GNOME Web aka Epiphany

  Ralf Hersel   Lesezeit: 11 Minuten  🗪 7 Kommentare Auf Mastodon ansehen

Ein Kurztest des auf der Engine Webkit basierten Browsers GNOME Web. Taugt er als Firefox-Ersatz?

gnome web aka epiphany

Aufgrund unserer letzten Podcast-Folge über Firefox wird in unserem TALK-Chat viel über Browser diskutiert. Falls einem die Ausrichtung der Mozilla Foundation nicht gefällt und Chromium-basierte Webbrowser erst recht nicht infrage kommen, wird das Angebot dünn. Weit mehr als eine Handvoll Webkit-basierter Browser hat man nicht zur Auswahl. Zwar befinden sich neue Engines in der Entwicklung (Ladybird, Servo), doch diese stecken noch in frühen Phasen, weshalb sie nicht für den produktiven Einsatz geeignet sind.

Vielleicht ist der Webkit-Browser GNOME Web (Epiphany) eine brauchbare Alternative. Ein möglicher Vorteil ist die gute Integration in den GNOME-Desktop. Für den KDE-Plasma-Desktop gibt es den eigenen Browser Falkon, der auf die QtWebEngine aufsetzt, die wiederum ein Wrapper um Chromium ist.

Für meinen Kurztest habe ich GNOME Web in der Version 46.1-1 als natives Paket aus den Manjaro-Repos installiert. Epiphany gibt es auch als Flatpak in Version 46.1. Nach dem ersten Start fragt Epiphany, ob man ihn als Standardbrowser setzen möchte und präsentiert sich ansonsten sehr bescheiden. In der Kopfzeile gibt es Icons für: Zurück, Vor, Refresh, Neuer Tab, Suchen, Übersicht der geöffneten Tabs, Lesezeichen und das Hauptmenü.

Die Suche, bzw. der Aufruf von gnulinux.ch führt zur fehlerfreien Darstellung unserer Webseite; was nicht schwierig ist. Nachdem die Seite schnell aufgebaut wurde, gibt es weitere Schaltflächen:

Wie gewohnt, führt das Schloss-Symbol zu den Sicherheitsinformationen der Seite, das Buch-Icon schaltet in den Lese-Modus und der Stern fügt die Seite den Lesezeichen hinzu. So weit, so üblich. Der Lese-Modus funktioniert gut und ist ein Gewinn für alle, die eine Webseite mit geringer Ablenkung lesen möchten. Beim Scrollen ist mir ein hakeliges Scroll-Verhalten unangenehm aufgefallen. Das kann Firefox geschmeidiger, wenn auch nicht optimal. Ob Chrome besser scrollt, kann ich nicht beurteilen. Ich würde mich über Kommentare freuen, die das Scroll-Verhalten verschiedener Browser beschreiben, da ich das für einen wichtigen Aspekt halte, mit dem man den ganzen Tag zu tun hat.

Während des Tests fiel mir auf, dass das Security-Icon (Schloss-Symbol) manchmal verschwindet. Leider kann ich das nicht reproduzieren; es sieht nach einem Bug aus.

Offene Tabs werden raumfüllend in der Horizontalen verteilt. Firefox macht das (mit GNOME-Anpassungen) auch so. Das halte ich für eine schlechte Idee, weil damit die räumliche Lage/Identifikation eines Tabs erschwert wird.

Welche Funktionen es für einen Tab gibt, seht ihr im oben gezeigten Kontext-Menü. Den Seitenaufbau in Epiphany schätzte ich ca. 30 % langsamer ein als bei Firefox. Gemessen habe ich es nicht; es ist ein gefühlter Wert.

Hunderte geöffnete Tabs sind nicht mein Ding. Ich bevorzuge eine gute Lesezeichen-Verwaltung. Epiphany bietet eine Funktion an, um Lesezeichen in verschiedenen Formaten zu importieren. Im Hauptmenü findet man unter Import und Export diese Optionen:

  • Lesezeichen importieren
  • Lesezeichen exportieren
  • Passwörter importieren

Beim Import werden die Formate GVDB, HTML und Firefox unterstützt. Der Import meiner Firefox-Lesezeichen hat funktioniert. Leider kann man bei Epiphany nicht von einer Lesezeichen-Verwaltung sprechen. Es gibt kein Seiten-Panel, in dem die Lesezeichen in Ordnern organisiert werden können. Stattdessen kann man über das Lesezeichen-Icon in der Kopfleiste eine viel zu kurze Liste einblenden:

Dort kann man entweder alle Lesezeichen (ohne Hierarchie) durchscrollen, oder eine Stichwortliste anzeigen lassen. Da ich ca. 1'000 Lesezeichen in 100 Ordnern habe, erachte ich die Verwaltung der Lesezeichen in Epiphany als ungenügend. Der Browser setzt auf eine eindimensionale Liste, die mit Stichwörtern geordnet werden kann.

Nach dem Importieren der Lesezeichen aus Firefox, werden die Stichworte automatisch angelegt. Ich bezweifle, dass dies zu einer sinnvollen Ordnung führt. Wer bisher auf gut verwaltete Lesezeichen in Firefox investiert hat, fängt bei Epiphany von vorn an. Selbstverständlich werden die Lesezeichen und Stichwörter bei einer Eingabe in das URL-Feld für die Suche verwendet:

Im Beispiel aus dem letzten Screenshot (Suche nach 'hugo') seht ihr, warum das nicht funktioniert. In Firefox habe ich bei den Lesezeichen u.a. diese Ordner: Projekte → Hugo → Technik und Templates, als zwei Unterordner. Diese Organisation geht in Epiphany verloren. Stattdessen werden mir 7 gemischte Lesezeichen angeboten, die zum Stichwort 'hugo' gelistet werden; plus weitere, wenn ich das Doomscrolling starte. Sorry, so kann ich nicht arbeiten.

Vielleicht empfindet ihr meine Organisation der Lesezeichen als Relikt der 90er. Vielleicht habt ihr 879 Tabs offen und findet darin immer, was ihr sucht. Vielleicht genügt euch die Suche in den Lesezeichen, um das Gewünschte zu finden.

Wer in Epiphany einen neuen Reiter öffnet, erhält einen Überblick über die 9 zuletzt geöffneten Seiten. Als Suchmaschine ist DuckDuckGo als Standard eingestellt. Alternativ gibt es Bing oder Google. Weitere Suchmaschinen können hinzugefügt werden. Über das Windows-Icon :) (vier Punkte) wird eine Übersicht der aktuell geöffneten Reiter angezeigt.

Das Hauptmenü des GNOME-Browsers stellt sich so dar:

Wie man sieht, werden Inkognito-Fenster und Firefox-Sync unterstützt. Ausserdem kann man Webseiten als Anwendungen einrichten, was ich nicht ausprobiert habe. Beim Menüpunkt Einstellungen wird einem Folgendes geboten:

Die Möglichkeiten sind typisch für GNOME-Anwendungen: minimalistisch und auf technisch unbedarfte Anwender:innen ausgerichtet. Das kann man so machen, stösst aber bestimmt ein paar Nerds vor den Kopf. Zum Beispiel der Punkt: Allgemein → Werbung blockieren. Was soll das sein? Ist es uBlock origin, oder was? Beim Punkt: Datenschutz → Persönliche Daten → Webseiten Daten löschen wird es dann wieder technisch:

Was sind noch mal die HSTS-Richtlinien?

In einem der älteren Artikel über GNOME Web, wurde die Möglichkeit beschrieben, Firefox-Erweiterungen in Epiphany zu installieren. Davon finde ich in der aktuellen Version nichts. Vielleicht liegt es an der im letzten Jahr geänderten API für die Firefox-Erweiterungen, oder ich habe die Option bei Epiphany nicht gefunden. Da hilft nur ein praktischer Test aus der Hölle. Beim Aufruf von https://www.bild.de/ zeigt mir Firefox keinerlei Werbung an und uBlock Origin (in FF) meldet 19 blockierte Elemente (komisch, ich hätte mit 300+ gerechnet). Öffne ich dieselbe Seite in Epiphany, sehe ich ebenfalls keine Werbung. Es erscheint zwar das Cookie-Banner, welches die Firefox-Erweiterung I still don't care about cookies wegmacht, aber die Webseite reagiert extrem langsam; so langsam, dass man dort nicht bleiben möchte, was bei Bild.de eine gute Idee ist.

Um mir sicher zu sein, habe ich noch ein paar andere Seiten aufgerufen:

Man findet Informationen darüber, wie man Firefox-Erweiterungen in Epiphany installieren kann. So wie ich es sehe, ist das unfertig und nicht für die normale Anwender:in gedacht. Ja, man kann die xpi-Datei der Firefox-Erweiterung herunterladen, doch an dieser Stelle hört die Geschichte auf. Entgegen anderslautender Meldungen im Internet kann man in der aktuellen Version von GNOME-Web keine Erweiterungen installieren. Vielleicht gibt es Tricks, um das zu erreichen, für den normalen Anwender ist das nichts.

Fazit

GNOME-Web, aka Epiphany, integriert sich gut in den GNOME-Desktop und sieht schick aus. Wie man es von GNOME-Anwendungen gewohnt ist, beschränkt sich der Browser auf das Nötigste. Mit ca. 250 MB, belegt er nicht mehr als andere Browser im RAM. Der Start von Epiphany dauert ein Drittel länger als der von Firefox. Auch beim Seitenaufbau lässt dich der GNOME-Browser etwas mehr Zeit. Die Ladezeiten liegen in einem Bereich, den man nicht mehr akzeptieren kann.

Die Blockierung von Werbung scheint gut zu funktionieren; hier fehlt jedoch die Information darüber, was geblockt wird und welche Tracker abgewehrt wurden. Leider können Erweiterungen bislang nicht eingebunden werden, obwohl diese Funktion bereits im letzten Jahr angekündigt wurde.

Aus meiner Sicht sind die ausschliessenden Kriterien:

  • Intransparenz beim Blocking
  • Zu lange Ladezeiten
  • Keine Erweiterungen (welche nicht nötig wären, wenn Epiphany die Funktionalität transparent einbinden würde)
  • Keine Lesezeichen-Verwaltung

GNOME-Web hinterlässt bei mir einen unrunden, unfertigen, langsamen und intransparenten Eindruck. Daher empfehle ich weiterhin einen angepassten Firefox-Browser zu verwenden, weil dieser in jeder Hinsicht besser funktioniert als Epiphany, ausser bei der ethischen Betrachtung.

Tags

Browser, Web, Firefox, Epiphany, WebKit

Lioh Möller
Geschrieben von Lioh Möller am 1. Juli 2024 um 09:17

Die Erweiterungsfunktion befindet sich noch im Beta-Stadium. Sie lässt sich wie folgt aktivieren:

gsettings org.gnome.Epiphany set org.gnome.Epiphany.web:/org/gnome/epiphany/web/ enable-webextensions true

Bei der Flatpak Variante kann der obige Befehl entsprechend erweitert werden:

flatpak run --command=gsettings org.gnome.Epiphany set org.gnome.Epiphany.web:/org/gnome/epiphany/web/ enable-webextensions true

Tealk
Geschrieben von Tealk am 1. Juli 2024 um 10:28

Ich hab uBlock und Bitwarden probiert, beides hat gar nicht funktioniert.

Horst
Geschrieben von Horst am 1. Juli 2024 um 09:34

> Eigentlich bin ich was Gnome3 betrifft, ein sehr zufriedener User.

> Was Epiphany betrifft, so teile ich leider die Beurteilung von Ralf Hersel.

> Ich fasse die für mich wesentlichen Zitate von Ralf zusammen:

> "...Falls einem die Ausrichtung der Mozilla Foundation nicht gefällt und Chromium-basierte Webbrowser erst recht nicht infrage kommen, wird das Angebot dünn..." Yep.

> "...GNOME-Web hinterlässt bei mir einen unrunden, unfertigen, langsamen und intransparenten Eindruck. Daher empfehle ich weiterhin einen angepassten Firefox-Browser zu verwenden..." Yep.

Fritz
Geschrieben von Fritz am 1. Juli 2024 um 13:31

Größtes Manko ist m.E, dass die Möglichkeit fehlt, den DNS Anbieter zu ändern. So ist man auf die Adressen angewiesen, die in unseren politischen Kreisen für opportun und "volkstauglich" angesehen werden.

Horst
Geschrieben von Horst am 1. Juli 2024 um 16:37

> Das ("DNS Anbieter") und wie von Ralf geschrieben, die fehlende Lesezeichenverwaltung.

> Die Seiten bauen sich normal, wenn auch etwas langsamer auf. Damit könnte ich leben.

> An PlugIns vermisse ich eigentlich nichts.

kamome
Geschrieben von kamome am 2. Juli 2024 um 07:42

Werden nicht einfach die DNS-Server Deines Systems verwendet (wie es sein sollte)?

Horst
Geschrieben von Horst am 2. Juli 2024 um 14:00

So wie ich es sehe, meint "Fritz" in seinem Kommentar die entsprechende Option zur Änderung bei Firefox unter "Einstellungen > Datenschutz&Sicherheit", welche bei Gnome-Web (Epiphany) nicht vorhanden ist.