Freie Software in der Schule: Schriften

  Stefan Draxlbauer   Lesezeit: 8 Minuten  🗪 11 Kommentare Auf Mastodon ansehen

Schriftarten sind eine Wissenschaft für sich und dann kommen auch noch Vorlieben mit dazu. Für meinen Unterricht gibt es Anforderungen dabei.

freie software in der schule: schriften

Was sollen Schriftarten (in der Schule) bieten:

  • einfache Lesbarkeit
  • auch für Alphabetisierung geeignet
  • möglichst viele Zeichen (bspw. auch griechische Buchstaben für Winkel)
  • lizenzfrei

Mein Problem

Ich arbeite als Lehrkraft für die Fächer Mathematik und Chemie. Dafür brauche ich schon mal griechische Buchstaben, aber das ist mittlerweile kein Problem mehr. Ein größeres Problem sind die Atomsymbole bspw. in Reaktionsgleichungen. Hier sieht häufig genug das Atomsymbol für Chlor genauso aus wie Kohlenstoff-Iod. Hier mal in verschiedenen Schriften:

Abbildung 1: Chlor, Iod, Cl und I in verschiedenen Schriften

Ich komme also nicht mit nur einer Schrift aus, da mir das gut unterscheidbare Playwrite DE LA bspw. nicht gut für eine Alphabetisierung oder für leseschwache Schüler:innen geeignet erscheint. Aktuell verwende ich Andika für quasi alles und Playwrite DE LA für Reaktionsgleichungen.

Lizenzen

Ähnlich den Software-Lizenzen gibt es auch bei Schriften Lizenzen. Diese umfassen natürlich die Schrift an sich, können sich aber auch auf die Dokumente bzw. dessen Besitz auswirken. Um sicher zu gehen, dass wir unsere aufwendig erstellten Arbeitsblätter, Unterrichtsentwürfe, Grafiken und mehr auch in Zukunft verwenden können, empfehle ich Schriften unter der Open Font Lizenz (OFL). Die meisten Schriftarten-Webseiten bieten hierfür Filter an. Ich zitiere:

Schließlich wäre noch zu bemerken, dass sich diese Lizenz explizit nicht auf Dokumente, die einen lizenzierten Font benutzen, auswirkt.

https://de.wikipedia.org/wiki/SIL_Open_Font_License

Wir können die Schrift also frei für unsere Dokumente verwenden.

Auch das Open-Educational-Ressource-Projekt weißt auf die Problematik mit Schriften hin, denn sind Schriften rechtlich geschützt, können sie nicht immer als OER angesehen werden. Nicht alle Lizenzen erlauben eine kommerzielle Nutzung oder eine Nutzung für bestimmte Zwecke. Es bedarf also ein Durchlesen der Lizenzbedingungen der einzelnen Schriften - wenn man diese überhaupt vernünftig findet.

Ich habe das mal für die neue Standard-Schriftart für Microsoft Office Aptos getan. Es findet sich ein FAQ zu allen Schriften (nicht zu Aptos direkt!, also hoffen wir mal, dass das alles aktuell und passend ist), darunter:

What can I do with the things that I print from Windows using these fonts?

Unless you are using an application that is specifically licensed for home, student, or non-commercial use, we do not place any restrictions on what you do with print output that uses these fonts.

Übersetzt mit Firefox: Was kann ich mit den Dingen machen, die ich aus Windows mit diesen Schriftarten drucke?

Es sei denn, Sie verwenden eine Anwendung, die speziell für den Heim-, Studenten- oder nicht-kommerziellen Gebrauch lizenziert ist, setzen wir keine Einschränkungen für das, was Sie mit Druckausgabe tun, die diese Schriften verwendet.

Also ist schon mal ausgeschlossen, wer sich das privat kauft/mietet. Weiter unten geht es dann auch um die Einbettung, die nur dann erlaubt ist, wenn das Dokument nicht bearbeitbar ist (zumindest verstehe ich das so, aber ich bin kein Jurist). Die Schriftart Segoe UI, die Windows für sein UI verwendet, darf bspw. für garnichts verwendet werden außerhalb von Microsoft-Produkten.

Verstoße ich gegen die Lizenzbedingungen einer Schrift, die ich verwende, kann ich im dümmsten Fall vom Hersteller verklagt werden. Nicht sehr erstrebenswert!

Honorable Mentions

Die SIL Language Technology - Software for Language Development führt Andika auf als erstellt für eine Alphabetisierung. Mir gefällt diese Schriftart sehr gut. Wenn man auf den fast kompletten Unicode angewiesen ist, eignet sich Gentium Plus ebenfalls von der SIL und, braucht man noch mehr, dann bieten sich die Noto Fonts von Google an. Diese haben wirklich alles, was man sich vorstellen kann.

Für Schüler:innen mit Dyslexie bietet sich dagegen OpenDyslexic an. Sieht vielleicht etwas merkwürdig aus, weil die Buchstaben nicht konsistent in Dicke sind, aber scheinbar hilft es bei Dyslexie gut weiter. Beim Download muss man allerdings "0,00$" eintragen oder man spendet eben etwas für die Entwicklung. Ist sicher auch nicht verkehrt.

Will man ein Schriftbild analog zur Grundschrift bzw. Schreibschrift, nimmt man Playwrite DE (LA). Wobei ich das "Schreibschrift-L" anders gelernt habe.

Installation

Das geht überraschend einfach: Schriftart als otf oder ttf herunterladen, doppelklicken und (unter KDE) wählen, ob es als System- oder persönliche Schriftart eingerichtet werden soll. Danach müssen Programme wie LibreOffice allerdings neu gestartet werden, damit diese die Schriftarten einlesen.

Abbildung 2: In KDE geöffnete Schriftart und Installationsfenster für diese Schrift (bei anderen Desktop-Umgebungen ist es ähnlich).

Eine Alternative ist unter Linux der Schriftarten Downloader/Font Downloader. Darin kann man die Schrift anhand des Beispielsatzes

Zwölf Boxkämpfer jagen Viktor quer über den großen Sylter Deich.

anschauen, der alle Zeichen enthält (leider nicht in Groß- und Kleinschreibung).

Abbildung 3: Die Schrift Andika in der Applikation Font Downloader.

Fazit

Ein Dokument wird nicht nur anhand des Inhalts, sondern auch der Formatierung und damit Schriftart beurteilt. Ich hoffe, meine Überlegungen sind für euch nachvollziehbar. Schreibt doch mal in die Kommentare, welche Schriftarten ihr so verwendet.

Ein Tipp am Ende: Speichert ihr in LibreOffice Dokumente, könnt ihr Schriftarten auch einbetten, sodass sie auf jeden Fall verfügbar sind.

Abbildung 4: LibreOffice-Dialog für die Einstellungen eines Dokuments. Umrahmt die Optionen zum Einbetten verwendeter Schriftarten.

Quellen

Tags

Schule, Schriften, Lizenzen, Unterricht, Unterrichtsmaterialien, FediLZ

Olli
Geschrieben von Olli am 17. September 2024 um 20:30

Hi Stefan, Schriftarten sind ein weites Feld und eine Wissenschaft für sich. Lesbarkeit auf HiDPI-Monitoren, auf Papier, Serifen, keine Serifen etc. Bei den Schriftarten von Google sollte man aus Datenschutzgründen sehr, sehr wachsam sein, wenn man Abmahnungen (https://www.ihk.de/nordwestfalen/recht/rechtsthemen/wettbewerbsrecht/websiten-auf-google-fonts-ueberpruefen-5645256) vermeiden will. Ich musste einige Firmenwebseiten auf andere Schriftarten umstellen. Da ihr eure Arbeitsblätter bestimmt auch digital teilt, kann ich davon nur abraten. Gruß Olli

Stefan Draxlbauer
Geschrieben von Stefan Draxlbauer am 18. September 2024 um 19:44

Danke für den Hinweis! Aber wenn diese eingebettet sind in die Datei, wird ja Google nicht kontaktiert.

Chemical Ali
Geschrieben von Chemical Ali am 17. September 2024 um 22:59

Testdokument "bla.md"

eine Re(d)aktion

H2SO4 + 2NaOH → 2H2O + Na+ + SO42-

Das ist nur ein Beispiel, und es hat mit Schriften nur indirekt zu tun.

Dein Problem (Zitat)

"Ich arbeite als Lehrkraft für die Fächer Mathematik und Chemie. Dafür brauche ich schon mal griechische Buchstaben, aber das ist mittlerweile kein Problem mehr. Ein größeres Problem sind die Atomsymbole bspw. in Reaktionsgleichungen. Hier sieht häufig genug das Atomsymbol für Chlor genauso aus wie Kohlenstoff-Iod":

Wirklich sehr ähnlich: Cl (Chlor) und CI (Kohlenstoff-Iod), (\alpha), (\beta) und (\gamma), sowie noch eine Formel:

\begin{equation} a^2 = b^2 + c^2 \end{equation}

CH4(g) + 3O2(g) → CO2(g) + 2H2O(g)

Felli
Geschrieben von Felli am 18. September 2024 um 01:41

Der Link zur Wikipedia verweist auf den Font Downloader.

Stefan Draxlbauer
Geschrieben von Stefan Draxlbauer am 18. September 2024 um 19:50

Ui, was ist mir da passiert. Ist korrigiert.

Robert
Geschrieben von Robert am 18. September 2024 um 08:00

Moin Stefan. Das Thema Schriftarten ist tatsächlich ein Rabbit Hole. Ich versuche aber, immer an der Oberfläche zu bleiben, da es mir persönlich nur um die Lesbarkeit auf dem Bildschirm geht. Die von dir genannte Andika verwende ich als Standardschriftart auf meinem E-Book-Reader. Grüße

Stefan Draxlbauer
Geschrieben von Stefan Draxlbauer am 18. September 2024 um 19:47

Ist bei mir auch so. Auch auf dem Desktop für das UI ist Andika bei mir Standard.

Patrick
Geschrieben von Patrick am 18. September 2024 um 08:58

Hi Stefan, ich kann die Nutzung einer serifenlose nicht proportionale Schriftart empfehlen. Bei dieser sind Buchstaben klar erkennbar. Der Font Source Code Pro unterstützt auch Griechisch (Link zu Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Source_Code_Pro). Grüße, Patrick

Tobias
Geschrieben von Tobias am 18. September 2024 um 09:08

Hallo,

genau wie bei Software sind auch die Designer von freien Schriftwarten oft für "bugreports" dankbar.

Stefan Draxlbauer
Geschrieben von Stefan Draxlbauer am 18. September 2024 um 19:48

Sicher mal eine Überlegung wert 🤔 Danke für den Hinweis.

Robert
Geschrieben von Robert am 18. September 2024 um 14:05

Wer sich für Schriftarten und Fonts interessieren tut, freut sich bestimmt über diese gesammelten Resourcen:

https://neoxion.net/fonts-typography/ - Fonts und Fontsammlungen https://neoxion.net/fonts-typotools/ - Font-Utilities und Typographie-Tools

Wer selbst Fonts erstellen oder editieren möchte, sollte mal einen Blick auf diese Programme werfen: https://fontforge.org/ FOSS https://birdfont.org/ FOSS https://www.glyphrstudio.com/ Online web-basiert FOSS Hier gibt es sogar eine kurze rechtliche Einschätzung dazu: https://fontforge.org/docs/faq.html#faq-legal

Obwohl wir alle täglich Fonts benutzen, gibt es in der Typographie sehr viel zu entdecken: https://avark.agency/typeterms/