Zum Wochenende: ChatGPT macht deinen Entwicklerjob für 183'000$
Fr, 10. Februar 2023, Ralf Hersel
Bereits am 1. Februar erschien bei PCMAG dieser Artikel. Darin geht es um ein Vorstellungsgespräch, welches Google mit ChatGPT für die Position einer Entwicklerin geführt hat. Demnach erfüllt ChatGPT die Kriterien für eine Einsteigerposition. Die Vergütung für einen Level-3-Ingenieur beträgt laut PCMAG im Durchschnitt 183'000 Dollar pro Jahr.
Misstrauisch wurde ich, als ich die Gehaltshöhe las. 183 Kisten für einen Einstiegsentwickler; no way! Einstiegsgehälter für Softwareentwickler:innen in der Schweiz mit weniger als 3 Jahren Berufserfahrung liegen zwischen 73.700 CHF und 88.280 CHF. Mit 10 Jahren Berufserfahrung landet man bei ungefähr 124'000 Franken. Das sind ca. 100'000 Tacken weniger als in den USA. Da lachen doch die Hühner. Ich betrachte den benannten Artikel, der von Golem übernommen wurde, als Fake-News oder AI-Marketing-Gewäsch.
Dieser Gehalts-Bullshit ist aber gar nicht der springende Punkt, sondern die Vermenschlichung eines Jobs, der wesentlich mehr erfordert, als Code aus Prompts zu erzeugen. Man könnte einen Peer-Entwickler für 183 T$ einstellen, der ChatGPT zuarbeitet und die Ergebnisse überprüft, was die ganze Idee ad absurdum führt.
Vielleicht lesen ja einige Software-Entwickler:innen diesen Artikel. Glaubt ihr, dass eure Arbeit durch ChapGPT ersetzt werden könnte? Welches Selbstverständnis habt ihr von eurer Arbeit? Seht ihr euch als Datensklaven des 21. Jahrhunderts? Die Arbeit eines Software-Ingenieurs besteht doch nicht nur als sturem Programmieren aufgrund von "Prompts". Im besten Fall erhaltet ihr eine gute Spezifikation von eurer Requirements-Ingenieurin, die ihr x-mal hinterfragen müsst, bis eure Arbeit beginnt. Im Normalfall müsst ihr euch mit allen am Entwicklungsprozess Beteiligten auseinandersetzen: End-Anwender:innen, Projektleitern, Business Analysten, Testern und den Admins. Vielleicht diskutiert ihr auf dem Balkon bei einer Zigarette oder einem Knoppers, ein aktuelles Problem, das euch durch den Kopf geht, um von Synergien zu profitieren.
Die Vorstellung, ChatGPT als Software-Entwicklerin einzustellen, basiert entweder auf einer Vermenschlichung der KI, oder auf der Entmenschlichung der abzulösenden Personen. Der Gedanke in meinem letzten Satz hat nur einen rhetorischen Wert. Der Ersatz von Mensch gegen Maschine ist natürlich nur durch Disruption erreichbar. Keine KI geht mit auf den Balkon, um etwas zu besprechen. Stattdessen sind klare Schnittstellen erforderlich, die von Menschen bedient werden wollen. Auf der Input-Seite wären das die oben erwähnten klaren Spezifikationen (aka Prompts); auf der Output-Seite ist es das Füttern der CI-CD-Kette, was mir weniger schwierig erscheint.
Continuous Integration - Continuous Deployment
In einem stark strukturierten Ablauf kann ich mir schon vorstellen, bestimmte Entwicklungsaufgaben an eine KI zu übergeben. Dafür müsste jedoch die CI-CD-Kette in Richtung Requirements Engineering erweitert werden: "Requirements-to-Prompts" vereinfacht gesagt. Zurzeit arbeite ich in einem Prozessautomatisierungs-Projekt mit Low-Code-Werkzeugen. Obwohl dabei keine KI zum Einsatz kommt, ist die Reduktion an Entwicklerarbeit schon beachtlich.
Was ist eure Meinung dazu? Geht ihr morgen zu eurem Arbeitgeber und verlangt ein Gehalt von 183'000 Euro/CHF/USD, weil ihr besser seid als ChatGPT, oder lasst ihr euch umschulen?
Quellen: