Raspberry Pi 5: Eine Chance für den Linux-Umstieg?

  Herbert Hertramph   Lesezeit: 6 Minuten  🗪 11 Kommentare

Bietet die verbesserte Leistung des Raspberry Pi 5 einen Anreiz für den Umstieg auf ein Linux-System?

raspberry pi 5: eine chance für den linux-umstieg?

Die neuen 5-er-Modelle des Raspberry Pi sollen Ende Oktober 2023 ausgeliefert werden. Etwas früher soll es schon ein Update auf die (Debian-)Bookworm-Variante des Raspberry Pi OS geben. Dass YouTuber die üblichen begeisterten Videos über ihre Kanäle senden, war zu erwarten. Aber tatsächlich lassen die Specs der Hardware (https://www.raspberrypi.com/products/raspberry-pi-5/) eine deutliche Steigerung in der Leistung erwarten (https://www.heise.de/hintergrund/Raspberry-Pi-5-Der-Raspi-5-kommt-mit-viel-mehr-Leistung-9319020.html?seite=all). Preislich wird das 4-GB-Modell bei etwa 68 Euro liegen, mit 8 GB landet man bei knapp 90 Euro. In den verbesserten Werten und moderaten Preisen kann eine Chance liegen, dass vermehrt Personen zumindest mit einem Linux-Desktop in Berührung kommen.

Erste Schritte aus der Bastel-Ecke bereits mit der 4-er-Reihe

Die nackte Platine eines Raspberry Pi ist für die meisten Anwender, die Windows oder MacOS gewohnt sind, schlicht ein Albtraum. Klar, wer das Legeverhalten in Vogelnestern beobachten möchte oder die Erbebenstärke in seinem Garten, der hat da keine Berührungsängste. Aber wer Mails beantworten muss, Texte verfassen, Präsentationen gestalten, Web-Auktionen verfolgen oder Online-Banking erledigen möchte, der hat deutlich andere Bilder von einem Computer im Kopf. Seine Vorstellung: Hinstellen. Anschalten. Arbeiten. Zur Not noch ein Programm installieren. Ausschalten. Fertig. Und Windows soll darauf laufen, denn das kann man ja bedienen. Linux, sofern man den Begriff überhaupt kennt, ist irgendwas für Studis oder für Ingenieure in Rente oder eben für die erwähnten Vogelkundler, die auf Bäume klettern. Von einer Box umhüllt sah das zwar schon besser aus, aber bis zur 4-er-Reihe nützte das nicht viel, da die Leistung für viele Aktivitäten, die man von einem Desktop-PC gewohnt war, zu schwach war. Mit Raspberry Pi 4 war nun zumindest für einfache Aufgaben möglich geworden, gewohnte Arbeiten zu verrichten. Und der "Tastaturcomputer" Raspberry Pi 400 erfüllte tatsächlich in weiten Bereichen alle Voraussetzungen, die von einem "PC" erwartet wurden. Hinstellen. Anschalten. Desktop-Oberfläche erscheint. Und alle Programme waren schon ohne Installation direkt im Menü startklar: Browser, Office und sogar Minecraft. Und alles funktionierte: WLAN, Bluetooth, die Verbindung zum Drucker oder Kopfhörer - mit anderen Worten: 80 % der Wünsche eines durchschnittlichen PC-Nutzers waren damit erfüllt.

Liefert Raspberry Pi 5 die fehlenden 20 %?

Woran mangelte es nun noch? Gut, die Microsoft-Anwendungen fehlten – aber einen Brief an den Vermieter oder eine Präsentation für die Schule … Da konnte man sich ganz gut an LibreOffice gewöhnen. Wenn man nicht mit mehreren Anwendungen gleichzeitig arbeitete, war auch die Geschwindigkeit ganz okay – bis auf den wichtigen Bereich von YouTube-Videos & Co. In einem Video mal eben die Bedienung einer Waschmaschine anschauen - ja, das ging, aber es hatte nicht die gewohnte Qualität. Einfach gesagt: In manchen Bereichen kam man einfach an die Grenzen der Hardware. Eine deutliche Leistungsverbesserung, gerade, was die Geschwindigkeit in vielen Bereichen betrifft, kann man vom 5-er-Modell erwarten. Vielleicht wird ja sogar noch ein "Raspberry Pi 500" nachgeschoben. Aber auch so wäre man aktuell mit der 8-GB-Variante + Box + Netzteil usw. vielleicht mit 120 Euro dabei (wahrscheinlich hat man Tastatur und Maus ohnehin noch irgendwo im Keller). Bei diesem Preis wird niemand eine Rennmaschine erwarten - aber man wird überrascht sein, wie flüssig die meisten Anwendungen laufen. Das ist zumindest zu vermuten. Endgültig kann man sich da natürlich erst ein Urteil bilden, wenn die Hardware verfügbar ist. Jedenfalls könnte mit deutlichen Leistungsverbesserungen die letzte Hürde für eine Nutzung im Alltag genommen sein.

Was wäre damit für Linux gewonnen?

Machen wir uns nichts vor. Es wird in absehbarer Zeit keinen "Run" auf Linux geben, obwohl die heutigen Distros sehr, sehr gut sind und viele Vorteile gegenüber den gewohnten Systemen haben. Aber solange man in Schulen überwiegend Apple- und MS-Produkte nutzt und diese Systeme auch in der beruflichen Welt dominieren, werden die meisten Anwender:innen keine Notwendigkeit für einen Wechsel sehen. Aber man muss ja nicht immer in großen Zahlen denken. Da hätten wir zunächst jene Gruppe, deren PC nicht das Update für Windows 11 erlaubt. Mit Linux wären sie deutlich sicherer unterwegs. Dann jene Gruppe, die beispielsweise mit LibreOffice, Thunderbird und Firefox fast alle Aufgaben bewältigen kann. Ferner den Schulbereich. Lernplattformen wie Moodle stellen kein Problem dar. Und zumindest bis zur 6. Jahrgangsstufe sollte es ein gut eingerichteter Raspberry Pi tun. Das Medienzentrum Harburg hat sogar ein ganzes Raspberry-Pi-Image vollgepackt mit Software für die Schule erstellt (https://www.medienzentrum-harburg.de/medienzentrum-verschenkt-software/). Vielleicht möchte man auch nur einen Zweit-PC in einem entfernten Raum oder im Gästezimmer zur Verfügung haben. Und nicht zuletzt: Es gibt auch eine größere Gruppe, die durchaus gerne einmal ein neues (Linux-)System ausprobieren würde, dies aber nicht auf ihrem Hauptrechner installieren möchte. All diese Teilgruppen sind in der Summe dann doch beachtlich - und für sie könnte die neue 5-er-Reihe durchaus attraktiv sein. Damit würde man erfahren, dass man mit einem "Nicht-Windows/Mac"-System sehr wohl gut und reibungslos arbeiten kann. Und man würde am System entlang "lernen": Wie man über den Paket-Manager eine neue Anwendung installiert oder ein Image auf eine microSD-Karte spielt zum Beispiel. Und nach einiger Zeit würde auch bemerkt werden, dass man recht "gefahrlos" eine andere Linux-Variante auf dem Gerät ausprobieren kann - eine zweite microSD-Karte genügt, mit der man spielen und Distros ausprobieren könnte. Warum nicht einfach mal Manjaro mit Xfce nutzen? Oder eine Ubuntu-Variante?

Fazit

Sicher, es gibt noch andere Wege, um ein Linux-System zu nutzen. Virtuelle Maschinen, Linux-Partitionen, alte Notebooks aufmöbeln usw. Aber einen Raspberry-Pi-5 in einer Box zusammen mit einem Image, auf dem Desktop plus Software vorinstalliert ist, erleichtert viele Anfangsschwierigkeiten. Und wenn dann noch ein hübsches Wallpaper vorinstalliert ist, nun, dann sollte er auch das Herz von langjährigen Windows-Nutzer:innen erobern können ;-)

Quellen:

https://www.raspberrypi.com/products/raspberry-pi-5/

https://www.heise.de/hintergrund/Raspberry-Pi-5-Der-Raspi-5-kommt-mit-viel-mehr-Leistung-9319020.html

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Raspberry Pi, Raspi5

Thomas Gutte
Geschrieben von Thomas Gutte am 3. Oktober 2023 um 09:55

Die Kombi leistungsfähiger Raspberry und Linux werden definitiv dazu beitragen, dass in den ärmeren Ländern mehr Menschen sich einen Rechner leisten werden und Linux somit ein größeres Gewicht auf Desktops wird. Allerdings bei uns sehe ich es nicht. Linux - egal wie gut es bereits ist - kommt leider nicht als der neue heiße Scheiss rüber, den unbedingt die Leute wollen und für den sie bereit sind die gewohnten Pfade zu verlassen. Raspberry wird tatsächlich in der Bastelecke für Nerds verortet und dass Linux nachhaltig alte Rechner am Leben erhält ist zwar bekannt, es ist aber nicht sexy. Für Firmen stellt der Umstieg auf Linux im Desktopsegment eher eine Horrorvorstellung da, denn damit würde zunächst einmal riesiger administrativer sowie Schulungsaufwand einhergehen, was logischerweise zu Lasten der Produktivität geht (Server sind eine andere Sache).

Chris
Geschrieben von Chris am 3. Oktober 2023 um 10:27

Um 90€ + Speicherkarte, gutes Netzteil und Gehäuse bekomme ich bald einen brauchbaren Intel x64 HTPC Barebone mit entsprechender Leistung, ohne Kompatibilitätsprobleme mit der ARM Architektur und Codecs. Im letzten Artikel hat jemand richtig angemerkt er hätte wieder gerne etwas Richtung Raspi Zero. Wer braucht Rpi5 Desktops? Ich nicht.

leachimus
Geschrieben von leachimus am 3. Oktober 2023 um 14:38

Bin ich voll bei dir. Einen generalüberholten ThinClient hat viel mehr Potential zum Linux-Einstieg. Das ehemalige Preis- Leistungsverhältnis ist dahin.

Micha
Geschrieben von Micha am 3. Oktober 2023 um 11:05

Solange Unis, Schulen und Unternehmen auf MS 365/Teams und die Adobe Suite setzen und Arbeitenden, Studis sowie Dozierenden die Lizenzen in den Hals geschmissen werden, wird sich auch nix am Linux Desktop ändern.

Da hilft auch ein RPI 5 wenig, der 4er war für "Normalos" grausam langsam und LXDE/LXQT als einzig sinnvoll nutzbare Oberfläche ein Graus an Komfort.

Wenn eh alles Alltägliche im Browser gemacht werden muss, dann werden die meistenzum performanterem Chromebook greifen ... Und damit zwar Linux, aber eben auch fast nur Google nutzen.

Herbert
Geschrieben von Herbert am 3. Oktober 2023 um 13:38

Ja, auf die große Verbreitung von MS-Produkten in Schulen und Unternehmen hatte ich daher auch im Artikel hingewiesen. Aber die Situation in Schulen ist noch immer sehr unterschiedlich. Bei einer kleinen Umfrage von mir (damals noch auf der X-Plattform) hatten sich eine Reihe von Lehrkräften gemeldet, die meinten, dass in ihrer Realschule LibreOffice eingesetzt würde (aus Lizenzgründen wohl). Letzte Woche hatte ich ein Gespräch mit einer Grundschullehrerin, die von ihren iPads berichtete. Die könnten inzwischen nicht mehr eingesetzt werden, der der mit IT-Angelegenheiten beauftragte Lehrer eine Lade-Box für die Geräte gebastelt hatte, die zu Überspannungen geführt habe. Die Medienzentren, die in manchen Bundesländern, z.B. Baden-Württemberg, eine gute Ausstattung haben, arbeiten in vielen Projekten mit Schulen zusammen und empfehlen durchaus auch den Einsatz von Raspberry-Pi-Geräten für schulische Zwecke (das Image-Beispiel habe ich ja im Artikel verlinkt). Oder das großartige Projekt "Moodlebox" (https://moodlebox.net/de/) - damit spannt ein Raspberry Pi ein WLAN im Klassenzimmer auf und stellt die Lernplattform Moodle für alle zur Verfügung. Dafür gibt es durchaus eine Nachfrage, da viele Klassenräume in einem Winkel ohne guten Empfang liegen. - Natürlich ist mir klar, dass die erwähnten Beispiele nur "Tropfen" sind - aber in der Summe haben sie aus meiner Sicht eben doch Bedeutung.

Max Kaufmann
Geschrieben von Max Kaufmann am 3. Oktober 2023 um 17:56

An meiner Schule wird Google, Adobe und Microsoft eingesetzt, Ich benutze einen Pi 400 als Computer und bin mit Rhino Linux sehr zufrieden. Die meisten Dienste kann man im Browser verwenden und Google Drive akzeptiert auch odt.

Herbert
Geschrieben von Herbert am 4. Oktober 2023 um 00:29

Rhino Linux habe ich bisher noch nicht ausprobiert - danke für den Hinweis!

Harals
Geschrieben von Harals am 4. Oktober 2023 um 10:03

Der wird drei Monate zu kriegen sein, dann kommt das CM raus und drei Jahre wieder Lieferprobleme da die Industrie vorrang haben wird.

GSe
Geschrieben von GSe am 5. Oktober 2023 um 14:28

Ich finde es immer lustg, das alle paar monate ein run auf linux herheigewuenscht wird. Nur warum ? Linux ist ein Betriebssystem fuer sich und daran wird neue P5 auch nichts aendern, dafuer ist uebermacht der Ms Lobby zu gross. Ich bin zufrieden mit dem wie es ist, hoert doch bitte endlich auf zu traeumen und stellt euch die realitaet.

Christian Winter
Geschrieben von Christian Winter am 8. Oktober 2023 um 10:11

Im Endeffekt benutzen die Leute bereits mehr Linux im Alltag als ihnen überhaupt bewusst ist: Android Smartphone, Router Firmware basiert oft auf Linux und mal von den ganzen Servern im Internet angesehen. Selbst Microsoft hat schon seit Jahren eingesehen, das Windows nicht ohne Linux auskommt und das WSL in Windows reingesteckt.

Markus
Geschrieben von Markus am 2. Januar 2024 um 14:31

Hab diese Tage den Pi 5 als Desktop eingerichtet, also PI 5, original Lüfter, Full OS12 Bookworm, mit Wlan. Fazit: Einfach nur geil, läuft wie ne "Sau", leise, braucht wenig Strom, kein Wegwerfmüll da es quasi ewig läuft,

Bin begeistert :-)