Zum Wochenende: Von Hühnern und Schweinen

  Ralf Hersel   Lesezeit: 4 Minuten  🗪 1 Kommentar

Glaubt man der alten Scrum-Metapher, unterteilt sich die Gesellschaft in Macher:innen und Teilnehmer:innen.

zum wochenende: von hühnern und schweinen

Kennt ihr Scrum, kennt ihr Agile Development? Die Entwickler unter den Leser:innen gähnen jetzt und sagen: na klar! Lassen sich solche Ansätze generell auf die Projektarbeit anwenden, oder gar auf Verhaltensmuster in der Community oder der Gesellschaft? Darum geht es in diesem Artikel.

Die Sache mit den Hühnern und den Schweinen ist eine Fabel aus der Scrum-Lehre. Diese Fabel lautet so:

Ein Schwein und ein Huhn gehen auf der Straße spazieren.
Das Huhn sieht das Schwein an und sagt: "Hey, warum machen wir nicht ein Restaurant auf?"
Das Schwein sieht das Huhn an und antwortet: "Gute Idee, wie willst du es nennen?"
Das Huhn denkt darüber nach und sagt: "Warum nennen wir es nicht Eier und Speck?"
"Ich weiß nicht", sagt das Schwein, "du würdest nur mitmachen, aber für mich wäre es eine Verpflichtung."

Im englischen Original lautet der letzte Halbsatz: "you'd just be involved, but for me it would be a commitment." Das Huhn legt Eier, ist damit einbezogen (involved); dahingegen liefert das Schwein einmalig seinen Speck, womit es verbindlich verpflichtet ist (commited).

Dieses Verhaltensmuster seht ihr jeden Tag im Beruf, im Projekt, im Freundeskreis und in der U-Bahn. Apropos U-Bahn; die Hühner sind die Trittbrettfahrer, die gerne mitreden, vom Erfolg profitieren möchten, und ansonsten wenig beitragen. Ohne es erklären zu müssen, versteht ihr bereits jetzt, was die Schweine machen. Sie übernehmen die Arbeit, die Verantwortung und führen Projekte zum Erfolg oder Misserfolg. Die Schweine sind die Macher, die Anpacker.

Ob Du ein Schwein oder ein Huhn bist, hängt sicher von Deinem Kontext ab. Ein Beispiel, das jede:r kennt, sind die Gruppenarbeiten in der Schule oder im Studium. Dort gab es meistens ein Schwein und viele Hühner. Auch in Community-Projekten findet man dieses Muster vor, insbesondere wenn die auszuführenden Arbeiten gleichartig sind. Dann gibt es immer jemande:n mit mehr Speck auf den Rippen.

Eine Lösung für dieses Phänomen ist die Aufteilung der Arbeit nach Fähigkeiten und Interesse. In Projekten nennt man das Rollen, z. B. Entwickler, Testerin, Designer, Dokumentatorin, Projektleiter, usw. Dennoch ist das kein Allheilmittel gegen Lustlosigkeit, Zeitmangel oder verschobene Prioritäten.

In der aktuellen Version des Scrum-Guides kommt die Schweine/Hühner-Metapher nicht mehr vor. Die Autoren waren der Meinung, dass die Unterscheidung zwischen Leistungsträgern und Mitläufern einem Projekt eher schadet. Statt Barrieren aufzubauen, solle man Verantwortlichkeiten im Projekt klarer definieren. Zudem handelt es sich bei den vermeintlichen "Hühnern" in einigen Fällen um wichtige Projektsponsoren oder kritische Systemfachleute. Dies sind Personen, die zwar möglicherweise eine gewisse Schulung und Anleitung benötigen, aber für den Erfolg eines Projekts entscheidend sein können. Je besser das Engagement aller Beteiligten ist, desto erfolgreicher wird das Projekt sein.

Dieser Artikel ist aufgrund einer aktuellen Kampagne in der Freien Software Szene entstanden. Diese Kampagne war durch Bedenkenträger und endlose Diskussionen geprägt. Nur wenige Hühner konnten sich zu Schweinen aufschwingen. Schlussendlich waren es dieselben Schweine, die schon immer die Kraft auf die Strasse gebracht haben. Ein solches Verhalten in der Community erfüllt mich mit Traurigkeit.

Quellen:

Tags

Scrum, Gesellschaft, Teilhabe, Produzent, Konsument, Verantwortung

UbIx
Geschrieben von UbIx am 13. August 2022 um 13:01

Danke für den Artikel. Meine Erfahrungen mit Scrum und Agile Development ist eher gespalten. Egal wie man es nennt oder organisiert, über Erfolg oder Misserfolg von Projekten entscheiden die Erfahrenen und die 'macher'. Dazu gehört ein Team das ihnen zuhört und sie nicht als Bedenkenträger ignoriert.