Heutzutage ist BYOD (Bring Your Own Device) an Schweizer Gymnasien verbreitet. Dies ist mit einigen Herausforderungen verbunden, da die Schüler:innen ganz verschiedene Geräte mitbringen. An unserer Schule sind nur Laptops mit integrierter physischer Tastatur und Touchscreen/Stift (oder zusätzlichem Stifttablet) zugelassen. IPads und Android-Tablets sind ausgeschlossen. Da die Schüler:innen im Unterricht mit ihrem eigenen Gerät arbeiten und dabei Expertise in der Verwendung erwerben, stellt sich die Frage, ob das eigene Gerät auch an Prüfungen zugelassen werden kann oder soll. Dabei muss die Lehrperson in aller Regel ausschliessen, dass die Schüler:in
- mit anderen Schüler:innen oder Drittpersonen digital kommuniziert
- KI-Tools verwendet (sowohl online wie auch lokal installiert)
- nicht vorgesehene Apps verwendet, die der Schüler:in einen ungebührlichen Vorteil verschafft
Dies ist durchaus herausfordernd. Die zwei verbreitetsten Lösungen dafür sind
- Der Safe-Exam-Browser (SEB), entwickelt von der ETH Zürich
- Der Lernstick, entwickelt von der Fachhochschule Bern
Beide Lösungen haben Vor- und Nachteile. In der Machbarkeitsstudie der PH Luzern sind diese gut zusammengefasst. Aus meiner eigenen Perspektive hat der Safe-Exam-Browser jedoch zwei entscheidende Nachteile:
- er läuft nicht auf Linux-Geräten
- er ist nicht wirklich sicher (wie eine einfache Internet-Suche zu Tage bringt)
Daher wollte ich den Lernstick ausprobieren. Der Lernstick ist ein bootbarer USB-Stick auf welchem ein speziell konfiguriertes Linux auf Debian-Basis läuft. Appetit darauf hat auch der Vortrag von Jörg Berkel an der I Love Free Software Day Feier gemacht. Ich werde hier meine Erfahrungen schildern, muss aber vorausschicken, dass ich nach einmaligem Ausprobieren noch Anfänger bin. Als Mathematik-Lehrer habe ich den Fokus auf den Einsatz bei Mathematik-Prüfungen gelegt. Da an unserer Schule die Kosten für BYOD-Geräte von den Erziehungsberechtigten getragen werden und damit einhergehend auf Weisung der Schulleitung nur noch ein einfaches Taschenrechner-Modell eingesetzt werden darf (nicht mehr der TI Nspire, der mit ca. 150 CHF zu Buche steht), soll das BYOD-Gerät auch höhere Taschenrechner-Funktionen wie etwa das Zeichnen eines Funktionsgraphen übernehmen.
Getestet habe ich den Lernstick EXAM, eine Spezialversion des Lernsticks für Prüfungen. Auf diesem ist die Software-Auswahl auf prüfungsrelevante Programme reduziert. Als Taschenrechner-Ersatz diente Geogebra (in Version 6). Ausserdem sind standardmässig der Zugriff auf Netzwerke, Bluetooth und lokale Speichermedien (interne Festplatte, andere USB-Sticks) blockiert. Bestimmte Websites können auf eine Whitelist gesetzt werden, so dass sie an der Prüfung eingesetzt werden können. Ausserdem lässt sich der Lernstick durch die Lehrperson anpassen. So habe ich für handschriftliche digitale Notizen, die an einer Mathematik-Prüfung üblicherweise unerlässlich sind, Xournal++ nachinstalliert, und (nur zum Testen) den online-Zugriff auf Wikipedia freigeschaltet. Das hat letztlich alles bestens funktioniert. Die erstmalige Einrichtung war aber mit Stolpersteinen versehen, die im Folgenden auch benannt werden.
Einrichtung des Lernsticks EXAM
Folgende Schritte habe ich unternommen, um die Lernsticks für die Schüler:innen einzurichten:
- USB-Sticks besorgen: USB-Sticks hatte ich schon für das Einführung in Linux Projekt angeschafft. Ich hatte mich dabei für den Sandisk Ultra Fit (16 GB) entschieden, da dieser günstig (ca. 10 CHF pro Stick) und klein ist und darüberhinaus eingermassen schnell ist (130 MB/s lesen, 50 MB/s schreiben). Auf der Lernstick Seite werden auch andere Modelle diskutiert.
- Urstick erstellen: Von https://releases.lernstick.ch/ habe ich die ISO-Datei für den Lernstick EXAM auf meinen Computer runtergeladen und sie mittels Gnome Impression auf einen ersten USB-Stick geflasht. In der Lernstick-Dokumentation wird dafür Belena Etcher empfohlen, aber das sollte keinen Unterschied machen. Dieser erste USB-Stick (der Urstick) ist zwar bootbar, aber nicht weiter beschreibbar und enthält keine Daten- und Austauschpartition. Er dient als eine Art virtuelle DVD, mit der echte Lernsticks erstellt werden können.
- MASTER-Stick erstellen: Diesen Urstick habe ich gebootet. In der Speichermedienverwaltung, die darauf automatisch gestartet wird, habe ich mittels "Das System auf Speichermedien installieren" einen MASTER-Stick angelegt.
Dies ist ein "richtiger" Lernstick, der (mit Zusatz-Programmen und Einstellungen an die eigenen Bedürfnisse angepasst) schliesslich vervielfältigt wird.
- MASTER-Stick anpassen: Nun habe ich das System heruntergefahren und den noch zu konfigurierenden MASTER-Stick gebootet. Beim Startbildschirm muss hier bei der Datenpartition "lesen und schreiben" ausgewählt werden.
Auf dem MASTER-Stick habe ich wie bereits erwähnt Xournal++ installiert, die Wikipedia-Webseite freigeschaltet und ausserdem zwei Arbeitsaufträge im Dokumenten-Ordner abgelegt.
- MASTER-Stick vervielfältigen: Für die Vervielfältigung habe ich das System nochmals heruntergefahren und beim Startbildschirm für die Datenpartition nun den "Nur Lesen" Modus ausgewählt. In der Speichermedienverwaltung konnte ich nun mit "Das System auf Speichermedien installieren" einen Lernstick (Kopie des MASTER-Sticks) nach dem anderen erstellen. Die Einstellungen musste ich dabei nur einmal vornehmen.
Aufgetauchte Probleme bei der Einrichtung
- Beim Vervielfältigen war mir nicht klar, ob ich die Austauschpartition kopieren muss oder nicht. Standardmässig wird sie kopiert. Das führte bei mir aber zu Lernsticks, die nicht gebootet werden konnten. Weshalb das so ist, verstehe ich heute noch nicht.
- Hilfe von der Community und den Entwicklern zum Lernstick gibt es in einer Google Gruppe. Im Vergleich zu einem Issue-Tracker auf Github (wo die Lernstick-Repositories gehostet werden) dürfte das weniger abschreckend auf den Normalbenutzer wirken. Um eine Frage dort stellen zu können, muss man aber erst eine Beitrittsanfrage machen, was ich anfangs Juli tat, etwa eine Woche vor der Sonderwoche, in welcher ich den Lernstick mit einer Klasse ausprobieren wollte. Die Beitrittsanfrage wurde aber erst im August angenommen und da war die Sonderwoche längst vorbei. Wer also nur schnell mal den Lernstick ausprobieren will, tut gut daran, bereits Wochen vorher eine Beitrittsanfrage an die Google Gruppe zu machen, um sich bei auftauchenden Problemen austauschen zu können.
- Um auf dem Lernstick nach Einrichtung einer Netzwerk-Verbindung ein Debian-Paket installieren zu können, muss man erstmal ein Terminal finden. In der Software-Übersicht wird man dabei nicht fündig und
Ctrl+Alt+t
, wie ich es von Ubuntu gewohnt bin, funktioniert ebenfalls nicht. Die Lösung lautetCtrl+Alt+F3
(um in ein virtuelles Terminal zu gelangen) undCtrl+Alt+F2
(um wieder zurück in die graphische Benutzeroberfläche zu kehren). In diesem virtuellen Terminal muss man sich übrigens mit Passwort einloggen. Schüler:innen können das nicht. - Das Vervielfältigen des MASTER-Sticks durch Erzeugung einer Lernstick.iso, wie in der Dokumentation vorgeschlagen, hat bei mir trotz mehrerer Anläufe nicht geklappt. Es gab Probleme mit Virtualbox und ein Problem mit einer unvollständig erstellten iso. Die Details dazu habe ich allerdings schon wieder teilweise vergessen. Das letztere Problem ist aber auch in einem Google Gruppen Beitrag beschrieben und scheint ungelöst.
Benutzung der erstellten Lernsticks
Die erstellten Lernsticks habe ich vorerst nicht für eine richtige Prüfung eingesetzt, sondern nur mal zum Testen während der Sonderwoche, die wegen Umzugsarbeiten an der Schule in der letzten Schulwoche anstand. Die Arbeitsaufträge enthielten vermischte Aufgaben und Verständnisfragen zum Stoff im zweitletzten Schuljahr. Es war der letzte Schultag und einige Schüler:innen nutzen ihre verbliebenen Jokertage, um die Sommerferien zu verlängern, so dass die Klasse auf eine Handvoll Schülerinnen zusammengeschrumpft war. Das hatte immerhin den Vorteil, dass genügend Zeit vorhanden sein würde, um sich um eventuell auftretende technische Probleme zu kümmern.
Eine Schülerin hatte nur ein iPad dabei (worauf der Lernstick nicht läuft) und verwendete daher ein Leihgerät (mit Windows), das ich mitgebracht hatte. Die Klasse ist eine BYOD-Pilotklasse und das Tablet-Verbot ist bei ihr noch nicht in Kraft. Abgesehen davon lief alles glatt und es traten weder Probleme mit Secure Boot noch mit Microsoft Bitlocker auf.
Direkt aus dem Windows Datei-Manager heraus liess sich der eingesteckte Lernstick, der als Laufwerk Lernstick (D:)
auftauchte, durch Doppelklick auf das darauf befindliche
start.bat
Skript starten. Nach Bestätigung einer Sicherheitsnachfrage landeten die Schülerinnen nach nicht allzu langer Wartezeit in einem übersichtlichen und angenehm ablenkungsfreien Gnome-Desktop. Das Öffnen, Bearbeiten und Abspeichern der Arbeitsaufträge klappte problemlos. Auch die Stifte funktionierten einwandfrei in Xournal++. Als die Schülerinnen nach getaner Arbeit ihr Gerät neu starteten, konnten sie die erledigten Arbeitsaufträge auch wieder im Windows Datei-Manager, auf Laufwerk Austausch (E:)
abrufen und auf ihre Festplatte kopieren.
Natürlich ist nicht zu erwarten, dass der Lernstick auf jedem unterstützten Gerät problemlos funktioniert. Als ich etwa denselben Lernstick später auf dem Laptop meiner Mutter ausprobiert habe, startete er nicht über den Willkommensbildschirm hinaus. Vielleicht hätte er sich mit etwas Erfahrung einfach zum Laufen bringen lassen, vielleicht auch nicht. In solchen Fällen ist es besser, wenn Ersatzgeräte zur Verfügung stehen. Im Abschlussbericht der Berufsmaturitätsschule Winterthur ist etwa von 80% der Geräte die Rede, welche auf Anhieb einwandfrei funktionierten. Bei einer typischen Klassengrösse von 20-25 Schüler:innen sollte man also mindestens 4-5 Ersatzgeräte zur Hand haben. Wird das im Vorfeld in der Klasse getestet, lässt sich der Bedarf natürlich genauer abschätzen.
Fazit
Die ersten Erfahrungen mit dem Lernstick machen Appetit auf mehr. Wenn man sich mal eingearbeitet hat und einzelne Stolpersteine überwunden hat, läuft das Erstellen der Lernsticks problemlos. Das Lernstick-Entwicklerteam hat sich grosse Mühe gegeben, die Benutzung des Lernsticks einfach zu gestalten. Dass sich der Lernstick (in vielen Fällen) einfach aus dem Windows-Dateimanager heraus starten lässt, ohne dass mühsam die richtige Tastenkombination für das Booten ab USB-Stick gefunden werden muss, und dass sich die Daten ab der Austausch-Partition genauso einfach einfach nach getaner Arbeit auf die Festplatte kopieren lassen, ist sehr angenehm. Für potentielle Bitlocker-Probleme gibt es auf dem Lernstick übrigens auch ein Skript, welches den Wiederherstellungsschlüssel herausliest und anzeigt, so dass ihn die Schüler:in mit der Smartphone-Kamera sichern kann.
Es wäre wünschenswert, wenn einige Probleme beim Erstellen der Lernsticks (oben benannt) noch gelöst würden, so dass mehr Benutzer auf Anhieb erfolgreich ihre Lernsticks erzeugen könnten. Mit der Kommunikation in einer Google Gruppe, bei welcher erst eine Beitrittsanfrage gemacht werden muss, werde ich nicht richtig warm. Aber das lässt sich wohl nicht so einfach umstellen.
Toll ist auf alle Fälle, dass sich ein Lernstick passgenau konfigurieren lässt. Als Lehrperson kann ich genau bestimmen, welche Programme zur Verfügung stehen, welche Internet-Seiten besucht werden können und welche Dokumente bereitgestellt werden. Darüber bietet der Lernstick wirklich eine übersichtliche und ablenkungsfreie Umgebung. Das wäre zu Weilen auch im gewöhnlichen Unterricht (ausserhalb Prüfungen) vorteilhaft und hätte dann auch den Vorteil, dass die Schüler:innen bereits aus dem gewöhnlichen Unterricht an den Lernstick und die darauf installierten Programme gewöhnt wären.
Quellen:
- Lernstick: https://www.bfh.ch/de/forschung/forschungsbereiche/lernstick/
- Lernstick Handbuch: https://lernstick-doc.readthedocs.io/de/latest/
- Vortrag von der FrOSCon: conference logo FrOSCon 2025 Lernstick Linux als persönliche Lern- oder abgesicherte Prüfungsumgebung
Ich bin zwar als Lehrperson aus dem Geschäft - möchte aber meine Anerkennung zu diesem Beitrag aussprechen. Habe selbst vor ca 10 Jahren mit Gebrauchten ( daher sehr billigen) Laptops und Linux gearbeitet.
Moin, das ISO-Erstellen geht wieder.
Was nicht (ohne Weiteres) geht, ist den Exam-Stick in Virtualbox zu pflegen - diesen würde man ja zuerst auf eine virtuelle Festplatte installieren (das geht noch). Festplatten werden aber dann standardmäßig deaktiviert (Exam), sodass das System nach der Installation nicht mehr läuft. Den "normalen" Edu-Lernstick kann man sehr gut virtuell betreiben.
Für Mathematik empfehle ich auch https://arithmico.com/. Da kann man eine lokale Version erstellen und angeben welche Funktionen enthalten sein sollen. Sehbehinderte sind damit auch versorgt.
Ich musste mich (als Vater einer Tochter, die an der Uni studiert) kürzlich mit Safe Exam Browser auseinandersetzen (ist dort leider verpfichtend). Nun musste ich dafür extra Windows-Geräte anschaffen (auch wenn dies rechtlich betrachtet gar nicht zulässig ist) und leider ist Safe Exam Browser in der Tat nicht sicher, und zwar nicht in Ansätzen.
Es gelang mir innert ein zwei Stunden eine virtualisierte Instanz aufzusetzen, selbst das Prüfprogramm SEB-Verficator meldete nach einer weiteren Stunde "Grün", obwohl Safe Exam Browser virtualisiert lief (und dies nicht mögich sein dürfte). Es gibt im Internet gar "kommerzielle" Angebote, welche einem durch die Prüfung "bringen". Das hat mich dahingehend "schockiert", dass ich dazu einen Beitrag verfasst habe (findet sich mühelos im Netz). Die Resonanz auf diesen Beitrag war/ist: Schweigen, Schweigen, Schweigen.
Dies geht soweit, dass mein Vortrag dazu für den LinuxDay.at aus sehr mirakulösen Gründen abgelehnt wurde. Erst hiess es, es hätte zu viele Vorträge. Nachdem ich aufzeigen konnte, dass ja nicht einmal alle Slots (z.B. über Mittag) vergeben wurden, hiess es, die Freiwilligen bräuchten eine Mittagspause (leider kein Witz).
Für den Vortrag hatte ich angeboten, einen Ableger meiner Open Source Linux Distribution AVMultimedia zu erstellen, bei dem es (nach meinem Kenntnisstand) nicht möglich ist, ins Internet zu kommen (Entfernen der entsprechenden Treiber auf Kernel-Stufe, etc.). Sicher wäre eine solche Distribution (AVSafeExam) aber ohnehin nur, wenn nicht die eigenen Geräte verwendet werden (siehe gleich unten betr. Lernstick-Exam).
Der Lernstick-Exam wäre da natürlich eine Alternative. Aber, auch hier gilt, es ist im Grundsatz einfach nicht möglich, Sicherheit und Chancengleichheit zu gewähren, wenn die Prüflinge die eigenen Geräte verwenden.
Ich habe es kurz mit Lernstick-Exam durchgespielt. Ich konnte die ISO-Datei mühelos virtualisiert installieren, damit ist Schummeln nun mal sehr einfach möglich. Wer wirklich sichere Prüfungen digital durchführen will, stellt eigene Geräte zur Verfügung. Dies mit einer Linux-Umgebung zu tun, hat insofern den entscheidenden Vorteil, dass keine Lizenzkosten anfallen und dass selbst betagte Geräte (Second Life) mühelos verwendet werden können.
Ich verstehe es offen gestanden nicht in Ansätzen, warum unsere Bildungseinrichtungen nicht in der Lage sein sollten, entsprechende Prüfungsgeräte bereitzustellen und dafür zu sorgen, dass die Examen mit einer sicheren Umgebung fair verlaufen. Ich schliesse hier gerne mit, die Hoffnung stirb zuletzt.
Lieber Urs und werte Beitragende, ich freue mich auf diesen Artikel gestossen zu sein und die Aktivität in den Kommentaren!
Die VM-Detection bei Lernstick EXAM ist nur aktiv, sofern im Willkommensprogramm ein Passwort gesetzt wurde: .. und wenn "virt-what" in deinem Fall wirklich ein False-negative erzeugte, wäre ich froh zu wissen welchen Hypervisor du eingesetzt hast! (Details siehe https://github.com/Lernstick/lernstick-menu-xdg/blob/exam/usr/bin/detect_virtualization )
Betreffend des Aspekts "durch kriminelle Energie und zeitliche Vorbereitung lässt sich jede Prüfungslösung umgehen", möchte ich aus Vollständigkeit ergänzen, dass wir als Proof-of-concept für CAMPLA-Lernstick eine Erkennung von Manipulationen am USB-Stick durch ein Backend implementiert haben via https://de.wikipedia.org/wiki/Trusted_Platform_Module#Bescheinigung_(remote_attestation) -- Aber: Alte Geräte haben kein (modernes) TPM!
Lieber Jörg
Vielen Dank für Deine Ausführungen. Damit wir uns richtig verstehen, ich finde nicht, dass ein OS (auch LernstickExam) auf einen "nativen" Rechner "gezwungen" werden sollte und ich erachte die TPM-Geschichte als nicht wirklich hilfreich, da TPM auch virtualisiert zur Verfügung gestellt werden kann (KVM). Nüchtern betrachtet ist es nach meiner Überzeugung einfach "untauglich", bei Prüfungen die privaten Geräte zu verwenden.
Ich hab das Skript zur VM-Erkennung kurz angesehen. Also, ich denke schon, dass mit wenig Aufwang eine modifizierte LernstickExam-Version mit verändertem Skript erstellt werden kann. Genau an diesen Punkt "krankt" ja auch SafeExam. Alles, was in der offiziellen Version zur Erkennung betr. Vritualisierung/Internet-Zugriff etc. "eingeführt" wird, lässt sich entsprechend "customizen", und zwar so, dass jene, welche die Prüfungen abnehmen, dies nicht feststellen werden können.
Ein gutes Mass an Sicherheit ist mit privaten Geräten nicht zu gewährleisten. Persönlich würde ich keine Prüfungen durchführen, bei der Geräte Zugriff ins Internet haben. Wo kein Internet ist, kann auch keines genutzt werden. Sollen die bestehenden Lösungen (Moodle et al) verwendet werden, so stellt dann mindestens die Geräte und die gesamte Software zur Verfügung, dann haben zumindest alle die gleichen Karten.
Um es gleich vorneweg zu nehmen, ich würde mir wirklich einen Safe Exam Browser (SEB) für Linux wünschen wie auch dass der Lernstick Exam auf aktuellen Mac Laptops funktionieren würde. So hätte ich die freie Wahl um das jeweils passende für mich und meine Prüfungen zu nutzen. Die SEB Entwickler würden wohl auch gerne eine Linux-Version haben, es fehlt ihnen, wie das Stöbern in deren GitHub Diskussionen zeigt, schlicht an der Finanzierung um eine Linux-Applikation und/oder SEB-Distribution oder vergleichbares zu bauen und stabil zu unterhalten. Die Lernstick-Entwickler scheinen die Lernstick-Entwicklung für aktuelle Mac Notebooks nicht in der Hand zu haben, sie sind abhängig vom Effort anderer Linux-Projekte die zum Ziel haben, Linux auf moderne Macs zu bringen. Modern meint Macs mit den Apple-eigenen Prozessoren M1, M2, M3 oder M4, wo wir im September 2025 stehen. Die neue Apple-Prozessorengeneration M5 steht dabei direkt vor der Tür.
In einem Vergleich der Geräte-Unterstützung ergibt sich für mich diese Situation bzgl. Lernstick Exam und Safe Exam Browser:
In Sachen Prüfungssicherheit denke ich, dass man das als Prozess von ineinandergreifenden Elemente verstehen und nicht an einem Element festmachen sollte. Eine einfache Anfrage hierzu im Internet bringt unter anderem diesen Artikel, der die Dinge aus mehreren Perspektiven gut am Beispiel des SEB zusammenfasst: Der Mythos vom Safe Exam Browser Bypass: Was steckt wirklich dahinter und welche Risiken gibt es?.
Den Demo-Beispielen in der Art von «Ich habe den Lernstick gehackt», «SEB geknackt» usw. mangelt es wohl zumeist an belastbaren "Erfolgszahlen" in der gut geplanten und durchgeführten heutigen digitalen Prüfungspraxis. Ein Kommentator hier hat ja gerade einen Weg aufgezeigt, dass der Lernstick Exam unsicher ist. Gleichwohl scheint es doch mehr Sicherheitselemente zu geben als in den Demo-Beispielen «Ich gegen den Lernstick bzw. SEB» wo anhand von Demo Sites gehackte Versionen vorgeführt werden. Dies vielleicht in der Annahme, dass diese einfachen Demo-Situation einer guten heutigen Prüfungspraxis entspräche. Vielmehr kann man davon ausgehen, dass Sicherheit durch entsprechende Einstellungen in den Prüfungssystemen, in der Konfiguration von SEB oder Lernstick erhöht oder erniedrigt werden kann. Und wie zumindest im Bereich Safe Exam Browser auf der Website ersichtlich ist, kann dies durch weitere Elemente wie spezifische SEB-Plugins/Integrationen für Learning Management Systeme oder Prüfungssysteme, SEB-Server und/oder SEB-Verifikator etc. weiter adjustiert werden. Ich gehe dabei auch mal ganz nüchtern ökonomisch davon aus, dass sich die Sponsoren des Lernsticks wie auch die 23 ersichtlichen Mitglieder (Hochschulen, Behörden, Firmen) der Safe Exam Browser Allianz von Australien über Amerika nach Europa schon Gedanken machen wo und in was sie ihr Geld investieren.
Allerdings, es ist wie immer in vielen Bereichen der IT-Sicherheit wie auch der sicheren Prüfungspraxis letztlich ein Katz- und Maus Spiel wo auch der menschliche Faktor und Aspekte wie Bequemlichkeit, «pfannenfertige Lösungen» etc. eine grosse Rolle spielen. Mag ich es beispielsweise als Lehrperson auf mich nehmen den Logistiker für USB-Sticks zu spielen oder will ich einfach eine App aufspielen lassen und mich «nur» mit deren praxisgerechten Konfiguration zu beschäftigen. Wie halte ich es mit der tauglichen Konfiguration meines Prüfungssystems usw.? Der hier in den Kommentaren vertreten Ansatz Offline-Prüfungen zu machen oder digitale Prüfungen nur auf Geräten der Schule zu machen ist sicherlich auch eine Option. Ersteres muss halt auch zu den Prüfungsinhalten passen und letzteres muss durch die Schule finanziert und gewartet werden können.
Wie auch immer man die Diskussion führen mag und zu welchem Schluss hinsichtlich der passenden Prüfungsumgebung man auch kommen wird, schlussendlich muss eine faire Prüfung für alle Teilnehmenden das Ziel sein.
Der von Dir zitierte Artikel "Der Mythos vom Safe Exam Browser Bypass: Was steckt wirklich dahinter und welche Risiken gibt es?" wurde auf Deutsch auf einer ungarischen Seite (??) veröffentlicht, just an dem Tag, an dem mein Artikel auf IP erschien. Der Autor zeichnet nicht namentlich (Nemet). Ein Versuch, einen Kommentar zu hinterlegen, scheiterte bis heute. Die dortigen Ausführungen bemühen sich primär zu beschwichtigen, es lohne sich nicht.
Es "mangelt" gerade nicht an Erfolgszahlen. Es ist schlicht unmöglich, den Betrieb einer Software (SafeExamBrowser wie LernstickExam) z.B. in einer virtuellen Umgebung zu unterbinden. Genauso ist es unmöglich, "fremde" Computer (hier der Bring-Your-Own-Geräte der Studierenden) abzusichern. Ebenso stellten sich Fragen der Verhältnismässigkeit wie z.B. wie weit darf eine Universität private Computer der Sturierenden überhaupt überwachen. Aktuell besteht ja noch nicht mal eine ordentliche Verfügung, welche den Einsatz von Safe Exam z.B. an der Universität Zürich überhaupt regelt.
Und ich wiederhole mich hier gerne nochmals, dass die Studierenden zu Windows/Mac gezwungen werden, ist gemessen an der Problematik, dass an den Prüfungen "getrickst" werden kann, noch das kleinere Problem. Angebote wie SimonExam, welche offen damit werben, Prüfungssupport für SafeExamBrowser während der Examen zu leisten, existieren ja ganz sicher nicht einfach nur zum Vergnügen. Leute, nehmt das doch bitte mal etwas ernst(er)!
Prüfungsgeräte der Institute wären das Mindeste, um Chancengleichheit zu gewährleisten. Noch besser wäre es, dabei ganz auf eine Internet-Verbindung zu verzichnen. Entsprechende Lösungen sind jetzt mit Linux nicht so wahnsinnig schwierig zu realisieren. Die Gerätekosten bei Second-Hand-Computern tendieren gegen Null. Wo liegt jetzt das Problem?
die stick lösung ist die sicherste, die ich kenne und hat viele jahre sehr gute dienste geleistet. leider habe ich auch die erfahrung gemacht, dass die geräte kompatibilität (secure boot/uefi/legacy) immer mühsamer geworden ist. mit standardgeräte von lenovo,dell,hp war das meist kein problem. aber irgendwelche billiglaptops von acer,huawei,asus,... machen da einem das leben schwer. darüber hinaus waren die lul. oft überfordert, wenn die schüler den stick nicht zum laufen gebracht haben. als anregung noch: die laptops waren per wlan verbunden, konnten sich aber nur zu einem pdf-printer verbinden, den ich am stick eingestellt habe (firewall). als sicherung mussten die sus. ab und zu ihr dokument "ausdrucken". das hat dann ein pdf dokument auf einem server erstellt. das pdf wurde mit ihrem dateinamen erstellt. daher gab's z.b. die vorgabe die klasse als prefix und dann nachname zu verwenden. z.b. 8A_mustermann_max die lul wiederum hatten zugang per browser zum server und konnten dort die dokumente einsehen und am ende auch gleich alles am lul. kopierer ausdrucken, in dem sie z.b. das klassenprefix in einem formular angegeben haben.
Mal was ganz anderes: Wie sollen die weniger Technik-/IT-affinen Lehrkräfte mit diesen Lösungen klar kommen? Diese ganze Problematik an alle Lehrenden auszulagern ist grundfalsch. Ich stimme hier Urs zu, dass bei Prüfungen vor allem Chancengleichheit gewährleistet sein muss. In Belgien ist eine Uni (ich glaube es war die KU Leuven) gerade bei der Zulassungsprüfung für das Medizinstudium auf die Nase gefallen. Obwohl die Prüfungsumgebung sogenannt abgeschirmt war, wurde betrogen. Anfangs hieß es natürlich, es handle sich nur um Einzelfälle. Nach erprobter Salamitaktik hat man dann, unter Druck, zugeben müssen, das es wohl ein größeres Problem gebe. Letztlich war die Uni gezwungen, die Zugangshürde zu senken, um Benachteiligte als noch zuzulassen und diejenigen, denen der Betrug gesichert nachzuweisen war, auszuschließen. Hier agiert man deutlich noch viel zu naiv.
Vielen Dank für diesen Erfahrungsbericht. Gruß aus Berlin Daniel