Das Fediverse: ein nachhaltiges Soziales Netzwerk

  Lioh Möller   Lesezeit: 6 Minuten  🗪 1 Kommentar Auf Mastodon ansehen

Eine Studie möchte aufgrund von stagnierenden Nutzerzahlen die Nachhaltigkeit von Mastodon untersuchen. Doch ist ein stetiges Wachstum wirklich nachhaltig?

das fediverse: ein nachhaltiges soziales netzwerk

Kürzlich hatte ich eine längere Diskussion im Fediverse. Auslöser war eine von Thomas weitergeleitete Anfrage von Stefanie Kogler. Sie studiert an der Universität Wien und im Rahmen ihrer Masterarbeit untersucht sie die Nachhaltigkeit von Mastodon.

Laut ihren Beobachtungen ist die Zahl der aktiven Nutzenden auf Mastodon nach einem Anstieg der Registrierungen im Jahr 2022 stark gesunken. In Ihrer Studie möchte sie herausfinden, warum die Nutzenden-Aktivität auf Mastodon sinkt.

Zunächst möchte ich vorab ihre Annahme richtigstellen, denn laut FedidB ist die Anzahl der aktiven Nutzenden über lange Zeit sehr stabil. Ob ein ständiges Wachstum überhaupt ein Indikator für Nachhaltigkeit sein kann, möchte ich grundlegend infrage stellen. Im Gegenteil hat es sich erwiesen, dass masslos wachsende Systeme sich als wenig nachhaltig erweisen und eher ein Symptom des Hyperkapitalismus ist.

In unserer Diskussion ging es zunächst um die Zugänglichkeit des Fediverse, insbesondere von Mastodon, da die Studie sich explizit darauf bezieht.

Im Gegensatz zu anderen Sozialen Netzwerken bietet Mastodon Neueinsteiger:innen nur wenig an die Hand, um sich den eigenen Feed aufzubauen, zumindest wenig Offensichtliches. Bluesky löst dies durch sogenannte Starter Packs. Dabei handelt es sich um Account-Sammlungen, meist von bereits prominenten Konten, die sich gebündelt folgen lassen. Auch im Fediverse gibt es erste Versuche, etwas Ähnliches anzubieten.

Ich halte den Ansatz jedoch für schädlich, da so nur Konten gefördert werden, die sich bereits einer grossen Beliebtheit erfreuen und die eigentliche Stärke des Fediverse ist dessen Vielfalt und Vielschichtigkeit.

Eine weitere Möglichkeit, die von anderen Anbietern genutzt wird, sind Algorithmen. Das heisst, wenn ich ein bestimmtes Konto mag und diesem folge, werden mir automatisch ähnliche Konten angezeigt. Das von Investoren aus der libertären Tech-Ecke finanzierte Soziale Netzwerk Bluesky bietet dazu einen sogenannten Discover-Feed. Dabei wird zu Beginn empfohlen, 10 Beiträge strategisch zu liken, woraufhin man eine gute Mischung an Beiträgen mit ähnlichen Inhalten angezeigt bekommen soll.

Doch genau das möchten viele Fedinautys nicht, da die Digitale Selbstbestimmung sozusagen die Eintrittskarte in die Weiten des Fediverse darstellt.

Was bleibt uns nun? Können wir überhaupt ein Soziales Netzwerk anbieten, wie es sich viele Menschen wünschen? Ein Netzwerk, in dem sie einfach passende Inhalte vorgesetzt bekommen. Social Media ist für sie ein passives Medium, um sich berieseln zu lassen und indirekt Informationen zu erhalten. Das Gegenteil von der Nutzung einer Suchmaschine.

Nein, genau das können wir nicht und es war auch nie die Intention. Bereits zu Zeiten von GNU social hatten wir dezentrale Gruppen, die sich mittels !Gruppenname ansprechen liessen. Über diese Gruppen haben sich Menschen mit ähnlichen Interessen schnell zusammengefunden. Menschen, die sich vielleicht schon persönlich kannten, möglicherweise aber auch bisher nicht. So sind für mich viele lange Freundschaften entstanden und sogar internationale Besuche wurden organisiert. Durch Aktionen wie die kürzlich vorgestellte Fedikarte wird dies heute noch stärker gefördert. Dezentrale Feditreffen, spontane oder geplante Besuche auf Reisen und ein spannender Austausch auch irl (in real life, im echten Leben).

Ist also das Fediverse nur ein Netzwerk für Menschen mit besonderen Interessen, möglicherweise sogar nur für Nerds? Ich sage ja, und zwar auf eine sehr positive Weise. !Gruppen gibt es zwar in der bisherigen Form nicht mehr, dafür werden Hashtags intensiv genutzt. Durch die Möglichkeit, diesen Hashtags zu folgen, landen schnell Beiträge von interessanten Menschen in der eigenen Timeline, denen dann wiederum gefolgt werden kann. Auf Basis dieser "Spezialinteressen" lassen sich so schnell passende Feeds zusammenstellen und neue Freundschaften knüpfen.

Daher bin ich überzeugt, dass insbesondere für Gruppen von Menschen mit ähnlichen Nischeninteressen das Fediverse der beste, wenn nicht sogar der einzige Wohlfühlort ist. Dazu kommt natürlich noch der eingangs erwähnte Aspekt der Digitalen Selbstbestimmung, die guten Filtermöglichkeiten, je nach genutztem Frontend und die tolle Arbeit der vielen Moderator:innen, die sich täglich dafür einsetzen, eine bessere Welt für uns zu schaffen.

Die Frage, was nun nachhaltiger ist, ein auf stetiges Wachstum und kommerzielle Nutzung ausgelegtes System oder ein sicherer Ort, an dem sich Gleichgesinnte treffen, möchte ich bewusst offen lassen. Und vielleicht wird die Arbeit von Stefanie Kogler weitere interessante Interpretationen liefern.

Gibt es etwas, das wir noch besser machen können? Vielleicht können wir gezielt Gruppen, Vereine, aber auch Einzelpersonen ansprechen und auf die genannten Vorteile hinweisen. Durch Funktionen wie "Trending Hashtags" lassen sich auch neue Themen schnell entdecken. Möglicherweise könnte diese prominenter platziert werden. Die Entscheidung, Trends jedoch nicht direkt anzuzeigen, beruht auf der Annahme, dass sie zwar auffindbar sein sollen, jedoch nicht explizit gefördert werden sollten.

Mich erfüllt es jedenfalls mit Stolz zu sehen, was wir bereits geschaffen haben und was wir jeden Tag aufs neue hegen und pflegen, das Fediverse. Das einzige nachhaltige Soziale Netzwerk.


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Fediverse, Mastodon

Robert
Geschrieben von Robert am 19. Dezember 2024 um 23:52

Ich habe gerade die Seite /explore/suggestions entdeckt. Das scheint gerade (auch) für Anfänger eine nette Möglichkeit zu sein ein Repertoire an gefolgten Profilen aufzubauen. Da gibt es Profile „Beliebt auf Instanz“, „Beliebt bei Leuten, denen du folgst“, „Ähnlich zu Profilen, denen du seit kurzem folgst“.