Freie Software in der Schule: Lichess

  Roland Lötscher   Lesezeit: 6 Minuten  🗪 2 Kommentare Auf Mastodon ansehen

Welche Software lässt sich verwenden, um Schüler:innen das Schachspiel näher zu bringen? In diesem Artikel werden die Möglichkeiten von Lichess, einer freien Schach-Plattform präsentiert.

freie software in der schule: lichess

Ausser Mathematik und etwas Informatik unterrichte ich auch das Freifach "Schach". Dabei versuche ich den Schüler:innen verschiedene Aspekte des Schachspiels beizubringen und Fähigkeiten zu fördern, die auch sonst in der Schule oder im Leben relevant sind. Damit meine ich etwa, die Fähigkeit tiefgründig zu planen, strategisch zu denken, Situationen objektiv zu beurteilen, sich auf etwas voll und ganz zu fokussieren, sowie Muster und Motive zu erkennen. Es gibt dabei unglaublich viel, was es an Schachtheorie zu lernen und zu üben gibt. Bei Schach-Endspielen (letzte Partiephase) geht es etwa darum, wie man mit verschiedenen Figurenkonstellationen systematisch ein Matt erzwingen kann oder wie in gewissen Bauern- oder Turmendspielen ein Mehrbauer zum Sieg geführt werden kann oder wie ebendies in anderen Situationen als Verteidiger abzuwenden ist. Im Mittelspiel (mittlere Partiephase) liegt der Schwerpunkt darauf, eine Stellung einzuschätzen, herauszufinden, welche Methode angewendet werden muss, um zu einer guten Entscheidung zu kommen und diese anzuwenden. Variantenbäume werden erstellt und durchforstet, positionelle Merkmale gewürdigt, Pläne gefasst und verglichen. In der Eröffnung (erste Partiephase) geht es darum, allgemeine Prinzipien für eine erfolgreiche Entwicklung der Figuren zu beherzigen und Ideen von klassischen Schacheröffnungen zu erlernen und anzuwenden.

Früher hat man im Schachunterricht im Plenum grosse Demobretter mit magnetischen Figuren verwendet. In der heutigen Zeit ist dies etwas aus der Mode gefallen. Es dauert eine Weile, bis das Brett neu aufgebaut ist, manchmal fallen Figuren hinunter, eine Figur wird versehentlich verschoben oder vergessen aufzustellen und daneben muss der Präsentierende aufpassen, dass er die Sicht auf das Brett nicht verdeckt. Heutzutage wird meist Schach-Software eingesetzt und um eben diese soll es hier gehen. Die von mir eingesetzte Schach-Software heisst Lichess (siehe auch https://gnulinux.ch/fide-setzt-auf-lichess-und-stockfish). Es handelt sich dabei um einen werbefreien, kostenlosen Online-Schach-Server, der sowohl zum Spielen, Trainieren, Analysieren, Zuschauen bei On- und Offline-Turnieren wie auch für das Organisieren von Schach-Unterrichtsinhalten genutzt werden kann. Lichess läuft mit freier Software und ist ein absolutes Vorzeigeprojekt. Die Betriebskosten von jährlich über 500'000 Dollar werden durch Spenden gedeckt. Die Funktionalität ist für alle Benutzer:innen die gleiche und Lichess verspricht, auch in Zukunft werbefrei für alle zu bleiben. Täglich werden auf Lichess über 5 Millionen Schachpartien gespielt und auch Topspieler nehmen regelmässig an Turnieren teil, welche auf Lichess ausgetragen werden.

Ein zentrales Element für den Schach-Unterricht mit Hilfe von Lichess bilden sogenannte Studien. Eine Studie besteht aus einer Sammlung von bis zu 64 Kapiteln (Partie-Stellungen oder ganzen Partien) und bieten einen optionalen Lösemodus sowie die Möglichkeit zur Live-Zusammenarbeit.

Dabei können wie in Schach-Datenbankprogrammen üblich Partie-Kommentare verfasst, Felder markiert und Pfeile zur Visualisierung von geplanten Figurenbewegungen verwendet werden. Links ist die Kapitelliste zu meiner eigens erstellten Studie zu Bauernstrukturen ersichtlich. Es gibt hier Kapitel zur Theorie zu einem Thema (im Bild: Verbessern der Bauernstruktur) und Übungen dazu. Theorie-Kapitel verwenden den "normale Analyse"-Modus, in welchem sämtliche Partie-Kommentare eingeblendet sind. Für Übungen gibt es verschiedene Analyse-Modi:

  • Bei interaktiven Übungen muss eine Reihe von Zügen gefunden werden, wobei Fehlversuche vom Computer abgelehnt werden und durch die Übungsersteller:in voreingestelltes Feedback zu korrekten Zügen und zu Fehlversuchen angezeigt wird.
  • Beim Modus "Nächste Züge ausblenden" werden einfach die zu findenden Züge und zugehörigen Partiekommentare ausgeblendet.
  • Beim Modus "Übe mit dem Computer" kann eine Stellung gegen den Computer ausgespielt werden. Der Computer rechnet hier selber, spielt also immer das, was er für am besten hält. So kann man z.B. versuchen, den Computer mit Springer und Läufer gegen nackten König mattzusetzen.

Für die Übungsersteller:in gibt es eine Ansicht zum Erstellen der Übung und eine Voransicht, die gleich aussieht wie bei Löser:innen der Übung. Zwischen diesen beiden Ansichten lässt sich per Knopfdruck umschalten.

Wer eine Studie erstellt, kann einstellen, ob die Studie privat ist, ungelistet (nur wer den Link kennt, kann zugreifen) oder öffentlich (alle können zugreifen). Auch lässt sich einstellen, ob eine (öffentliche) Studie geklont werden darf. Es gibt viele öffentliche Studien, die geklont werden dürfen und es finden sich interessante Inhalte darunter. Man muss also nicht unbedingt alle Inhalte selber erzeugen.

Zum Aufwärmen zu Beginn einer Lektion eignet sich ein Puzzle-Race. Bei diesem tritt eine Gruppe von Spieler:innen gegeneinander zum Lösen von Aufgaben wie bei einem Autorennen an. Während der Renndauer von 90 Sekunden erhalten alle Teilnehmenden die gleichen zufällig gewählten Schachprobleme vorgesetzt. Jeder korrekte Zug gibt einen Punkt. Jede Spieler:in wird durch ein Auto repräsentiert, die zugehörige Punktzahl durch die zurückgelegte Distanz des Autos. Am Schluss sieht man auf einen Blick, wessen Auto die weiteste Distanz zurückgelegt hat.

Ein weiteres Element, das ich gerne einsetze, ist das Simultan-Schach. Dabei spiele ich gegen die gesamte Gruppe der Freifach-Teilnehmer:innen. So kann ich etwa auf Herz und Nieren überprüfen, wer zuvor behandelte Techniken sicher anwenden kann.

Für die Organisation des Schach-Unterrichts empfehle ich auch die Nutzung von Lichess-Klassen. Bei diesen lassen sich Lichess-Nutzerinnen zu einer Gruppe zusammenfügen, Informationen teilen, Links zu Studien teilen und Übersicht über Fortschritte der Klassenmitglieder überschauen.

Im Übrigen gibt es bei mir im Freifach durchaus auch reale Bretter und Figuren, neuerdings auch Schachuhren. Wenn es darum geht, Stellungen auszuspielen, setze ich in aller Regel auf reale Bretter. Es ist nicht ganz dasselbe, an einem realen Brett zu sitzen, die Partie von Hand zu notieren und nach jedem Zug die Uhr zu drücken, wie online zu spielen. Beides hat seinen Platz.

Quellen:

Tags

FediLZ, Schach, LiChess, Unterricht

Robert
Geschrieben von Robert am 16. Januar 2025 um 21:15

FÜR SCHACH-FANS:

Ebenfalls Open Source und zum Schachlernen und Trainieren geeignet: https://listudy.org/de (mehrsprachig)

Insbesondere für Kinder ist ChessKid gedacht: https://www.chesskid.com/de/ (mehrsprachig)

The Big Greek ( https://de.wikipedia.org/wiki/Georgios_Souleidis ) ist ein Internationaler Schachmeister der Schach sehr verständlich erklären kann: https://www.youtube.com/@TheBigGreek

Auf der TCEC-Webseite ( Top Chess Engine Championship ) läuft ständig die inoffizielle Weltmeisterschaft im Computerschach: https://tcec-chess.com/ Man kann sich dort aber auch alle vergangenden Turniere angucken und sich informieren.

Auf https://nanochess.org/chess4.html#js1k gibt es Schach als JavaScript Source-Code in lediglich 2000-3000 Bytes, die kürzeste komprimierte Version hat dort 1251 Bytes. Und hier kann gegen ein Schach-Programm mit nur !! 1024 Bytes !! online spielen https://vole.wtf/kilobytes-gambit/ Wenn man auf "How it works" klickt, kann man sich auch den Source angucken.

Ralf Hersel Admin
Geschrieben von Ralf Hersel am 16. Januar 2025 um 21:25

Vielen Dank für den schönen Artikel, insbesondere aus der Lehr-Perspektive. Ich mag Lichess sehr und verwende es gerne, um mit Freunden oder Fremden zu spielen. Am liebsten spiele ich 1 Zug pro Tag, damit man wirklich genug Zeit hat, die Stellungen zu analysieren. Du hast im Artikel viele Funktionen von Lichess genannt, die ich noch nicht kannte. Danke Dir.