Wine auf Haiku macht Windows Programme nutzbar

  Niklas   Lesezeit: 5 Minuten  🗪 5 Kommentare

Haiku kann inzwischen grafische Windows Programme ausführen, die sich sogar erstaunlich gut in das User Interface integrieren.

wine auf haiku macht windows programme nutzbar

Nachdem sich einige Nutzer als Reaktion auf die Ankündigung von Xlibe (wir berichteten) die Portierung von Wine gewünscht haben, wird nun seit dem 30. Dezember tatsächlich daran gearbeitet. Die fehlende Xlib war nur einer der Gründe, weshalb Wine nicht auf Haiku funktionierte. Es waren auch Anpassungen am Kernel nötig. Zuvor konnte nicht einmal die Headless Version von Wine, also nur für Terminalprogramme und ohne GUI, auf Haiku benutzt werden.

Das Vorhaben erzielte überraschend schnell Ergebnisse, die sich sehen lassen können. In der ersten Ankündigung im Haiku Forum waren zunächst nur Terminalprogramme im Wine CMD ausführbar. Nur einen Tag später folgte ein Screenshot mit Wine Notepad, dem ersten grafischen Windows Programm auf Haiku. Das Ganze wird in einem Fenster des Freedesktop.org X Servers dargestellt, integriert sich also noch nicht in das System UI.

Der Entwickler erklärt, dass er ein Problem mit dll.so beheben musste, damit grafische Programme funktionieren. Noch am selben Tag wurden mit 7-Zip, Process Hacker und Imagine auch Screenshots von komplexeren Programmen gezeigt. In der Nacht auf den 1. Januar kam dann sogar ein Screenshot von Inkscape, ein Vector Icon Editor, nach dem von vielen Haiku Nutzern gefragt wurde, der bisher aufgrund der Abhängigkeit von GTK3 jedoch nicht für Haiku verfügbar war.

Ebenfalls am 1. Januar wurden die ersten Versuche in Verbindung mit Xlibe gestartet: Jedes Wine Fenster soll jetzt also sein eigenes Haiku Fenster bekommen, so wie Wine auch in Linux Desktops integriert wird. Der erste Screenshot war noch stark verzerrt und kaum lesbar, ausserdem funktionierten Tastatur und Mausevents nicht.

Inzwischen funktioniert das alles einwandfrei - und hat nur weitere vier Stunden gebraucht. Mit Inkscape, Imagine, Paint und ein paar weiteren Fenstern wird veranschaulicht, wie gut Wine und Haiku zusammen funktionieren (siehe Screenshot ganz oben). Und das ist nur ein kleiner Bruchteil der Möglichkeiten, die Wine für Haiku bringen wird. Für einige Nutzer war es das letzte fehlende Stück, weshalb man nicht komplett auf den freien BeOS Nachfolger umsteigen konnte.

Die einzige Einschränkung ist momentan, dass auf 64Bit Haiku nur 64Bit Windows Programme ausgeführt werden können und keine mit 32Bit. Verschiedene Lösungsmöglichkeiten werden dazu schon diskutiert, ein Vorschlag ist beispielsweise die Nutzung von WoW64 (Windows on Windows 64bit), was Windows selbst zum Ausführen von 32Bit Programmen auf 64Bit Systemen nutzt.

Auch über Möglichkeiten für 3D Hardwarebeschleunigung wird bereits nachgedacht, damit Windows Spiele später auf Haiku gespielt werden können. Das ist aber noch etwas weiter entfernt, weil Haiku selbst dafür erst die passenden Treiber braucht. Bisher ist ein Grafiktreiber mit Hardwarebeschleunigung nur für AMD Radeon Grafikkarten in Arbeit und noch nicht für die Allgemeinheit nutzbar.

Haiku überrascht immer wieder. Dass Windows Programme sogar noch vor GTK Programmen nutzbar sind, das hat nun wirklich keiner kommen sehen. Und wieder ist ein grosser Schritt hin zur Alltagstauglichkeit für mehr Nutzer geschafft. Einige nutzen es angesichts der vielen Fortschritte der letzten Monate auch schon länger als Hauptsystem.

Hinweis: Wine für Haiku ist noch nicht zum Download verfügbar. Es ist auch noch nicht abzusehen, wann es für die Allgemeinheit verfügbar sein wird und ob es auf der aktuellen Version Haiku R1Beta3 funktionieren wird, oder dazu eine Nightly Version bzw. die im Laufe des Jahres erscheinende Version R1Beta4 nötig sein wird.

Quellen:

Tags

Haiku, Wine, Windows, Programme, Xlibe, Programm, Screenshot

MonteDrago
Geschrieben von MonteDrago am 10. Januar 2022 um 11:16

Das ist eine sehr gute Entwicklung. Natürlich wäre es besser wenn mehr Programme nativ unter Haiku laufen würden. Aber dafür ist Haiku einfach auf absehbare Zeit zu sehr ein Nischenprodukt.

Selber nutze ich Haiku in der Zwischenzeit als Internet Surfstation, wenn ich mal schnell was nachsehen will.

Niklas
Geschrieben von Niklas am 10. Januar 2022 um 14:48

Es gibt eine beachtliche Sammlung von nativen Haiku Programmen unter https://github.com/HaikuArchives/ Leider fehlt die Manpower, um alle Programme regelmaessig zu aktualisieren und mit neuen Funktionen erweitern. Hilfe ist immer gerne gesehen, wenn du dich mit C++ Programmierung auskennst oder es gerne lernen willst. Um eine grosse Menge von Software schnell auf Haiku zu bringen, sind solche Kompatibilitaetsschichten wie Xlibe oder Wine aber auf kurze Sicht die effektivste Massnahme, auch wenn es nicht unbedingt so schoen zu benutzen ist, wie ein natives Programm.

einfach-ich
Geschrieben von einfach-ich am 10. Januar 2022 um 11:50

sorry für meine Uninformiertheit... aber gibt es für Haiku schon einen gängigen Browser mit Erweiterungen? Beste Grüße :)

Niklas
Geschrieben von Niklas am 10. Januar 2022 um 14:51

Leider nicht ganz. Mit QtWebEngine und KDE Falkon (https://gnulinux.ch/qtwebengine-und-kde-falkon-jetzt-auf-haiku) gibt es zumindest endlich einen Browser, der die moderne Chromium Engine nutzt und damit nahezu alle Webseiten einwandfrei darstellen kann. Erweiterungen kann aber leider auch der Falkon nicht. Vielleicht besteht ja Hoffnung, dass mit dem Port von Xlibe und GTK auch irgendwann Firefox auf Haiku funktioniert. In Wine funktionieren aktuelle Firefox Versionen meines Wissens nach nicht richtig, aber ich lasse mich da gerne eines Besseren belehren.

ubu
Geschrieben von ubu am 10. Januar 2022 um 14:53

Am besten funktionieren der Haiku eigene Webpositive und der Otter-Browser. Beide haben leichte Stabilitätsprobleme und sind bei Javascriptlastigen Seiten nicht besonders schnell, aber durchaus brauchbar. Es wird immer besser ;)