Wäre es nicht prima, wenn man sein eigenes Internet in der Tasche hätte und an jedem Ort dieser Welt zur Verfügung stellen könnte? Zumindest im Bildungsbereich ist dies möglich. Gleich, ob man eine Exkursion in unwegsame Gebiete unternimmt, Open-Air-Unterricht gibt oder einen Klassenraum im hintersten Winkel des alten Schulgebäudes nutzen muss - man kann allen Teilnehmer:innen kostenlosen und mobilen Zugang zu der neuesten Version der Lernplattform Moodle bieten. Was man dafür benötigt? Einen kleinen Raspberry Pi plus Ladegerät und Speicherkarte - und das "Betriebssystem" des Projekts Moodlebox. Ein Kollege - Gruß an Daniel von der Uni Ulm! - hat das Projekt mit seinen Studenten getestet.
Vorbereitung
Hardware
Bei den Biologie-Exkursionen mit Lehramtsstudent:innen haben wir einen Raspberry Pi 4 verwendet Laut Projektseite läuft Moodlebox mit folgenden Pi-Modellen: Zero 2 W, 3A+, 3B, 3B+, 4B, 400 und 5. Die Stromversorgung wurde über ein handelsübliches Ladegerät erledigt. Bei längeren Außeneinsätzen kann sich auch ein Ladegerät mit Solarmodul lohnen. Dann noch eine microSD-Karte (alternativ: USB-Stick) für das OS. Der Raspberry Pi wurde in das Standard-Plastik-Himbeer-Gehäuse gesteckt - nahm also nicht mehr als Platz als eine dickere Zigarettenschachtel ein.
Software
Das Moodlebox-Projekt gibt es schon einige Jahre und hat sich einen Namen gemacht. Daher hat Raspberry Pi inzwischen das Image sogar in seine eigene Software aufgenommen: Beim Raspberry Pi Imager wird die Moodlebox unter "Betriebssysteme für spezielle Zwecke" aufgeführt. Man muss das Image also nicht mehr vorab downloaden. Es genügt, den Imager zu starten, Moodlebox und SD-Karte auswählen, 30 Sekunden warten. Fertig.
Als Basis für das Moodlebox-Image dient Raspberry Pi OS Lite mit der jeweils aktuellen Debian-Version. Es kommt also kein Desktop zum Einsatz - ist auch nicht notwendig, wie wir gleich sehen werden.
Einsatz der Moodlebox
Eigenes WLAN-Netz "MoodleBox"
Genial ist, dass man lediglich die SD-Karte in den Raspberry Pi stecken muss - und sofort funktioniert das System. Der Raspberry Pi erzeugt ein eigenes WLAN-Netz, das in den Einstellungen der in der Nähe befindlichen Geräte - Smartphone, Tablets, Notebooks - unter dem Namen "MoodleBox" erscheint:
Alternativ können die Teilnehmer auch einen QR-Code scannen, der die Verbindung einrichtet. Die WLAN-Bezeichnung kann angepasst werden - also statt "MoodleBox" z. B. "Klasse11a". Die Reichweite ist recht ordentlich: In der Regel sollte mindestens eine Klassenraumgröße abgedeckt werden, je nach Gegebenheiten kann der Radius auch deutlich weiter reichen.
Das Netz funktioniert autonom, ohne SIM-Karte, ohne dass ein Funkmast in der Nähe sein müsste. Das System könnte also tatsächlich am Nordpol, im Urwald oder im abgeschirmten Container eingesetzt werden.
Eigenes Moodle-System
Aufgerufen wird das Lernmanagementsystem Moodle anschließend im Browser mit "http://moodlebox.home". Die Standard-Zugangsdaten lauten:
Anmeldename: moodlebox
Kennwort: Moodlebox4$
Damit erhält man einen Moodle-Admin-Zugang, so dass man die Zugangsdaten nach dem Login ändern sollte. Nun kann man wie gewohnt Kurse anlegen, Teilnehmer einschreiben usw. Den Kurs kann man auch vorab "befüllen" mit Videos, Anleitungen, Testfragen, Wiki-Einträgen usw.
Auch komplexe Tutorials oder Aufgabenstellungen lassen sich verwirklichen. So kann man beispielsweise mit H5P etwa Videos mit Verzweigungen und Abfragen versehen.
Durch den vollständigen Admin-Zugang hat man als Lehrkraft deutlich mehr Möglichkeiten, als dies bei einem reinen Schul-Moodle der Fall ist. Man kann sich also "austoben", was Plugins und Layout betrifft - man ist ja der "Herr im Moodle-Haus".
Die aktuellen Moodle-Versionen passen sich gut kleinen Bildschirmen an - man kann also problemlos mit dem Smartphone Dateien hochladen oder Aufgaben lösen:
Vorinstalliert ist auch das Plugin "Moodlebox", das ein Dashboard und viele zusätzliche Einstellungen zur Verfügung stellt:
Anwendungsmöglichkeiten
Die MoodleBox bietet alles, was das umfangreiche Lernsystem an Angeboten zur Verfügung stellt. Wie beim "richtigen" Schul-Moodle gilt, dass man sich Gedanken über den Aufbau eines Kurses machen muss. Da ist es nützlich, dass man Kurse von unterschiedlichen Moodle-Instanzen im- und exportieren kann. Prinzipiell kann man also einen Kurs, der bereits im Schul- oder Uni-Moodle existiert in die Moodlebox importieren, dort bearbeiten lassen und später zurück-ex/importieren. Wie üblich sollte man ein solches Vorgehen zunächst mal an einem Testkurs ausprobieren.
Auch die Repositories können sich als nützlich erweisen, gerade, wenn man vorab umfangreiche Materialien in den Kurs einpflegen möchte:
Prinzipiell kann man sich mit Moodle eine mobile "Ersatzcloud" zimmern: Dokumente und andere Unterlagen können zur Verfügung gestellt werden, über Gruppenberechtigungen können Teilnehmer anderen ihre Dateien zur Verfügung stellen, direkt vor Ort können Fotos mit Audio-Kommentaren in den Kurz eingestellt werden usw. usw.
Ebenso kann man die Moodlebox einsetzen, um Ablenkungen zu vermindern. Der WLAN-Zugang kann ja nur für Moodle-Aktivitäten genutzt werden. Umgekehrt kann die Moodlebox zu einem Hotspot umfunktioniert werden: Wird der Raspberry Pi mit einem Smartphone verbunden, das Zugriff auf das Internet hat, können so auch andere über diesen Zugang surfen (ohne dass man die Daten für seinen Handy-Hotspot teilen muss).
Erleichtert wird der Einsatz durch eine ausgezeichnet aufbereitete Dokumentation, durch eine umfangreiche FAQ und einem Forum. Die Entwickler stecken viel Arbeit in das Projekt - seit vielen Jahren und immer ausgesprochen aktuell. Es ist wirklich nicht mehr Aufwand, als die SD-Karte zu erzeugen, in den Raspberry Pi zu schieben und das Gerät mit Strom zu versorgen. Daher meine Empfehlung: Einfach mal ausprobieren, wenn man ohnehin bereits Moodle nutzt.
> Wäre es nicht prima, wenn man sein eigenes Internet in der Tasche hätte und an jedem Ort dieser Welt zur Verfügung stellen könnte?
Müsste es hier nicht "Netzwerk" statt Internet heißen?
Das stimmt - "Internet in der Tasche" klang halt nett, aber Du hast recht.
Mich interessiert folgendes Use Case im Outdoor Bereich: Moodlebox als Infoportal für Schüler, die von ihrem Smartphone + Kopfhörer an die boxper WLAN verbunden sind
Ist ein beidseitiges Audio Gespräch oder zumindest von moodlebox ( Lehrer ) zu den Schülern möglich ?
Die Schüler könnten den Lehrer audiotechnisch verfolgen, welcher 10 m vor Ihnen läuft und unterrichtet.
Gibt es Ansätze oder Ideen ?
VG
Hm, Videolösungen könnte man mal probieren - die benötigen aber mehr Ressourcen. Ich würde dann eher Moodle entfernen und durch eine Video-Sache wie z. B. Jitsi, Linphone usw. pur ersetzen. Wenn allerdings dann gleichzeitige Streams an ca. 25 Schüler verschickt werden sollen, müsste man wahrscheinlich zu Raspberry Pi 5 greifen. (Jitsi Meetings an sich habe ich zwar auch mit einem Raspberry Pi 4 - in guter Qualität - durchführen können, aber das war ja nur der Client.) Falls Audio genügt, könnte es eher funktionieren, z. B. mit Mumble.