Ein intensives Musikerlebnis mit LMS

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LMS gehört keineswegs zum alten Eisen der Musikverwaltungsprogramme. Im Gegenteil handelt es sich um eine der flexibelsten Lösungen und lässt sich mit einigen Plugins für ein intensives Musikerlebnis erweitern.

ein intensives musikerlebnis mit lms

Den Logitech Media Server dürften viele Leser dem Namen nach kennen. Und einige haben vielleicht noch die etwas altbackene Weboberfläche oder die Squeezeboxen im Kopf. Ein Urgestein des Musik-Streamings im Heimnetzwerk, klar. Aber gibt es heute nicht modernere Alternativen? Ich möchte euch in diesem Artikel zeigen, wie ich LMS mithilfe einiger genialer Plug-ins eingerichtet habe, die mir in Summe einen solchen Mehrwert beim Musikhören bieten, dass ich es mir gar nicht mehr ohne vorstellen kann.

Übrigens wurde die Software dieses Jahr umbenannt, nachdem Logitech seine Unterstützung eingestellt hatte. Die Community entschied sich in einer Abstimmung für den Namen "Lyrion Musik Server". Das gebräuchliche Kürzel "LMS" bleibt also gleich.

Ich werde hier nicht näher auf die Installation von LMS eingehen, sondern dafür auf die Dokumentation des Projekts verweisen.

Ein kurzer Einschub zur Architektur

Wie bei anderen Musik-Streaming-Systemen gibt es:

  • einen Musikserver für die Verwaltung usw. (LMS),
  • einen Streamer oder Player (i. d. R. Squeezelite), der das eigentliche Abspielen der Musik übernimmt und
  • einen Client, über den die Bedienung läuft (z. B. eine App oder die Weboberfläche).

Diese Funktionen sind meist über mehrere Geräte verteilt, können aber theoretisch auch alle auf einem Gerät betrieben werden, z. B. einem Laptop. Wer LMS lieber auf einem Raspberry Pi betreiben möchte, um von diesem Musik zu mehreren Playern im Heimnetz zu streamen, dem kann ich PiCorePlayer ans Herz legen. Dabei handelt es sich um ein extrem leichtgewichtiges Betriebssystem auf der Basis von Tiny Core Linux. Dieses stellt eine Weboberfläche bereit, über die LMS und/oder Squeezelite bequem installiert und eingerichtet werden können. Wer einen (zusätzlichen) Raspi mit PiCorePlayer als reinen Player betreibt (also nur mit Squeezelite und ohne LMS mit dessen Datenbank), muss sich bei diesem nicht um's Herunterfahren kümmern. Das Dateisystem ist dann Read-Only eingebunden, weshalb der Raspi einfach vom Strom getrennt werden kann.

LMS in modernem Gewand

Aber gut, eigentlich soll es hier ja um LMS und seine Plug-ins gehen. Wie auch immer man LMS installiert hat, erreicht man die Weboberfläche über die IP des Systems unter Angabe des Ports 9000. Dort begrüßt einen die erwähnte altbackene Oberfläche. Plug-ins lassen sich unter den Server-Einstellungen bequem installieren. Dort findet man eine ziemlich lange Liste von bereits installierten und installierbaren Plug-ins.

Wir wollen uns zunächst das Plug-in "Material Skin" installieren, welches für eine zeitgemäße Weboberfläche sorgt. Diese Oberfläche erreicht man, indem man hinter der bisherigen URL noch "/material" anfügt. Für das Plug-in gibt es auch zahlreiche Einstellmöglichkeiten, die normalerweise aber nur für das jeweilige Client-Gerät gelten. Man kann aber optional die gesetzten Einstellungen auch als Default speichern, der für alle Client-Geräte übernommen werden kann. Unabhängig von "Material Skin" habe ich bei LMS allgemein ein bisschen gebraucht, bis ich verstanden habe, welche Einstellungen allgemein den Server betreffen, welche nur für den jeweiligen Player gelten und welche für den jeweiligen Client.

Musik-Streaming

Neben unserer lokalen Musik hätten wir jetzt gerne noch Musik-Streaming. Hier bietet LMS-Plug-ins für viele Anbieter. Ich nutze das Qobuz-Plug-in und kann sagen, dass es bei mir bisher absolut fehlerfrei funktioniert. Auch sind die zumindest meisten Funktionen aus Qobuz verfügbar (Suche, Favoriten, thematische Playlists, Künstler-Biografien, Album-Informationen, ...). Und das, obwohl das Plug-in nicht offiziell durch Qobuz supportet wird. Das Plug-in bietet einige Einstellmöglichkeiten und lässt einem beispielsweise die Wahl, ob man die eigenen Qobuz-Favoriten in die lokale Sammlung integriert haben möchte für eine gemeinsame Ansicht. Wenn ich etwas kritisieren müsste, dann, dass man an ein paar Kleinigkeiten merkt, dass die Qobuz-Funktionalität ein "Addon" ist. Das liegt aber vermutlich weniger am Plug-in, als an der Menüstruktur von LMS, die meiner Meinung nach an aktuelle Nutzergewohnheiten angepasst werden könnte. Wenn ich beispielsweise einen Song in der Wiedergabeliste zu meinen Qobuz-Favoriten hinzufügen möchte, sind das fünf Klicks (Rechtsklick, More, On Qobuz, Manage Favorites, Add 'XY' to Qobuz favorites).

Ich bin zu blöd zum Musikhören - bitte Hilfe!

Ich habe aufgrund der Größe meiner Musiksammlung häufig das Problem, dass ich "wie ein Ochs vorm Berg" vor ihr stehe. Je nach Stimmung habe ich auf eine bestimmte Art von Musik Lust, lande dann aber meistens bei denselben paar "bewährten" Alben. Auch ist eine Integration von Qobuz mit dessen gigantischem Katalog schön und gut, aber wie finde ich dort die Musik, die mir gefällt? Für beide Probleme gibt es zwei Plug-ins namens "Don't Stop the Music" und "LastMix", die im Zusammenspiel smartes Radio-Feature bereitstellen, wie man es von manchen Musik-Streaming Anbietern kennt. Man startet mit einem Song es werden laufend weitere (hoffentlich passende) Songs automatisch zur Wiedergabeliste hinzugefügt. Aber der Reihe nach.

Mit "LastMix" gibt es einige zusätzliche interessante Möglichkeiten.

In den Player-Einstellungen findet man sehr viele Konfigurationsmöglichkeiten für "Don't Stop the Music", etwa "Random Album" oder "Song Mix", auf Wunsch beschränkt auf ein bestimmtes Genre (sofern man tatsächlich eine Musiksammlung mit gut gepflegten Genre-Tags hat ...). Richtig interessant wird es in Verbindung mit dem "LastMix"-Plug-in. Dieses nutzt Last.fm für die Songauswahl. Das funktioniert auch ohne Account, falls man auf Online-Plattformen eher ungern Profile mit privaten Daten über sich hat. Die Standard-Einstellung "LastMix - Don't Stop the Music support using Last.fm" nutzt bei mir sowohl Qobuz als auch meine lokale Musiksammlung als Quelle. Neben Qobuz können aber auch andere Streaming-Plug-ins als Quelle genutzt werden. Will man vor allem seine lokale Musik entdecken, kann man diese als alleinige Quelle definieren. In der Praxis sind die Songvorschläge nicht perfekt, aber erstaunlich gut! Erfahrungsgemäß driftet die Playlist nach längerer Zeit Genre-mäßig vom Start-Song ab. Und wenn ich mir die wöchentlichen Vorschläge von Qobuz für mich so anschaue, ist das um Meilen besser. Jedenfalls verdanke ich diesen beiden Plug-ins unzählige schöne Stunden und viele Neuentdeckungen. Eine nicht zu unterschätzende Möglichkeit in LMS, die eigene Musiksammlung neu zu entdecken, befindet sich vom Hauptmenü unter "My Music" -> "Random Albums". Hierbei handelt es sich ganz simpel um eine beschränkte Auswahl zufälliger Alben aus der lokalen Musiksammlung. Nutze ich auch gerne, weil Beschränkung manchmal tatsächlich Wunder wirkt...

Ersatz für das CD Booklet und mehr

Ich habe als Jugendlicher beim Musikhören gerne im Booklet der CDs gestöbert und mir später – als die Musik nur noch über den Computer lief – die Wikipedia-Artikel von Musikern durchgelesen. Wer sich hier wiedererkennt, für den/die ist das folgende Plug-in. "Music and Artist Information" erlaubt einem, Informationen zu einem Künstler, Album oder Song bequem in LMS nachzuschlagen. Hierfür gibt es mehrere Möglichkeiten. Am praktischsten finde ich die Nutzung über das kleine "Info"-Symbol oben rechts neben der Lautstärkeregelung.

Nach Klick öffnet sich ein Fenster mit drei Spalten mit Informationen zur gerade laufenden Musik: Links die Künstler-Biografie und ein Verweis auf ähnliche Musiker, in der Mitte das Album-Cover und ggf. eine Rezension dazu sowie rechts der Songtext:

Natürlich lassen sich diese Informationen nicht nur für die gerade laufende Musik abrufen, nämlich über das Kontextmenü beim entsprechenden Eintrag in der Musiksammlung oder der Wiedergabeliste. Als Quelle für das Plug-in dienen unter anderem Last.fm und Wikipedia. Die Qualität der Daten schwankt etwas, aber ist insgesamt ziemlich gut. Ich nutze diese Funktion sehr gerne, wenn ich – wie oben beschrieben – auf neue Musik gestoßen bin und mir ein erstes Bild von einer Band machen will.

Schluss

Ich kann es gut verstehen, wenn sich manche(r) Leser(in) bei den vorgestellten Funktionen an Roon erinnert fühlt. Tatsächlich war mein Ziel kein Roon-Nachbau, sondern ich wollte einfach meine wichtigsten Bedürfnisse beim Musikhören berücksichtigt haben und bin dann bei LMS gelandet. Mit Roon wäre das sicher auch gegangen. Ich habe die Software sogar kurz angetestet und mit LMS verglichen. Der Aufbau der GUI ist an ein paar Stellen weniger hakelig als bei LMS. Andere Dinge haben mir aber bei LMS besser gefallen (z. B. deutlich bessere Verweise auf ähnliche Künstler). Letztlich habe ich mich für LMS entschieden, da Open Source und weil ich bei Roon Datenschutz-Bedenken hatte, meine Musiksammlung und meine Hörgewohnheiten durchleuchten zu lassen. Ja, ich weiß, wer über Qobuz streamt, von dem gibt es auch ein entsprechendes Profil beim Anbieter. Aber zumindest sitzt er in der EU (DSGVO usw.) und auf Musik-Streaming kann ich nicht verzichten.

Grundsätzlich bietet LMS noch viele andere tolle Plug-ins, aber diese sind vielleicht mal Thema eines anderen Artikels. Hier wollte ich euch vor allem aufzeigen, wie man sich LMS zu konfiguriert, dass man intensiv in die Musik eintauchen kann, ob bei der Entdeckung neuer Musik, beim Heben lange ungehörter Schätze in der bestehenden Musiksammlung oder beim Hangeln von Biografie zu Biografie. Ich habe auf diese Art schon so manchen schönen Abend bestritten.

Quellen:

https://lyrion.org/

https://forums.slimdevices.com/

https://www.picoreplayer.org/

Tags

Musik, Musik-Streamer, LMS, Heimserver, Streaming

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