Sicher bin ich kein Einzelfall, den kompletten Umstieg auf Linux habe ich bereits mehrfach versucht, aber nie geschafft, mittlerweile bin ich der Meinung, dass es wohl nie ganz klappen wird, das hat mehrere Gründe, die ich hier erläutern will.
Vorweg – es soll kein Seitenhieb in die eine oder andere Richtung werden, viel mehr soll es als Frage an die Community gesehen werden. Mich würden Meinungen von Usern, welche ungefähr die gleichen Anforderungen haben, interessieren, vielleicht gibt es ja frische Ansätze.
Ich arbeite seit 25 Jahren als IT-Consultant, da mein Kundenkreis hauptsächlich Rechtsanwälte sind, vorwiegend im Windows Umfeld, dadurch ergeben sich folgende Voraussetzungen, welche unter Linux abgedeckt werden müssen:
- Mails, Kalender, Kontakte, Aufgaben
- Office suits
- Remote Support
- Dokumentation
klingt einfach, wer es aber ernsthaft versucht, wird merken, der Teufel steckt im Detail. Nach längerem Hin und Her zwischen OpenSuse Tumbleweed, Ubuntu und Fedora, sowie zwischen Gnome und Plasma, wird nun flächendeckend Gnome unter Fedora eingesetzt.
Mails, Kalender, Kontakte, Aufgaben
Hier sollte Outlook oder emClient ersetzt werden, da in 99 % der Fälle Exchange zum Einsatz kommt, wird die Auswahl an Clients recht dünn, am besten deckt hier Gnome-Evolution (inkl. evolution-ews) die Bedürfnisse, wenn auch nicht immer intuitiv, ab. Der Teil macht, was es soll, an manchen Ecken würde ich gerne feilen, bisherige Change Requests wurden zwar aufgenommen, aber vermutlich auch schon wieder vergessen....
Manche Funktionen, welche man alltäglich nutzt, fallen erst auf, wenn sie nicht mehr da sind. Ein Beispiel: Outlook ist der einzige Exchange-Client, welcher mehrere freigegebene Kalender in einer geteilten Übersicht anzeigen kann, Evolution und emClient (Windows) können natürlich mehrere Kalender gleichzeitig anzeigen, aber nur in einem Kalender – bei 6–10 Kalendern ein Albtraum.
Davmail ist für mich keine Alternative, da es keine Unterstützung mehrerer Exchange-Server in einer Instanz gibt. Andere PIM Suits (KMail/Akonadi) sind weit von einem produktiven Stadion entfernt, mal abwarten, wie es bei Thunderbird mit der derzeit in der Beta befindlichen EWS Unterstützung aussieht.
Office suits
Das war einfach, Word und PowerPoint habe ich noch nie wirklich gebraucht, hier reichen die üblichen Alternativen wie LibreOffice, OnlyOffice oder Softmaker Office. Visio wurde durch Draw.io ersetzt.
Bei Excel wird es dann wieder ein wenig kniffliger, ich arbeitete in Excel ausschließlich mit CSV-Dateien, welche aus diversen Shells generiert werden. Die Übersichtlichkeit und vor allem die einfache Möglichkeit der Sortierung in Excel nach dem Import sind auch hier (leider) wieder ein Alleinstellungsmerkmal. Hier wechselte ich vor ca. 2 Jahren zur Notepad++ mit dem Plug-in CSVLint – absolut geniale Spalten-Übersicht einer CSV-Datei, allerdings nicht für das Weiterleiten an Kunden geeignet – deshalb in dem Fall Excel.
Remote Support
Hier wird es nun ein wenig schwieriger. Teamviewer bietet zwar einen Linuxclient, dieser kann aber unter Wayland keine Windows Shortcuts (WiN+R oder WIN+E usw.). Das ist mühsam, da ich den Großteil der Navigation über Ausführen (WIN+R) und dann durch den Aufruf der .msc der .cpl Datei mache (z. B. services.msc für die Dienste oder ncpa.cpl zum Aufruf der NIC Einstellungen usw.). In der GUI finde ich viele dieser Einstellungen gar nicht mehr, das ist übrigens Windows 8 geschuldet – Microsoft hat hier die Kacheln eingeführt und mich meines bis dahin unverzichtbaren Startmenüs beraubt.
Rustdesk war bis dahin kaum eine echte Alternative, hauptsächlich da das Teil eigene Ports benötigt und fast immer eine Anforderung zu Port-Öffnungen mit sich bringt.
Das ist aber nur selten notwendig, der Hauptpart meiner Arbeit geht über RDP bzw. SSH. Bevor das aber möglich ist, wird natürlich ein VPN-Client benötigt. IPSEC, SSL, teils noch L2TP, lassen sich gut mit Bordmitteln lösen, wenn aber ein bestimmter Client vorgegeben wird, z. B. Sophos Connect, oder ZyXel dann kommt man schnell wieder in die Gasse der Windows-VM.
SSH ist natürlich kein Thema, kann jede Shell.
Ein guter RDP-Client ist dann wieder ein spannenderes Thema, die Auswahl ist hier nicht mehr allzu groß:
- freerdp
- Remmina
- Thincast Client
freerdp: funktioniert an sich gut, da es aber ein reines CLI-Tool ist, habe ich mir hier für jeden Server ein Shell-Script erstellt, welches alle Informationen bis auf das Passwort beinhaltet, dieses wird bei Bedarf aus KeepassXC eingefügt.
z. B.:
xfreerdp /v:SEVERNAME /floatbar:sticky:on,default:visible,show:fullscreen +clipboard \
/u:USERAME \
/p:$(zenity \
--entry \
--title="Domain Password" \
--text="Enter your _password:" \
--hide-text) \
/d:DOMAIN.local \
/f \
/compression \
/gfx:AVC420:on \
/cert:ignore
Remmina:
Hat sich leider als eher unbrauchbar erwiesen, häufige Abstürze, welche alle Sessions killen, haben mich zur Abkehr gezwungen. Bugreports wurden oft erstellt, aber kaum beachtet.
Thincast Client:
Hat sich als recht stabil und zuverlässig, auch unter Wayland, erwiesen, Remote-Apps lassen sich dadurch auch sehr gut bedienen – definitiv ein GUI Favorit.
Dokumentation:
Hier bin ich schon vor 4 Jahren zu Bookstack und Obsidian gewechselt, hier gab es absolut keine Probleme.
Womit arbeitet ihr zwischen den Welten? Habt ihr ähnliche Erfahrungen?
Quellen:
https://pixabay.com/de/photos/turnen-akrobatik-kraft-ausdauer-3787608/
Deine Anforderungen lassen sich mit GNU/Linux alle lösen, sogar besser als mit Windows. Lediglich einige Ingenieur-Applikation sind leider nur auf Windows verfügbar. Also mußt Du ggf. ein Windows in einer VM laufen lassen. Das ist allemal besser, als natives Windows einzusetzen.
das kommt vielleicht nicht richtig rüber, es geht nicht darum dass es lösbar ist, es geht eher darum wieviele Verrenkungen sind notwendig um wirklich produktiv (d.h. gleich schnell oder sogar schneller) unter Linux arbeiten zu können und zwar genau in dem Kontext das eben Zielsysteme fast immer aus dem MS Universum kommen.
Hallo RoNie, ich picke mal einen Punkt raus, die für mich relevant sind. CSV Dateien bearbeite ich grundsätzlich mit sqlite (ab über 100 Zeilen oder wenn Datenquellen verknüpft oder wenn komplexe und verschiedene Abfragen durchgeführt werden sollen). Habe auch lange mit Excel in einem früheren Leben und dann mit Libreoffice rumgewerkelt. Skalieren schlecht bei großen Datensätzen, werden sehr langsam und es passieren mir zu viele Bedienungsfehler. Sqlite in der sqlitecli. Lässt sich hervorragend scripten wenn man immer wieder wiederkehrende Datensätze zu verarbeiten hat. Wenn Daten aus verschiedenen Quellen auch noch verknüpft werden sollen, dann scheiden Spreadsheets eh aus. Müssen die Daten grafisch aufbereitet werden, exportiere ich die resultierenden Datensätze wieder in Spreadsheets. Sqlite gibt es für jedes Betriebssystem auf allen Architekturen und ist free and open source.
danke für den Input, werde ich mal testen
Gute Idee. Benutzt Du denn nur CLI oder hast Du auch eine Empfehlung für sqlite Frontends?
Also, was dein CSV und Excel Problem angeht, würde ich nochmal Only Office probieren. Ich habe da beruflich mit Excel Tabellen nur gute Erfahrungen mit Only Office gemacht. Nutze aber CSV nicht!, daher kann ich dazu keine eigenen Erfahrungen vorweisen.
alle Suites haben hier das selbe Verhalten, getestet unter LibreOffice, OnlyOffice, WPS Office und auch Softmaker Office: wenn du in Excel csv Dateien importierts bekommt du in der oberen Leiste eine Sortiermöglichkeit durch die du dich einfach durchklicken kannst, bei allen vorher genannten ist das eben nicht dre Fall - viele User wissen nicht wie man eine Spalte ohne diese Dropdown Menü sortiert....
> viele User wissen nicht wie man eine Spalte ohne diese Dropdown Menü sortiert....
Ja ok, aber das ist dann ein Problem des Users nicht der Office Suite.🤨 Wenn es schon zu viel ist (in Only Office) einen rechtsklick auf die Spalte zu machen und im dann erscheinenden Dropdown Menü! "sortieren" auszuwählen, ist man wohl wirklich nur ein MS Office "Nutzer", und dem entsprechend abhängig! Wenn man sich da schon nicht anpassen kann, bleibt einem halt nur Windows.🙄
Ja, die Windows-Welt zu betreuen mit Linux hat seine Grenzen, so meine Erfahrung.
Aber zu Outlook & Anwaltskanzleien. Da ist für mich die Frage, ob es in Zukunft noch tragbar ist, wenn MS vollständig das "alte" Outlook ablöst; da ist die Frage, was geht alles über das neue Outlook über MS-Servern. Ob hier nicht Libre Workspace oder Anbieter wie mailbox.org generell gute Alternativen werden.
Ich habe vor wenigen Monaten unseren Verein auf mailcow geswitcht und das eingebaute SOGo macht einen guten Eindruck, mehr als ich erwartet haben.
Bei mir ist selbst es primär die Photowelt, warum Linux noch nicht das alleinige System ist.
Zu Remote-Desktop habe ich, neben Rustdesk, auch schon mit Google Remote Desktop gearbeitet, doch ist die Frage, wie es hier mit Datenschutz aussieht, ist mir nicht ganz klar. Rustdesk wird weiter entwickelt, was es vielleicht in Zukunft interessanter macht.
Wenn ich also deinen Text so lese, scheint es mir, dass du nur Probleme damit hast, MsOffice zu ersetzen. Alles andere geht.
Im FaxInformatiker Podcast (FI 004) lieben sie wohl Rustdesk. Argument war auch, dass es nicht über Port 443 geht und somit die Firewall auszutriksen versucht. Begründet wurde es damit, das es dadurch auch für die IT des Unternehmens klar und sauberer ist, dass hier eine Rustdesk verbindung läuft.
Soweit ich weiss, kann man aber die Porteinstellungen auch ändern.
Natürlich kenne ich nicht Deine Kunden, und natürlich was die benötigen ("hauptsächlich Rechtsanwälte, vorwiegend im Windows Umfeld"), bzw. inwiefern dies auf Deine eigenen Erfordernisse durch schlägt.
Bestätigen kann ich, dass ich mal in der Rechtsabteilung eines Konzerns "mitgewürgt" habe, und die Anwälte hatten dort alle ausnahmslos Apple PC's, auf denen –seltsamerweise– "Windows7" betrieben wurde.
Gewünscht hätte ich mir –zusätzlich zu Deinem Vorwort– eine Art "Fazit".
Dass mit dem Exchange Client mag ein Problem darstellen. "Excel" Listen kenne ich, aber csv ist idealerweise so gut strukturiert, dass man es etwa mit Gnumeric o.ä., oder halt gleich über Skripte beackern kann. – "Zwischen den Welten" bin ich nicht unterwegs: Zuhause läuft Debian und "remote" alles mögliche, bzw. aktuell bedauerlicherweise "Windows10".
PS: Dienstlich hatte ich mal zwei(!) PCs mit "Windows XP", und auf einem davon hatten wir damals machen dürfen was wir wollen (alles außer Linux oder andere OS installieren). Da war dann auch der private Komplettumstieg kein Thema mehr, bzw. hat es die letzte Partition mit W2K irgendwann zerbröselt 😇️
PPS: Das elende Mobiltelefon will ich nicht unterschlagen - Android12, und ich suche noch nach einer Lösung, um
crDroid
(android15) auf meinem Redmi Note 10 zu installieren, bzw. herauszufinden, ob das eine Lösung wäre. - Also irgendwie DOCH "zwei Welten", derzeit D:Hallo RoNie, zu Office&Co.: Ich arbeite in einem Grossunternehmen, das zu 100% in einem Windows-Ökosystem funktioniert (abgesehen von Serveranwendungen). Ich arbeite mit einem persönlichen Geräte mit Fedora/KDE. Unsere Microsoft Enterprise-Lizenz erlaubt es mir nicht, Office 365 in irgend einer Weise ins Betriebssystem einzubinden. Ich muss zwingend die entsprechenden Web-Anwendungen verwenden. Nach ein bisschen Eingewöhnung funktioniert das gar nicht so schlecht:
Das "new Outlook" ist auch als lokale App im Grunde eine Website. Über den Browser gehts sogar etwas flotter. Für meine Arbeit ist es absolut in Ordnung, weiterhin Outlook zu benutzen. Viele Kalender sind absolut kein Problem, mehrere Konten funktionieren ebenfalls. Für Excel/Word kann man ebenfalls die Web-Versionen von O365 benutzen, kann aber nervig sein: Im Web werden nicht alle Funktionen der lokalen Apps unterstützt. So kannst du in Word Web z.B. keine automatischen Querverweise sehen, geschweige denn anlegen. In Excel weiss ich es nicht, damit arbeite ich aber auch sehr viel rudimentärer als du.
Für alles andere sind die übrigen Kommentare sicher hilfreicher als ich :). Hoffe du findest deine Lösungen!
Als Open Source Excel-Alternative gibts noch Gnumeric http://www.gnumeric.org/ ( kein https ) Die aktuelle Version 1.12.59 ist immerhin vom März 2025 und bei vielen Distros in der Paketverwaltung oder auch hier https://download.gnome.org/sources/gnumeric/1.12/
Bezüglich Thunderbird: Da ich beruflich leider auch auf den proprietären Emailprovider angewiesen bin, kann ich dir die Erweiterung OWL empfehlen. Sie ist aber auch proprietär und kostet 10 € pro Jahr und Konto. https://www.beonex.com/owl/index.html Manchmal, macht sie kleine Probleme, aber der Support funktioniert zumindest.
Ich benutze rein Debian seit 2005 und dies war damals auch mein größte Problem. Aber es war damals nur eine Frage der Zeit bis ich alles soweit hatte. Hat bis dahin ein Windows Rechner nebenbei laufen.
Nutze seit über 20 Jahren nur noch Linux zuhause. Ab und zu gibts mal Experimente in VMs, eher aus Neugierde statt Notwendigkeit. 2023 neues Thinkbook mit Win11 und nach wenigen Tagen frustriert verbannt. Das kurz erwogene Dualboot, in den Wind geschossen und Kubuntu drauf gesetzt. Und beruflich, ja leider kann ich da nicht wählen und erlebe jeden Tag die Frustration mit den MS Produkten. Aber immerhin bringe ich so ab und an doch auch mal OSS in die betriebliche Welt und rüttele Leute wach. Und ich sehe einen Teil meines Gehalts auch als Schmerzensgeld. Hat aber eben jeder auch andere Notwendigkeiten.
P.S. vielleicht überzeugst du ja den einen oder anderen Anwalt oder sonstige Kunden mal über den Tellerrand zu schauen. DSGVO und Vendor-Lock sollten die doch sicher verstehen.
Guter Ansatz, ich sehe aber derzeit das die Leute aus der Boomgeneration nun in Rente gehen - hier funktioniert dein Argument halbwegs, die Jungen welche nun nachrücken wurden von Anfang an in der Ausbildung von Microsoft so dermaßen indoktriniert dass es nur ein Produkt gibt, hier Alternativen aufzuzeigen ist sehr schwer. Wir sind derzeit damit beschäftigt ein komplettes OpenSource Portfolio für den täglichen Betrieb im Unternehmen zusammenzustellen, es gibt ja Branchen wo dies möglich ist, bin gespannt wie das ankommt.
LibreOffice bietet bei mir nach Öffnen einer CSV direkt die Icons an, um nach der ausgewählten Spalte aufsteigend/absteigend zu sortieren.
Ansonsten vielleicht auch mal einen Blick auf ModernCSV oder Tablecruncher werfen: https://www.moderncsv.com/ https://tablecruncher.com/
Will ich mir bei Gelegenheit auch mal genauer anschauen.
Marco
Spannender Bericht hier, vielen Dank für deine Eindrücke.
Ich nutze auf unterschiedlichen Linux Endgeräten Remmina als RDP oder VNC Client und das funktioniert auch weitestgehend ohne Probleme. Optisch nicht so ansprechend und performant wie die native mstsc.exe in der Windows Welt, aber ein bißchen muss es ja auch weh tun unbedingt den Spagat machen zu wollen. Vielleicht ist es der RDP Server, der sich in Verbindung mit Remmina da irgendwie quer stellt. Dennoch vielen Dank für das Aufzeigen deiner Alternativen, ich schaue mir die anderen RDP Clients bei nächster Gelegenheit gerne mal an.
Ich bin auch in der IT tätig und hier ist bis auf einige Server auch nur Windows am Start. Und bei der Fülle an Fach-Applikationen auch keine Chance davon abzurücken. Die Hersteller entwickeln für eine Plattform und der Kunde muss das einsetzen, was der Hersteller liefert. Wenn man die Chance hätte mal von null an anzufangen und sich seine Applikationen nach entsprechenden Voraussetzungen auszuwählen, dann gut und schön. Aber mit über Jahrzehnten gewachsenen IT-Strukturen ist man hier so in der Microsoft Welt gefangen, dass man da schlecht wieder raus kommt.
Hallo, bei Remmina bin ich ein weniger weiter: es gibt 2 Möglichkeiten welche häufige Abstürze auslösen, ersten gibt's in der ersten Seite der RDP Server Eigenschaften unten den Punkt "Map Meta Keys" und zum zweiten kracht Remmina häufig bei RemoteApps ab, wenn man die beiden meidet läuft's stabil, ich werde mein Glück noch einmal mit einem bugreport versuchen.