Zum Wochenende: ChatGPT macht deinen Entwicklerjob für 183'000$

  Ralf Hersel   Lesezeit: 4 Minuten  🗪 8 Kommentare

Über den Gehaltswert einer Entwicklerin und deren Ersatz durch ein KI.

zum wochenende: chatgpt macht deinen entwicklerjob für 183'000$

Bereits am 1. Februar erschien bei PCMAG dieser Artikel. Darin geht es um ein Vorstellungsgespräch, welches Google mit ChatGPT für die Position einer Entwicklerin geführt hat. Demnach erfüllt ChatGPT die Kriterien für eine Einsteigerposition. Die Vergütung für einen Level-3-Ingenieur beträgt laut PCMAG im Durchschnitt 183'000 Dollar pro Jahr.

Misstrauisch wurde ich, als ich die Gehaltshöhe las. 183 Kisten für einen Einstiegsentwickler; no way! Einstiegsgehälter für Softwareentwickler:innen in der Schweiz mit weniger als 3 Jahren Berufserfahrung liegen zwischen 73.700 CHF und 88.280 CHF. Mit 10 Jahren Berufserfahrung landet man bei ungefähr 124'000 Franken. Das sind ca. 100'000 Tacken weniger als in den USA. Da lachen doch die Hühner. Ich betrachte den benannten Artikel, der von Golem übernommen wurde, als Fake-News oder AI-Marketing-Gewäsch.

Dieser Gehalts-Bullshit ist aber gar nicht der springende Punkt, sondern die Vermenschlichung eines Jobs, der wesentlich mehr erfordert, als Code aus Prompts zu erzeugen. Man könnte einen Peer-Entwickler für 183 T$ einstellen, der ChatGPT zuarbeitet und die Ergebnisse überprüft, was die ganze Idee ad absurdum führt.

Vielleicht lesen ja einige Software-Entwickler:innen diesen Artikel. Glaubt ihr, dass eure Arbeit durch ChapGPT ersetzt werden könnte? Welches Selbstverständnis habt ihr von eurer Arbeit? Seht ihr euch als Datensklaven des 21. Jahrhunderts? Die Arbeit eines Software-Ingenieurs besteht doch nicht nur als sturem Programmieren aufgrund von "Prompts". Im besten Fall erhaltet ihr eine gute Spezifikation von eurer Requirements-Ingenieurin, die ihr x-mal hinterfragen müsst, bis eure Arbeit beginnt. Im Normalfall müsst ihr euch mit allen am Entwicklungsprozess Beteiligten auseinandersetzen: End-Anwender:innen, Projektleitern, Business Analysten, Testern und den Admins. Vielleicht diskutiert ihr auf dem Balkon bei einer Zigarette oder einem Knoppers, ein aktuelles Problem, das euch durch den Kopf geht, um von Synergien zu profitieren.

Die Vorstellung, ChatGPT als Software-Entwicklerin einzustellen, basiert entweder auf einer Vermenschlichung der KI, oder auf der Entmenschlichung der abzulösenden Personen. Der Gedanke in meinem letzten Satz hat nur einen rhetorischen Wert. Der Ersatz von Mensch gegen Maschine ist natürlich nur durch Disruption erreichbar. Keine KI geht mit auf den Balkon, um etwas zu besprechen. Stattdessen sind klare Schnittstellen erforderlich, die von Menschen bedient werden wollen. Auf der Input-Seite wären das die oben erwähnten klaren Spezifikationen (aka Prompts); auf der Output-Seite ist es das Füttern der CI-CD-Kette, was mir weniger schwierig erscheint.

Continuous Integration - Continuous Deployment

In einem stark strukturierten Ablauf kann ich mir schon vorstellen, bestimmte Entwicklungsaufgaben an eine KI zu übergeben. Dafür müsste jedoch die CI-CD-Kette in Richtung Requirements Engineering erweitert werden: "Requirements-to-Prompts" vereinfacht gesagt. Zurzeit arbeite ich in einem Prozessautomatisierungs-Projekt mit Low-Code-Werkzeugen. Obwohl dabei keine KI zum Einsatz kommt, ist die Reduktion an Entwicklerarbeit schon beachtlich.

Was ist eure Meinung dazu? Geht ihr morgen zu eurem Arbeitgeber und verlangt ein Gehalt von 183'000 Euro/CHF/USD, weil ihr besser seid als ChatGPT, oder lasst ihr euch umschulen?

Quellen:

Tags

ChatGPT, Künstliche Intelligenz, Entwickler, CI/CD, Low-Code

Felix
Geschrieben von Felix am 10. Februar 2023 um 18:52

Gehälter, aber auch Lebenshaltungskosten, sind in USA deutlich höher als in Europa (wo die Schweiz ja auch eher hoch anzusiedeln ist). Dort verdient auch eine Krankenschwester ("Nurse") 60-70000$ Pro Jahr (plus Zulagen).

Christoph
Geschrieben von Christoph am 10. Februar 2023 um 21:44

Vor allen Dingen scheinen solche Dinge wie Krankenversicherung und Altersvorsorge dort ausschließlich vom Arbeitnehmer getragen zu werden. Dazu kommt null Kündigungsschutz; das alles relativiert die genannte Summe weiter.

UbIx
Geschrieben von UbIx am 11. Februar 2023 um 09:02

Würde auch sagen das in Deutschland die Gehälter etwa 1/4 niedriger sind. Auch der job eines SW Entwicklers, zumindest bei uns, setzt sich nur zu einigen 10% aus coden aber 1/4 Dokumentation erstellen/lesen/verifizieren und etwa 50% testing zusammen. Dabei ist testen vor allen die Definition realistischer testcases!

Jörg
Geschrieben von Jörg am 11. Februar 2023 um 00:44

Wir sind im RheinMain-Gebiet und ein Entwickler in den ersten Jahren kommt nicht über 50. Wenn ich die IT-Gehälter in der Presse lese, ist das für mich immer eine Wunschvorstellung.

Luca
Geschrieben von Luca am 30. April 2023 um 14:40

Ich hab über 50 als Einstiegsgehalt.

BuffaloBill
Geschrieben von BuffaloBill am 13. Februar 2023 um 08:17

Merksatz: Der Kunde weiss normalerweise nicht, was er will.

Oder in Lange: Der Kunde kennt eigentlich nur den Outcome (was er gerne hätte) und bildet sich ein, zu wissen, wie dieser Outcome zu programmieren ist. Die erste Aufgabe als Programmierer, (oder als Unternehmer, oder Verkäufer, je nach Organisation) ist es, den Kunden dazu zu bewegen, den Outcome zu beschreiben, statt dir die Lösung vorzugeben. Dann kommt es normalerweise gut raus. Wer aber stur umsetzt, was der Kunde bestellt hat, nur weil es der Kunde bestellt hat (was ChatGPT tun würde) wird den Kunden nicht glücklich machen. Es ist nicht der Job des Kunden die Lösung zu denken, auch wenn sie das gerne tun. Es ist deiner.

Massimo
Geschrieben von Massimo am 16. Februar 2023 um 21:45

Ich bin auch immer wieder erstaunt was für Gehälter immer ausgerufen werden. Oder ich verkaufe mich echt weit unter Preis. =) Wer schon öfter mit "Kunden" oder Stakeholder Kontakt hatte, weiß das der Input von denen niemals direkt in Code umzusetzen ist. Dafür braucht es immer einen "Informatiker" der sowohl die Eingabe wie dann auch den Output wieder sauber verarbeiten kann. Ich erwähne nur das Meme. Warum bezahlt man nen Coder wenn er nur von Stackoverflow copy&pastet. Weil er weiß Was und Wie man es copy&pastet. Und jetzt wird es halt ChatGPT sein anstatt Stackoverflow.

Christian
Geschrieben von Christian am 23. Februar 2023 um 08:23

Da geb ich dir zu 100% Recht! ChatGPT wird aktuell noch keinen Job ersetzen, auch sehe ich meinen nicht in Gefahr. Die Softwareentwicklung besteht halt nicht nur aus dem Schreiben von Code, sondern umsetzen von Features, bzw. Anforderungen und das besteht nun mal aus Hinterfragen und dem Einbringen von Erfahrungen. Anders sieht es vielleicht aus, wenn Maschinen Programme für Maschinen bauen, aber solange wir noch Produkte für Menschen bauen, ist es von Vorteil ein Mensch zu sein. x) Ich sehe ChatGPT aber als ein sehr hilfreiches Tool an, welches meine Arbeit deutlich beschleunigt hat … schon allein wenn ich über das Schreiben von RegEx Pattern nachdenke x)