Captain it's Wednesday - Folge 148 - Wohin mit der Meinung?

  Ralf Hersel   Lesezeit: 4 Minuten  🗪 5 Kommentare Auf Mastodon ansehen

Folge 148 des CIW Podcasts. Wohin mit der eigenen Meinung in Social Media?

captain it's wednesday - folge 148 - wohin mit der meinung?

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Shownotes

CIW - Folge 148 - 13.08.2025 - Wohin mit der Meinung?

  • Wir begrüssen alle, die eine Meinung haben, zur Folge 148 von "Captain it's Wednesday", dem Podcast über Freie Software und Freie Gesellschaft von GNU/Linux.ch, aufgenommen am 10. August von Ückück und Ralf Hersel. In dieser Folge sprechen wir über Umgang, Platz und Ziel der eigenen Meinung in Social Media bzw. im Fediverse.

Hausmitteilungen

  • Ückück beendet die Fediverse-Kolumne

Thema: Wohin mit der Meinung?

  • Ralf: Die Nachrichten über die aktuellen humanitären, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Situationen treiben mir mehr denn je Tränen in die Augen. Selten habe ich mich so hilflos gefühlt; nein, selten habe ich so wenige Mittel gefunden, um die Lage zu verbessern. Ich lese Nachrichten und habe sofort eine Antwort im Sinn und einen Lösungsvorschlag dafür. Doch wohin mit meiner Meinung?
  • Was bedeuten Meinung, Glaube und Wissen?
    • Unter einer Meinung oder Auffassung wird eine von Wissen und Glauben unterschiedene Form des Fürwahrhaltens verstanden.

      Das Meinen ist ein Fürwahrhalten, dem sowohl subjektiv (siehe Exkurs) als auch objektiv eine hinreichende Begründung fehlt. Dadurch unterscheidet sich das Meinen vom Glauben und vom Wissen. Von Glauben spricht man, wenn jemand eine Aussage für wahr hält, ihre Wahrheit also subjektiv als gesichert erscheint, obwohl der Glaubende keine objektiv zureichende Begründung dafür angeben kann. Der Unterschied zum Wissen besteht darin, dass der Wissende nicht nur von der Wahrheit der Aussage überzeugt ist, sondern auch über eine objektiv zureichende Begründung dafür verfügt.

    • Exkurs: Glaubwürdigkeit versus Glaubhaftigkeit

  • Die Meinungsäusserungsfreiheit ist ein Menschenrecht und wird in nationalen Grundgesetzen oder Verfassungen garantiert (D.A.CH.). Beim Schutz der Meinungsäusserungsfreiheit kommt es nicht darauf an, ob es sich um ein richtiges oder falsches, emotionales oder rational begründetes Werturteil handelt. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Meinung sich als wahr oder unwahr erweist, ob sie begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, oder ob sie als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird. Sie verliert diesen Schutz auch dann nicht, wenn sie scharf und überzogen geäussert wird. Dieses Recht findet seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze (Ehre, Beleidigung, Verleumdung, Geheiminfos, Sittlichkeit, Jugendschutz, öffentliche Sicherheit, unlauterer Wettbewerb, Urheberrecht, Rassendiskriminierung).
  • Aber auch negative Meinungsfreiheit: das Recht, sich der Zustimmung zu einer erzwungenen Meinung durch Staat oder Gesellschaft zu verweigern; aber auch, sich Meinungen zu entziehen, und sie ist gegen das Gegenstück zur Erlaubnis des Meinungsausdrucks, sich eben keine Meinung bilden zu müssen.
  • Welche Bedeutung hat die Meinung in Social Media?
    • Brandbeschleuniger oder Diskursgrundlage?
  • Gehört Meinung in den grossen Topf (ex Twitter) oder in die kleine Schublade?
  • Wohin mit meiner Meinung, wenn sie nicht zu meinen Blasen passt?
  • Andere Meinungen aushalten – Wann kommentieren wir und wann scrollen wir über unserer Meinung widersprechende Meinungen hinweg?
  • Welche Möglichkeiten bietet das Fediverse, um meine Meinung zu konzentrieren oder zu kanalisieren?
  • KubikPixel kommentiert Nachrichten auf Masto
  • Umgang mit Antworten:
    • Trolle vs. berechtigte Kritik, Erkennen des Unterschieds, Kraft für den Diskurs
    • Umgang damit, wenn statt Kritik Hass kommt
      • melden
      • strafrechtlich Relevantes anzeigen
      • Hilfe- und Beratungsstellen
  • Exponierte Persönlichkeiten in mehreren Rollen (Ückück, Fediverse-Kolumne)
    • Erwartungshaltung
    • Reflexionsfläche
    • Parasoziale Beziehungen
    • Hatewatch
  • Was ist unsere Erwartungshaltung an einen online stattfindenden Meinungsaustausch?
    • Respekt!
    • Raum für unterschiedliche Meinungen
    • Ich kann nicht erwarten, dass mir Leute zuhören oder zustimmen, aber ich kann erwarten, dass ich meine Meinung äußern darf
    • Raum für Fehler, Unkenntnis und Lernprozesse
    • Bewusstsein, dass hinter jedem Bildschirm ein menschliches Wesen sitzt

Outro

  • Euer Feedback ist uns wichtig. Ihr könnt uns über Matrix, Mastodon oder per E-Mail erreichen. Die Adressen findet ihr auf unserer Webseite.
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Quellen

Tags

Podcast, CIW, Captain

Kai
Geschrieben von Kai am 14. August 2025 um 12:17

Gratulation zu dem wirklich gut strukturierten Podcast. Noch ein paar zusätzliche Anmerkungen und Gedanken dazu:

RE: "Gehört Meinung in den grossen Topf (ex Twitter) oder in die kleine Schublade?"

Meinungsäußerungen von der Art der Plattformen auf denen sie veröffentlicht werden abhängig zu machen sehe ich kontraproduktiv und es wäre eine Einschränkung des Zugangs zu Informationsmedien. Nicht nur keine gute Idee sondern auch verfassungswidrig: Art. 5 GG: " Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. "

RE: "Wohin mit meiner Meinung, wenn sie nicht zu meinen Blasen passt?"

Überall dorthin, wo man sie normal veröffentlichen kann. Es gibt keine allgemein festgelegten Veröffentlichkeitsbeschränkungen und das ist gut so! Den einzigen kleinen aber feinen Unterschied sehe ich hier zwischen den (kleinen) privaten Internetplattformen (Blogs & Foren) und den großen Globalen Social Media Plattformen. Erstere verfügen selbstverständlich über ein eigenes Hausrecht und haben sogar die Pflicht & Verantwortung ihre eigenen Policies durchzusetzen. Von mir aus kann, soll und darf das gerne sehr individuellen Regeln entsprechen - was jedoch kein Problem darstellt, weil es dort keine größeren Auswirkungen auf die Freiheit der Informationsveröffentlichung hat. Im Gegensatz dazu sehe ich die großen Social Media Plattformen in einer Globalen Verantwortung "Meinungen" nur dann zu "moderieren" wenn WIRKLICH zweifelsfrei nachgewiesen ist, das sie die von euch im Podcast genannten Straftatbestände (Ehre, Beleidigung, Verleumdung etc.) erfüllt sind. Allerdings würde ich selbst dann nicht immer alles sofort moderieren, anzeigen oder löschen, weil genau wie im Real Life - Beispiel Straßenverkehr - täglich Beleidigungen, Nötigungen oder "böse Worte" im öffentlichen Raum passieren, die niemals angezeigt werden, die nie die Gerichte beschäftigen werden und meistens schon am nächsten Tag wieder vergessen sind. Es geht mir um die Zuweisung von Rank und Bedeutung in der Debatte um Hass, Hetze und Hatespeech, das bisher noch nie thematisiert worden ist. Im ganz alltäglichen Umgang (Arbeit, Familie auf der Straße) fallen ebenso böse Wörter: Blödmann, Armleuchter oder Arschloch. Wieso machen wir da eigentlich Online im Netz solch einen großen Unterschied zum RealLife und im Zweifelsfall manchmal aus einer Mücke den berühmten Elefanten?

Warum befürworte ich eine Unterscheidung nach Größe der Plattform? Weil viele nicht bedenken oder bislang noch nicht verstanden haben, das bei den großen Social Media Plattformen durch "Moderation" bis hin zu Kontolöschungen die Leute vom öffentlichen Diskurs verbannt und komplett ausgeschlossen werden, was in der Realität einem öffentlichen Redeverbot gleich kommen würde. Stellt Euch mal vor ihr werdet von den 5 wichtigsten Internet-Plattformen verbannt. Es kann doch nicht die richtige Lösung sein, wenn man wegen einer kritischen Meinung auf einen Schlag plötzlich keine Reichweite mehr hat!? Andersherum hört es sich genauso falsch an nur den "guten" Meinungen große Reichweite zu gewähren. Hier muss sich dann auch mal das Fediverse positionieren, an die eigene Nase fassen und sich fragen lassen ob sie eigentlich eine Große Globale Plattform sein bzw. werden wollen oder für ewig in ihren kleinen Bubble-Burgen hausen und bleiben wollen.

RE: "Andere Meinungen aushalten – Wann kommentieren wir und wann scrollen wir über unserer Meinung widersprechende Meinungen hinweg?"

Anknüpfend an den zuvor genannten Unterschied zwischen kleinen lokalen und großen globalen Informationsplattformen geht es letztendlich um die große Reichweite. Kurze Anekdote: Jedes Dorf hatte früher seinen "Dorftrottel", doch alleine war der stets ohne Reichweite. Heute können sich neben den schlauen intelligenten Menschen aber auch die Trottel aller Dörfer untereinander verbinden und ihre Meinungen / Ideen alleine oder gemeinsam in den Bubbles kundtun. Das gleiche Recht besitzen alle Andersdenkenden. Für die Teilhabe an Kommunikation und den Austausch im Netz braucht es nur die Geräte aber keine psychologische Eignungs- oder Gesinnungsprüfung. Das kann man gut oder schlecht finden, aber aus welchen Gründen sollte man deren Nachichten im Netz moderieren, behindern oder verhindern wollen? Dummheit, Lügen und andere Meinungen sind nicht verboten. Deshalb müssen bei der Veröffentlichung von Nachrichten auf den sehr großen Globalen Social Media Plattformen meiner Ansicht nach besonders freiheitliche Regeln und natürlich für alle dieselben und gleichen Rechte gelten!

Zum Umgang mit anderen Meinungen: Widerspruch, eine Gegenrede, der Meinungsautausch sollte immer argumentativ und respektvoll formuliert werden. Kritik an einer Person, Ironie, Trollen, Abwertungen usw. sind nicht zielführend und werden leicht missverstanden. Doch auch Letztgenanntes muss auf den Großen Globalen Plattformen nicht unbedingt eine "Moderation" erfordern, weil solche Art von Äußerungen normalerweise automatisch im Rauschen der vielen Informationen untergehen wird. Meiner Überzeugung nach braucht es möglicherweise einfach nur WENIGER MODERATION, weil sich mit Hilfe der berühmten Schwarmintelligenz guter Content (interessante Ideen und Meinungen) mehr oder weniger automatisch durchsetzen wird und schlechter Content (Beleidigungen, schlimme Lügen etc.) entweder markiert und down-gevoted werden können oder weil sie schon dem Grunde nach niemanden interessieren tun, links liegengelassen werden und in der Bedeutungslosigkeit verschwinden tut. Das "Meinungsproblem" entsteht möglicherweise erst (oder nur) dadurch, dass mutmasslich schlechter Content hart moderiert, oft skandalisiert und immer an die große Glocke gehangen wird. Führt überstarke Moderation zu einer Art Barbara Streisand Effekt? Was denkt ihr darüber?

RE: Was ist unsere Erwartungshaltung an einen online stattfindenden Meinungsaustausch?

Kommunikation, Wissensaustausch, das Eingehen auf Argumente, gegenseitiges voneinander Lernen und ein respektvoller Umgang sollten immer im Vordergrund stehen. Also das ist online nicht anders als im echten Leben. Doch gibt es selbstverständlich viele Menschen da draußen denen es generell schwer(er) fällt Meinungen sauber zu formulieren, bestimmte Argumente zu verstehen oder einfach weniger (ein)gebildet sind. Hier muss das Internet, genauso wie unsere reale Gesellschaft, auch Raum und Luft für diese Gruppe lassen. Ein viel größeres Problem in den Netzen sind Leute die ihre einzige Aufgabe darin sehen andere Menschen in aufdringlicher Art und Weise missionieren zu wollen (analoges Beispiel: Zeugen Jehovas). Schon seit vielen Jahren gibt es dafür den berühmten Begriff "Social Justice Warrior" https://de.wikipedia.org/wiki/Social_Justice_Warrior Dieselbe Art von Leuten beteiligen sich zudem gerne regelmässig an rein dogmatischen und ideologisch begründeten Shitstorms und erreichen durch ihr Verhalten jedoch nichts von dem, was sie glauben zu bewirken oder erreichen wollen. Ebenfalls ein Barbara-Streisand-Effekt? In einem Meinungsaustausch sollte für alle Beteiligten immer die gleiche wichtige Prämisse gelten, das niemand - absolut niemand - die alleinige Meinungs- oder Deutungshoheit besitzt. Durch Unterdrückung, Filterung, Zensur oder Löschung wird keine einzige schlechte Meinung beim Verfasser verändert sondern nur verstärkt. Es muss ein Umdenken stattfinden: Auch eine "schlechte" Meinung, die nicht gegen Gesetze verstößt, ist grundsätzlich erst einmal etwas Positives, ein Zeichen von Ideenreichtum, Vielfalt und vor allen Dingen von FREIHEIT. Freiheit der Gedanken!

Philipp
Geschrieben von Philipp am 14. August 2025 um 16:28

Also meiner Meinung nach sind FOSS (Free Open Source Software) und Freie Meinung unmittelbare Partner. Das eine ohne das andere funktioniert nur eingeschränkt.

Roland
Geschrieben von Roland am 14. August 2025 um 23:11

Das ist ein weites Gebiet, deshalb Danke für die ausführlichen Definitionen. Man hätte vielleicht noch über ganz konkrete Fälle wie diesen sprechen sollen. Wenn man im Fediverse wegen so wenig & so schnell vom Admin geblockt werden kann, dann bin ich echt froh darüber nicht ein Teil davon zu sein. https://uli.popps.org/2022/10/14/offener-brief-an-die-admins-von-chaos-social/

Stephan R
Geschrieben von Stephan R am 15. August 2025 um 16:46

Das Diskussionsproblem kann man durch mehrere Plattformen, auf denen unterschiedliche Eskalationsstufen erlaubt sind, lösen. Man könnte auf Stufe 1 die Flauschige-Bubble-Wohlfühl-Echokammer haben. Auf Stufe 2 wird _ganz normal diskutiert _und Meinungen dürfen frei geäußert werden. Besonders schwierige, besonders umstrittene, also "heiße" Themen könnte man auf eine separate 3. Plattform auslagern. Dann ist jedem Teilnehmer zuvor klar, was wo alles gesagt werden kann und auf Stufe 3 dürfen selbstverständlich auch mal so richtig die Fetzen fliegen, ohne Beleidigungen Meinungen gegeigt und gezeigt werden, und ohne daß sich immer die gleichen Leute auf ihren woken linken Fuß getreten fühlen müssen. Im Augenblick funktioniert die Standardstufe 2 für viele Personen oft nicht mehr gut und diese Aufteilung könnte eine Lösung sein.

Ralf Hersel Admin
Geschrieben von Ralf Hersel am 15. August 2025 um 17:29

Danke für deinen Kommentar, Stephan. Heute sah ich diesen Artikel: https://www.derstandard.at/story/3000000283535/studie-social-media-ist-wohl-nicht-mehr-zu-retten Darin steht dieser Absatz: "Für ihn (Törnberg) liegt die Zukunft sozialer Kommunikation möglicherweise in einem Wandel: weg vom großen, offenen Feed mit globaler Reichweite, hin zu kleineren, geschlossenen und moderierten Communitys. Möglicherweise in Form von Messenger-Gruppen oder Plattformen mit klaren Zugangsregeln. Diese wären persönlicher, lokaler und kontrollierter."