Dynebolic: Kreativität zum Mitnehmen

  Ralf Hersel   Lesezeit: 6 Minuten  🗪 6 Kommentare

Diese Distribution richtet sich an Kreative, die ihr Betriebssystem, die Anwendungen und die Arbeitsergebnisse mit sich tragen möchten.

dynebolic: kreativität zum mitnehmen

Es gibt eine Vielzahl von Linux-Distributionen, die auf bestimmte Aufgaben ausgerichtet sind. Es gibt Distributionen für Desktops, Server, Firewalls, Router, Spiele, Container, Dateiserver, Forensik, Penetrationstests und mehr. Es gibt auch Distributionen, die speziell dafür entwickelt wurden, Kreative bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Eine dieser Distributionen ist Dynebolic, die vor einem Jahrzehnt an Popularität gewann, als sie gerade ihre Entwicklung einstellte. Jetzt gibt es sie wieder in der aktuellen Version 4.0 beta.

Zehn Jahre sind vergangen und heute sind wir zurück mit einem brandneuen Dynebolic 4.0, basierend auf Devuan 5 "Daedalus", Live-Boot und der Linux-Kernel 6.8 Serie.

Zehn Jahre sind in der IT-Branche eine lange Zeit, aber Rastasoft ist zuversichtlich, dass seine Distribution wieder in Form kommt. Mithilfe des KDE-Plasma-Desktops ist Dynebolic zu einem portablen, kreativen Betriebssystem geworden, das speziell auf die Multimedia-Produktion ausgerichtet ist und eine Fülle von Audio- und Video-Tools bietet, nämlich:

  • Ardour7 - Digital audio workstation
  • Audacity - Sound editor
  • Butt - Streaming tool
  • FFADO Mixer - FireWire audio mixer
  • HDSPConf - Hammerfall DSP control application
  • JAMin - JACK Audio Mastering interface
  • Kdenlive - Video editor
  • Mixxx - Digital DJ interface
  • OBS Studio - Streaming/recording
  • QJackCtl - JACK control
  • soundKonverter - Audio file converter, CD ripper, and Replay Gain tool
  • TiMidity++ - MIDI sequencer
  • VLC - Media player
  • Darktable - Virtual light table and darkroom
  • GIMP - Image editor
  • Inkscape - Vector graphics editor
  • Scribus - Page layout
  • Konqueror - Web browser
  • Thunderbird - Email

Nach dem Herunterladen der ISO-Datei und der Installation in der virtuellen Maschine GNOME-Boxes, präsentiert sich Dynebolic so hübsch, wie ihr es im Titelbild seht. Bei einer Distro, die sich dem Thema Kreativität widmet, hätte ich im Startmenü eine bessere Aufteilung erwartet:

Leider gibt es dort nur die beiden Themen-spezifischen Menüs Graphics und Multimedia. Diese Unterteilung halte ich für zu grob. Besser fände ich Menüs für Audio-Bearbeitung, Audio-Wiedergabe, Video-Bearbeitung, Video-Wiedergabe und Bild-Bearbeitung. Ausserdem fehlt Dynebolic eine Office-Suite.

Dahingegen legt Dynebolic Activities für verschiedene kreative Arbeiten an, was ist gut finde:

Ein wenig mehr Aufwand bei der Menüaufteilung hätte doch sicher noch drin gelegen.

Um ein paar Details zu testen, wollte ich im Webbrowser (Konqueror) ein Bild von Pixabay herunterladen, was mir nicht gelang. Vermutlich ist die Welt von KDE-Plasma eine, in der ich nicht funktioniere. Weder Download, noch Save as funktionierten. Zum Schluss habe ich mit wget ein Bild heruntergeladen, um die Funktionen zu prüfen, die Gimp in Dynebolic anbietet. Meine Erwartung war, dass die Distribution Gimp mit wichtigen Erweiterungen ausstattet, die man haben möchte, wie z. B. die Resynthesizer-Funktion.

Beim Speichern von neuen Dateien muss man aufpassen, dass nach einem Neustart nicht alles verloren ist, was standardmässig der Fall ist. Daher empfiehlt es sich, die eigenen Dateien auf ein externes Laufwerk oder einen Cloud-Speicher abzulegen. Auch da hätte ich von der Distribution mehr erwartet. Bei einem Live-System auf einem USB-Stick, ist es nämlich möglich, einen persistenten Bereich einzurichten, sodass die Dateien auf dem USB-Stick landen und beim Neustart nicht verloren sind. Damit hätten kreative Nutzer:innen tatsächlich ein portables System.

Fazit

Mit einem aktuellen Devuan (Debian ohne systemd), dem 6.8er Kernel und KDE-Plasma in Version 5.27.5 liefert Rastasoft nach 10 Jahren eine aktuelle Version ihres Live-Systems für Kreative ab. Die Distro ist schön gestaltet und erhält eine Vielzahl an installierten Anwendungen aus dem Media- und Kreativ-Segment.

Aus zwei Gründen verstehe ich das Gesamtkonzept einer portablen Distribution für Kreative nicht:

  1. Multimedia-Anwendungen und -Dateien sind tendenziell gross und entsprechend langsam beim Starten. Da bei einem Live-System alle Anwendungen von einem externen Speichermedium gestartet werden müssen, fühlt sich das Arbeiten damit ziemlich zähflüssig an.
  2. Gibt es diesen Anwendungsfall überhaupt? Alle möglichen Kreativ-Anwendungen in eine Distro zu packen, ist ja schön und gut. Die Künstlerin benötigt die Audio-App, der andere Kreative verwendet die Grafik-Apps. Vermutlich benötigt niemand alle Kreativ-Anwendungen, die Dynebolic vorinstalliert hat.
  3. Aus den Punkten 1 und 2 lassen sich Empfehlungen für Kreative ableiten:
    • Kein Live-System, sondern eine normale Installation auf einem Notebook (viel schneller und trotzdem portabel)
    • Nicht alle Kreativ-Anwendungen, sondern nur diejenigen installieren, die man wirklich benötigt (schlankeres System; kein Bloat)
    • Persistenz auf dem Notebook, statt der Gefahr, Dateien zu verlieren

Quelle: https://dyne.org/software/dynebolic/

Tags

Dynebolic, USB-Stick, Kreative, Live-Boot

Uwe
Geschrieben von Uwe am 15. April 2024 um 21:21

Das mit dem langsamen Speichermedium stimmt grundsätzlich, aber mittlerweile sind auch SSD-USB recht preiswert und kompakt. Ich verwende für neue Installationen eine SSD mit Ventoy, ein Live System startet damit nur unwesentlich langsamer als ein installiertes System.

Beim Rest stimme ich aber zu. Besonders bei Applikationen ist der Sinn eher eingeschränkt.

Wolfgang  Kobel
Geschrieben von Wolfgang Kobel am 16. April 2024 um 06:33

Ein guter Artikel mit guten Ansätzen besonders im Bereich der Musik. Ich als studierter Musiker vermisse dennoch ein sehr wichtiges Teil. Es fehlt mir MuseScore. Eine Software, die bei mir täglich zum Einsatz kommt, die unverzichtbar für Kreative im Bereich Musik sind. Ansonsten bin ich in vielen Punkten der gleichen Meinung wie der Autor.

Tokk
Geschrieben von Tokk am 16. April 2024 um 10:31

Wenn man vor allem die Empfehlung verfolgt, nur die Anwendungen zu installieren, die man eh braucht kann man auch eine beliebige Distribution nehmen und sich einfach seine Anwendungen installieren. Had diese Distribution denn irgendwelche speziellen Sachen? Kernel-Parameter für Echtzeitanwendungen oder ähnliches?

V wie Vendetta
Geschrieben von V wie Vendetta am 16. April 2024 um 13:19

Ist das nicht so bei den meisten Distros? Es gibt einzigartige wie Alpine, Gentoo, Chimera, Artix etc. und dann eben viele Derivate, die von einer der großen Distro abstammen und nur Kleinigkeiten verändern. Das hier sieht mir wie ein Devuan mit vorinstallierter Software aus.

Naja
Geschrieben von Naja am 16. April 2024 um 10:51

Vielleicht einfach mal auf deren Website schauen...

Da steht u.a.

"Freedom Needs Privacy Dynebolic Operating System does not include any cloud-service and does not establish background communications without the consent of the user. Dynebolic also includes support for strong encryption of private data, thanks to Dyne.org’s Tomb.

Freedom Of Expression More than the means of media playback, dynebolic includes free software for the production of professional grade multimedia.

For everything you can see and play, dynebolic includes the software to create it. This Operating System lets you express yourself, without the need to rent a license or install additional components. Dynebolic was built to make it possible for people to be the independent producers of their own story. Not just content creators for corporate platforms or consumers of information."

Mag für uns in Mitteleuropa ja vielleicht nicht vorstellbar sein, aber ich denke es gibt durchaus Orte auf der Welt, wo das opportun ist.

V wie Vendetta
Geschrieben von V wie Vendetta am 16. April 2024 um 13:47

Devuan und KDE klingt doch schon mal nach einer guten Kombination, aber es stellt sich die Frage, wie lange die das aufrechterhalten können. Leider hat KDE den Plasma-Desktop mit systemd verdongelt. Wenn die entsprechenden Polyfills nicht mehr weiterentwickelt werden, dann war es das. PostmarketOS hat ja schon das Handtuch geworfen.

Ist die Liste oben vollständig? Ich sehe GIMP, aber nicht das naheliegendere KDE Krita.

"Digital Resistance" + "Freedom Needs Privacy" + "Freedom Of Expression", aber Discord benutzen??? Schön, dass sie immerhin Matrix anbieten!