Linux Mint 21.2 - Victoria

  Ralf Hersel   Lesezeit: 8 Minuten  🗪 11 Kommentare

Wie erwartet, präsentiert Clément Lefèbvres Distribution erneut eine solide und Mainstream-taugliche Lösung.

linux mint 21.2 - victoria

Es sieht so aus, als wäre heute der Distro-Testing-Tag. Nach meinem Fehlversuch mit NixOS, versuche ich es mit der neusten Version einer der beliebtesten GNU/Linux-Distribution: Linux Mint in der aktuellen Version 21.2 Victoria. Mir geht es hier nicht um die aktuelle Spezifikation (basiert auf Ubuntu 22.04 LTS, Kernel 5.15, usw.), sondern um die Erfahrung für Anwender und Anwenderinnen; insbesondere für Umsteiger und Einsteigerinnen, weil Linux Mint sich für eine solche Klientel rühmt.

Selbstverständlich teste ich Mint mit seiner Flagship-Umgebung Cinnamon. Das ISO-Image der aktuellen Version (Cinnamon) findet ihr hier. Die Installation vollzieht sich völlig problemlos und ist nach wenigen Minuten abgeschlossen. An dieser Stelle frage ich mich, warum es immer noch Leute gibt, die eine GNU/Linux-Installation als kompliziert erachten; tatsächlich gibt es kaum etwas Einfacheres, was man auf einem Computer machen kann.

Wie es sich für eine benutzerfreundliche Distribution gehört, werden Anwender:innen mit einer Willkommens-Anwendung begrüsst, die relevante Information für den Ersteinsatz bietet. Die darin angebotenen "Ersten Schritte" sind sinnvoll gewählt, könnten jedoch Einsteiger bereits überfordern:

Die Einstellung der Schreibtischfarben sollte jede:r bewältigen können. Ob man zweimal am Tag Snapshots erstellen möchte, können vermutlich nur die Wenigsten entscheiden. Ich persönlich finde diese Standardeinstellung etwas übertrieben, insbesondere bei einem LTS-System. Die Treiberverwaltung ist wiederum sehr einfach, was man von der Aktualisierungsverwaltung nicht sagen kann. Mit den darin angebotenen Optionen sind Anfänger:innen definitiv überfordert.

Als erfahrener GNU/Linux-Anwender gefällt mir diese Auswahl an ersten Schritten selbstverständlich gut. Bei einer Windows-Umsteigerin erzeugen diese Möglichkeiten vermutlich schon Stirnrunzeln. Systemeinstellungen, Firewall? Versteht mich nicht falsch; Linux Mint macht das vorbildlich, und ich wüsste nicht, wie man es besser gestalten könnte. Ich vergebe hier die volle Punktzahl, befürchte jedoch, dass die Generation der Handy-Wischer auch damit überfordert ist.

Egal, weiter geht es. Erfreulicherweise sind in Linux Mint mehr als die notwendigen Anwendungen vorinstalliert. Selbst ein Neofetch ist vorhanden. Kritiker werden das als "bloated" bemängeln, aber man kann es nicht allen recht machen. Gerade bei einer Einsteiger-Distro, halte ich mehr vorinstallierte Anwendung besser als weniger.

Nach dem Neustart kam die erste Enttäuschung. Ich hatte der virtuellen Maschine (Boxes) 2 GB RAM und 20 GB Disk gegeben; anscheinend war das zu wenig. Linux Mint meldete 0 Byte verbleibender Speicherplatz und das Menü war nicht mehr vorhanden. Also löschen und neu installieren des 2.5 GB ISO-Images, dieses Mal mit 4 GB RAM und 40 GB Massenspeicher.

Die Neuerungen in Mint 21.2 lassen sich schnell zusammenfassen:

  • Tap-to-Click standardmässig auf dem Anmeldebildschirm aktiviert
  • Verbesserte Tastaturnavigation im Passwortfeld des Anmeldebildschirms
  • Überarbeitete Benutzeroberfläche für den Software-Manager und die vorgestellten Anwendungen, darunter Flatpaks
  • Neu gestaltete Pix-Anwendung auf Basis von gThumb 3.12.2
  • Neue zweifarbige Ordnersymbole
  • Volle Unterstützung für HEIF- und AVIF-Bilddateien im gesamten Betriebssystem
  • Xreader kann jetzt eine Vorschau von Adobe Illustrator-Dokumenten anzeigen
  • Neue Hintergrundbilder

So präsentiert sich Mint nach dem initialen Update und dem Umschalten auf das dunkle Thema:

Das Startmenü des Cinnamon-Desktops lässt sich mit der SUPER-Taste öffnen (was nicht selbstverständlich ist) und lässt kaum Wünsche offen. In der linken Leiste gibt es konfigurierbare Schnellstarter für Anwendungen. Darunter befinden sich die Schaltflächen für 'Bildschirm sperren', 'Abmelden' und 'Ausschalten'. Das oben angeordnete Suchfeld erlaubt das Auffinden von Anwendungen und Dateien; Systemkommandos, Berechnungen, Aufgaben, Personen oder Termine verwenden nicht unterstützt. Die vorinstallierten Anwendungen halte ich für ausreichend, aber nicht übertrieben. Diese wichtigen Anwendungen hat das Mint-Team ausgewählt:

  • Firefox (115.0.2): keine Plugins, keine Sprachanpassung
  • LibreOffice (7.3.7.2): dunkles Theme wird übernommen (auch nicht selbstverständlich)
  • Pix (ein gThumb-Fork): keine Ahnung, warum man gThumb forken muss
  • Drawing (ein einfacher Bild-Editor): Gimp ist nicht vorinstalliert
  • Thunderbird (102.13)
  • Nemo: guter Dateimanager; ein Fork von Nautilus (GNOME-Files)
  • Celluloid: Video-Player
  • Rhythmobox: Audio-Player und Musikverwaltung
  • Synaptic: als zusätzliche Paketverwaltung
  • Xed: einfacher Texteditor

Das sind natürlich nicht alle vorinstallierten Anwendungen, sondern nur die wichtigsten.

Die Systemeinstellungen von Linux Mint Victoria halte ich für inakzeptabel, bzw. völlig veraltet. Öffnet man die Einstellungen, empfangen einen 34 Einzelanwendungen, die grob in die Kategorien: Erscheinungsbild, Einstellungen, Geräte und Systemverwaltung unterteilt sind. Ich frage mich, ob das von Windows oder Xfce kopiert wurde.

Ich hatte nach einer Information über das verwendete Display-Protokoll gesucht. In diesem Einstellungs-Chaos habe ich nichts dazu gefunden. Dieser Terminalbefehl brachte die Antwort:

echo $XDG_SESSION_TYPE
x11

Na prost Mahlzeit!

Einzelne dieser vielen Einstellungen sind gut gelöst, wie z. B. die Theme-Auswahl. Dort kann man zwischen hellem, dunklem und einem gemischten Theme wählen, welches nur dann ein dunkles Design anwendet, wenn es aus Kontrastgründen (Video, Fotos) angebracht ist. Auch die Auswahl der Akzentfarbe ist reichhaltig; eventuell etwas zu viel des Guten.

Nun komme ich zum wohl wichtigsten Aspekt einer GNU/Linux-Distribution, der Anwendungs- und Paketverwaltung. Linux Mint unterscheidet dazwischen, was kein Problem ist. Möchte man neue Software installieren, ruft man die Anwendungsverwaltung auf, die als Schnellstarter im Menü hinterlegt ist.

Dort findet ihr einen aufgeräumten App-Store vor, der DEB- und Flatpak-Pakete anbietet. Snaps gibt es hier nicht und können auch nicht über die Einstellung eingeschaltet werden. Das Mint-Team hat sich hier klar gegen den Alleingang von Canonical entschieden. Auch die Detailinformationen zu einzelnen Paketen sind ausführlich und hinreichend. Das gefällt mir. Ob mir die Trennung zwischen Paket-Updates und dem Store gefällt, weiss ich nicht genau. Tatsache ist, dass Linux Mint für die Paketaktualisierung eine andere Anwendung verwendet, nämlich die Aktualisierungsverwaltung, wie man sie seit Jahren von Linux Mint kennt. Dort gibt es viele Optionen, mit denen die Update-Häufigkeit und Automatisierung gesteuert werden kann.

Wer von Linux Mint 21.1 auf Linux Mint 21.2 upgraden möchte, sollte sich noch ein paar Tage gedulden. Dann installiert man zunächst alle Updates auf die aktuelle Version, öffnet dann den Update-Manager, geht in das Menü Bearbeiten und wählt die Option "Upgrade auf Linux Mint 21.2 'Victoria'".

Fazit

Linux Mint 21.2 "Victoria" in der Cinnamon-Edition ist eine Distribution, die vom Erscheinungsbild, der vorinstallierten Anwendungen und der Benutzungsfreundlichkeit für jedermann und jede Frau geeignet ist. Dass sie auf Ubuntu 22.04 LTS basiert, ist kein Problem, da man solche Anwendungen, bei denen es auf Aktualität ankommt, durch Flatpaks ersetzen kann. Was mir nicht gefällt ist x11 anstatt Wayland, die zerklüfteten Systemeinstellungen und die Tatsache, dass Linux Mint eine Distribution in zweiter Ableitung ist (Debian → Ubuntu → Linux Mint). Für meinen Geschmack sind die Abhängigkeiten und zu schliessenden Kompromisse zu gross. Dennoch, wer erstmals mit Linux in Berührung gerät, ist mit der aktuellen Version von Linux Mint gut beraten.

Quelle: https://linuxmint.com/

Tags

Linux Mint, Cinnamon, Victoria

AB
Geschrieben von AB am 17. Juli 2023 um 12:18

Also die Kritik an X11 statt Wayland kann ich nur ansatzweise nachvollziehen, da Wayland ja noch nicht in jedem Aspekt produktiv genutzt werden kann. Die KDE Entwickler sind ja auch gerade mal in den letzten Atemzügen der Implementierung.

Gast
Geschrieben von Gast am 17. Juli 2023 um 14:52

Wer von Linux Mint 21.1 auf Linux Mint 21.2 upgraden möchte, sollte...

diesen Link: https://www.youtube.com/watch?v=P_oQhDAdJN4

anschauen, ging fehlerfrei mit Xfce

Gruß Gast

Uwe
Geschrieben von Uwe am 17. Juli 2023 um 19:29

Es ist wie bei jedem technischem Ding: Man (der Anwender) muß sich damit beschäftigen und darauf einlassen, bws. Funktionalitäten in Foren nachlesen und hier und dort mal etwas recherschieren. Auch Fachhefte helfen.

Wer seinen Computer nur wie einen Toster oder Kühlschrank (das Ding ist vorhanden und hat einfach zu funktionieren) benutzt, dem ist nicht zu helfen, egal mit welchem Betriebssystem dieser läuft.

Ich bin ca 2014 ins kalte Wasser gesprungen. Habe mir die Baugruppen für einen neuen Mittelklasse-PC gekauft, zusammengebaut und mittels Linux Multi-Live-DvD von der Linuxwelt (LINUX-WELT https://www.idgshop.de/linuxwelt/linuxwelt-magazin-hefte-einzel-ausgaben) angefangen. Distrohopping betrieben und für mich die Debianschiene mit Debian,Sparky, und Mint erschlossen.

Linux hat mir niemand gezeigt. Bis dato wusste ich von seiner Existens, aber sonst garnichts.

Für mich steht bei der Computerei die Hardware IMMER an erster Stelle. Auf einem guten bis sehr guten techn. Fundament kann man dann eine ausgereifte, zuverlässige und gute Linuxdistrie benutzen.

Damit bin ich als normaler Endanwender verdammt gut gefahren!

Linux (Mint-Debian), einfach, weil es einfach einfach ist und funktioniert!

Das wirklich einzige was ich bemängele ist das Fehlen von Grafik/Benchmark testprogrammen wie bsw

-GPU-Z für Linux -Furmark für Linux -Cinebench für Linux -PCMark für Linux -3DMark

Natürlich dann unter entsprechenden Namen aber mit ähnlichen Funktionen. Das sowas geht zeigt z.B. CPU-X Herzlichen Dank an den Entwickler!

Wie will ich einem neuem Linuxjünger einen Hardwaretest auf seinem System zeigen, wenn ich keine Testsoftware dafür habe und die auch nicht in den Repositorys sind?

Spielen wird auch unter Linux immer besser und beliebter, ja es gibt sogar nun "Game ready" Distributionen.

Liebe Programmierer, denkt mal da drüber nach, statt sich um pro/kontra Systemd, Wayland, Gnome, Redhat etc... in die Haare zu geraten!

Die normalen User, die einfachen Nutzer werden es Euch danken. liebe Grüße Uwe, ein meist stiller Leser

Torsten
Geschrieben von Torsten am 18. Juli 2023 um 13:40

Wie wäre es, wenn DU dich selbst aktiv an Linux Mint beteiligst und mithilfst, Dinge zu verbessern, anstatt nur zu meckern? Ich selbst war jahrelang für diverse Linuxdistributionen als Maintainer tätig und ich kann es absolut nicht verstehen, dass viele Menschen ständig Forderungen stellen, meckern, aber selbst sich überhaupt nicht an der Verbesserung von Linux beitragen, nicht einmal etwas spenden. Heute bin ich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, aktiv als Entwickler mitzuwirken - aber DU kannst ja gerne meinen Platz einnehmen. In Deutschland wird ja gerne viel gejammert, aber kaum einer macht es selbst besser oder wird aktiv.....

Uwe
Geschrieben von Uwe am 24. Juli 2023 um 02:34

Ich kann nicht programmieren. Und, ich will es als einfacher Benutzer auch gar nicht. Für mich ist Linux einfach nur Mittel zum Zweck. Ein zukunftorientiertes Betriebssystem. Und an oben beschiebenen Tools mangelt es m.M.n. einfach.

Torsten
Geschrieben von Torsten am 24. Juli 2023 um 17:06

Dann melde es als Bug (oder als verbesserungsfähig) an das dafür zuständige Team. Aber nur herumzusitzen, zu jaulen und zu jammern, davon ändert sich nichts. Die Maintainer allerdings können sich nicht um jede Kleinigkeit kümmern, das geht schon aus zeitlichen Gründen nicht.

JoBo
Geschrieben von JoBo am 26. Juli 2023 um 09:34

Ich habe gestern, erstes mal in meinem Leben Linux Mint "Victoria" auf ThinkPad 430s von USB installiert. Die Installation ist problemlos gelaufen. Nach dem Neustart, startet der Laptop nur in Dauerschleife neu und neu und neu. Es kommt gar kein Bootmenu, keine Fehlermeldung, nichts. Nur der erste Bildschirm mit der Möglichkeit sich in Bios zu booten und fährt gleich runter und wieder hoch und runter und hoch... Dann habe ich versucht, es in kompatiblem Modus zu installieren. Die ganze Installation ist wieder problemlos gelaufen und nach dem Neustart, wieder das gleiche Spiel mit dem endlosen Neustart. Ich habe versucht mit UEFI zu spielen, sowohl enabled als auch disabled, aber das System bootet einfach nicht. Woran könnte es liegen? Danke für eure Tipps.

Fred
Geschrieben von Fred am 28. Juli 2023 um 13:20

Mein Tip: geh mit der Frage zu www.linuxmintusers.de, da werden Sie geholfen. Hier ist nicht der richtige Ort dafür.

Freddy
Geschrieben von Freddy am 30. Oktober 2023 um 14:15

Ins BIOS, dann Secure Boot ausschalten (einmal Linux Mint und Secure Boot googeln).

Mmoe
Geschrieben von Mmoe am 29. Februar 2024 um 18:23

Da würde ich im ersten Schritt mal ein neues Installationsmedium erstellen und auch mal den sha256sum.txt gegenchequen. Auf Tpads, älter als zwei Jahre flutscht die Installation eigendlich wie ein gefettetes Schwein! Hast Du etwa die Version mit dem Niveachip?.... das ist das einzige Schlagloch was mir einfiele, wobei dann immer noch die HD400 des Prozz an Board wäre, also müsste das eigendlich dennoch gehen...

Renato
Geschrieben von Renato am 10. Januar 2024 um 17:19

Hallo zusammen kann mir Evtl. jemand helfen bei LinuxMint 21.2 Cinnamon . Ich bring meinen Chromecast Tv nicht zum laufen. Der wird nicht erkannt unter streamen. Unter Windows 11 geht’s leider.

Grüssend Renato