Ende Juli fand die jährliche Entwicklerkonferenz des GNOME-Teams in Riga statt, die GUADEC. Unter anderem wurden dort zwei Ideen für den GNOME-Desktop erdacht, die mein Interesse geweckt haben. Die Erste behandelt einen Ersatz für die Activities-Schaltfläche und die Zweite entwirft ein neues Konzept für das Window-Tiling. Zwar ist der GNOME-Desktop einer der modernsten Benutzeroberflächen, fiel bisher jedoch eher durch das Abschaffen von Funktionen, statt durch bahnbrechende Neuerung auf.
Standardmässig gibt es in der linken oberen Ecke des GNOME-Desktops die Schaltfläche "Aktivitäten", mit der in den Übersichtsmodus umgeschaltet wird. Dort sieht man alle Workspaces mit den darauf geöffneten Anwendungen. Ausserdem kann direkt in die GNOME-Suche eingetippt werden, um Programme zu starten, Rechnungen durchzuführen und vieles Weiteres. Die Aktivitäten-Ansicht kann auch über die SUPER-Taste oder über die Maus in der linken oberen Ecke (Hot-Corner) aufgerufen werden.
Nach den Vorstellungen vom GNOME-Entwickler Allen Day, könnte diese Schaltfläche durch einen Workspace-Umschalter ersetzt werden. Grundsätzlich halte ich das für nicht abwegig, weil es genügend Möglichkeiten gibt, in die Aktivitäten-Ansicht zu schalten. Allerdings ist es bereits jetzt möglich, mit dem Mausrad auf dem Systemtray zwischen den Workspaces zu wechseln. Der vorgeschlagene Workspace-Switcher zeigt die Workspaces durch Punkte, bzw. den aktuellen durch ein Pillen-Symbol an.
Eigentlich kennt der GNOME-Desktop gar keine Aktivitäten; die treffendere Bezeichnung wäre Übersicht. Nach meiner Meinung hat nur der KDE-Plasma-Desktop 'Aktivitäten' vollständig umgesetzt. Dort kann man die Workspaces benennen (z. B.: Büro, Spiele, Kommunikation usw.) und persistieren: nach einem Session-Start werden die Workspaces mit den darin gestarteten Anwendungen wiederhergestellt. Das ist beim GNOME-Desktop seit GNOME 2 nicht mehr möglich.
Zur Begründung schreibt Allen Day:
Im Laufe der Jahre haben wir einige Probleme mit der aktuellen Schaltfläche Aktivitäten festgestellt: Das Wort Aktivitäten ist bei den Benutzern nicht immer auf Gegenliebe gestoßen und hat in einigen Fällen zu Verwirrung geführt. Bei der Beobachtung von Benutzern, die GNOME zum ersten Mal ausprobieren, haben diese die Schaltfläche Aktivitäten entweder nicht bemerkt oder sich nicht damit beschäftigt. Aus irgendeinem Grund hatten sie nicht das Gefühl, dass sie auf diese Schaltfläche klicken müssen, um Anwendungen zu starten. Wir haben dies seit einiger Zeit diskutiert, und der Konsens im Designteam ist, dass die Schaltfläche Aktivitäten durch ein abstrakteres visuelles Element ersetzt werden sollte. Das neueste Konzept sieht vor, die Bezeichnung "Aktivitäten" in eine dynamische Arbeitsbereichsanzeige umzuwandeln.
Wenn ihr möchtet, könnt ihr diese Idee mithilfe der Erweiterung activities-filled-pill_verdre.zip ausprobieren. Eine Anleitung für die Installation findet ihr bei Joey Sneddon.
Der zweite Änderungsvorschlag stammt von Tobias Bernard und betrifft das Window-Tiling beim GNOME-Desktop. Aktuell bietet GNOME nur ein vertikales Tiling von zwei Fenstern, die zumindest bei der Grössenänderung synchron gehalten werden. Es besteht Konsens darüber, dass dieses Tiling unzureichend ist, weshalb vermutlich in GNOME 45 die Erweiterung Tiling Assistant in den Desktop fix eingebaut werden soll. Damit ist auch die Viertelteilung und die Steuerung über das Num-Pad möglich. Ich begrüsse den Einbau dieser Erweiterung sehr, deckt sie doch die Anforderungen der meisten Anwender:innen ab.
Bernards Vorschlag geht jedoch weiter. Wie er schreibt, ist Tiling ein schwieriges Thema, weil es von vielen Parametern abhängt. Es gilt zwischen manuellem und automatischem Tiling zu unterscheiden: sollen die Anwender selbst entscheiden, wie ein Fenster dimensioniert und positioniert werden soll, oder soll der Tiling-Manager das regeln? Zu den grössten Herausforderungen gehört das Unwissen des Tiling-Managers über den Inhalt der Anwendungen. Eine Messaging-App soll eher schmal und vertikal angeordnet sein, während man einem PDF-Reader besser Zweidrittel des Bildschirms gibt.
Tobias Bernard schlägt eine Kombination von drei unterschiedlichen Tiling-Konzepten vor:
- Mosaik, ein neuer Fensterverwaltungsmodus, der die besten Eigenschaften von Kacheln und Floating kombiniert
- Edge Tiling, d.h. Fenster, die den Bildschirm von Kante zu Kante teilen
- Floating, das klassische Modell gestapelter Fenster
In seinem Blog-Artikel beschreibt er die Gründe und das neue Konzept im Detail. Dort gibt es auch mehrere Animationen, die das Konzept visualisieren. Ich halte Tiling für eine grosse Herausforderung, die noch lange nicht zu Ende gedacht ist. Dabei gilt es, den Spagat zwischen den sehr unterschiedlichen Anwendungsfällen der Nutzerschaft zu bewältigen. Mit einer Standardeinstellung erfüllt man nur die Bedürfnisse einer kleinen Menge, während reichhaltige Optionen viele überfordern werden. Ich halte die Entscheidung, den Tiling-Assistant einzubauen, für eine gut überlegte und richtige Entscheidung. Das Nachdenken über fortgeschrittene Tiling-Konzepte ist sehr sinnvoll, wird aber in Kürze nicht auf dem GNOME-Desktop erscheinen, wie Bernard schreibt.
Quellen:
https://gitlab.gnome.org/Teams/Design/os-mockups/-/issues/227
https://blogs.gnome.org/tbernard/2023/07/26/rethinking-window-management/
Die Heiopeis "wo das Sagen haben" bei GNOME sollten, wenn ihnen mal wieder die Ideen ausgehen, einfach einen Blick in die Liste der beliebtesten Erweiterungen werfen, die von GNOME-Usern heruntergeladen werden um die teils etwas fragwürdigen Auffassungen von UX in den Köppen der GNOME Vordenker zu "korrigieren" ODER einfach bei System76 anklopfen und lieb fragen ob sie deren bereits EXISTIERENDEN und FUNKTIONIERENDEN Tiling-Manager vom GNOME-basierten Pop!OS einbauen dürfen. Doch alleine um dessen Existenz zu wissen müsste man ja mal den Blick aus dem Elfenbeinturm in die reale Welt wagen.
Hast du dir den verlinkten Blog-Artikel durchgelesen? Die Idee sieht zum Beispiel auch vor, Apps mit mehr Metadaten zu versehen um die passende Fenstergröße und Position zu ermitteln. Die Videos in dem Artikel visualisieren auch sehr schön die verschiedenen Modi, die es geben soll. Insgesamt sind in seiner Idee viele neue Ansätze.
.."Eigentlich kennt der GNOME-Desktop gar keine Aktivitäten; die treffendere Bezeichnung wäre Übersicht."... Nein. Die treffendste Bezeichnung für mich als DAU wäre: ->geöffnete Programme
Ich frage mich, was diese masochistische auf den "neuen" User soll? Der "neue" User wird immer vermissen was er gewöhnt ist.