Freie Software in der Schule: FOSS auf dem Dienst-iPad

  Markus W.   Lesezeit: 7 Minuten  🗪 11 Kommentare Auf Mastodon ansehen

An vielen Schulen werden Lehrkräfte mit dienstlichen iPads ausgestattet. Für FOSS-affine User gibt es dann zwei Möglichkeiten: Gerät in der Schublade verstauben lassen oder das Beste aus der Situation zu machen. In diesem Artikel sollen ein Paar Programme betrachtet werden, die für den Schulalltag sinnvoll sind.

freie software in der schule: foss auf dem dienst-ipad

Hallo, mein Name ist Markus und ich unterrichte an einem hessischen Gymnasium Chemie und Physik. Linux nutze ich seit knapp 5 Jahren und seit dieser Zeit interessiere ich mich auch vermehrt für das Thema freie Software. Da gnulinux.ch für mich immer ein Quell der Inspiration war, versuche ich jetzt auch ein bisschen was zurückzugeben.
In der Kolumne möchte ich insbesondere über Alltagserfahrungen schreiben, als Anregung für alle, die gerne mehr FOSS in die Schule bringen möchten.

Eins vorweg: Ich nutze privat keine Apple-Geräte und habe auch nicht vor, daran etwas zu ändern.
In diesem Artikel werde ich auch nicht diskutieren, ob es eine moralisch korrekte Entscheidung ist, in der Schule iPads zu nutzen und auch auf den Datenschutz werde ich nur am Rande eingehen. Dies würde den Rahmen sprengen, hauptsächlich, weil hier je nach Standort völlig unterschiedliche Vorschriften gemacht werden. Ziel des Artikels ist es, eine kleine Übersicht zu geben, wie viel FOSS auf dem schulischen iPad möglich ist.

Als wir Lehrkräfte während der Corona-Pandemie mit digitalen Endgeräten ausgestattet wurden, gab es bei uns zwei Möglichkeiten: entweder ein recht sperriges Notebook mit Windows oder ein 10" iPad. Das Notebook wurde ohne die Möglichkeit zur Installation eigener Software angeboten, was es für mich (neben der Tatsache, dass ich bereits ein handliches Thinkpad nutzte) nicht praktikabel machte. Das iPad war handlich und zumindest eine Ergänzung zur eigenen Hardware. Dann kam jedoch schnell die Ernüchterung:

Die Apple Standard-Apps (Pages, Numbers und Keynote) können meine Officedokumente nicht ordentlich darstellen und bearbeiten, unabhängig davon, dass die Handhabung sehr gewöhnungsbedürftig ist. In eine "Nicht-Apple-Welt" lassen sich die Geräte nun einmal nicht so einfach integrieren. Vielleicht tue ich den Apple-Powerusern da Unrecht, aber ich komme mit den Programmen einfach nicht klar.
Eine Option, die viele Kolleginnen und Kollegen an dieser Stelle gewählt haben, ist die Nutzung von MS Office 365, inklusive OneNote. Für mich war das jedoch keine Alternative, denn wir wollen ja nicht den Teufel mit dem Beelzebub austreiben.

Collabora Office

Eine Option ist Collabora Office, welches es auch als Androidversion gibt. Dabei handelt es sich um eine angepasste Version von LibreOffice. Collabora stellt das Programm eigentlich als Online Tool (Collabora Online), zum Beispiel für die Nextcloud zur Verfügung. Bei Collabora Office hingegen handelt es sich um die zugehörigen Apps zur lokalen Installation.
Die Handhabung ist sehr ähnlich zu LibreOffice, auch wenn mir persönlich die Bedienung der Tabellenkalkulation über das Touchdisplay etwas Probleme bereitet. Wir haben das Programm schließlich auch auf allen Schüler-iPads installieren lassen, da es unserer Vorstellung von Office-Lösungen deutlich näher kommt, als die Programme von Apple.

Nextcloud

Es soll Menschen geben, die auf einem 10" Display produktiv arbeiten können, ich gehöre nicht dazu. Daher müssen die Daten (im Allgemeinen Unterrichtsnotizen, Arbeitsblätter usw.) zwischen meinem Desktop und dem Tablet synchronisiert werden. Im Kollegium werden dafür iCloud und OneDrive genutzt. Ich habe mich hingegen für eine Managed Nextcloud entschieden (DSGVO-konform, deutscher Server, AV-Vertrag). Wie schon erwähnt wurde, ob das datenschutzrechtlich so in Ordnung ist, wird regional sehr unterschiedlich ausgelegt.
Wer seine Notizen im Markdown-Format erstellt, hat den Vorteil, dass Nextcloud diese Dateien direkt verarbeiten kann, in einem Rich-Text-Editor. LaTeX wird scheinbar nicht unterstützt.
Über die Nextcloud-App lassen sich die Daten (online) problemlos synchronisieren. Im Gegensatz zu der Desktop-Version muss man hier aktiv Ordner bzw. Dateien herunterladen, um sie offline verfügbar zu machen.

Joplin

Vor etwa einem Jahr bin ich dazu übergegangen meine Unterrichtsnotizen nicht mehr als .odt, sondern als Markdown-Dateien abzulegen. Organisiert waren diese zuvor schuljahresweise, geordnet nach Lernruppen und Fächern. Inzwischen ist dies etwas unübersichtlich geworden. Wenn ich zum Beispiel nachsehen möchte, wie ich das letzte Mal zu einem bestimmten Thema eingestiegen bin, musste ich erst einmal nach dem passenden Schuljahr suchen, in dem ich das letzte Mal das Fach in der entsprechenden Jahrgangsstufe unterrichtet hatte. Alles etwas umständlich. Nachdem bei gnulinux.ch häufig das Programm Joplin erwähnt wurde, habe ich es auch einmal ausprobiert und musste feststellen, dass es genau das Richtige für mich ist. Es unterstützt Markdown und ermöglicht eine übersichtliche Sortierung der Notizen. Und das Beste: Es läuft sogar unter iOS und lässt sich über die Nextcloud synchronisieren, sogar direkt verschlüsselt.
So kann ich inzwischen auch das iPad in meinen üblichen Workflow einbinden.
In der iPad-Version ist das Zeichentool von Joplin bereits vorinstalliert, sodass man auch auf einfachem Wege handschriftliche Notizen einfügen kann. In der Desktop-Version lässt es sich über ein Plugin schnell nachinstallieren.

VLC

Natürlich bietet iOS auch passende Bordmittel zur Medienwiedergabe, aber auch der beliebte VLC-Mediaplayer lässt sich hier verwenden.

Browser

Wenn man nicht mit Safari arbeiten möchte, so gibt es für iOS auch Firefox, Brave und DuckDuckGo. Der Tor-Browser ist im Angebot. Was ihr wählt, hängt natürlich von Euren persönlichen Vorlieben ab. Ich persönlich nutze Firefox, da ich dort auch meine dienstlichen Lesezeichen synchronisiere.

Was fehlt?

Das Programm, das ich am schmerzlichsten vermisse, ist Xournal++ zum Annotieren von Arbeitsblättern, bzw. für kleine handschriftliche Skizzen. Hier habe ich noch keinen vergleichbaren Ersatz gefunden.   
Ebenfalls konnte ich bisher noch keine freie IDE finden, um einfache Programme, z.B. in Python zu schreiben und auszuführen. Im Unterricht behelfe ich mir aktuell mit Onlinelösungen wie https://www.online-python.com/
Zur Bearbeitung einzelner Markdown-Dateien konnte ich bisher auch noch nichts finden. Nach dem Umstieg auf Joplin kann ich das jedoch verschmerzen, denn zum Glück kann man die Markdown-Dateien ja in jedem Editor lesen und ändern.

Gerne könnt ihr in den Kommentaren weitere Software ergänzen, ich freue mich über jede Anregung.

Fazit:

Als ausschließliches Arbeitsgerät kann ich mir das iPad auch weiterhin nicht vorstellen, dazu ist das Display einfach zu klein und auch die sonstige Handhabung liegt mir persönlich einfach nicht. Durch die oben genannten Programme ist es jetzt aber möglich, das iPad in meinen Workflow zu integrieren und das Gerät so grundsätzlich nutzbar zu machen. Für den Einsatz mit leichtem Gepäck, für Fortbildungen oder nur kurze Schultage ist das Gerät nun ganz brauchbar, wenn auch kein Vergleich zum Lenovo Tablet mit Debian.

Links


https://www.collaboraonline.com/collabora-office-android-ios/

https://nextcloud.com/

https://joplinapp.org/

Bildquelle: https://pixabay.com/de/photos/tagebuch-ipad-schreiben-blog-968592/

Tags

Schule, iPad, FOSS, FediLZ

Kai
Geschrieben von Kai am 12. November 2024 um 09:03

Code App ist Open Source, unterstützt Python und wird aktiv weiterentwickelt https://github.com/thebaselab/codeapp Warum das Programm im App Store 7 Dollar kostet weiss ich nicht, den Source gibt es jedenfalls gratis.

Carnets - Jupyter (write Python code, run it, check the result, interactively. Everything is running locally on your iPad or iPhone) ist ebenfalls Open Source https://holzschu.github.io/Carnets_Jupyter/ und gibt es im App Store kostenlos.

Thoys
Geschrieben von Thoys am 12. November 2024 um 09:31

Hallo,

vielen Dank für deinen Beitrag.

Wie rechtfertigen denn die Kollegen, dass sie iCloud nutzen? Ich nehme mal an, dass sie sich zwar vornehmen keine personenbezogenen Daten von Schülern zu speichern. Aber - sind wir doch mal ehrlich - wie schnell ist in einer Goodnote-Notiz doch mal ein Name oder gar ein "der ist heute krank" (Art. 9 Datum).

Haben die einen AVV mit Apple?

Schönen Gruß Thoys

Lehrer Laempel
Geschrieben von Lehrer Laempel am 12. November 2024 um 10:49

Herr Kollege, oberstes Prinzip eines deutschen Lehrers muss es sein: "ttv", bitte nicht mit /tty verwechseln. Prinzip ttv heißt ausgeschrieben: tarnen, täuschen und verpissen. Benutzen Sie zum Schein das ipad. Das Lehrerkollegium ist eh' zu dumm um linux zu gebrauchen und die eigenen Arbeitsblätter haben nichts in einer Cloud zu suchen. Da sind dann nämlich die lieben Kolleginnen, die am liebsten Chemie nach Schema f unterrichten wollen. Die klauen das Arbeitsblatt aus der Cloud wollen die Chemikalien, welche am besten nur aus Kochsalz,Essig und Tütensuppen bestehen, griffbereit in einer Kiste haben und eine fertig ausgefüllte Gefährdungsbeurteilung nur noch unterschreiben. In Physik genau das gleiche Spiel. Am liebsten noch die nicht zu benutzenden Bananenbuchsen mit Tesakrepp überkleben. Wenn Sie schön Ihre Notizen privat auf dem Linuxrechner haben, dann kann Ihnen niemand einen Strick daraus drehen, dass Sie konzentrierte Schwefelsäure oder Bromsalze zur Darstellung von Brom im Unterricht als Lehrerexperiment verwendeten. Von der Herstellung von Knallpulver ganz zu schweigen. Diese ipads sind ein Kontrollinstrument, bis zur Einführung von Kameraüberwachung im Unterrichts- oder Klassenraum. Diese wahnhaften Digitalisierungszwänge einer laienhaften Schulleitung müssen unterlaufen werden. Die Gängelung des Lehrers fordert ja zur Untergrundarbeit geradezu heraus. Aus diesem Grund habe ich das ipad auch nur zu Tarnzwecken benutzt.

Claudia
Geschrieben von Claudia am 12. November 2024 um 11:09

Schöner Artikel und ich verstehe es. Meine Schwester musste sich ein MacBook zulegen, da dies als Voraussetzung für den Unterricht war. Später hat sie sich ein iPad geholt. Ich musste mich ein lernen in die Apple Welt, um meine Schwester die nötigsten Sachen bei zubringen. Und ich habe gute Alternativen für dich @Markus W.

Xournal++ für iOS ist die App: GoodNotes Python IDE für iOS ist die App: Python Editor App von Andromeda Corp LTD

Meine Schwester kommt super klar mit dem iPad Air und dem Stift. Falls du noch irgendwelche Alternativen suchst. Ich finde immer eine - Manchmal auch nur mit irgendwelchen Abstrichen. Sei noch am Rande erwähnt.

Thoys
Geschrieben von Thoys am 12. November 2024 um 18:21

Aber, um auch das mal gesagt zu haben, seit Firmen erkannt haben, dass man mit OpenSource Geld verdienen kann, gilt: Entweder selber machen oder lassen.

Ich komme von einer Schule, die auch auf den Clients auf freie Software setzt. Das ist super schwer UND super super teuer. 20-30t Euro im Jahr für einen Server und 30 Clients ist schon hart.

Und ich rede von den "Seriösen" linuxmuster.net Firmen.

Daher weiß ich echt nicht, wie man da raus kommt. iPads mit einem MDM vom Medienzentrum oder selbst gemacht ist im Vergleich super günstig. Aber natürlich weit weg von FOSS.

Windows Netzwerke werden vom staatlichen Träger aufgebaut. Ansonsten auch teuer.

Lösung?

Die einzige, die mir einfällt ist, dass es gute Techniker gibt, die bereit sind für 100 Euro die Stunde zu arbeiten. (Leider gilt das als Hungerlohn.)

Und so etwas wie linuxmuster.net ist wirklich (unnötig?) komplex. Es bräuchte einfache Verwaltungssyteme für Schüler und Geräte, die man selber installieren kann. Und die eben alles können. Stand der Technik ist verwalten, speichern, elektronisches Tagebuch und kommunikation mit Eltern.

Es gibt nicht ein FOSS Tagebuch für Schulen.

Ihr hört vielleicht etwas meine Vezweiflung. FOSS ist am Beispiel von linuxmuster (mit Moodle, nextcloud, greenlight, BBB) super teuer, wenn man es im eigenen Haus haben möchte und keinen vollzeit IT-Ler hat.

Grüße Markus

Claudia
Geschrieben von Claudia am 13. November 2024 um 09:51

Hallo Markus, wie müsste deiner Meinung ein Tagebuch für Schulen können? Auf welche Platform sollte es gemacht sein:

  • Web-Anwendung
  • App-(iOS; iPad; Android)
  • MacOS (img)
  • Windows (exe)
  • Linux (binary)

Verwaltung, Zugriff, Teilen, usw. Auf jedenfall muss es nutzer freundlich sein.

Markus W.
Geschrieben von Markus W. am 13. November 2024 um 11:44

Was es können muss, das hängt natürlich extrem vom User ab. Ich persönlich brauche für die Notizen eigentlich keine Handschrift-Funktion, viele Kolleg:innen schreiben hingegen fast ausschließlich handschriftlich. Entweder die Anwendung ist für die oben genannten Betriebssysteme erhältlich, oder sie sollte offene Formate, wie Markdown nutzen. Mir ist ein einfacher Wechsel zwischen meinen Notizbüchern wichtig, deshalb nutze ich nicht mehr reines Markdown in Ordnerstrukturen. Web-Anwendungen sind schön, aber dann macht man sich vom Anbieter abhängig, das sollte dann entsprechend vom Land gehostet werden.

Daniel
Geschrieben von Daniel am 12. November 2024 um 18:43

Ein Ersatz für Xournal++ könnte Saber sein. Leider ist es nicht gut in iOS integriert, d.h. man muss ein PDF von einem Speicherort importieren und kann nicht einfach "teilen" verwenden.

https://github.com/saber-notes/saber

Lutz
Geschrieben von Lutz am 12. November 2024 um 20:16

iOS-App als XJournal++-Alternative: PDF Cabinet (https://apps.apple.com/de/app/pdf-cabinet/id764366087)

Wolfgang
Geschrieben von Wolfgang am 13. November 2024 um 19:16

Hi, teste doch mal Geany ;-)

Python-Skript im Editor-Bereich mit Syntax-Hervorhebung coden dann "F5" drücken - wird darunter im eingebauten Terminal ausgeführt...

Ralf Hersel Admin
Geschrieben von Ralf Hersel am 13. November 2024 um 23:08

Ich arbeite seit Jahren mit Geany und fand es immer angenehmer, das Python-Script in einem separaten Terminal auszuführen, anstatt in Geany F5 zu drücken. Zum einen muss F5 in Geany richtig konfiguriert sein; und wenn es funktioniert, hat man nicht den Komfort eines richtigen Terminals.