die tausendfache Leistung im Vergleich zu den Prozessoren der Jahrtausendwende bieten. Warum wird alles immer langsamer?
Xfce ist schnell, sehr schnell. In meiner Test-Installation öffnet sich der Dateimanager Thunar in gefühlten 0 Sekunden. Das Terminal startet ebenfalls in 0 Sekunden. Firefox ist nicht schneller als in anderen DEs. Gimp braucht 10 Sekunden für den Erststart und 2 Sekunden für den nächsten Start. Thunderbird nimmt sich 6 Sekunden für den Erststart.
Für die Paketverwaltung ist Manjaros Pamac verantwortlich, der auf dem Arch Pacman basiert. Dort gibt es die nativen Arch-Pakete, sowie auf Wunsch AUR-Pakete, Flatpaks und Snap-Pakete:
Himmel, was willst du mehr?
Fazit
Wenn es um eine Distribution geht, die in einer virtuellen Umgebung optimal laufen soll, ist Manjaro mit dem Xfce-Desktop eine gute Wahl. Damit erhaltet ihr eine performante Umgebung, die neue Pakete liefert und gut aussieht. Was wollt ihr mehr?
Hm, ich überlege mir gerade, ob Xfce auf meinen Rechnern eine Alternative für GNOME wäre, tja. Das passiert, wenn man beim Artikelschreiben das Bessere entdeckt :)
Quellen:
Titelbild: https://pixabay.com/illustrations/ai-generated-mouse-racing-car-car-8674235/, KI-generiert, von Ralf bearbeitet
https://xfce.org/
https://wiki.xfce.org/releng/start
https://en.wikipedia.org/wiki/Xfce
Wie wäre es denn mit BlendOS als Hostsystem?
Danke für den spannenden Artikel. Deine Erfahrungen decken sich mit den Eigenen, die ich bisher in virtualisierten Umgebungen gemacht habe. Gerade für kleine VMs ist Xfce gut geeignet. 👍
Xfce habe ich immer mal wieder ausprobiert. Wäre es nicht so "kleinzellig", ich meine damit Einstellungen für die ich bis heute keinen Nutzen erkennen kann, (zB. Klickgeschwindigkeit im Millisekunden einstellen usw.) und gäbe es ein vernünftiges App Dock statt dieser Leisten und wäre es womöglich noch etwas gradliniger und eleganter in der Optik, es wäre mein Desktop. So nutze ich "ersatzweise" Gnome. Mit den Erweiterungen ArcMenu, DashDock Cosmic, BlurmyShell, UserThemes und der durchweg stimmigen Gößendarstellung von Schrift, Icon und anderen Elementen kann ich sehr gut arbeiten. Wem etwas Ästhetik und Klarheit wichtig ist, kann mit Xfce nicht glücklich werden.
Hallo Ralf, zu deinem Fazit, Gnome durch Xfce zu ersetzen möchte ich nur ergänzen, dass Xfce meines Wissens nach noch keine ausreichende Unterstützung für Wayland besitzt. In Gnome ist diese meiner Erfahrung nach (auch mit Nvidia Treibern) inzwischen sehr ausgereift. Wenn man also schon eine Rolling Distro hat, will ich zumindest auch das Neuste in Sachen Displayserver nutzen. Inklusive der massiven architektonischen Vorteile. :)
Mit Xfce 20 kommt im Dezember erste Unterstützung für Wayland.
Ich denke die Frage welche Distro läuft im Emulator schnell ist nicht besonders sinnvoll, wenn nicht zuvor andere Fragen geklärt sind.
Welche virtuelle Umgebung wurde verwendet? Welcher Grafikstack lief auf dem Hostsystem (Xorg, Wayland)? Mit welchem Grafikstack stellt sich der Emulator dar? Mit welchem Grafikstack lief das Gastsystem? Wurden auf den unterschiedlichen Ebenen Grafikbeschleuniger verwendet? Etwa kann derzeit ein Gastsystem auch mehr oder weniger direkt die Grafikkarte erreichen? Verwendet das Gastsystem Einstellungen, die nur bei Grafikbeschleuniger sinnvoll sind (z.B. viele Effekte bei KDE-plasma).
Die Antwort auf die Fragen kann sehr unterschiedlich ausfallen und ich denke in hohem Maß das Ergebnis beeinflussen. Wünschenswert wäre wenn die großen Desktops auch Lightvarianten oder leicht zu konfigurierenden Schalter für Effekte oder auch automatisch die Geschwindigkeit bestimmter Features analysieren und bei Bedarf ausschalten. Vermutlich gibt es auch viele andere Arbeitsfelder und auch Probleme zu lösen, dass wenig direkte Entwicklungsarbeit in solche Optimierungen fließt, die heterogene Umgebungen betrifft.
Toller Artikel. Ich habe aber hauptsächlich den use case, dass die VM nicht auf dem lokalen Rechner sondern auf einem Heimserver oder in der Cloud laufen soll und hier ist eigentlich immer die "Remote-Desktop-Übertragung" das Problem. In den vergangenen Jahren gab es bei uns in der Firma immer wieder mal den Wunsch Linux-Desktops als VMs (auf einem Server anzubieten). Wir hatten alles mögliche probiert SPICE, VNC, xRDP aber das lief entweder total ruckelig (SPICE, xRDP) oder sah einfach nicht gut aus (VNC) und war somit einfach nicht praxistauglich. GNOME soll ja seit 46 eine verbesserte RDP Unterstützung haben, aber ich konnte das noch nicht testen. Letztlich wird es dann doch immer ein Windows via Microsoft RDP, weil die das schon seit 20 Jahren hinbekommen. Falls hier jemand einen guten Tipp hat, immer her damit.
Zuerst ein Dankeschön für den Artikel :-) Ich hatte vor einigen Monaten verschiedene Linux-Distributionen als Docker-Container getestet. Ich war überrascht, wie gut die Bedienung via Browser funktioniert (https://hub.docker.com/r/linuxserver/webtop). Das wäre vielleicht ein Versuch wert.
Wow, ich wusste gar nicht dass man Container so "verbiegen" kann. Wenn man bei linuxserver.io weiterliest scheint das aber eher etwas für Entwickler zu sein, da man aufgrund der Privilegien sehr leicht aus den Containern ausbrechen kann. Weiters scheint der hier verwendete KasmVNC Server leider auch nur auf X11 beschränkt zu sein. Ich habe aber zwischenzeitlich den gnome-remote-desktop in GNOME 47 + Wayland getestet und das dürfte nun tatsächlich ein Gamechanger für Remote Access sein, zumindest im lokalen Netzwerk. Performance/Latenz via Internet/Cloud muss ich noch testen.
Meiner Erfahrung nach ist LXQt (z. B. via Lubuntu) auf alter Hardware stets noch etwas performanter als Xfce. Das dürfte auch auf eine virtuelle Umgebung übertragbar sein. Teste ich demnächst mal.
"Das Panel von Xfce ist nicht einsteigerfreundlich. Die Trennung zwischen Starter-Icons und der Anzeige von laufenden Anwendungen ist längst nicht mehr der Stand der Dinge. Man kann im Xfce-Panel zwar alles Gewünschte erreichen, aber nicht als Anfänger:in."
Das verstehe ich rein inhaltlich nicht. Was ist mit "Trennung zwischen Starter-Icons und der Anzeige von laufenden Anwendungen" gemeint?
"... aber nicht als Anfänger:in" Ich bin kein glühender Verfechter des Genderns, wer's mag soll's tun. Warum werden aber hier "Alle KDE-Fangirls..." nur die Mädels angesprochen?
Die neueren Panels/Launcher unterscheiden nicht zwischen dem Starter-Icon und einer laufenden Instanz einer Anwendung. Mehrere Instanzen werden mit Symbolen oder Zahlen auf dem Starter-Icon angezeigt. Die älteren Panels zeigen es doppelt an: das Starter-Icon und ein oder mehrere Icons für die laufenden Instanzen.
Aha... ist das so. Da ich XFCE benutze, war mir dieser Wandel nicht so bewusst. Bei meiner Frau und ihrem MATE-Desktop ist das auch noch so wie früher™. Erscheint mir persönlich wenig sinnvoll, wenn ich z.B. mit mehreren ODT-Dokumenten arbeite: Dann habe ich im Panel z.B. 3 Schaltflächen für die laufenden Instanzen mit den Dokumentennamen darin. Macht das Umschalten zwischen denen deutlich einfacher, finde ich.
Ich habe mir das dann mal angeguckt... wenn man möchte, kann man in den Einstellungen auch das andere Verhalten aktivieren. Dann gibt es immer noch Starter-Icons, aber nur noch eine Schaltfläche mit der Zahl geöffneter Instanzen.
Habe "Fan-Girls" in "Fans" geändert. Danke für den Hinweis.
Ist es nicht Xfce 4.18? Und nicht Xfce 2.18.
Na klar, es ist Xfce 4.18 bzw. 4.20.