Online-Jamsessions mit Jamulus und Sonobus

  Daniel Schär   Lesezeit: 7 Minuten

In diesem Beitrag stelle ich kurz die Installation und Verwendung der beiden Open Source Apps Jamulus und Sonobus vor, zwei Programme, mit denen Teilnehmer in Echtzeit über eine Internetverbindung miteinander musizieren können.

online-jamsessions mit jamulus und sonobus

Gerade während der Corona-Krise haben Bands, Chöre und Orchester auf online umstellen müssen und bei solchen Audio-Anwendungen in Echtzeit ist die Latenz das Killerfeature. Latenz meint die Verzögerung von dem Moment, wo ich spiele/singe bis zu dem Moment, wo das Signal durch die Lautsprecher an mein, bzw. in diesem Fall an das Ohr meines Gegenübers, gelangt. Bei Latenzen von über 50ms ist Spielen kaum mehr möglich. Gängige Videokonferenzsoftware wie Zoom oder Teams sind – nebst dem, dass sie Closed Source sind - für das gemeinsame Musizieren übers Netz eher ungeeignet, da die Latenz relativ hoch sein kann (Zoom hat zuweilen eine Latenz von 150 ms - bei einigen Tests aus dem Jahr 2020 wurde eine durchschnittliche Latenz von 135 ms festgestellt). Nebst bei der Audioverarbeitung der App entstehen Latenzen natürlich auch in anderen Stellen: Bei der Analog-/Digitalkonversion des Audiosignals, durch die Netzwerkverbindung und die Verzögerung, welche der Schall bis zum Ohr benötigt.

Darüber hinaus ist die meiste Videokonferenzsoftware für Sprache/Bild und nicht für Musik optimiert, sodass anhaltende Musiktöne als Hintergrundgeräusche missverstanden und herausgefiltert werden können. Gleichzeitig ist sie oft so konzipiert, dass jeweils nur eine Person zu hören ist (der Sprecher wird "fokussiert"), um zu verhindern, dass sich die Teilnehmer gegenseitig übersprechen, was jedoch das gemeinsame Musizieren unmöglich macht. Ausserdem erlaubt die Konferenzsoftware normalerweise keine detaillierte Einstellung der Lautstärke einzelner Audio-Streams oder des Pannings auf der Benutzerseite. Genau dies erlauben die beiden Programme Jamulus und Sonobus, die ich hier vorstelle.

Wichtig: Damit Teilnehmer also online miteinander musizieren können, sollte man nebst einer dezidierten Software auch über eine kabelgebundene Internetverbindung (kein WLAN), Kabelgebundene Kopfhörer (weder Bluetooth noch Lautsprecher) und ein passendes Audiointerface oder Soundkarte und Mikrofon verfügen. Falls man noch keinen JACK-Server hat, muss man diesen noch nachinstallieren - empfohlen wird QjackCtl zur Konfiguration von JACK, um Jamulus oder Sonobus nutzen zu können (Bei Ubuntu/Mint/Debian: sudo apt-get install qjackctl). Andernfalls wird man beim Start womöglich mit folgender Meldung quittiert:

Man öffnet also QjackCtl und dort klickt man auf "Einstellungen". Nun wählt man das entsprechende Audio-Interface unter "Schnittstelle" ändert die "Abtastrate" auf 48000 Hz. Anschliessend startet man mit Klick auf "Beenden" und "Start" den JACK-Server neu, damit die Änderungen in Kraft treten. Dann ist man startklar.

Jamulus

Jamulus wurde ursprünglich 2006 von Volker Fischer kreiert und hat vor drei Wochen die Versionsnummer 3.8.0 erreicht. Es ist in Qt geschrieben und verwendet den OPUS-Codec.

Nach dem Start von Jamulus folgt zuerst die Einrichtung eines Profils. Damit lässt man die anderen Teilnehmer wissen, wer man ist. Dabei klickt man auf "Ansicht"> "Mein Profil…" und gibt die entsprechenden Daten (Name, Land, Stadt, Können, etc.) ein.

Jamulus funktioniert danach wie ein gängiges Mischpult und wenn man dessen Funktionsprinzip verstanden hat, ist die Bedienung selbsterklärend: Man kann die einzelnen Musiker auf ihren Spuren nach Belieben lauter/leiser regeln oder ganz stumm schalten. Aufnahmefunktion oder Metronom bietet es leider nicht und das Interface ist subjektiv gesehen nicht sehr stylish, obwohl man in den Optionen zwischen den drei Skins normal/schick/kompakt auswählen kann. Um mit den anderen Teilnehmern zu kommunizieren, bietet Jamulus auch ein Chat-Fenster. In den Audio-Einstellungen kann man beim Eingangssignal zwischen Mono und Stereo auswählen und ebenso die Audioübertragungsqualität zwischen niedrig/normal/hoch umschalten. Als einziger Audio-Effekt bietet Jamulus einen Hall an, der der sich auf den Master auswirkt, also nicht auf jeden Kanal einzeln. Jamulus bietet unter den erweiterten Einstellungen einen eingebauten Feedbackschutz, der das unangenehme Pfeifen verhindern soll, das auftritt, falls man keinen Kopfhörer als Abhöre benutzt.

Sonobus

Sonobus ist aktuell in der Version 1.4.6 erschienen und präsentiert sich out-of-the-box in einem modernen Look und sehr aufgeräumt. Beim ersten Start war die Anzeigesprache auf Englisch, was man in den Optionen rasch auf Deutsch umstellen kann. Die Kanäle der Spuren sind nicht horizontal wie bei einem Mischpult, sondern vertikal angeordnet. 

Sonobus zeigt sich in punkto Funktionalität grosszügiger: Das Eingangssignal kann von Mono auf Stereo oder sogar Multi-channel eingestellt werden. Jede Spur hat auch hier Lautstärke-, Stummschaltung- und Panoramaregler. Daneben bietet es die wichtigsten Audio-Effekte wie Noise-Gate oder Compression mit den notwendigen Parametern für jeden Kanal einzeln an, sowie einen Hall, der sich wie bei Jamulus auf die Masterspur auswirkt. 

Vorteilhaft für Pop-/Rock-/Jazz-Musiker ist das eingebaute Metronom, dessen Pegel ebenfalls reguliert werden kann. Eine einzelne Spur oder die ganze Jamsession zusammen kann als FLAC-Audiodatei aufgenommen werden und geloopt werden. So kann z.B. ein Drummer einen Beat einspielen und diesen mit Knopfdruck allen Teilnehmern senden, die dann darüber improvisieren können. Seit der Version 1.3.0 kann Jamulus auch nebst öffentlichen auch private Sessions (z.B. für Bandproben online) starten. Um mit den anderen Teilnehmern zu kommunizieren, bietet Sonobus ebenfalls ein Chat-Fenster. 

Subjektiv gehört bietet Sonobus einen qualitativ besseren Sound, aber einige User berichten, dass die Latenz einen Tick schlechter als bei Jamulus ist. Bei meinem Versuch war die Latenz bei akzeptablen 30ms.

Sonobus gibt es nebst dem kompilierten Paket im DEB-Format auch als Snap. Für Mint/Debien/Ubuntu gibt es ein Repository, das man zuerst hinzufügen muss. Die Anleitung findet man hier: https://sonobus.net/linux.html

Fazit:

Jammen übers Netz ist für Linuxuser ohne grosse Schwierigkeiten mit beiden Programmen möglich. Mich persönlich hat das Konzept von Sonobus mehr überzeugt v.a. wegen der grösseren Funktionalität und der Übersichtlichkeit. Leider ist es noch nicht so verbreitet, sodass der einzelne User, der einfach mal mit Unbekannten jammen will, keine so grosse Auswahl an Mitgliedern vorfindet wie bei Jamulus.  

Online-Jam mit Jamulus: https://invidious.sp-codes.de/watch?v=MpSIYxZMHw8

Online-Jam mit Sonobus: https://invidious.sp-codes.de/watch?v=F7BTDAjcElw

Vergleich (Englisch) von beiden Programmen: https://invidious.sp-codes.de/watch?v=Os16e8ZJM6s

Tags

Musik, Jam, Audio, Latenz, Jamulus, Sonobus, JACK-Server, online, Teilnehmer, Spur

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