SteamOS: Mehr als nur ein weiteres Derivat

  Peter   Lesezeit: 5 Minuten  🗪 6 Kommentare Auf Mastodon ansehen

Warum man SteamOS auch als nicht-Gamer im Auge behalten sollte.

steamos: mehr als nur ein weiteres derivat

Dieser Artikel soll euch einen kleinen Überblick über das Arch-basierte SteamOS geben. Denn auch wer mit Gaming nicht viel anfangen kann, sollte die Entwicklungen zumindest im Auge behalten. Warum das so ist, erfährst du in diesem Beitrag.

Vom ungeliebten Zwang zum unverzichtbaren Werkzeug

Die Applikation «Steam» von Valve umfasst im Kern einen Online-Shop, eine Bibliothek und einen Commnity-Hub. In der Bibliothek werden sämtliche Spiele aufgelistet, die im Shop gekauft wurden und lassen sich dort verwalten und direkt starten. In die Bibliothek lassen sich zudem auch Steam-fremde Spiele einbinden, die irgendwo auf der Festplatte liegen.

Seit 2004 ist ein Steam-Client (mit dem damit verbundenen Benutzeraccount) Pflicht, will man Valve-Games nutzen. Damals, mit der Veröffentlichung des heiss begehrten Half-Life 2, wurde der Accountzwang als Ungeheuerlichkeit empfunden. Aber man wollte halt dieses Spiel spielen und erstellte den Account zähneknirschend (so auch der Schreibende). Bereits 2015 zählte Steam über zehn Millionen gleichzeitige Nutzer. 2019 umfasste Steam nach Angaben von Valve bereits über eine Milliarde aktive Benutzerkonten.

Verschiedene andere Publisher versuchten und versuchen, Steam den mittlerweile marktbeherrschenden Rang im PC-Gaming abzulaufen. Da sie ihre Bibliotheken und den Shop aber strikt auf ihre eigenen Produkte beschränken, blieben durchschlagende Erfolge für Uplay, EA Play oder Battlenet aus. Die einzige ernst zu nehmende Konkurrenz – mit einem anderen Geschäftsmodell – ist wohl nur der GamePass von Microsoft, der in den Nutzerzahlen aber ebenfalls weit zurückliegt.

Heute kann man sagen: Wer irgendwo auf der Welt am PC spielt, kennt mit Sicherheit Steam. Und wer sich nur ein kleines bisschen mit News beschäftigt, kann sich auch unter SteamOS sofort etwas vorstellen.

Durchbruch mit dem Steam Deck

Ursprünglich basierte SteamOS auf Debian und war für den Einsatz auf der kommerziell gescheiterten Steam Machine entwickelt worden. 2021 wechselte Valve für SteamOS auf die Arch-Kerndistribution und lieferte ihre neuen Steam Decks damit aus. Das Steam Deck wurde ein durchschlagender Erfolg und machte SteamOS mit einem Schlag weltweit bekannt.

Beim Start des Steam Deck gelangt man direkt in den «Big Picture-Mode» von Steam, der für die Bedienung mit Controllersteuerung optimiert wurde. Dank SteamOS haben die User jederzeit und sofort Zugriff auf bestimmte Kernfunktionen wie Displayhelligkeit, Upscaling-Optionen, Netzwerkverbindungen, uvm.

Über das Menü lässt sich zudem zum Desktop-Mode wechseln. Big Picture wird damit beendet und man gelangt zu einem ganz gewöhnlichen KDE-Desktop, der direkt auf dem Steam Deck oder mit Monitor, Maus und Tastatur wie ein gewöhnlicher Desktop-Rechner genutzt werden kann.

Das auf dem Steam Deck vorinstallierte SteamOS verzichtet mit wenigen Ausnahmen auf alles, was für den Betrieb des Decks nicht zwingend erforderlich ist. Mit der Installation von Druckern oder anderen Grafikkarten wäre es also nicht ganz so einfach. Zudem ist SteamOS als Immutable konzipiert: über den Paketmanager installierte Software bleibt zwar erhalten, wer aber zu tief ins System eingreift, verliert die Änderungen mit dem nächsten Neustart.

Im Jahr 2025 wird Valve SteamOS für den Einsatz ausserhalb des SteamDeck zur Verfügung stellen. Das könnte eine interessante Option für jene sein, die sich eine eigene «Spielkonsole» bauen möchten: Gaming-PC zusammenbauen, SteamOS installieren, am Fernseher anschliessen, fertig. Die Bedienung über einen Gamecontroller dürfte bisher unerreicht intuitiv sein. Ob SteamOS auch für den Einsatz an normalen Desktop-Rechner interessant wird, muss sich noch zeigen.

Schön und gut, aber was geht mich das an?

Der Milliardenkonzern Valve investiert mit Proton und SteamOS sowie seinem Beitritt zur Linux Foundation gerade enorme Summen in sein strategisches Ziel, ein Linux-basiertes Gaming-Ökosystem aufzubauen. Hunderte Millionen Menschen auf der ganzen Welt nehmen diese Entwicklung wahr. Derweil kommt das bei Gamern fast ausschliesslich genutzte Microsoft Windows kaum aus den negativen Schlagzeilen heraus. Mit dem Ende des Windows 10-Supports Ende 2025 könnte sich dieser Trend noch verstärken.

Sollte Valve seine Linux-Produkte weiter in hohem Tempo verbessern können, und sollte Microsoft seine Privat- und Business-Kunden weiter verägern, braucht es nur noch einen grossen (und mutigen) PC-Hersteller, der seine Produkte mit SteamOS ausliefert. Dann könnten die Dämme rasch brechen und tausende bisherige Windows-User zu Linux umziehen.

Die Frage dann wird aber: Will die etablierte Linux-Community diese User überhaupt haben? Thema für einen anderen Artikel.

Das ist mein erster Artikel auf gnulinux.ch. Danke, dass du bis hierhin gelesen hast! Interessiert dich das Thema? Würdest du dir weitere Inhalte zum Thema Gaming unter Linux wünschen? Und was denkst du: Wird die Linux-Community bald um einige Millionen Menschen grösser? Lass es uns in den Kommentaren wissen, vielen Dank im Voraus!

Quellen:

Wikipedia, Steam: https://de.wikipedia.org/wiki/Steam

Beitrag gnulinux.ch, SteamOS wechselt auf Arch: https://gnulinux.ch/steamdeck-setzt-auf-arch

Lenovo Legion Go S wird erstes nicht-Valve-Produkt mit SteamOS: https://www.gamestar.de/artikel/der-naechste-handheld-mit-steamos-valve-wird-bei-gast-bei-lenovo-event-sein,3424952.html

Tags

gaming, steamos, steam, arch, valve, windows

Gentooexperte
Geschrieben von Gentooexperte am 14. Januar 2025 um 10:21

Ich finde, es sollte nichts über diese proprietäre DRM-Software berichtet werden. Dieser Onlineshop verkauft keine Spiele, wenn er demnächst mal geschlossen wird, sind auch die „gekauften“ Telespiele weg. Ich würde mir wünschen, Linux würde diese Always-Online Datenkraken konsequent aussperren.

Alex
Geschrieben von Alex am 14. Januar 2025 um 10:47

Das stimmt, Steam vergibt nur eine Nutzungslizenz für Spiele, die allerdings ohne eine zeitliche Limitierung auskommt. Bis jetzt ist bei mir z.B. in 20 Jahren kein einziges Spiel aus meiner Bibliothek "verschwunden". Steam ist also sehr verlässlich.

Steam wird bei dem Milliardenumsatz den der Shop generiert ganz sicher niemals geschlossen, da brauchen Sie sich keine Sorgen machen. :)

Spieleshops wie GOG, die auf DRM verzichten, haben nur einen kleinen Bruchteil der Spiele, die es am Markt gibt. Aktuelle Spiele und auch Triple A Spiele werden nicht ohne DRM erscheinen, da es ein Kopierschutz ist, der ja auch Sinn macht.

Nie vergessen sind die Zeiten in denen Computer wie der Commodore 64 und der Amiga 500 für viele Spielehersteller unattraktiv geworden sind, weil die Benutzer sämtliche Spiele kopiert und weiter verbreitet haben und damit den Herstellern einen großen finanziellen Schaden zugefügt haben.

Erst Steam hat mit seinem konkurrenzlosen Game-Shop, in dem die Spiele ständig aktuell bleiben und automatisch upgedated werden ein erfolgreiches System aufgebaut, indem DRM eigentlich nicht mehr notwendig wäre, da der Shop für die Benutzer so bequem und benutzerfreundlich ist, dass alleine schon deshalb das Kopieren von Spielen unattraktiv geworden ist.

Übrigens bietet Steam auch viele DRM freie Spiele an, es liegt an den Herstellern der Spiele, ob sie DRM einsetzen möchten oder nicht.

V wie Vendetta
Geschrieben von V wie Vendetta am 14. Januar 2025 um 13:26

Ja, Steam betrachte ich auch kritisch. Die Spiele sind nur gemietet, im Gegensatz zu GOG kann man die Exe-Dateien also nicht archivieren. Der Steam-Kopierschutz schützt gar nichts und kann in wenigen Minuten ganz einfach ausgehebelt werden. Mods werden per Steam Workshop eingesperrt und GoG/Epic-Nutzern vorenthalten. Das ist natürlich auch die Schuld der Modder, die leider nicht vorausschauend/sozial denken. Steam und Bethesda wollten Mods auch mal verkaufen, natürlich ohne darüber nachzudenken, wie es mit Gewährleistungen und längerfristigen Folgen aussieht. Der Schuss ging nach hinten los. Der Steam Multiplayer schließt natürlich die Konkurrenz aus.

vinzv
Geschrieben von vinzv am 14. Januar 2025 um 15:01

> Always-Online Datenkraken

Du kannst Steam Spiele ab dem Moment der Installation problemlos offline spielen.

> Ich würde mir wünschen, Linux würde diese Always-Online Datenkraken konsequent aussperren.

Wer ist denn dieses Linux, dass deiner Meinung nach etwas für dich tun sollte?

Pascal
Geschrieben von Pascal am 14. Januar 2025 um 17:31

Danke für den spannenden Artikel, Peter! Ich finde es grossartig zu sehen, wie Valve mit SteamOS den Linux-Kosmos vorantreibt.

Ob die etablierte Linux-Community all diese neuen User überhaupt haben will, ist für mich eine ziemlich müssige Frage. Linux ist frei, und genau das macht es so wertvoll: Wer möchte, kann im Sinne des FOSS-Konzepts jederzeit eine eigene Nische (oder gar eine komplett eigene Distribution) schaffen. Je mehr Menschen sich für Linux interessieren, desto mehr spannende Projekte, Innovationen und Support wird es geben – ganz egal, ob sie sich als Teil der „alten Garde“ fühlen oder nicht. Ich bin jedenfalls gespannt, wie sich das weiterentwickelt und freue mich schon auf deinen nächsten Artikel über die Erwartungshaltung dieser „etablierten Community“.

Matthias
Geschrieben von Matthias am 14. Januar 2025 um 20:44

Danke Peter für deinen ersten Artikel!

Ich bin zwar kein Gamer, verfolge das Thema trotzdem gern.

Meiner Meinung nach zeigt Steam mit SteamOS, dass Linux durchaus massentauglich sein kann. Zudem wird das auch weiter eine bessere Hardwareunterstützung fördern.

Mich freut es, wenn mehr Menschen dadurch mit Linux in Kontakt kommen. Und sicherlich wird dann auch die Neugierde des ein oder anderen geweckt...