Freie Software in der Schule: Lizenzen für Dokumente und Werke

  Stefan Draxlbauer   Lesezeit: 14 Minuten  🗪 7 Kommentare Auf Mastodon ansehen

Austausch von Unterrichtsmaterial im Kollegium: wann und wie darf ich das nutzen? Wie schaffe ich Klarheit darüber? Ein Blick in die CC-Lizenzen aus Sichtweise einer Lehrkraft.

freie software in der schule: lizenzen für dokumente und werke

Jede Lehrkraft kennt folgendes Szenario:

Nächste Woche starte ich mit XY. Mir fällt kein guter Einstieg ein. Hast du da was?“

Klar, ich habe mir Z überlegt. Ich schicke dir die Datei. Kannst du frei benutzen.“

Super. Man hat sich im Kollegium ausgetauscht, profitiert voneinander (es herrscht üblicherweise ja ein Geben und Nehmen) und für den Unterricht was (potentiell) Gutes gefunden. Aber was heißt „frei benutzen“ überhaupt?

Urheberrecht

Hinweis: Das Thema „KI-erzeugte Werke“ klammere ich bewusst aus.

In Deutschland und anderen Ländern gibt es das Urheberrecht. Dieses gibt dem Erzeuger eines Werks (Schriftstück, Bild, Musikstück,...) alle Rechte an dem Werk und allen anderen erst mal keine Rechte. Bekomme ich also ein Werk von bspw. einer Kollegin, so darf ich damit streng genommen nichts machen, außer gerade noch anschauen. Ich darf es weder vervielfältigen oder verteilen noch bearbeiten.

Aber eigentlich wollen wir das doch:

  • Verteilen an Schüler:innen (analog oder digital)
  • Bearbeiten, damit es zu meinem Unterricht passt
  • Anpassen an neuen Bildungsplan, Erkenntnisse (NW) oder die Zeit (Geschichte,...)
  • Ergänzen
  • Bei Aufgaben: Ableiten zu neuen, aber ähnlichen Aufgaben zur weiteren Übung

Also wird gerne das „frei benutzen“ mitgegeben. Aber der Ausdruck ist nicht definiert. Besser sind da die sogenannten Creative Commons-Lizenzen.

Creative Commons

Zitat:

Creative Commons hat standardisierte Lizenzverträge entwickelt, die sogenannten CC-Lizenzen. Mit ihrer Hilfe können Urheber ihre Werke gezielt und in unterschiedlichen Stufen zur Nutzung für alle freigeben:
„manche Rechte vorbehalten“ statt „alle Rechte vorbehalten“
Wie weit diese Freigabe jeweils gehen soll, entscheidet die Urheberin bzw. der Urheber selbst, und zwar durch Auswahl genau desjenigen Lizenztyps, der am besten passt.
Quelle: https://de.creativecommons.net/start/

Die Creative Commons-Lizenzen (im Folgenden CC) bieten die Möglichkeit, manche Rechte zu erlauben, während andere ausgeschlossen werden. Als Urheber kann man bspw. das Bearbeiten erlauben, während man eine kommerzielle Nutzung nicht erlaubt. Viele kennen das wahrscheinlich von Bildern in der Wikipedia. Damit kann ich als Urheber feingranular bekannt geben, wie mit meinem Werk umzugehen ist.

Beispiel

Ich habe die Themen in der Oberstufe Chemie am Wirtschaftsgymnasium in Baden-Württemberg in einer Grafik zusammengestellt, damit der Kurs einen Überblick hat, was kommt bzw. was schon gewesen war.

Bild 1: Überblick über die Themen der Oberstufe in Chemie.

Dieses will ich meiner Kollegin zur Verfügung stellen, aber so, dass sie das selbst bearbeiten kann, wenn sich was ändert oder sie anders sortieren will. Ich will aber gleichzeitig nicht, dass das Bild kommerziell in Schulbüchern, Zusatzbüchern für die Oberstufe oder Webseiten verwendet wird ('non-commercial', nicht-kommerziell, NC). Sollte das Werk verändert werden, will ich nicht, dass die Lizenz ersetzt wird oder verfällt, sondern bleibt ('share alike', teilen zu gleichen Bedingungen, SA). Deswegen wähle ich die CC-Lizenz:

Namensnennung-Nicht kommerziell-Share Alike 4.0 International => CC-BY-NC-SA

Bild 2: Lizenzgrafik zu CC-BY-NC-SA von https://de.creativecommons.net/

Das "BY", also die Namensnennung, kommt eigentlich immer mit dazu, außer CC0 (siehe unten).

Anwendung

Da ich meine Grafik mit Inkscape erstellt habe, kann ich die CC-Lizenz gleich in den Dokumenteneinstellungen in Inkscape hinzufügen. Im exportierten PNG-Bild taucht diese CC-Lizenz dann auf.

Bild 3: Links: Lizenz-Dialog in Inkscapes „Dokumenteneigenschaften“-Dialog. Rechts: Eigenschaften in Dolphin zeigt die Lizenz an.

In LibreOffice gibt es zwar ein „Rechte“-Feld, das sich allerdings nicht auf Dateieigenschaften von bspw. einem exportierten PDF-Dokument auswirkt. Um die CC-Lizenz deutlich zu machen, hilft aber die Erweiterung „Creative Commons Gallery“, mit dem man die zur Lizenz gehörenden Grafiken bspw. in die Fußzeile einfügen kann.

Der LICENSE CHOOSER von Creative Commons ist sehr hilfreich dabei. Auf der Webseite dazu kann man sich ein mal durchklicken, dann „Website“ oder „Print Work or Media“ anwählen und bekommt alles, was man angeben muss. Das entsprechende Lizenz-Bild dazu ist sicherlich auch hilfreich.

Public Domain

Hat man eine Grafik erstellt, die man generell freigeben will für alle Zwecke und sogar ohne Namensnennung, dann bietet sich die sogenannte „Public Domain-Lizenz“ (CC0) an. Damit gibt man quasi alle Rechte an dem Bild ab und jede:r kann es frei für "alles" benutzen. Für CC0-lizenzierte Bilder gibt es auch Webseiten (siehe unten) und die üblichen Suchmaschinen bieten bei der Bildersuche eine Einschränkung auf CC0 an.

CC, OER und Freie Software

Der Begriff Open Educational Ressources (OER) wird gerne genutzt, um freie Bildungsangebote wie Bilder, Texte oder Podcasts zu kennzeichnen. Diese dürfen geteilt, bearbeitet und verwendet werden und sind üblicherweise auch frei von Werbung. Die dedizierte Webseite weist folgende Vorteile aus:

OER steht jedem weltweit zur Verfügung
Durch Digitalisierung und Vernetzung kann das Material weit verbreitet und ausgetauscht werden
OER ermöglicht eine neue Art der Zusammenarbeit
Chancengleichheit im Bereich Bildung
Zeitersparnis beim Austausch und Wiederverwendung von Lehr-/Lernmaterialien
Gemeinsam können Bildungsmaterialien erstellt, aktualisiert, bearbeitet und perfektioniert werden

Grundlage für die Erstellung freier/CC-lizenzierter Inhalte ist freie Software wie Inkscape, Xournal++, OBS-Studio oder LibreOffice. Denn nur so kann garantiert werden, dass der Hersteller nicht doch seine Hand auf erstellte Werke hat. Man sehe sich den Fall von Adobe und Pantone an. Und dazu gehören bspw. auch freie Schriftarten wie Andika oder Gentium (OFL-Lizenz) sowie quelloffene Farbpaletten wie bspw. Open-Color.

Fazit

Bekommt man Material aus dem Kollegium oder von Webseiten darf man (streng genommen) diese weder verwenden oder verteilen noch verändern. Um hier Rechtssicherheit bspw. auch nach einem Schulwechsel zu schaffen, lohnt es sich, Dokumente mit einer Creative Commons-Lizenz zu versehen. Macht man das in seinen LibreOffice-Dokumentenvorlagen, ist der Arbeitsaufwand insgesamt auch sehr gering.

Ich finde die Creative Commons-Lizenzen sehr hilfreich. Als Beschäftigter an einer Schule arbeite ich für die Gemeinschaft, warum sollen meine erstellten Werke also nicht für alle verwendbar und bearbeitbar sein? Leider habe ich noch keine vernünftige Webseite gefunden, bei der ich mein CC-lizenziertes Material online stellen kann, sodass sie ohne Paywall, "Lade etwas hoch, um das runterzuladen" oder ähnlichen Schikanen genutzt werden können. Nur ein paar Bilder habe ich bei openclipart.org als CC0 hinterlegt und ein paar Seiten bei Wikibooks (bspw. Schulmathematik) erstellt. Wenn da jemand was weiß: her damit.

Quellen

Quelle für CC0-lizenzierte Bilder und mehr:

Bilder von mir selbst, wenn nicht anders angegeben.

Tags

Schule, Lizenzen, Unterricht, Unterrichtsmaterialien, Lehrer

Robert
Geschrieben von Robert am 9. Juli 2024 um 18:11

Open Educational Resources:

Free to use Public Digital Library of OER https://oercommons.org/

VIDEOS für die Schule unter Creative Commons Lizenz ohne Tracking https://www.dilertube.de/

Viele OER-INFOS gibts beim "Montgomery County Community College" https://library.mc3.edu/oer

IHMO muss das Urheberrecht dringend überarbeitet werden, insbesondere wenn es um Unterrichtsmaterialien und damit zu über 90% um FAIR USE geht.

Andy
Geschrieben von Andy am 12. Juli 2024 um 00:20

Also Lizenz hin, Lizenz her... Nach meinem Rechtsverständnis erstellst Du die Unterrichtsmaterialien doch in Deiner Arbeitszeit. D.h. die Nutzungsrechte Deiner Werke liegen bei Deinem Dienstherr, also dem Land. Insofern müsste das Land bestimmen, unter welche Lizenz die Werke gestellt werden sollen. Geht Ihr da mit oder seht Ihr das ganz anders?

Christopher
Geschrieben von Christopher am 12. Juli 2024 um 07:13

In der freien Wirtschaft wäre das so. Bin ich bei dir. Nun könnte der Lehrer behaupten, dass er die Unterlagen in seiner Freizeit erstellt hat (ich weiß, abstruser Gedanke😁). Sehe das aber auch so wie du.

Christian Becker
Geschrieben von Christian Becker am 12. Juli 2024 um 13:40

Etwas schwierig, zumindest in Deutschland. Da Lehrer keine feste Arbeitszeit jenseits ihrer Unterrichtsverpflichtung haben, ist ein Werk, das zuhause entsteht, strenggenommen nicht während der Arbeitszeit entstanden (Arbeitszeit von Lehrern ist ein schwieriges Thema), sondern in der Freizeit, die man für die Schule "geopfert" (sowas kann ja auch Spaß machen, daher in Anführungszeichen) hat. Also bleiben die Rechte beim Urheber, also auch das Recht, die Lizenz selbst zu wählen.

Es ist allerdings ein Thema, das meiner Erfahrung nach viele Lehrende ohnehin nervt - daher machen sich die allermeisten wohl auch keine Gedanken, ob sie jetzt ein CC-XYZ drunter setzen und ob das Programm zum Erstellen frei war (Wahrscheinlichkeit sehr gering) und ob die Schriftart frei verwendbar war. Ich kenne sogar einen Lehrer, der explizit ein © auf seine Materialien gemacht hat - er wollte damit aber gar keine Ansprüche durchsetzen, sondern nur erreichen, dass Leute wussten, von wem es war (also wäre ein CC-BY sinnvoll gewesen).

Stefan Draxlbauer
Geschrieben von Stefan Draxlbauer am 12. Juli 2024 um 17:47

Prinzipiell ja. Mit großen "Aber". :( Zunächst gibt es keinerlei Informationen von meinem Dienstherren, was er gerne für eine Lizenz hätte. Auch bei Dokumenten vom Dienstherrn für den Unterricht sehe ich selten eine Lizenz. Dann ist es schwierig, da ja quasi nicht klar ist, habe ich das in meiner Freizeit gemacht und stelle es zur Verfügung, oder in meiner Dienstzeit und dann hat es Lizenz X (noch zu klären). Die Dienstzeit ist ja abseits von Unterrichtsstunden und Konferenzen oftmals nicht festgelegt. Und dann gibt es noch diese Lehrkräfte, die in ihrer "Freizeit" an Schulbüchern schreiben und hinterher an deren Verkauf über die Verläge an die Schulen verdienen. Das Thema Schulbuch gibt noch mehr Diskussionsstoff her und würde Abhandlungen füllen.

Thoys
Geschrieben von Thoys am 18. Juli 2024 um 09:38

Hallo zusammen, mir war, als hätte ich hier ein Kommentar hinterlassen. Werden nicht alle freigeschaltet und wenn ja, warum meines nicht. Es war kein Trolling oder so. Grüße Thoys

Bernhard Reiter
Geschrieben von Bernhard Reiter am 29. Juli 2024 um 15:04

Hallo, soweit mir bekannt, haben die NC (non commercial) Lizenzen große Nachteile. Deshalb gelten Werke unter den CC- "NC" Lizenzen nicht als Freie kulturelle Werke. Und deshalb zumindest bei Wikipedia auch nicht als OER.

Denkt nur eine Schule in privater Trägerschaft.

Siehe:

Deshalb kann ich von NC Material nur stark abraten. Wir kennen die Probleme schon bei den Lizenzen für Freie Software.

Wer mehr über die Begründung lesen kann, zum Beispiel: https://irights.info/wp-content/uploads/userfiles/CC-NC_Leitfaden_web.pdf