Über Ubuntu – und mein Verhältnis zur Distribution
Ubuntu ist wohl die bekannteste und umstrittenste Linux-Distribution auf dem Linux-Markt. Ich finde, Ubuntu zeigt wunderbar auf, wie eben oft die kommerziellen Interessen einer Firma hinter einer Distribution nicht zwingend den Interessen Linux-Community dienen und umgekehrt.
Das erste Mal mit Ubuntu in Berührung kam ich im Jahr 2005, ich probierte Ubuntu 5.04 (oder 5.10 – bin nicht mehr sicher) aus, und wechselte in diesem Jahr von SuSE Linux OSS (heute openSuSE) nach Ubuntu.
Ubuntu hat zum damaligen Zeitpunkt sehr vieles richtig gemacht. Einfacher Installer (Geburt der Live-Umgebungen), keine komplizierten Installationen von Extra-Repositorys, um eine mp3 oder eine mkv-Datei (die natürlich immer aus super seriösen Quellen stammten) abzuspielen und – in meinem Fall – keine ewiges herum fummeln an der xorg.conf, damit mein Display in der richtigen Bildschirmauflösung funktionierte.
Ubuntu war für mich die erste «Plug & Play» Distribution: Installieren und es funktionierte direkt alles, ohne dass ich etwas anpassen oder rumfummeln musste – ziemlich cool.
Ich bin dann Ubuntu viele Jahre treu geblieben, bis im Jahr 2011 der GNOME Desktop durch den Unity Desktop ersetzt wurde. Unity war damals kein schlechter Desktop, aber ich bin ein "GNOME-Kind" und das war ich auch damals schon.
Ich ging zu der Zeit zu Fedora, dann zu pop_OS! Und später (als pop_OS! angekündigt hatte, GNOME durch ihr eigenes Ding zu ersetzen) wieder zu Fedora.
Zu Fedora habe ich eine gewisse Hassliebe. Ich liebe die GNOME-Integration, da diese wirklich gut ist. Was ich nicht so mag, ist, dass man für Multimedia-Codecs wieder Extra-Repositories braucht und dass allgemein relativ wenig Pakete in den Standard Repositorys sind.
Das ist der Grund, warum ich mir immer wieder die aktuellen Ubuntu Releases anschaue. Mit den letzten paar Releases – auch mit Ubuntu 22.04 LTS – war ich nicht ganz glücklich. GNOME war immer ein Misch-Masch aus gefühlt 3-4 verschiedenen Releases und wurde nicht wirklich gut gepflegt.
Das Testsystem
Was macht Ubuntu 22.10 anders als die vorherigen Releases?
Das Wichtigste: GNOME ist kein Mischwarenkonzern mehr. Während man bei Ubuntu 22.04 noch versuchte, möglichst keine libadwaita Apps in den Paketquellen zu haben, ist bei Ubuntu 22.10 nun alles auf Version 43 und alles auf libadwaita. Sogar gedit wurde durch den neuen GNOME Text Editor ersetzt.
Ubuntu geht hier aber noch einen Schritt weiter: Das Design Team von Ubuntu zeigt nun allen libadwaita-Kritikern wie Distributionen trotz libadwaita noch eigene Akzente setzen können. Ubuntu hat bereits im 22.04-Release die Akzentfarben eingeführt – Ziel der GNOME Entwickler wäre es gewesen, Akzentfarben auch in GNOME 43 einzuführen – leider wurde das auf GNOME 44 verschoben.
Das hat die Ubuntu Entwickler aber nicht davon abgehalten, die Akzentfarben in ihr libadwaita-yaru-theme einfliessen zu lassen.
Bei der Wahl einer Akzentfarbe ändert sich das entsprechende libadwaita Theme. Ganz cool ist hier die komplette Konsistenz vom Design Team. Das Yaru Theme besteht aus diversen Themes, die für einen einheitlichen und konsistenten Desktop-Look sorgen.
Neben dem libadwaita/yaru Theme gibt es auch ein normales GTK4 Theme, ein GTK3 Theme und ein GTK2 Theme. Alles jeweils in hell und dunkel und mit Unterstützung für Akzentfarben. Das dürfte in der GNOME-Desktop Welt ziemlich einmalig sein und ist wirklich sehr angenehm.
Ich bevorzuge übrigens die dunkle Yaru Variante mit einer violetten Akzentfarbe ;)
Bei diesem Ubuntu-Release habe ich das erste Mal seit langer Zeit das Gefühl, dass die Ubuntu Entwickler wirklich wieder Liebe in die Desktop Version investiert haben.
Das GNOME Einstellungsmenü hat nun eine eigene «Ubuntu Desktop» Sektion, in der man Einstellungen zu Desktop Icons und zum Ubuntu eigenen Dock vornehmen kann. Alles sehr übersichtlich und nett gemacht.
Auch Snap hat Liebe bekommen…
Wenn wir über Ubuntu sprechen, müssen wir auch über Snap sprechen. Ich mache hier keine Pro- und Kontra Diskussion auf, Snap ist ein Teil von Ubuntu und wird es auch in absehbarer Zukunft bleiben.
Soweit ich es sehen kann, bleiben zurzeit Firefox und der App-Store die einzigen Apps, die standardmässig per Snap installiert sind.
Beim Ubuntu 22.04 Release gab es viele kritische Berichte zu Snap einerseits wegen der langsameren Startgeschwindigkeit (beim ersten Start), die fehlende Desktop-Integration (Passwortmanager und GNOME Extensions) und die VAAPI Unterstützung.
In den letzten paar Versionen von Snap und von Firefox haben Mozilla und Canonical zusammengearbeitet und es gab es einige Anpassungen und Bugfixes, um die Probleme der Startgeschwindigkeit anzugehen.
Die Änderungen sind extrem vielseitig aber ich versuche die wichtigsten aufzulisten:
- Firefox lädt beim Start nicht mehr alle Sprachpakete, sondern nur noch das Sprachpaket, das mit der Systemsprache übereinstimmt. (Von dieser Änderung profitieren auch alle Firefox-User, die Firefox nicht als Snap installiert haben).
- Die Snap-Abhängigkeiten für Firefox (gnome-3.38-x, gtk-common-themes) werden nun mit dem LZO Algorythmus komprimiert. LZO kann wesentlich schneller entpackt werden. (Von der Änderungen profitieren alle Snap-Apps, die diese Abhängigkeiten nutzen – unter anderem auch Chromium).
- Snap basiert auf Squashfs. Squashfs wurde optimiert, so dass es nun mehrere Prozessoren statt nur einen nutzen kann, was ebenfalls einen massiven Geschwindigkeits-Boost bringt.
Snap bekam einige Improvements, so dass Firefox nun nativ mit Wayland läuft und GPU Beschleunigung (VAAPI) unterstützt → vorerst noch in der Beta.
Ich persönliche merke auf einer SSD keinen Unterschied mehr, ob ich Firefox als Snap oder als APT Paket starte. Ich habe in gewissen Kommentarspalten gelesen, dass man die langsamere Startzeit bei klassischen Festplatten noch spüren kann.
Unter dem kryptischen Namen "XDG WebExtension Portal" gibt es ein neues Portal (Flatpak nutzt dies auch), mit dem es möglich ist, dass Erweiterungen von Firefox mit Host-System kommunizieren können.
In der aktuellen Snap-Firefox Beta Version funktioniert das Installieren von GNOME Erweiterungen bereits problemlos. Das Portal kann in Zukunft auch für Erweiterungen wie Passwortmanagern genutzt werden.
Dieses Portal wird zurzeit in Snap ausführlich getestet. Sobald es final freigegeben wird, wird es Mozilla innerhalb von Flatpak testen. Das Portal wurde absichtlich Flatpak kompatibel entwickelt, auch hier profitieren wieder viele weitere Linux-Distributionen von Entwicklungen innerhalb von Snap.
Sonstiges und mein Fazit
Wie immer mit einer neuen Ubuntu Version werden auch alle Paketversionen in Ubuntu Universe aktualisiert.
Das schöne an Ubuntu ist, dass ich so ziemlich alles installieren kann, ohne dass ich zusätzliche Repositories brauche. Docker ist da (fehlt z.B. bei Fedora), Multimedia Codecs sind da, und wenn doch was fehlt, gibt es noch die Snaps.
Auch Flatpak ist im Repo vorhanden und kann einfach installiert werden. Das Ubuntu Design Team liefert ihre GTK Layouts auch bei Flathub aus, so dass es auch bei Flatpak Apps zu keinen Inkonsistenzen kommt.
Gerade weil man in Ubuntu gefühlt jede Software installieren kann, war Ubuntu schon immer eine gute Distribution. Dank einem einheitlichen Desktop und einheitlichen Layouts von GTK2 bis libadwaita und einem einheitlichen GNOME dürfte Ubuntu aus meiner Sicht die wohl beste GNOME 43 Distribution werden. Und – aus meiner Sicht – kann Ubuntu ab Version 22.10 auch wieder bedenkenlos weiterempfohlen werden.
Achtung: Ich habe hier mit einer in Entwicklung befindlichen Linux-Distribution herum gespielt. Wenn Du ein Linux-Beginner bist, solltest du das nicht (!) tun. Ubuntu 22.10 bekommt zurzeit täglich grosse Aktualisierungen, bei denen oft viele Dinge schief gehen können – so startete bei mir z.B. zwei Mal nach einem Update die grafische Oberfläche nicht mehr.
Wenn du dich für Ubuntu 22.10 interessierst, dann warte bis zum finalen Release, das gegen Ende Oktober erscheinen wird.
In deinem Blog stand schon eine interessante Ansicht zu Ubuntu ... Flatpak, Snap und co., der Beitrag hier ist eine schöne Zusammenfassung.
Falls man sein System etwas härtet(z.B. in Debian/Ubuntu mit dem Paket hardening-runtime) und aus Gründen "user namespaces" deaktiviert, dann läuft Flatpak nicht mehr, dafür läuft aber Snap. Es kann ja jeder das für sich passende heraussuchen und auch anpassen.
Der Firefox lief als Flatpak in Ubuntu 22.04 auch nativ mit Wayland. Man musst nur die entsprechenden Parameter im Terminal oder der .desktop Datei ergänzen.
Thunderbird lief in Ubuntu 22.04 als Snap nicht nativ mit Wayland. Funktioniert es jetzt?
Sehr schöner Artikel - Danke dafür!
Danke, endlich mal wieder ein Artikel der positiv über meine Lieblingsdistro berichtet. Seit Feisty bin ich dabei, mein einstieg in die Computer Welt.Viel ausprobiert da man sich ja doch auch beeinflussen lässt und doch immer wieder bei Ubuntu gelandet.Ich bin ein Gnome Fan und trotzdem oder wegen Ubuntu habe ich Unity gerne genutzt und war aber doch froh als gnome wieder Standard wurde.Viel bla bla von mir, ich freue mich wahrscheinlich einfach das ich nicht der einzige Gnome nerd bin und deswegen Danke für deinen Artikel......................
Danke für den Artikel, nehme ich zum Anlass mal wieder aus meiner KDE Ecke raus zukommen und mal gnome in einer vm anzuschauen.
Ja 5.x war auch meine erste Ubuntu Bekanntschaft. in dieser zeit, ich glaube mit 6.06 hab ich die erste Releaseparty elebt, damals noch in der Wohnung von Daniel Holbach. Eine tolle Erinnerung. Gefolgt von unzähligen Releasepartys in der c-base, damals noch halbjährich zu jeder auch Nicht-LTS Version.
Guter Hinweis am Ende für "Linux-Beginner". Meine Empfehlung geht da noch ein wenig weiter. Als "Linux-Beginner" sollte man sowieso besser mit einer LTS Version starten, zumindest für den Produktivbetrieb.
Ich habe auch jahrelang Ubuntu in der Kubuntu-Version verwendet. Ich fand vor allem die Community extrem hilfreich und sympathisch. Aber leider lief Kubuntu streckenweise irgendwie nicht so richtig gut und letzlich habe ich gewechselt. Mittlerweile verwende ich auch kein KDE mehr. Vielleicht sollte ich mir mal Gnome ansehen, nachdem es so viele Fans hat...
Kann es sein, dass sich Browser Extension bei Verwendung von Snap Programmen wie Firefox und Chromium gegenseitig beeinflussen?
Es gab jedenfalls Probleme, als Chromium mit uBlock Origin (Lite) installiert wurde und Firefox mit uBlock Origin lief. Irgendwie schien es so, dass die Einstellungen(JavaScript deaktivieren usw.) nicht mehr erreichbar waren. Das Addon verhielt sich irgendwie komplett anders.
Ich war auch langjähriger Ubuntu User und bin jetzt auf Fedora umgestiegen weil ich das Gefühl hatte, das Ubuntu möglicherweise in Zukunft weg von GNOME will. Das Zeichen welches mir dieses Gefühl gegeben hast waren Ubuntus Ambitionen Flutter auf den Ubuntu Desktop zu bringen, sie hatten ja auch bereits ihren Installer auf Flutter portiert.
Ich habe nichts gegen weitere Toolkits für den Linux Desktop und Flutter scheint ja auch wirklich seine Vorteile zu haben aber ich bin auch ein Gnome-Kind.
Was denkt ihr bezüglich Flutter? Wird Ubuntu weitere Apps mit Flutter entwickeln und damit GTK Apps ersetzen oder war das nur ein kurzer Ausflug? Oder einfach nur eine weitere Alternative?
@Pascal
Ich denke Canonical wird Flutter für eigene Apps nutzen. Also Installer, eventuell das Software Center, Verwaltung von Closed Source Treiber, etc
Ich bezweifle, dass die dadurch GNOME Apps ersetzen wollen.