Das ist ein Meinungsbeitrag, wie immer zum Wochenende.
Jeder liebt und hört Musik. Musik ist eine uralte kulturelle Errungenschaft, die Seelen berührt und Menschen verbindet. Ich kenne niemanden, der keine Musik hört. Die Art und Weise, wie wir Musik geniessen, hat sich über die Jahrhunderte (Jahrtausende) geändert. Nach der Entwicklung der Stimme und der Sprache kam der Gesang. Über lange Zeiten war der Gesang die einzige Art, wie man Musik wahrnehmen konnte. Später wurden Instrumente erfunden, die den Gesang mit Harmonien begleitet haben. Dann kam die Konservierung von Audio über Wachswalzen, Schellackplatten, Tonbänder, optische Medien (CD) und schliesslich die digitale Aufzeichnung. Zuerst im Privaten, danach über Dienste im Internet.
Heute dominiert der Konsum von Musik über Kanäle, die wir nicht mehr selbst bestimmen. Die schwedische Firma Spotify unter der Leitung von Daniel Ek dominiert den Musikstreaming-Markt dicht gefolgt von Tidal, Deezer, Apple Music, Qobuz, Amazon Music und YouTube Music. Die Quellen, über die wir Musik konsumieren, sind unterschiedlich. Ich versuche, verschiedene Typen zu beschreiben:
Welcher Musikkonsumenten-Typ bist du?
- Der Streamer: Du willst den vollen Komfort. Die Vergütung der Künstler oder das Tracking interessiert dich nicht.
- Der hinterfragende Streamer: Du willst den vollen Komfort, aber nicht um jeden Preis. Dich interessieren die Vergütungsmodelle für die Künstler. Das Tracking kümmert dich wenig, doch du hast ein unwohles Gefühl dabei.
- Der Purist: Du wurdest in den 80/90-Jahren sozialisiert und hast das Internet von der Pike auf gelernt. Deine private Musiksammlung ist riesig. Das genügt dir. Gerne legst du wieder Vinyl-Platten auf den Teller.
- Die Downloaderin: Du glaubst, dass das Internet dir alles geben kann. Musik saugt man. Solange dich die Plattenfirmen ausbeuten wollen, zeigst du ihnen den Stinkefinger. Zur Not hörst du Internet-Radio, greifst auf deine MP3-Sammlung zurück oder hörst Musik über YouTube.
Selbstverständlich gibt es noch etliche Zwischenstufen dieser Typen. Doch lassen wir es damit gut sein. Wie immer, komme ich nach dem Vorgeplänkel zum eigentlichen Thema. Die Preise für einen normalen Account bei den bekannten Streamingdiensten kosten (in Deutschland) in etwa gleich viel, nämlich 11 Euro/Monat (+/-). Wer eine höhere Audioqualität wünscht, landet in der Preisklasse von 16 bis 20 Euro/Monat. Dabei ist zu bedenken, dass die Streaminganbieter weitere Einnahmen durch die Vermarktung eurer Daten generieren. Wie viel beim Weiterverkauf dieser Daten (wer hört wann was und wie oft) an Drittverwerter herausspringt, kann ich nicht beziffern.
Die Vergütungsmodelle für Künstler sind unterschiedlich und kompliziert. So viel landet in den Kassen der Künstler:innen:
- Napster: 17170 Euro pro 1 Million Streams
- Tidal: 11375 Euro pro 1 Million Streams
- Apple Music: 7145 Euro pro 1 Million Streams
- Spotify: 3881 Euro pro 1 Million Streams
- Amazon Music: 3670 Euro pro 1 Million Streams
Die angegebenen Werte habe ich aus vielen Quellen zusammengeklaubt und umgerechnet. Die Zahlen unterscheiden sich von Land zu Land erheblich. Ausserdem sind die Abrechnungsmodalitäten verschieden. Ab 2024 erhalten Künstler mit weniger als 1000 Streams pro Monat bei Spotify überhaupt kein Geld mehr. Aufgrund der unterschiedlichen Abrechnungsmodelle dienen die o. a. Zahlen nur ein Gefühl dafür geben, dass die Verdienstmöglichkeiten von Künstlern bei den Diensten stark variieren.
Allem Anschein nach reicht die Vergütung von Spotify (u. a.) für Bands, die nicht mehrere Millionen Streams für ihre Songs bekommen, nicht zum Leben. Mehr als ein kleiner Zuverdienst ist hier nicht drin. Allerdings sind Streamingdienste nicht die einzige Einnahmequelle von Künstlern. Da wären noch der Anteil von den Rundfunkgebühren, die Einnahmen durch Konzerte und Shows sowie der Verkauf von Datenträgern (CD) und Merch. Eventuell noch ein Anteil von den Datenträgerabgaben. Laut finanzen.net landen ca. 7 % des Verkaufspreises einer CD bei der Künstlerin. In der Schweiz kostet eine Audio-CD ca. 20 Franken; das sind dann 1.40 CHF für den Künstler.
Ist das unfrei und sozial, aus der Perspektive des Konsumenten?
Betrachten wir die Situation aus der Sicht des Saugers. Ich bin so ein Sauger. Meine Musiksammlung ist gross, weil ich einst alle gekauften Schallplatten und CDs gescannt und auf der NAS abgelegt habe. Die Ausgaben für einen Streamingdienst (ca. 200 Franken/Jahr) würden sich in etwa mit dem decken, was ich früher für CDs ausgegeben habe. Da ich Musik gerne "besitzen" möchte, statt nur ein begrenztes Nutzungsrecht daran zu erwerben, konnte ich mich bisher nicht mit den Streamingdiensten anfreunden. Dabei spielt auch das Tracking und Profiling eine grosse Rolle; es geht niemanden etwas an, welche Musik ich höre. Ausserdem möchte ich nicht, dass meine Playlisten verschwinden, falls der Streamingdienst seinen Laden schliesst.
Um meinen Musikbedarf zu decken, komme ich meistens mit Internetradio-Sendern zurecht. Welche Abgaben diese Sender an die Künstler entrichten, weiss ich nicht. Ich nehme an, es wird auch über die Rundfunkgebühren abgewickelt. Falls ich ein bestimmtes Stück hören möchte, bediene ich mich aus meiner Konserve oder sauge den Titel über youtube-dl (yt-dlp). Oft geschieht dies zum einmaligen Hören, manchmal landet der Song in meiner Musiksammlung. Mehrmals im Jahr besuche ich Live-Konzerte von Bands.
Ist das frei und asozial?
Wie ihr seht, ist für mich die Frage nach einem freien und sozialen Konsum von Musik wichtig. Die endgültige Antwort habe ich bisher nicht gefunden. Mir fehlen Angebote, die sowohl den Zugriff auf alle Musik erlauben, als auch eine faire Bezahlung der Künstlerinnen und Künstlern gewährleisten.
Quellen:
https://praxistipps.chip.de/spotify-so-viel-geld-bekommen-musiker-pro-stream_107590
https://www.kuechenfibel.de/faq/welche-streaming-zahlt-am-besten
https://de.statista.com/themen/5366/musikstreaming/#topicOverview
Hallo,
vielen Dank für den interessanten Beitrag. Musik spielt für mich eine herausragende Rolle und begleitet mich ständig im Alltag.
Persönlich bin ich kein Fan von Streaming-Diensten, insbesondere illegalen Downloads stehe ich ablehnend gegenüber. Dennoch möchte ich nicht auf den Komfort verzichten, meine Musik jederzeit und überall zugänglich zu haben.
In den 90er Jahren begann ich, meine umfangreiche CD-Sammlung zu digitalisieren. Zu dieser Zeit sprachen für mich als Linux-Benutzer und Befürworter offener Formate viele Gründe für OGG-Vorbis statt MP3:
Deshalb habe ich fleißig alles in OGG-Vorbis mit dynamischer Bitrate -m 256 -M 512 digitalisiert und mache das auch weiterhin. Seit 2-3 Jahren nutze ich Jellyfin, um meine Musik überall verfügbar zu haben. Sollten Spotify und ähnliche Dienste schließen oder ihre Preise stark erhöhen, habe ich meine Musiksammlung immer noch zur Hand :)
Herzliche Grüße
Mittlerweile hat Opus Vorbis abgelöst.
Das Problem sind ja die sog. "Verwerter", also die GEMA, die keine 10% an die Künstler auszahlt, aber ihr Existenzrecht genau mit der Bezahlung der Künstler begründet. Als Kunde fühlte ich mich jedoch schon in den 80ern gründlich verarscht. Als die CD auf den Markt kam, wurden die Preise pro Album einfach mal um 50% erhöht. Die Begründung damals sinngemäß "Weil wirs können" - Das war die Antwort auf die Frage, weshalb die CD trotz niedrigerer Produktionskosten viel teurer ist als eine Schallplatte. Heißt für mich: Die machen eh, was sie wollen. Bei Apple war es eine Zeit lang sogar so, daß man sich ein heruntergeladenes Lied nur 2 oder 3 Mal wohinkopieren kann. Danach Neukaufen. Dennoch kaufe ich noch Musik. So richtig zum Downloaden. Bei https://de.7digital.com/ Soweit ich weiß, sind die dort auch DRM-frei. Ich bin viel offline, was schon daran liegt, daß ich hauptsächlich Musik auf dem Weg zur Arbeit höre und dieser Weg führt durch einen Wald, in dem ich kein Netz habe (nur wenige km östlich Darmstadt). Heißt: Ich brauche es lokal auf den Geräten. Auch im Auto ist mir das lieber. Das Zeugs auf einen USB-Stick, fertig. Keine scheiß App (mit iOS/Android-Zwang und vielen Trackern..), sondern einfach ein mp3, das man sich anhört. Spotify ist für mich inzwischen zu einem Feigenblatt verkommen, das dem Kunden vorgaukelt, dem Künstler gegenüber "fair" zu sein. ich benutze es nicht.
Mein Ansatz: ich besorge mir gratis (Bandcamp-Downloader, P2P-Tauschbörsen) oder nahezu gratis (TIDAL-Downloader - streamen tu ich aber so gut wie nie) eine Hörprobe (in voller Länge, 30 Sekunden wie auf Amazon ergeben für Jazzrock und dergleichen selten Sinn) und wenn es mir gefällt, kaufe ich die Platte, und wenn nicht, hätte der Künstler eh nix an mir verdient. Ausnahme: Platten von Sony. Den Laden boykottiere ich (wegen deren CD-Schadsoftware in den 2000ern) und wünsche ihnen jeden einzelnen Cent Schaden.
[thumbsup] Danke für den Artikel. Streaming war und ist ein delikates Thema. Wer Interesse an der Thematik hat und in Reichweite der ARD wohnt, dem kann ich sehr den ersten Teil der Doku Dirty Little Secrets aus dem Jahr 2022 empfehlen (die anderen Teile sind auch gut). https://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/programmkalender/ausstrahlung-3213206.html
Danke für den Beitrag, ein Thema welches mich auch beschäftigt. Meine momentane Strategie: möglichst wenig Streaming, bewussteres Hören / Aufarbeiten meiner Sammlung und neue Musik ausgewählt kaufen (oder die Künstler anderweitig unterstützen). Abseits von Bandcamp bin ich aber etwas ratlos was gute Alternativen sind.
Weiss nicht ob die Rechnung stimmt (könnte mit den Zahlen im Beitrag etwa hinhauen) und nicht mehr wers gesagt hat, blieb bei mir aber hängen (sinngemäss wiedergegeben): Ein Jahr streamen auf Spotify oder 1 Album pro Jahr kaufen bringt den Musikern ungefähr dieselben Einnahmen.
Meine Strategie deckt sich mit der von oli. Ich würde mich als audiophilen Menschen bezeichnen und Musik begleitet mich durch den Tag. Ich höre sehr viel Streamingradio. Wenn mir dort ein Track gefällt, den ich noch nicht kannte, dann suche ich im Netz nach den Künstlern und höre mir z.B. auf YT oder ander Portale weiter Lieder an. Sollte ich gefallen, an dieser Musik haben, dann kaufe bewusst die CD als digitaler Download bei Bandcamp oder -sofern dieser Künstler nicht bei Bandcamp ist- auf der HP des Künstlers (bsp. die Band "Abney Park"). Musikträger in physischer Form habe ich weitestgehend aufgegeben. Ich hatte bis vor einigen Jahren mehrere tausend CDs in den Regalen. Doch mit jedem Umzug in eine neue Wohnung wurden sie immer mehr zur Last. Daher hatte ich meine Sammlung digitalisiert und die Tonträger danach gebraucht verkauft. In Deutschland erlaubt das Recht der Privatkopie die Veräußerung des originalen Tonträgers und den Behalt der Kopie. Einzig zum physischen Tonträger wird gegriffen, wenn es von den Künstlern eine liebevolle Sammleredition gibt, die ich mir dann aber auch bewusst ins Regal stelle (z.B. bei Künstlern wie "Sopor Aeternus & The Ensemble of Shadows"). In meiner Sturm & Drang Zeit als armer Schüler und später Azubi bin ich damals (tm) für Musik auch "in See gestochen" - aber diese Zeiten sind vorbei. Seitdem ich mein eigenes Geld verdiene, wird Musik bewusst gekauft.
Für „frei und sozial“ finde ich Dienste wie Jamendo gut – kann man zwar streamen, aber das Gefundene auch runterladen; bei gewünschter Unterstützung/Besitz (oder hoher Qualität oder kommerzieller/öffentlicher Verwendung) kann man auch Lizenzen für Tracks kaufen (~ 20 €). Früher konnte man da auch günstige Alben kaufen, heute läuft es (für Private) vermutlich eher auf kostenfrei streamen und für gezielte Unterstützung/höchste Qualität mal was kaufen raus …
Ja, der Ton macht die Musik. :-) Habe "meine" Musik auf Schallplatten!
"Die älteste Flöte der Welt?
...Als der älteste unumstrittene Beleg für die menschliche Musikkultur galt bis 2009 ein Fund von mehreren Knochenflöten in der Geißenklösterle-Höhle in Baden-Württemberg. Es sind nur Bruchstücke der ältesten Flöte erhalten, die vor etwa 30.000 Jahren aus der Elle eines Schwans gefertigt wurde.
2009 wurde dann in der Höhle „Hohle Fels“ bei Ulm eine 22 Zentimeter lange Flöte aus einem Flügelknochen eines Gänsegeiers gefunden, welche sogar 35.000 bis 40.000 Jahre alt ist. Diese Flöte gilt nun als der älteste Beweis dafür, dass die ersten modernen Menschen in Europa bereits eine weiterentwickelte Musikkultur besaßen. ... "
Quelle https://www.lwl-landesmuseum-herne.de/de/blog/die-aelteste-floete-der-welt/
Ich mag immer noch sehr gerne CDs (als FLAC gerippt), das erlaubt ordentliche Qualität und ordentliche Tags für meine Sammlung. Kaufe allerdings auch hin und wieder bei Shops, die FLAC anbieten. Wenn es um unbekanntere Bands geht, kaufe ich sehr gerne FLAC bei Bandcamp – irgendwie glaube ich daran, dass da ein größerer Teil noch beim Künstler ankommt.
Zum Vinyl-Hören komme ich immer seltener, obwohl ich noch immer meine zwei Technics SL-1200MK2 (mit ortofon Concorde) in Ehren halte. Da stehen noch so einige alte Scheiben, die ich "eigentlich" seit 20 Jahren endlich mal rippen wollte … Aber irgendwie wird man fauler im Alter …
Sehr guter Artikel, ich würde jetzt noch nicht mal sagen, dass es ein Meinungsbeitrag ist. Die Macht der Streaming-Anbieter ist (gerade bei Jugendlichen gross). In der Klassen meiner Töchter haben von 25 Gymeler gerade 2 kein Abo. Es war ein arger Chrampf, hier nicht einzusteigen. Mir wurde Rabenvater, aus den letzten Jahrtausend vorgeworfen, und das sind noch die zwei freundlichsten Anwürfe, die es gab. Den Rest kann man hier nicht wiedergeben. Wir haben nun unserer eigenes Musikarchiv (esi ist ja nicht so schwer, Musik mitzuschneiden. Ich bin mir aber bewusst, die grosse Masse zahlt wohl die Abos.
Es ist schon ein Frechheit, dass ein Musiker 0.0035 Cents pro Abruf erhält und die Bots tun das übrige um banale Konservenware als Hits erscheinen zu lassen. Spotify hat (soweit ich gelesen habe) selber Pseudonyme als Labels aufgebaut (das Geld bleibt dann gleich im eigenen Hause).
Ich glaube aber, dass früher oder später das Geschäftsmodell scheitern könnte. Vieles was heute als normal erscheint, könnte morgen geradezu absurd wirken. Wir werden sehen. Und noch etwas, eine norwegische Uni hat eine Energiebilanz erstellt. Die Streaming-Anbieter verbuttern um Faktoren mehr Energie, als dies früher mit den CDs der Fall war. Und zwar inklusive all der CDs, die am Ende wegen Unverkäuflichkeit geschreddert wurden. Schöne neue Welt.