Heute Morgen habe ich einen Artikel über E-Book-Reader geschrieben. Da mein alter Tolino den Akkutod gestorben ist, suche ich nach einem Neuen. Leider finde ich kein Gerät, welches meinen Anforderungen genügt:
- Freie Hardware
- Freie Software
- Reparierbar
- Nachhaltig
Bis ich ein passendes Gerät gefunden habe, ziehe ich mich auf eine Übergangslösung zurück. Diese Lösung erfüllt alle oben genannten Kriterien (ausser Freie Hardware). Es ist eine Übergangslösung, weil sie nicht den Lesekomfort eines E-Ink-Displays und nicht die gewünschte Bildschirmgrösse bietet. Es ist eine Android-App.
Auftritt: Librera Reader
In der Vergangenheit habe ich bereits mehrere E-Book-Reader für das Smartphone ausprobiert. Dieses Mal musste ich nicht lange suchen. Ich habe den Librera Reader gefunden, ausprobiert und als perfekt empfunden. Idealerweise installiert man diese Reader-App aus dem F-Droid Store. Die Anwendung läuft unter der GPL 3.0 Lizenz.
Anwender:innen von KDE-Plasma werden Librera lieben, GNOME-User werden Wutpickel bekommen. Die App ist ein Konfigurationsmonster; da gibt es nichts, was man nicht einstellen kann. Nach dem Starten präsentiert sich Librera so:
Beim ersten Start sucht Librera nach allen Formaten, die es kennt, und das sind viele:
Ich habe die Auswahl aus EPUB reduziert, weil alle meine Bücher in diesem Format vorliegen. Damit einher ging, dass ich alle anderen erkannten Dokumente wieder löschen musste. Wie man im ersten Screenshot sieht, bietet Librera Zugriff auf verschiedene Ordner-Typen:
- Bibliothek
- Ordner
- Verlauf
- Favoriten
- Lesezeichen
- Netzwerk
- und mehr, falls man das in den Optionen einstellt.
Ich habe auf meinem Smartphone einen Ordner "Books" angelegt und Librera darauf angesetzt. Meine E-Books beziehe ich ausschliesslich aus Online-Bibliotheken im EPUB-Format, befreie sie von DRM und verwalte sie mit Calibre. Aus Calibre kann man die Bücher ganz einfach in ein beliebiges Verzeichnis (bei mir "Books") kopieren.
Den optimalen Weg, um EPUB-Bücher von Calibre auf das Smartphone zu kopieren, habe ich noch nicht herausgefunden. Calibre bietet dafür viele Möglichkeiten. Wie dem auch sei, nach dem Ausführen der im Screenshot gezeigten Option landet das EPUB "Antimatter Blues" im "Books"-Ordner auf dem Smartphone. Startet man in Librera den Scan, erscheint das neue Buch nach kurzer Zeit in der Bibliothek:
An dieser Stelle wünsche ich mir eine automatische Überwachung von Verzeichnissen, damit man sich das manuelle Anstossen der Suche (Re-Scan) sparen kann. Vermutlich bietet Librera diese Option; ich habe sie nur noch nicht gefunden.
Auf die Einstellmöglichkeit von Librera-Reader möchte ich in diesem Artikel nicht im Detail eingehen. Nur so viel sei geschrieben: sie sind gigantisch.
Das Leseerlebnis
Der Vergleich zwischen einem Smartphone und einem dedizierten E-Book-Reader ist nicht fair. Bei einer näheren Betrachtung bezieht sich diese Ungerechtigkeit auf wenige Merkmale:
- Ein E-Ink-Display ist augenfreundlicher und bietet ein angenehmeres Leseerlebnis.
- Ein 8-Zoll Display ist besser als das 6.5-Zoll Display eines Fairphones 5, insbesondere wenn man die Bildschirm-Ratio berücksichtigt. Wer Bücher liest, möchte eher eine 3:4-Ratio haben, statt 20:9.
- Die Handhabung eines E-Book-Reader ist besser als bei einem Handy; insbesondere wenn Finessen wie die angewinkelte Haltekante eines Toliono-Epos ins Spiel kommen.
- Dedizierte und haptische Tasten zum Umblättern der Seiten sind ein weiteres Argument.
Andererseits gibt es Argumente, die gegen einen E-Book-Reader sprechen:
- Man möchte (neben dem Smartphone) nicht noch ein weiteres Gerät haben. Weniger Geräte sind besser.
- Da die Akkudauer von neueren E-Book-Readern immer schlechter wird, fällt dieser Vorteil weg. Das Smartphone ist ohnehin immer geladen.
- Alle von mir untersuchten Reader-Apps hatten wesentlich mehr Optionen, als es bei den E-Book-Readern gibt.
- Die Display-Qualität von Smartphone wird immer besser. Damit schmilzt der Vorteil von E-Ink-Displays.
- Es gibt keine Freien E-Book-Reader, wohl aber Freie Reader-Apps.
An dieser Stelle muss Zeit für einen Rant sein:
Das Gesichtsfeld eines Erwachsenen deckt 214 Grad in der Breite und 140 Grad in der Höhe ab. Das liegt zum Einen daran, dass wir zwei Augen haben und zum Anderen am Abstand der Augen. Da es sich bei diesen Angaben um ein Bogenmass handelt, kann man es nicht unmittelbar auf einen zweidimensionalen Bildschirm beziehen. Das mache ich trotzdem, weil ich zu faul bin, die Gradzahlen auf eine ebene Fläche umzurechnen. So sieht das aus:
Dieses Bild hat die Masse 856 x 560 entsprechend der oben genannten 214 x 140. Das entspricht einem Bildverhältnis von ungefähr 20:13 (1.54) welches nahe am 16:9 (1.77) Verhältnis liegt, welches wir von Monitoren kennen. Das natürliche Verhältnis ist etwas weniger breit als ein üblicher Bildschirm. Bei Smartphone-Displays werden die Verhältnisse umgekehrt; sie haben häufig ein Seitenverhältnis von 9:20 (0.45), was nichts mehr mit dem menschlichen Gesichtsfeld zu tun hat. Ihr könnt das Handy quer halten; aber auch dann stimmen die Verhältnisse nicht, weil der Bildschirm dann viel zu breit ist. Kann mir das jemand erklären?
Wie ist denn nun das Leseerlebnis mit Librera auf dem Smartphone? Abgesehen von den genannten gerätebedingten Einschränkungen ist das Leseerlebnis ziemlich gut. Ich weiss nicht genau, wie ich euch das beweisen kann. Den Lese-Bildschirm seht ihr oben im ersten Screenshot ganz rechts. Selbstverständlich lassen sich die Schrift- und Hintergrundfarbe auf alle erdenklichen Werte einstellen. Bei der Seitenschaltung kann man zwischen seitlichem Blättern und Doomscrolling umschalten. Ein Klick auf den Lese-Bildschirm öffnet alle Einstellungen, die für das Leseerlebnis relevant sind:
Links sieht man den Lese-Bildschirm im Vollformat. Unten werden die Uhrzeit, die Seitenanzahl im Kapitel und der Akku-Ladestand angezeigt. Bei der Seitenanzeige vermisse ich die Gesamtzahl und eine Prozentangabe. Vermutlich kann man das konfigurieren. Mit einem Tipp auf den Bildschirm öffnen sich die umfangreichen Optionen für die Gestaltung der Leseansicht.
Damit ich mir nicht die Finger wund schreibe, präsentiere ich euch die Liste der Hauptfunktionen von Librera:
- Einfache Dokumentensuche nach konfigurierbaren Kriterien
- Auto-Scan (von benutzerdefinierten Ordnern)
- Durchsuchen (mit einem In-App-Dateiexplorer)
- Zuletzt gelesen (mit einer Anzeige des Lesefortschritts)
- Unterstützung von Lesezeichen, Kommentaren und EPUB3-Inhaltsverzeichnissen
- Unterstützung für Clouds und Online-Kataloge
- Synchronisierung zwischen Android-Geräten über Google Drive (Lesefortschritt, Lesezeichen usw.)
- Konfigurierbarer Tag- und Nachtmodus
- Konfigurierbare Linkfarbe (also Farbe der Fuß- und Endnoten)
- Unterstützung für viele beliebte Online- (einschließlich Übersetzer) und Offline-Wörterbücher
- Vertikale Bildlaufsperre
- Automatische und manuelle Zentrierung von Dokumenten
- Benutzerdefinierte CSS-Code-Eingabe
- Einzelseitenansicht von zweiseitigen Dokumenten
- Musikermodus mit konfigurierbarer Scroll-Geschwindigkeit
- Anpassbare TTS-Wiedergabe und integrierter Media-Player
- Mehrwort-Text-Suche
- Online-Konvertierung von Dokumenten
- Lesen von archivierten (.zip) Dokumenten
- Unterstützung für RTL-Sprachen (Thailändisch, Hebräisch, Arabisch, etc.)
- Import und Export von Einstellungen, automatische Sicherung der aktuellen Sitzung
- Führende Initialen in FB2-Dokumenten
- Und eine ganze Reihe weiterer Funktionen, die man ausprobieren kann.
Fazit
Als Übergangslösung lohnt sich der Einsatz eines Smartphone-Readers für E-Books allemal. Wem die Bildschirmgrösse zu klein ist, kann auch ein Tablet verwenden. Bezüglich der Einstellmöglichkeiten sind Reader, wie der Librera, allen dedizierten E-Book-Readern überlegen.
Was meint ihr zu dieser Zwischenlösung? Ist es eventuell eine dauerhafte Lösung?
Bildquellen:
Titelbild: https://pixabay.com/photos/a-book-read-ebook-books-literature-7493614/ (modifiziert)
Bilder im Text: selbst bzw. https://pixabay.com/illustrations/monkey-costume-business-suit-7084737/
Quellen:
https://f-droid.org/packages/com.foobnix.pro.pdf.reader/
https://de.wikipedia.org/wiki/Gesichtsfeld_(Wahrnehmung)
Eine dauerhafte Lösung ist das auf dem Telefon wegen dem Bildschirm nicht, aberdie Software passt doch sehr gut zum im anderen Kommentarthread erwähntem Boox Palma, oder anderen Androidgeräten mit eink.
"Wem die kommerziellen E-Book-Reader zu unfrei und zu stromfressend sind..."
Wo sind kommerzielle E-Book-Reader stromfressend? Das habe ich noch nie gehört. Eher ganz im Gegenteil, die ePaper-Geräte sind stromsparend.
Danke für den Artikel.
Ich bin mir unschlüssig, was genau an E-Book-Readern „stromfressend" sein soll? Dazu gibt es lediglich die Behauptung „Da die Akkudauer von neueren E-Book-Readern immer schlechter wird, […]“ Mag der Autor dazu was schreiben? Indirekt, so meine Interpretation zumindest, werden dadurch Smartphones oder Tablets als nachhaltiger dargestellt.
Die Anforderungen des Autors an einen perfekten E-Book-Reader kann mensch natürlich so haben und formulieren.
Für mich stehen E-Book-Reader und seit kurzem auch ein E-Ink-Tablet (InkPad) für sich, mein Smartphone hat für mich in Sachen Lesen und Notieren einen zu kleinen Bildschirm. So zeigt sich, dass die Nutzungsszenarien und Voraussetzungen sehr unterschiedlich sein können.
Nutze den KOReader auf meinem Tolino und InkPad, finde ich super.
Danke für die Info zu Libera, den probiere ich auf dem InkPad mal aus.
"Da die Akkudauer von neueren E-Book-Readern immer schlechter wird, fällt dieser Vorteil weg. Das Smartphone ist ohnehin immer geladen." Gilt das nicht auf für Smartphones? Früher kam man mit einer Ladung weiter als heute. Mein Inkpad Color 3 hält Wochen ohne Ladung durch. Das Smartphone nur wenige Tage.
Habe zeitweise auch Librera auf meinem Android-Tablet laufen gehabt und im Vergleich zum KOReader ebenfalls für gut befunden. Siehe Nachteile KOReader bei https://gnulinux.ch/mit-open-source-lesen-der-koreader
>Ihr könnt das Handy quer halten; aber auch dann stimmen die Verhältnisse nicht, weil der Bildschirm dann viel zu breit ist. Kann mir das jemand erklären?
Ich will es versuchen. Aufnahmeobjektive zeichnen ein rundes Bild. Die beste Näherung ist ein quadratisches Format, z.B. 6x6 cm bei der Rolleiflex. Je schlanker das Format, desto schlechter wird die Leistung des Objektivs ausgenutzt. Auch traditionelle Bildröhren lassen sich am leichtesten mit rundem Bildschirm herstellen. Der Kompromiss war über viele Jahre 4:3 (1,33:1).
Dann wollte die Industrie HDTV für viel Geld verkaufen. Und der Kunde wollte, dass der neue Fernseher sofort als neu erkennbar ist. Das ist m.E. der Hauptgrund für das neue Format 16:9 (1,777:1), in dem Spielfilme nun häufiger mit schwarzen Rändern an den Seiten statt oben und unten gezeigt werden. Oder wahlweise verzerrt oder mit abgeschnittenen Bildteilen.
Ein Seitenverhältnis von √2:1 (ca. 7:5 bzw. 1,414:1) bietet Vorteile. Beim Teilen oder aneinander setzen bleibt das Verhältnis immer gleich, was insbesondere bei Papier vorteilhaft ist und daher bei den DIN-Formaten Anwendung findet.
Ästhetischer betrachtet könnte man den Goldenen Schnitt 1,618:1 bevorzugen.
Bei den Handy-Displays wird das Format vermutlich so gewählt, dass sich das Gerät mit einer Hand umgreifen lässt. Damit ist das maximale Maß einer Seite festgelegt. Die andere Seite kann man vergrößern, was offenbar genutzt wird, um mehr Information auf den Bildschirm zu bringen, der typischer Weise im Hochformat benutzt wird. Für Fotos und Videos wird diese Gewohnheit oft gedankenlos beibehalten.