Freie Software in der Schule: LaTeX-Examen

  Stefan Draxlbauer   Lesezeit: 7 Minuten  🗪 12 Kommentare Auf Mastodon ansehen

Klassenarbeiten stellen eine normale Textverarbeitung vor Probleme. Das Paket exam in LaTeX löst das für mich.

freie software in der schule: latex-examen

Klassenarbeiten stellen eine normale Textverarbeitung vor Probleme:

  1. Punkte der Aufgaben müssen zusammengezählt und dargestellt werden.
  2. Platz für Antworten soll möglich sein. Dabei sollten Karos am besten 0.5cm groß sein.
  3. Alles sollte (einigermaßen) schön sein, also auch mit mathematischen oder chemischen Formeln, Musiknoten, Grafiken und was noch so dazu kommt.

Dafür notwendig ist die Dokumentenklasse exam:

\documentclass[a4paper,ngerman,11pt,addpoints]{exam}

Dann gibt es mehrere Befehle, die mir das Leben stark vereinfachen: \gradetable[h][questions] gibt eine Punkte-Tabelle aus, bspw. diese hier:

Aufgaben

Aufgaben werden als \question eingefügt und bekommen ihren eigenen Bereich, werden also durch \begin{questions} und \end{questions} eingerahmt. Eine Frage selbst kann (muss nicht) Punkte bekommen und kann Unteraufgaben erhalten, die ebenfalls Punkte haben können oder nicht:

\question[2]
Eine Aufgabe mit 2 Punkten.

\question
Aufgabe mit Teilaufgaben. (ohne Punkte)
\begin{parts}
    \part Erste Teilaufgabe (ohne Punkte)
    \part[3] Zweite Teilaufgabe mit Punkten
\end{parts}

Die Punkte werden beim Übersetzen automatisch gezählt und in die Punktetabelle eingetragen. Dabei kann sogar pro Abschnitt eine Punktetabelle erzeugt werden, falls das notwendig sein sollte. Siehe hierfür die Dokumentation bei CTAN oder die Erläuterungen bei Overleaf.

Platz für Antworten

Und das ist jetzt wirklich praktisch. Bei Kolleg:innen sehe ich immer, wie sie in der Textverarbeitung irgendwie mehr schlecht als recht mit Tabellen hantieren, die (hoffentlich) 0.5cm breite Spalten haben, oder typischerweise mittels Unterstrich beschreibbare Zeilen eingefügt werden. Bei einer Kollegin neulich habe ich gesehen, wie die Applikation bei einem Dokument (nur 5 Seiten groß) sichtlich geruckelt hat. Ich fühlte mich wie 2005 oder auf einem Raspberry Pi 3 - dabei war das ein Macbook, hatte also eigentlich Leistung verfügbar. Unerträglich! LaTeX schreibt man mit einem Texteditor und übersetzt das ganze hinterher. Heißt, die Performanz ist exzellent.

Das exam-Paket bringt die Befehle \fillwithlines{} und \fillwithgrid{} mit, hier mal mit 2 cm Platz jeweils:

\fillwithgrid{2cm}
\fillwithlines{2cm}

Das lässt sich auch "dehnen" bis zum Seitenende oder im Verhältnis setzen:

\fillwithgrid{\stretch{1}}    % Dehne im Verhältnis 1 zu
\fillwithlines{\stretch{3}}   % 3

Verknüpfung mit anderen Paketen

Als Mathematik-Lehrer erfreue ich mit dabei der (perfekten) Darstellung mathematischer Formeln in LaTeX. Das bekommt einfach kein anderes System so hin. Punkt. Daneben kann ich auf (fast) das komplette Repository an Paketen in LaTeX zugreifen (manche stehen im Konflikt mit exam, aber wenige). Dazu zählen bspw. Darstellung chemischer Reaktionsgleichungen mit mhchem, mehrspaltige Seiten mit multicols oder Musiknoten (kenne ich mich nicht aus, aber gibt es).

Als Chemie-Lehrer ist das wirklich praktisch, wenn ich nicht "N tiefgestellt 2 + 3 H tiefgestellt 2 Doppel-Pfeil einfügen ..." eintippen bzw. in der GUI drücken muss, sondern \ce{N2 + 3 H2 <=> 2 NH3} reicht für eine Gleichgewichtsreaktion.

Ändern der Voreinstellungen

Das exam-Paket bietet die Möglichkeit, quasi alles anzupassen. Hier mal ein Auszug mit Beispielen:

% Bezeichungen:
\pointpoints{P}{P}
\bonuspointpoints{Bonuspunkt}{Bonuspunkte}
\chqword{Frage}
\chbpword{Bonus Punkte}
\chsword{Erreicht}
\chtword{Gesamt}
% Wie sollen Aufgaben und Teilaufgaben nummeriert und strukturiert sein:
\renewcommand\questionlabel{\textbf{Aufgabe \thequestion~}}
\renewcommand\partlabel{\thequestion.\arabic{partno}}

Ich habe mir das vor allem für die Oberstufe geändert, sodass die Teilaufgaben bspw. 2.1, 2.2 usw. heißen. So wie es bei mir im Bundesland im (Fach-)Abitur gemacht wird. Dann sind die Schüler:innen das schon mal gewöhnt. Normalerweise werden Aufgaben mit Nummern 1,2,... und Teilaufgaben mit (a), (b),... nummeriert.

Die Arbeit kommt am Anfang

Leider oder zum Glück muss man sich mit LaTeX nur ein mal richtig beschäftigen - hat man sich alles notwendige zusammengestellt, was man braucht, ist der Rest einfach. Ich habe mir da über die letzten Jahre viele Gedanken gemacht und diese gehen weiter, weil bspw. neue Anforderungen wie ein Materialteil hinzukommen. Beispiele für Eigen-Entwicklungen:

  • \maketitlepage erzeugt eine Titelseite mit Felder für Name usw. einer Hinweisebox zu allgemeinen Regeln und einer Notentabelle
  • \section{} erzeugen in Chemie eine Materialteil-Überschrift
  • \mref{} bezieht sich dargestellt als M# auf ein Material

Hier mal eine Dummy-Beispiel-Klassenarbeit:

Wen meine Anpassungen interessieren, der kann auf Codeberg vorbei schauen, wo ich das sogar einigermaßen erklärt habe:

https://codeberg.org/Lerothas/LaTeX-Vorlagen_fuer_die_Schule/src/branch/main/Klassenarbeit

Fazit

Mir erspart LaTeX exam viel Arbeit für den "blöden Kleinkram" wie Karos, Punktezählen und mich mit Nummerierungen rumschlagen sowie sich wiederholenden Dingen wie die Titelseite, die ich nicht jedes Mal einfügen muss; daneben sieht es schön aus. Ich schreibe das ganze mit Kile vom KDE-Projekt.

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Schule, FediLZ, LaTeX-Dokumente

Bernd
Geschrieben von Bernd am 10. Dezember 2024 um 09:36

Ich bin Umsteiger von Latex nach Typst und kann jedem nur empfehlen, einen Blick darauf zu werfen. Das entsprechende Paket heißt im Typstuniversume übrigens examit. Keine Installationsorgien, blitzschnell beim Compilieren, saubere Syntax und mit Tinymist eine tolle Syntax und Vorschauunterstützung in den gängigsten Editoren. Ich benutze Codium mit Tinymist. Einen schönen Tag. ​

kaligule
Geschrieben von kaligule am 10. Dezember 2024 um 16:45

Typst ist einfach grandios. Ich hoffe, dass das richtig durch die Decke geht.

Ralf Hersel Admin
Geschrieben von Ralf Hersel am 10. Dezember 2024 um 18:44

Darüber haben wir auch schon mal geschrieben: https://gnulinux.ch/typst-ist-einfacher-als-latex

Andreas K
Geschrieben von Andreas K am 10. Dezember 2024 um 12:44

Und nicht vergessen.

LyX

Damit geht Mathe schreiben oft flotter als von Hand.

kaligule
Geschrieben von kaligule am 10. Dezember 2024 um 14:15

Ich stelle mir vor, dass man als alter Hase irgendwann eine Sammlung von Aufgaben hat, sortiert nach Klassenstufe und Themenbereich. Damit Arbeitsblätter dann nur noch aus Imports/Includes und ein paar Parametern bestehen. Hast du dafür eine gute Lösung?

Stefan Draxlbauer
Geschrieben von Stefan Draxlbauer am 10. Dezember 2024 um 19:41

Dafür ist mir keine Lösung bekannt. Aber da ließe sich sicher was Schreiben, wenn man Zeit und Muße hat. Ich habe beides aktuell nicht und bin auch noch weit von so einer Sammlung entfernt. Arbeitsblätter erstelle ich mittlerweile auch eher mit LibreOffice und Inkscape als mit LaTeX. Da sind dann sowas wie textumflossene Bilder und so weiter einfacher zu bewerkstelligen, finde ich.

Mario
Geschrieben von Mario am 10. Dezember 2024 um 18:05

Ist es wirklich noch erforderlich die spezielle Sprachsyntax von LaTeX zu erlernen oder inwiefern helfen bzw. erledigen das moderne LaTeX-Editoren mit entsprechender WYSIWYG-Funktionalität? Ohne TeXstudio https://www.texstudio.org/ oder Texmaker https://www.xm1math.net/texmaker/ selbst ausprobiert zu haben, sehe ich zumindest beim online frei-benutzbaren "LaTeX Tables Editor" https://www.latex-tables.com/ solch einen Ansatz. Ebenso wie beim hier in den Kommentaren schon erwähnten LyX - https://www.lyx.org/

Stefan Draxlbauer
Geschrieben von Stefan Draxlbauer am 10. Dezember 2024 um 19:44

Das ist ein guter Einwand. Die Syntax sollte man meiner Meinung nach immer kennen, da man sonst ja auch nicht mit Fehlern umgehen kann. Ich habe "damals" vor 15 Jahren LaTeX in der Schule gelernt und kann so die üblichen Befehle für Listen, Bilder,... und natürlich die mathematischen Befehle. Also nicht super tief die Innereien von LaTeX. (Das "eigene Paket" ist auch eher Spaghetti-Code, aber das reicht für mich.) Also würde ich sagen: so ein bisschen ja, aber ein Studium ist nicht notwendig.

Christian Becker
Geschrieben von Christian Becker am 12. Dezember 2024 um 17:37

"Klassenarbeiten stellen eine normale Textverarbeitung vor Probleme." Ja? Bei mir damals nicht und meine Frau benutzt seit mehr als 10 Jahren LibreOffice für Klassenarbeiten. Ich würde mal behaupten, dass das stark fachabhängig ist, wie gut man mit einer "normalen" Textverarbeitung zurande kommt. Klar, in Mathe, Physik und Chemie mit Formeln kann Latex bestimmt nach einiger Einarbeitung von Vorteil sein. Das Zusammenzählen der Aufgabenbepunktung kann man einer Tabelle in LO Writer auch beibringen oder man macht's halt selbst und trägt es von Hand ein.

Stefan Draxlbauer
Geschrieben von Stefan Draxlbauer am 12. Dezember 2024 um 21:50

Ich beziehe mich da vor allem auf das, was ich bei Kollegen sehe: komplettes Laggen der Textverarbeitung. Mag an M$ Word liegen (Scan der Eingaben und Weiterleiten an Redmond?) oder an der mangelhaften Umsetzung durch die Kollegin, weil sie bspw. die Tabellen für die Karos falsch macht? Ich weiß es nicht. Klar, kann ich alles auch in LO Writer, Calligra Office oder sogar Inkscape machen. LaTeX exam nimmt mir vieles ab, für das ich in einer Textverarbeitung erst mehrere Stunden Arbeit mit Zählern und so weiter stecken müsste. 👍 Hat mir bisher keine Probleme bereitet.

Christian Becker
Geschrieben von Christian Becker am 13. Dezember 2024 um 06:53

"Hat mir bisher keine Probleme bereitet." Das glaube ich gern und habe ich nicht angezweifelt. Wie so vieles, was auf den ersten Blick unnötig kompliziert aussieht, kann LaTeX einem viel Ärger und Mühe ersparen. Ich fand nur Klassenarbeiten als Dokumente mit überschaubarer Komplexität und Länge ein überraschendes Beispiel, weil es da bei uns keine Probleme gibt. Anders sieht es bei dem Schulbuch aus, das meine Frau für ihre Klassen geschrieben hat. Da zeigen sich die Nachteile von LO deutlicher, insbesondere wenn man mittendrin eine neue Seite einfügt oder auch nur beim Speichern, das mittlerweile ewig dauert - trotz SSD.

Udo
Geschrieben von Udo am 4. Januar 2025 um 14:19

Das stimmt sicher alles. Ich selbst schreibe Tests inzwischen fast nur noch mit LaTeX und dem Exam-Paket, denn das bietet mir die grandiose Möglichkeit, die Version gleich ohne und mit Lösungen zu erstellen. Wenn ich früher bei irgendeiner schon erstellten Aufgabe nochmal was nacheditiert hatte, musste ich das immer in zwei Dateien tun. Jetzt nur noch in einer, also weniger fehleranfällig als früher, als ich noch mit LibreOffice arbeitete. Ich nutze LaTeX übrigens für Tests in den geisteswissenschaftlichen Fächern Französisch und RZG (Räume, Zeiten, Gesellschaften = Geschichte/Geografie/Politische Bildung). In Französisch kann ich z.B. reine Verbtests automatisiert erstellen. Die Verb-Datenbank ist online, das LaTeX-File wird mit PHP gebastelt und einfach in TeXstudio reinkopiert. So ist der Verbtest inkl. online Eingabe der nötigen Parameter in 30 Sekunden fertig. Mit Textverarbeitung brauchte ich dafür sicher 30 Minuten. Am PHP-Algorithmus muss ich jedoch noch feilen, damit aus der momentanen reinen Zufallsauswahl eine stark gewichtete Zufallsauswahl wird, also die in der Praxis wichtigen und auch die mühsamen Verbformen in den Tests angemessener vertreten sind. Auch Teile von Vokabeltests wären so automatisiert erstellbar und dank LaTeX schnell fertig gesetzt.