Captain it's Wednesday - Folge 103 - Distroflut

  Ralf Hersel   Lesezeit: 9 Minuten  🗪 11 Kommentare Auf Mastodon ansehen

Folge 103 des CIW Podcasts. Brauchen wir so viele Distributionen?

captain it's wednesday - folge 103 - distroflut

Für ein optimales Hörerlebnis empfehlen wir eine Podcatcher-App zu verwenden. Zum Beispiel:

Der RSS-Feeds für den Podcast lautet: https://gnulinux.ch/podcast/gnulinux_newscast_rss.xml. Ihr findet uns in den Podcast-Verzeichnissen unter dem Suchbegriff: "GNU/Linux".

Wenn euch der Podcast gefällt, freuen wir uns über eine Unterstützung. Vielen Dank!

Shownotes

CIW - Folge 103 - 11.09.2024 - Distroflut

Wir begrüssen alle Umsteiger und Umsteigerinnen zur Folge 103 von "Captain it's Wednesday", dem Podcast über Freie Software und Freie Gesellschaft von GNU/Linux.ch, aufgenommen am 6. September von Felix Daum, Lioh Möller und Ralf Hersel. In dieser Folge stellen wir uns die Frage, ob es so viele Distributionen braucht.

Hausmitteilungen

  • Die Folge landet eine halbe Woche früher in euren Podcatchern, bevor sie wie gewohnt am nächsten Mittwoch auf die Webseite kommt. Grund dafür ist meine Urlaubsabwesenheit.

Thema: Brauchen wir so viele Distributionen?

Einleitung

Anfänger und Fortgeschrittene wundern sich über die grosse Anzahl von Linux-Distributionen (Distros). Eine Linux-Distribution ist eine Zusammenstellung von Software auf Basis des Linux-Kernels. Zu unterscheiden sind die Release-Modelle: Fixed (Debian stable), semi-rolling (Fedora) und rolling (Arch). Häufig bieten Distros Zusammenstellungen von Anwendungen für bestimmte Anwendungszwecke: Allgemein, Gaming, Mulitmedia, usw. Fast alle Distros bieten eine Auswahl von Desktop-Umgebungen (DE) (KDE-Plasma, GNOME, usw.) und konfigurieren diese manchmal, damit sie zum Erscheinungsbild der Distro passen. Häufig werden die DEs nur in der Vanilla-Version ausgeliefert. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal der Distros, ist ihr natives Paketformat (DEB, RPM, usw.) und die Paketverwaltung. Durch die wachsende Bedeutung von Container-Formaten (Flatpak), wird diese Unterscheidung nach und nach unwichtiger.

Wie viele Distributionen gibt es?

Einen Überblick liefert die Wikipedia-Seite "Liste von Linux-Distributionen" und die Seite Distrowatch. Wie viele Distros es tatsächlich gibt, ist schwer zu sagen. Meine Recherche hat unterschiedliche Zahlen ergeben. Ich gehe von ca. 600 aktiv gepflegten Distributionen aus. Zählt man die veralteten und Spezial-Distros mit, kommt man auf ein paar Tausend.

Distrowatch zählt nur the Top-100 Distros auf, wobei das Ranking auf dieser Webseite ein eigenes Thema ist. Ich habe darüber einen Artikel geschrieben. Meine Liste der wichtigsten und populärsten Distros lautet (ohne Rangordnung):

  • Debian
  • Arch
  • Fedora
  • Ubuntu
  • Mint
  • openSUSE
  • NixOS
  • Alma
  • Rocky
  • Red Hat Enterprise Linux

Nun stehen einigen Höhrer:innen die Haare steil, ob dieser Auswahl. Und damit zeigt sich das Problem: Linux-Distributionen sind sehr vielfältig. Alma, Rocky und RHEL sind Server-Distros, während Debian sowohl Server als auch Desktop kann. Ubuntu steht auf den Schultern von Debian und Mint steht auf den Schultern von Ubuntu.

Deshalb lohnt sich ein Blick auf die Abhängigkeitsverhältnisse, aka Distro-Trees.

Distro-Trees

Debian-Derivate: Datei:DebianFamilyTree1210.svg – Wikipedia

Knoppix-Derivate: Datei:KnoppixFamilyTree1210.svg – Wikipedia

Ubuntu-Dervivate: Datei:UbuntuFamilyTree1210.svg – Wikipedia

Redhat-Derivate: Datei:RedHatFamilyTree1210.svg – Wikipedia

Fedora-Derivate: Datei:FedoraFamilyTree1210.svg – Wikipedia

Gründe für die Distroflut

1969 entwickelten Ken Thompson und Dennis Ritchie das Unix-Betriebssystem. Es war sehr beliebt. Der Code gehörte aber AT&T. AT&T schränkten die Nutzung ihres Codes zu Entwicklung anderer auf Unix aufbauenden Betriebssystemen ein. 1983 rief Richard Stallmann das GNU-Project ins Leben, das ein Ersatz für Unix sein sollte. Schlussendlich entwickelte Linus Torvalds Linux. Bei Linux handelt es sich um den OS-Kernel. Also das Verbindungsstück zwischen Software und Hardware. 1992 änderte sich die Lizenz von proprietär zur GNU General Public License.

Seitdem kann jeder, der will, ein eigenes Betriebssystem entwickeln.

Vorteile und Nachteile der Distroflut

Nachteile:

  • Unübersichtlich für Neulinge
  • Es gibt keine guten Übersichten, welche Distro für was gut ist. Ausgenommen sind die großen Distros, über die es öfter Berichte gibt und die Erwähnung finden
  • Hat jede Distro wirklich seine Daseinsberechtigung? Wie viele Distros ähneln sich zu sehr?
  • Eventuell ist es schwer zu erkennen, welche Distro seriös ist und welche nicht

Vorteile:

  • Die stärksten Distributionen überleben (Konkurrenz belebt das Geschäft)
  • Für jeden was dabei
  • Der Preis der Freiheit: jeder darf mitmachen (im Gegensatz zu Windows und macOS)
Empfehlungen für Ein- und Umsteiger:innen

Laut dem Statistikportal StatCounter steigt der Anteil von Linux auf dem Desktop langsam, aber kontinuierlich an. Weltweit beträgt er aktuelle 4.55 % wobei in Deutschland in den letzten Wochen die 5-Prozent-Marke überschritten wurde. Unter anderem liegt das an den Hardware-Anforderungen von Windows 11 und der geplanten Einführung von nicht abschaltbaren Überwachungsfunktionen, wie Microsoft Recall.

Wir werden oft nach Tipps für Einsteigerdistributionen gefragt. Statt fünf Distros zu empfehlen, raten wir eher dazu, sich die gängigen Desktop-Umgebungen anzuschauen, weil diese eure Erfahrungen mit Linux am meisten bestimmen. Schaut euch GNOME und KDE-Plasma an und wählt, was euch besser gefällt. Die meisten Distros unterstützen verschiedene DEs. Wählt eine Distribution mit einem fixen Release-Modell, wie z. B. Linux Mint.

Links

Outro

  • Euer Feedback ist uns wichtig. Ihr könnt uns über Matrix, Mastodon oder per E-Mail erreichen. Die Adressen findet ihr auf unserer Webseite.
  • GNU/Linux.ch ist ein Magazin, in dem die Community für die Community interessante Artikel erstellt und im Podcast darüber diskutiert. Helft mit, die Infos für die Community zu bereichern. Wie das geht, erfahrt ihr hier.

Tags

Podcast, CIW, Captain

Ruhrpott-Mann
Geschrieben von Ruhrpott-Mann am 11. September 2024 um 14:11

Hallo Leute, beim Hören eures Podcasters hört man ein starkes Brummen, sodass man schwer was versteht, was gesprochen wird.

Das ist mir schon öfters aufgefallen.

Liebe Grüße aus NRW 🐶 Wuff Wuff

El Pollo Diablo
Geschrieben von El Pollo Diablo am 14. September 2024 um 10:41

Ja, das ist mir auch schon aufgefallen. Ich glaube, dass das Mikro oder die Verkableung von Felix eine leichte Brummschleife erzeugt.

klausb
Geschrieben von klausb am 11. September 2024 um 14:54

Ich finde es gut, dass man sozusagen die "Qual der Wahl" hat. Für jede Geschmacksrichtung ist was dabei. Aber diesen Nachteilpunkt verstehe ich nicht: "welche Distro seriös ist und welche nicht". Schon mal eine nicht seriöse Distri gefunden? Oder andersrum gefragt, wann ist eine Distri "nicht seriös"?

Tobias
Geschrieben von Tobias am 12. September 2024 um 09:56

Vermutlich sind damit u.a. folgende Dinge gemeint: 1. Mehr als nur 3 Entwickler 2. Bereits dauerhaft und beständig verfügbar, mit einer möglichst großen Community dahinter 3. Stetige, regelmässige Aktualisierung der Distro (nicht Pakete) und nicht nur alle 1 oder 2 Jahre.

klausb
Geschrieben von klausb am 12. September 2024 um 12:27

Naja, sowas habe ich mir schon gedacht. Aber das Wort "unseriös" ist mir da einfach zu negativ. Wohl nicht nur für mich ist "unseriös" jemand, der mir etwas andrehen will, von dem er weiss, dass es nichts wert ist, und das kann ich bei Distris nicht sehen. Klar ist bei Distris mit wenigen Entwicklern die Gefahr wahrscheinlich grösser, dass sie das Handtuch werfen. Aber da kann immer noch geforkt werden, und wenn nicht, wechseln ist relativ problemlos möglich. Und ausserdem, Distris mit grossen Firmen dahinter verlieren auch mal schnell die "kleinen" User aus dem Blick. Ich denke da nur an den Ärger mit Red Hat, das 2023 plötzlich den öffentlichen Zugang zu den CentOS-Quellen verbieten wollte.

Ralf Hersel Admin
Geschrieben von Ralf Hersel am 12. September 2024 um 22:18

Danke Tobias, Du bist mir zuvor gekommen. "Unseriös" ist wohl das falsche Wort. Ich formuliere es mal sehr übertrieben: Wenn ein Skript-Kiddy die Swifty-Distro herausbringt und bewirbt, halte ich das für nicht seriös, falls:

  1. Die Distro wird von ein bis zwei Personen gepflegt
  2. Sie bringen nichts Neues, ausser einem eigenen Theming und einer eigenen Paket-Zusammenstellung
  3. Es ist abzusehen, dass die Distro nach spätestens einem Jahr unmaintained sein wird
stefan
Geschrieben von stefan am 11. September 2024 um 19:18

Im Podcast gibt es eine (dauerhafte) Brummschleife :-(, vermutlich bei Felix?

Ralf Hersel Admin
Geschrieben von Ralf Hersel am 12. September 2024 um 08:30

Wir wissen, dass es brummt. Felix sucht schon seit einiger Zeit nach dem Fehler.

Stefan
Geschrieben von Stefan am 13. September 2024 um 22:41

Vielen Dank für diesen Überblick über die Distrolandschaft.

Die große Vielfalt ist in meinen Augen Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite schön, dass es so viel Auswahl gibt, so kann sich jeder die für sich passende Distro und Desktopumgebung herauspicken. Andererseits würde es in meinen Augen (eines nicht-software-entwicklers) mehr Sinn machen, wenn sich die Entwickler ihre Energien auf Weiterentwicklung der vorhandenen Projekte fokussieren würden, anstatt das Rad mit immer neuen Distros immer wieder neu zu erfinden. Warum es die x-te Distro, auf z.B. Ubuntu Basis, geben muss, nur mit anderer Desktop Umgebung oder sonstiger minimaler Anpassung, macht für mich keinen Sinn und macht die Auswahl nur unnötig schwerer.

Ich habe hier auf unterschiedlichsten Geräten & VMs u.a. Ubuntu, Mint, Fedora, MX Linux, Alma, Xubuntu oder Bunsenlabs laufen, mir fällt die Entscheidung nach der für mich "besten Distro" unglaublich schwer.

El Pollo Diablo
Geschrieben von El Pollo Diablo am 14. September 2024 um 10:55

Als ich am Mittwoch Euren Podcast in meinem Podcatcher fand, musste ich echt lachen! Aber nicht über Euren Podcast -den liebe ich!- sondern über die Tatsache, dass ich mich mit demselben Thema beschäftigt habe und während des Hörens Eures Podcast, ein Video fertig geschnitten hatte, in dem ich auf die Vielfalt von Distributionen und dem Sinn dahinter einging.

Die Vielfalt an Distros liegt meiner Ansicht nach darin gründet, dass ein linuxbasiertes OS auf spezielle Anwedungszwecke hin gebaut werden kann. Darin unterscheidet sich Linux von Windows und MacOS, die mit einem OS möglichst alles abdecken wollen.

Und zu Eurer Frage, was "semi-rollend" sein soll, habe ich für mich die Definition verinnerlicht, dass semi-rollende Systeme zwar den LTS Distros folgen, aber im Gegensatz zur LTS Distro einige Komponenten aktuell halten und nicht einfrieren (Beispiel Kernel oder Applikationen wie Firefox, Thunderbird etc.).

Falls Eure Neugier geweckt wurde, könnte Ihr mich 80 Minuten lang auf Odysee oder YT lamentieren hören. Einfach nach "LinuxHähnchen" oder "Linux Basiswissen für Einsteiger" suchen.

tuxfanmatze
Geschrieben von tuxfanmatze am 16. September 2024 um 02:25

Habe vom itsfoss.com Blog einen Hinweis von der Spiele Platform Stream gelesen, die auch eine Distributions Statistik haben: https://store.steampowered.com/hwsurvey/Steam-Hardware-Software-Survey-Welcome-to-Steam?platform=combined&ref=itsfoss.com , hier die Linux Verteilung: https://nc.matzes-cloud.de/s/HjTsgkAcQ9LWF4G Zumindestens auch mal ein Anhaltspunkt.