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Shownotes
CIW - Folge 116 - 11.12.2024 - Aufmerksamkeitsökonomie
- Wir begrüssen alle Aufmerksamen zur Folge 116 von "Captain it's Wednesday", dem Podcast über Freie Software und Freie Gesellschaft von GNU/Linux.ch, aufgenommen am 9. Dezember von Lioh Möller und Ralf Hersel. In dieser Folge sprechen wir über die Aufmerksamkeitsökonomie und warum Medien der Tod der Demokratie sind.
Hausmitteilungen
- Stephan hat sich per E-Mail bei uns gemeldet und wünscht sich eine Podcast-Folge zum Ausfüllen der deutschen Steuererklärung unter Linux. Ich kann gerne erzählen, wie das in der Schweiz funktioniert. Falls sich Mit-Podcaster finden, die einen Beitrag zur deutschen und österreichischen Steuererklärung leisten möchten, meldet euch bitte bei uns. Am besten per E-Mail an kontakt@gnulinux.ch
Thema: Aufmerksamkeitsökonomie
Definition
- Wikipedia: "Die Ökonomie der Aufmerksamkeit ist ein Konzept der Informationsökonomie, das die Aufmerksamkeit von Menschen als knappes Gut betrachtet. Mit der zunehmenden Vernetzung und den Neuen Medien sinken die Kosten für Information und Unterhaltung immer weiter. Begrenzend ist nicht mehr der Zugang, sondern die Aufmerksamkeit. Sie ist eine knappe Ressource, begehrtes Einkommen, ökonomisches Kapital und soziale Währung zugleich."
- Thesen gemäss Marina Weissband:
- Video: Medien sind der Tod der Demokratie
- Bildung in Medienkompetenz ist nicht die Lösung, weil wir Falschmeldungen glauben, weil wir ihnen glauben wollen, weil sie unserem Weltbild entsprechen.
Inhalt versus Umgebung
- Es reicht nicht, mit den Inhalten umgehen zu können. Die Berücksichtigung der Umgebung, in der Inhalte publiziert werden, ist genauso wichtig.
- Journalismus ist ein Nebenprodukt. Die Kunden sind Werbetreibende. Das Produkt ist deine Aufmerksamkeit. Das Geschäftsmodell ist, Aufmerksamkeit zu verkaufen.
- Damit sich Journalismus lohnt, muss Aufmerksamkeit erreicht werden. Die Qualität der journalistischen Inhalte ist Nebensache. Was niemand konsumiert, bezahlt keine Miete.
- Inhalte erhalten Aufmerksamkeit, wenn sie einen Neuigkeitswert haben, emotional und personalisiert sind, sowie negativ sind.
- Aus evolutionären Gründen achten wir im Verhältnis 1:10 mehr auf negative Nachrichten. Das Auftauchen des Säbelzahntigers ist zehnmal wichtiger als die gute Nachricht, dass das Feuer in der Höhle noch brennt. Positive Meldungen erfordern keine Handlung von uns.
- Wir haben ein falsches Anreizsystem. Kurze, negative und kurzfristige Aussagen werden belohnt. Ausführliche, positive bzw. neutrale und langfristige Aussagen werden bestraft. Zum Beispiel bei Politikern.
Algorithmen und Radikalisierung
- Ein frischer Twitter-, Youtube-, Reddit- oder Tiktok-Account präsentiert euch nach wenigen Interaktionen Hass, Verschwörungen und Extremismus.
- Junge Menschen werden gezielt mit Hass bei ihren Problemen abgeholt: Crypobros, Alt-Right, Incels, TradWifes, AfD, ...
- Ein Hashtag -> 50 Bots -> Journalisten werden aufmerksam -> Talkshow mit Pro/Contra-Besetzung -> nationale Debatte.
- Warum geht die Radikalisierung immer in die konservative Richtung? Was ist mit der progressiven Richtung?
Was können wir tun?
- Medienkompetenz als Unterrichtsfach löst keine systemischen Probleme.
- Plattformen weniger attraktiv für Werbetreibende machen, um andere Geschäftsmodelle zu fördern.
- Datenschutz verbessern, damit Werbetreibende weniger über uns persönlich wissen. Dadurch wird persönliches Werbetargeting erschwert.
- Das ist wichtig, weil die Gesellschaft anstatt Einzelpersonen angesprochen werden soll. Die Werbe- und Medienindustrie verfolgt andere Ziele. Deren Vision sind personifizierte Inhalte: Musik, Werbung, Filme, Nachrichten. Damit wäre eine maximale Manipulation im Sinne der Auftraggeber (Werbeindustrie) möglich. Eine demokratische Meinungsbildung wäre damit unmöglich.
- Damit würde auch die kulturelle Gesellschaft zerstört, weil es nichts mehr gäbe, was uns miteinander verbindet. Jedes Individuum wäre nur noch eine Dopamin-Maschine im Dienst der Aufmerksamkeitsökonomie. Der gesellschaftliche Diskurs käme zum Erliegen und damit auch die Fähigkeit zur Demokratie.
- Selbstgesteuerter Nachrichtenkonsum. Weniger ist mehr. Vermeidet den täglichen Medienlärm. Wer weniger Nachrichten konsumiert, ist besser informiert. Brecht aus dem FOLO-Gefängnis aus. Man kann z. B. genossenschaftlich finanzierten Journalismus unterstützen: TAZ, Republik, DNIP, Perspective Daily, usw. Werbefreie und gesellschaftlich finanzierte Medien müssen nicht der Aufmerksamkeitsökonomie folgen. Dort sind auch positive Nachrichten möglich. Und dann gibt es noch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der nicht durch Google, Amazon, Microsoft oder Elon Musk kontrolliert wird.
- Öffentliche Räume dürfen nicht durch private Unternehmen und Milliardäre kontrolliert werden. Es gibt fast keine öffentlichen Plattformen, sowohl digital als auch physisch, die uns gehören.
- Wir brauchen ein öffentlich-rechtliches Internet. Bezahl von allen Nutzenden und Eigentum von allen Nutzenden. Eine Idee und handfeste Grundlage dafür bietet das Fediverse.
- Als Erstes bedienen sich die rücksichtslosen Menschen einer neuen Technologie. Es liegt in eurer Hand, wem ihr eure Aufmerksamkeit schenkt.
Vielen Dank, dass ihr uns eure Aufmerksamkeit geschenkt habt.
Links
- Marina Weissband: https://de.wikipedia.org/wiki/Marina_Weisband
- Marinas Video: https://invidious.nerdvpn.de/watch?v=nicQ_LrjuSw
- Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Ökonomie_der_Aufmerksamkeit
Outro
- Euer Feedback ist uns wichtig. Ihr könnt uns über Matrix, Mastodon oder per E-Mail erreichen. Die Adressen findet ihr auf unserer Webseite.
- GNU/Linux.ch ist ein Magazin, in dem die Community für die Community interessante Artikel erstellt und im Podcast darüber diskutiert. Helft mit, die Infos für die Community zu bereichern. Wie das geht, erfahrt ihr hier.
Es sind doch nicht auschließlich Werbetreibende die Ursache des Problems. Werbung gibt es nämlich schon sehr viel länger als das Internet. Auch den sog. "Qualitätsjournalismus" (gabs schon immer) gibt es bereits in vollkommen ausreichender Menge. Wobei die ebenfalls ihren eigenen Leitbildern, etwa denen der Geschäftsführung, der eigenen Weltanschauung oder bestimmten internen Vorgaben der Redaktion, z.B. Klickzahlen, Format, Artikellänge etc., folgen (müssen). In den letzten 10 Jahren äussert sich das insbesondere darin, dass viele der - ehemaligen oder zum Teil selbsternannten - Qualitätsmedien ziemlich gezielt bestimmte Narrative (= nur in eine Richtung) verbreiten und ein zugebenermaßen relativ geschicktes Framing (Vermischung von Information mit Meinung oder Einbettung in sachfremde Zusammenhänge) betreiben. Selbst mit ihren "Factcheckern" lagen & liegen die öfter mal vollkommen daneben und sind dadurch eben gerade keine Garantie (mehr) für die Güte oder Qualität der Information(en).
Medienkompetenz als Unterrichtsfach ist fundamental wichtig und kann helfen, löst aber nicht die eigentliche Ursache des Problems vor dem wir alle stehen: INFORMATIONSÜBERFLUTUNG durch neue Medien-Platformen mit vollkommen intransparenten, gefährlichen und deshalb zum Teil toxischen, Algorithmen. Dazu kommen dann noch die Neuzeit-Phenomäne "Influencer", selbsternannte Experten, "Verschwörungstheorien" , "Bubbles / Echokammern" und eben "Fakenews", wo es zunehmend immer schwerer wird die Spreu vom Weizen zu trennen bzw. herauszufinden ob etwas wirklich wahr oder falsch ist. Und das alles gepaart mit einigen wenigen "Großen Traditionellen" Medienbesitzern (Fernsehen und Zeitungen) die natürlich ebenso darauf bedacht sind bevorzugt ihre eigenen Ansichten und Meinungen zu verbreiten.
Alle diese "Publisher" kämpfen um unsere Aufmerksamkeit und, was mir noch sehr viel wichtiger erscheint, die Deutungshoheit bei einem Thema. Ähnlich wie beispielsweise früher Marktschreier agiert haben, buhlen sie um unsere Gunst und Zeit - denn Aufmerksamkeit ist in Wahrheit Zeit! Zeit, die viele Personen heute bevorzugt in ihrer eigenen und bequemen Echokammer verbringen. Oder andersherum ausgedrückt: Wenn viele Leute das Junk-Food dem Essen im Edel-Restaurant vorziehen, dann liegt es definitiv nicht an der Qualität des Restaurants, sondern daran das Junk-Food einfacher und günstiger (weniger Aufwand) zu beschaffen, überall verfügbar ist, ausreichend viele Geschmacksrichtungen abdeckt und zudem schneller satt macht. Selbst die allerbeste Gesundheitsaufklärungskampagnen verändern da nicht viel!
Ich bin nicht deiner Meinung, dass es Qualitätsjournalismus in ausreichender Menge gibt, im Gegenteil, er wird weniger.
Was du mit den gezielt verbreiteten Narrativen ehemaliger Qualitätsmedien meinst, müsstest du noch ausführen.
Und dass du selbst Framing betreibst, indem du vom sogenannten Qualitätsjournalismus schreibst und das Wort in Anführungszeichen setzt, dürfte dir klar sein. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen.
Dein Kommentar ist mir zu ungenau, weshalb ich nicht darauf antworten kann. Würdest Du bitte referenzieren, damit ich weiss, was Du meinst. Danke.
Definiere bitte kurz Qualitätsjournalismus oder Qualitätsmedien. Genau! ... Deswegen steht das Wort bei mir in Anführungszeichen. Und wieso, weshalb betreibe ich selbst Framing, wenn ich hier im Forum meine eigenen Eindrücke zum Thema mit Euch teile? Ich glaube du hast den Kontext von >Framing im Zusammenhang mit Nachrichten< überhaupt nicht verstanden.
Meiner Wahrnehmung nach, hat sich die Art und Weise der Berichterstattung vieler (ehemals guter) Informationsmedien in den letzten Jahren stark verändert. Beispiel: Früher habe ich gerne den Spiegel, Stern oder die taz gelesen, weil die ihre Artikel und zum Teil investigativen Sachverhalte immer gut analysiert, vielschichtig diskutiert und von MEHREREN SEITEN aus betrachtet haben. Neuerdings hat man jedoch den Eindruck das eine wirklich fundierte Analyse nicht mehr stattfindet oder vielleicht keine Interessierten mehr findet ... siehe z.B. Tagesschau in einfacher Sprache, das geht eindeutig in Richtung Idiocrazy. Und eine ehrliche offene Diskussion nicht mehr möglich oder einfach nicht mehr gewollt ist. Anscheinend bin ich da mit meiner Meinung gar nicht so alleine... Fefe nennt den Spiegel das "ehemaligen Nachrichtenmagain" und betitelt Heise Online inzwischen als "Pressemitteilungsabdrucksservice" ... beides waren einmal wirklich wichtige Informationsquellen auf ihrem Gebiet und leider muss ich Fefe hier 100% zustimmen (was nicht immer der Fall ist).
Wenn ich sage, dass es Qualitätsjournalismus in ausreichender Menge gibt, dann beziehe ich mich darauf dass man heute ohne Probleme zu jedem Thema ein qualitativ gutes Medium finden kann, dass auch hochwertige Informationen liefert. Das große Problem dabei ist IMHO nur das es heute leider fast keine guten themenübergreifenden "Universal-Welt-Erklärbär-Medien" mehr gibt, die in der Lage sind komplizierte Sachverhalte einigermaßen vollständig und korrekt darzustellen Iman kann auch durch gezielte Informationslücken lügen), die in der Lage sind reine Nachrichten strikt von allen Arten von Meinungen / Narrative / Framing zu trennen und die in der Lage sind - den Mut haben - Sachverhalte MULTIDIMENSIONAL aus verschiedenen, am besten gegensätzlichen, Perspektiven darzustellen, ordentlich zu analysieren, ohne dabei eine eigene Bewertung durchzuführen. Das vermisse ich schmerzlich.
Genau deshalb ist es wichtiger geworden sich aus möglichst vielen verschiedenen (Bubble-)Quellen, am besten diametral entgegengesetzen Medien, selbstätig zu informieren um sich so einen eigenen Überblick zu verschaffen. Das ist in den letzten paar Jahren sehr viel aufwendiger geworden, eben weil bestimmte Narrative überwiegen und Framing oftmals nicht auf den ersten Blick ersichtlich und ziemlich gut getarnt bzw. versteckt ist. Alle diese Entwicklungen sind wirklich sehr schade und ich hoffe Du verstehst mich jetzt in dieser Hinsicht etwas besser als zuvor.
Tagesschau in einfacher Sprache ist für viele Leute, die aus den verschiedensten Gründen nicht gut Deutsch verstehen (da gibt es sehr viele Kartoffeln und Migranten, denen das so geht) durchaus sinnvoll. Meiner Meinung nach ein sehr schlechtes Argument, wenn ich es überhaupt als solches durchgehen lasse.
Es kommt mir manchmal so vor, als wenn das Internet uns Menschen wie die Ameisen im Ameisenhaufen (jede einzelne Ameise weiß ganz genau was zu tun ist, aber das ist für einen aussenstehenden Beobachter überhaupt nicht ersichtlich) agieren lässt. Dazu passend ein animiertes Video: https://www.youtube.com/watch?v=wUW1wjlKvmY Von Steve Cutts gibt es eine große Menge reflexionierender und hauptsächlich nachdenklich machender Illustrationen: https://www.stevecutts.com/ und https://stevecutts.wordpress.com/
Lieber Robert, einige der Illustrationen sind mir tatsächlich schon über den Weg gelaufen. Sie sind sehr ansprussvoll und vielschichtig. Danke für die Erinnerung.