Hinweis: Das ist ein Meinungsbeitrag.
GNU/Linux-Distributionen, die von großen Unternehmen unterstützt werden, positionieren sich seit einiger Zeit in Richtung unveränderlicher Systeme. Ob Fedora Silverblue, openSUSE MicroOS oder auch die Snap-Implementierungen bei Ubuntu: Langsam wird ein allgemeiner Trend sichtbar.
Doch wenn man sich die Berichterstattung in der Techie-Blase dazu anschaut, kommt schnell der Eindruck auf, dass die Community das Konzept dahinter noch nicht ganz angenommen hat.
Unveränderliche Distributionen werden oft erst einmal skeptisch hinterfragt, viele wollen sich scheinbar nicht so schnell darauf einlassen. Auch ich habe mich lange gefragt, ob die Idee „Immutable“ nicht doch ein Irrweg der Linux-Firmen sein könnte.
Letzte Woche habe ich Fedora Silverblue ausprobiert, und war, wie ich hier beschrieben habe, ziemlich erstaunt. Und das lag in erster Linie daran, dass meine Befürchtungen nicht so gerechtfertigt waren, wie ich dachte.
Zu hinterfragen, ob Neues wirklich gut ist, scheint eine menschliche Eigenschaft zu sein. Gerade in der GNU/Linux-Gemeinschaft kommt dann noch obendrauf, dass sich viele unweigerlich mit ihrer Distribution identifizieren.
Als ich mich erstmals tiefer mit GNU/Linux beschäftigt habe, ist mir aufgefallen, dass das traditionelle Distributionsmodell anderen Betriebssystemen weitaus überlegen ist. Geprüfte Softwarequellen schaffen Sicherheit, eine Distributions-spezifische Paketverwaltung verleiht Nutzern und Entwicklern Kontrolle und die Freiheit der Software garantiert Nutzerrechte und Transparenz.
Wenn also immutable Distributionen dieses traditionelle Modell infrage stellen, stellen sie auch den überzeugten Nutzer infrage. Es ist nicht immer einfach, sich auf neue Konzepte einzulassen, doch genau das ist bei den unveränderlichen Distros nötig.
Ich bin zwar kein Psychologe, aber es ist schon spannend, wie die Gemeinschaft rund um freie Software auf Änderungen reagiert. Egal, ob Red-Hat-Ingenieure das Rad neu erfinden wollen, oder Canonical eine Entscheidung durchsetzt, die nicht allen sofort passt: Es gibt immer wieder Wirbel und „Knatsch“. Manchmal kommt der mir ein bisschen überproportional vor; woran könnte das liegen?
Viele beschäftigen sich freiwillig und leidenschaftlich mit freier Software und GNU/Linux. Kann sich nicht jeder von uns noch daran erinnern, wie sich Euphorie breit gemacht hat, als der Computer mit dem eigens installierten Linux dann doch endlich lief?
Wer sich mit freier Software beschäftigt, wird oftmals ganz zwangsläufig ein Teil der Gemeinschaft. Linux-basierte Betriebssysteme machen auf dem Desktop-Markt einen verschwindend kleinen Bruchteil aus, das schweißt zusammen.
Ich glaube, dass viele mehr in Linux sehen als nur einen Kernel, in GNU mehr als nur ein weiteres Betriebssystem. Die Gemeinschaft rund um freie Software und die damit zusammenhängenden Ideale machen aus Windows-Nutzern schnell digitale Freigeister.
Wenn jetzt also große Linux-Unternehmen marktbasierte Entscheidungen treffen, kommt schnell das Gefühl auf, dass dort über den Nutzer hinwegentschieden wird: Wir wissen, was gut für dich ist. Doch das passt nicht mit dem Idealbild der FLOSS-Bewegung zusammen.
Ich glaube, dass die Skepsis, die neuen Ubuntu-Entwicklungen und Innovationen von Red Hat manchmal entgegenkommt, nicht immer unberechtigt ist.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass sich die großen Linux-Unternehmen stets gegenseitig zu überbieten versuchen: Red Hat und Fedora experimentieren mit Silverblue, also muss SUSE mit ALP noch einen drauf setzen. Canonical kocht wieder ein eigenes Süppchen, egal, was alle denken und sagen.
Die Frage ist jetzt, wie sich die Linux-Community positioniert. Technisch sind die unveränderlichen Distributionen spannend und manchmal ein bisschen überwältigend. Klar ist aber auch: Linux hat sich über die Zeit zu einem System entwickelt, das den Ansprüchen eines Desktop-Anwenders eigentlich mehr als gewachsen ist.
GNU/Linux zu installieren ist keine dunkle Computermagie mehr. Ein freies Betriebssystem auf dem eigenen Rechner einzusetzen, war eigentlich noch nie einfacher. Der Einstieg ist in Zeiten des Internets eigentliche keine wirkliche Hürde mehr.
Beantworten die immutablen Distributionen also eine Frage, die niemand gestellt hat? Braucht es auf dem Linux-Desktop wirklich ein unzerstörbares, weil unveränderliches System? Nein. Eigentlich braucht es das nicht.
Im Gegenteil: Ich behaupte, dass auch das Herumspielen und Basteln, das Schrotten und Reparieren des eigenen Systems spaßig und lehrreich sein kann. Die Distributionslandschaft scheint sich in einem Umbruchstadium zu befinden, das maßgeblich von Distributionen geprägt wird, die im Zweifel von großen Unternehmen gestützt werden.
Gemeinschaftlich entwickelte Distributionen wie Debian GNU/Linux entwickeln sich genauso weiter. Auch Debian, Slackware und Arch bleiben auf der Höhe der Zeit, selbst, wenn sie nicht jeden Trend mitgehen, den Red Hat und SUSE vorschlagen.
Wer sich eine eigene Meinung zu immutablen Systemen machen möchte, kann noch heute noch Fedora Silverblue auf seinem Rechner installieren. Ist dann alles anders? Vielleicht nicht auf den ersten Blick: Silverblue ist vermutlich mindestens genauso gut nutzbar wie andere, klassische Distributionen.
Doch die Problemstellungen, die Silverblue und andere Immutables lösen, haben sich eigentlich nicht wirklich für die meisten Desktop-Anwender aufgetan. Die Sicherheitsaspekte von unveränderlichen Distributionen sind bestimmt sehr praktisch, wenn kritische Infrastruktur aufgebaut werden soll. Und auch wenn das für Desktop-Anwender nicht schaden kann, so richtig entscheidend wirkt das für mich nicht.
Sicher, unveränderliche Distros bieten eine einfache Möglichkeit, neue Software ohne jedes Risiko auszuprobieren. Aber notwendig ist das für die meisten wahrscheinlich nicht. Das sind nur Beispiele.
Hier liegt der eigentliche Knackpunkt. Red Hat und SUSE haben marktbasierte Interessen. Wenn also Red Hat innovative Technologien entwickelt, um sich von der Konkurrenz abzusetzen, muss SUSE irgendwann mitziehen. Wenn sich Red Hat bewegt, kann SUSE nicht einfach still stehen: We adapt to survive.
Das Ergebnis: Immutable Distributionen werden als Lösung für alle Fragen vermarktet. Ob die Fragestellung dann ursprünglich bestand, ist aus Marketingsicht nebensächlich. Genau hier prallen die Interessen der Linux-Firmen und die Ideale der Gemeinschaft aufeinander.
Freie Software braucht eigentlich keinen Markt, um zu bestehen. Freie Software entsteht immer dann, wenn eine Notwendigkeit besteht. Aber nicht nur dann. Ich möchte hier nicht gegen das Konzept oder die Technik hinter den unveränderlichen Distros wettern.
Die Immutables eignen sich aber perfekt, um den beschriebenen, unterschwelligen Konflikt darzustellen. Open-Source-Unternehmen brauchen freie Software, aber freie Software braucht keine Open-Source-Unternehmen.
Ich möchte hier nicht einmal behaupten, dass die Entwicklungen von Red Hat, SUSE oder sonst welchen Unternehmen schlecht für freie Software wären. Klar ist nämlich auch, dass Gemeinschaftsprojekte ohne die Beiträge von bezahlten Entwicklern heute nie da stehen würden, wo sie stehen.
Linux wäre wahrscheinlich auf ewig ein Nischenprojekt geblieben, hätten nicht auch große Unternehmen wie Intel, SUSE und andere das Potenzial darin für sich entdeckt.
Doch immer, wenn wir uns einmal mehr über die Entscheidungen von Canonical oder das Marketing von Red Hat aufregen wollen, sollten wir hinterfragen, wo wir als Gemeinschaft in diesem Netz der Interessen stehen.
Die Open-Source-Unternehmen müssen weder unsere Feinde noch unsere Freunde sein. Zumindest ist dieses Netz der Interessen wesentlich komplizierter und verstrickter, als ich mir das vorstellen könnte. Ich behaupte auch nicht, das nur ansatzweise zu verstehen.
Ich denke nicht, dass wir vor den Entwicklungen, die große Firmen zu freier Software beitragen, Angst haben müssen. Und das schreibe ich vor allem als einen Denkzettel an mich. Die Einflüsse und Abhängigkeitsverhältnisse vieler freier Projekte zu Konzernen sind nicht bestreitbar.
Die FLOSS-Welt kann also sowohl ein wilder Dschungel von Community-Projekten, andererseits aber auch die gepflegte Gartenanlage unternehmerischer Interessen sein. Das kommt auf den eigenen Blickwinkel an. ;)
Bild: Alison Upton <illustration@alisonupton.co.uk>, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Nun ja, hier haben wir eine Entwicklung die voraus zu sehen war. Die Interessen von Firmen sind nun mal nicht unbedingt deckungsgleich mit den von uns Linux Fans. Das muss nicht schlimm sein. Solang man über den Tellerrand schaut, kann man auch den Grund dafür verstehen. Firmen wie Red Hat und SUSE würden hat gern auch auf den Desktop ihrer Kunde eine weite Verbreitung erreichen. Da aber der Mitarbeiter der Kunde eher kein Linux Fan ist, muss das System so einfach und vor allem Stabil (auf alle fälle stabiler als Windows) sein. Nur dann erreicht man auf Dauer diese Anwender.
Daher ist die Entwicklung zu unveränderlichen Desktops verständlich. Wir Linux Fans haben ja FOSS sei dank genügend Alternativen.
Immutable Desktops sind für Firmen höchstinteressant, die hunderte und tausende identische Rechner betreiben. Oder für Admins die ein Setup ausprobieren wollen, im Erfolgsfall es übernehmen und an den Rest der Belegschaft ausrollen.
Ich teste gerade openSUSE Micro OS mit Gnome und bin begeistert. Einmal eingerichtet schnurrt es, wie ein Kätzchen. Auch das automatische Rollback funktioniert Top. Ich betreue mehrere fremd Rechner von Leuten, die sich nicht mit dem System Beschäftigen möchten, sondern es einfach nur nutzen. Da sehe ich, dass mir openSUSE MicroOS eine Menge Arbeit abnimmt. Es kommt als Rohling Release (Tumbleweed) also immer aktuell und Updates werden automatisch eingespielt. Einmal installieren und dann lass laufen. Wenn der Test weiter so gut läuft, werde ich es im Sommer bei den produktiven Systemen einsetzen. Ich sehe die unveränderlichen Systeme als Bereicherung für die Verbreiterung von Linux. Der einfache User möchte sich nicht mit dem System beschäftigen. Für Geeks wird es immer ein Linux geben, welches den Traditionellen weg weiter geht.
Was du nicht berücksichtigst ist die Problematik für Entwickler, die Linux nutzen, die mit unzähligen Bibliotheken und mit mehreren Paketverwaltungsprogrammen umgehen müssen (für jede Programmiersprache eine oder mehrere Paketverwaltungen). Für die wäre ein immutable-System und eine ordentliche Lösung, wo man zwischen versch. Entwicklungsumgebungen switchen könnte, ein großer Segen.
ich benutze Debian und warte erst mal ab. sollte sich das ganze in Richtung Android entwickeln ...dann aber gute Nacht