MS 365 an Schulen, oder doch nicht?

  Ralf Hersel   Lesezeit: 4 Minuten  🗪 11 Kommentare

Schulen in Baden-Württemberg sollen sich bis zum Sommer von Microsoft 365 verabschieden.

ms 365 an schulen, oder doch nicht?

Es ging durch alle Tech-Medien: vorgestern hat der Datenschutzbeauftragte des Deutschen Bundeslandes Baden-Württemberg (Stefan Brink) in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, dass er von Schulen erwartet, bis zu den Sommerferien 2022 Alternativen zum Cloud-Dienst Microsoft 365 für den Schulbetrieb anzubieten.

Ab dem kommenden Schuljahr ist die Nutzung von MS 365 an Schulen zu beenden oder deren datenschutzkonformer Betrieb ist von den verantwortlichen Schulen eindeutig nachzuweisen.

Grund dafür ist, dass das Cloud-Angebot von Microsoft nicht der Datenschutz-Grundverordnung genügt, was in einem Pilotprojekt nachgewiesen wurde.

Da stellen sich mir einige Fragen:

  • Warum stellt dies nur der Datenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg fest? Gelten in anderen Bundesländern andere Datenschutz-Gesetze?
  • Warum stösst das bei Schulen und Eltern nur auf mässigen Applaus?
  • Warum behauptet die Schweiz das Gegenteil?

Die erste Frage kann ich nicht beantworten. Doch zur zweiten Frage fällt mir etwas ein. In vielen Kommentaren zur hier erwähnten Pressemitteilung, findet man dieses Argument:

Die Schüler:innen sollen doch das lernen, was sie später im Beruf brauchen: MS Office.

Nun, dieses Argument hat in etwa die gleiche Flughöhe wie "Ich habe nichts zu verbergen, also habe ich auch nichts zu befürchten!". Lernt man in der Fahrschule Autofahren oder Opelfahren? Schüler und Schülerinnen sollen allgemeine Kenntnisse erwerben und keine Produktschulung durchlaufen. Wer Textverarbeitung und Tabellenkalkulation lernt, dem ist es später im Beruf egal, ob man mit LibreOffice oder AbiWord oder MS Word arbeiten muss. Wehe dem, der nur MS Word kann und dann in einer Werbeagentur arbeitet, die MacOS mit der Textverarbeitung Pages einsetzt.

Ok, Schulen haben kein Geld, keine Unterstützung und keine Lehrkräfte, die nebenbei noch Informatikunterricht machen wollen, bzw. die Schul-IT umkrempeln sollen. Aber auch dieser Satz ist falsch, weil es in den letzten Jahren erhebliche Gelder für den Bildungssektor gab, weil der Informatikunterricht aufgewertet wurde und weil man die Schul-IT an Dienstleister auslagern kann. Man muss es nur wollen und durchziehen. Das ist Chef-Sache an Schulen und darf nicht an den Physiklehrer ausgelagert werden.

Was passiert in der Schweiz? Glaubt man dem Beitrag von Inside-IT, gilt in der Eidgenossenschaft das Gegenteil:

Anders als der Datenschützer von Baden-Württemberg sieht man an den Schweizer Schulen keine Gefahr durch die Verwendung der Software des amerikanischen Herstellers.

Lest bitte einmal die letzten Kapitel des Inside-IT-Artikels und sagt mir, ob ihr irgendetwas davon versteht. Für mich klingt das nach "Wirtschaft first, Schüler:innen last". Es ist an der Zeit, dass ich mich um ein Interview mit dem Schweizer Datenschutzbeauftragen bemühe.

Wie sieht der Trend in Österreich aus? Die Plattform https://kids-tec.at/ liest sich wie ein Werbeportal für Microsoft. Die Seite des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung beruft sich auf die DSGVO und macht konkrete Angaben zum Datenschutz an Schulen. Ob es in Österreich Anweisungen zum Einsatz bzw. Ersatz von MS 365 an Schulen gibt, erschliesst sich mir nicht. Vielleicht haben unsere österreichischen Leser:innen dazu nähere Informationen.

Quelle: https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/nutzung-von-ms-365-an-schulen/

Bildquelle: https://articulo.mercadolibre.com.mx

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Schulen, MS, Baden-Württemberg, Schul-IT, Microsoft, Schule, IT, Schüler, Inside

Norbert
Geschrieben von Norbert am 27. April 2022 um 11:38

Sehr gut auf den Punkt gebracht Produktschulung anstatt allgemeiner Kenntnisse. Ich habe auf einem VW autofahren gelernt aber seitdem nie wieder einen gefahren. Trotzdem komm ich mit jedem Auto zurecht......komisch

Hoffentlich kommt es zum Interview mit dem Schweizer Datenschutzbeauftragen

fedora
Geschrieben von fedora am 27. April 2022 um 11:57

Der Trend in Österreich ist beängstigend betrifft aber nicht nur die Schulen sondern generell alle Öffentlichen Dienststellen. Aktuell bei uns über die MA01 wurden nach der Migration von Win7 zu Win10 alle alternativen Angebote für den täglichen Betrieb entfernt. Sein Finale fand es in der Verbannung von Firefox zu Gunsten von EDGE, Chrome und der beachtenswerten Folio Einbindung.

Ich finde die BW Initiative extrem begrüssenswert.

Helmut
Geschrieben von Helmut am 27. April 2022 um 22:21

Ein Argument an unserer Schule: die sollen lernen mit 'professionellen' Programmen zu arbeiten. Wenn ich ein update auf so einem 'professionellen' System beobachte, kann ich mich nur wundern. Alles Unbekannte wird von den 'Profis' unter den Eltern als Angriff auf die eigene Kompetenz gesehen. Was der Bauer nicht kennt frisst er nicht. Ich habe einmal gelesen, dass Bosheit oft mit Dummheit erklärt werden kann. Genauso kann man wohl dummes Verhalten mit Angst erklären.

Daniel Schär
Geschrieben von Daniel Schär am 27. April 2022 um 12:19

Diese Diskussion hatten wir auch schon mal in unserer alten Schule. Ich habe den kantonalen Datenschutz angerufen wegen Google und Microsoft-Diensten. Da hiess es, mit Microsoft habe man einen Rahmenvertrag, daher sei das unbedenklich, hingegen mit Google ist man dran, aber dürfe man (noch) nicht verwenden (mittlerweile gibt es da auch einen Rahmenvertrag). Fazit: Der kantonale Datenschützer beruft sich auf das, was auch im Artikel von it-inside steht: Educa hat einen Rahmenvertrag mit Microsoft in der Schweiz, das heisst, alles "unbedenklich" - obwohl eigentlich jede Schule noch Verträge abschliessen muss. Mir scheint aber, dass interessiert einfach keinen wirklich hier in der Schweiz - weder Schüler, Lehrer, Eltern noch Kantone. Eigentlich heisst es ja deutlich: "Die vereinbarten Bedingungen befreien Schulen und deren Verwaltungsstellen nicht von ihrer Verantwortung, bei einem Einsatz von Online-Diensten zu prüfen, ob diese durch den Rahmenvertrag überhaupt abgedeckt sind." Der Einsatz wird eben nicht geprüft, das ist meine Erfahrung.

Bernhard
Geschrieben von Bernhard am 27. April 2022 um 17:29

Zu 1.) Soweit ich den Vorgang mitverfolgt habe hat der baden-württembergische Landtag ein Budget bewilligt, das es dem Datenschutzbeauftragten ermöglicht hat, tatsächlich eine technische Überprüfung durchzuführen. https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/lfdi-raet-aufgrund-hoher-datenschutzrechtlicher-risiken-von-der-nutzung-der-geprueften-version-von-microsoft-office-365-an-schulen-ab/

Und da fallen die Ergebnisse naturgemäß gelegentlich anders aus, als es die Überprüfung von (geduldigem) Papier ergibt ...

Vollkost
Geschrieben von Vollkost am 27. April 2022 um 22:13

Der Landesdatenschutzbeauftragte von Rheinland-Pfalz hat eine ebensolche Mail an die Schulen in RLP verschickt.

User123
Geschrieben von User123 am 27. April 2022 um 22:46

Ich finde es (als Schüler) sehr toll, dass wenigstens in BW der Datenschutzbeauftragte es verstanden hat. In meiner Schule nutzen wir zwar (zum Glück) kein MS 365, aber vor 2 Monaten hat das lokale Medienzentrum einfach Mal alle Drittanbieterprogramme von den Win10-Laptops entfernt. Anstatt Firefox gibt es nur noch Edge, LibreOffice ist zugunsten von MS Office weg und Audacity einfach ganz verschwunden... Die Seite https://kids-tech.at ist beängstigend. Es ist schade, wie einfach MS Menschen doch vorgaukeln kann, sie wären nur wegen eines Vertrages dazu verpflichtet dem USAmerikanischen Geheimdienst nichts weiterzugeben. Einfach nur traurig.

alles-ist-ein-prozess
Geschrieben von alles-ist-ein-prozess am 28. April 2022 um 06:58

a) Datenschutz. Aufgeben oder..., oder eben nicht aufgeben.

b) Leitbild des Schulwesens: "Schüler und Schülerinnen sollen allgemeine Kenntnisse erwerben und keine Produktschulung durchlaufen." Es wurde nie besser formuliert, bravo! Die Produkteschulung ist Sache des Arbeitgebers.

Roland
Geschrieben von Roland am 28. April 2022 um 16:06

Als Lehrperson an einem Zürcher Gymnasium wundere ich mich auch über den Umgang mit dem Datenschutz beim Einsatz von MS 365. Während dem Lockdown erhielten alle Lehrpersonen und Schüler:innen an unserer Schule einen MS 365 Account. Datenschutz wurde nie thematisiert. Es gab einzig mal einen Hinweis, als von Schüler:innen im Unterricht aufgenommene Videos standardmässig mit allen anderen Mitgliedern des eduzh-Tenants (siehe https://help.mba.zh.ch/office-365/allgemein/uebersicht-schulen-im-eduzh-tenant.html) geteilt wurden. Da an unserer Schule (im Gegensatz zu anderen Schulen) MS 365 nicht als offizielle Kommunikationsplattform gilt, konnte ich mich bisher um die Nutzung davon drücken. Mein Antrag auf Löschung meines Accounts wurde jedoch abgewiesen. Als Schüler:in kommt man hingegen nicht um die Nutzung des Accounts herum.

Der Leitfaden von Educa.ch ist unter https://datenschutz.ch/lexika/mittelschule-berufsfachschule/microsoft-365 verlinkt. Darin wird suggeriert, dass die Nutzung von MS 365 grundsätzlich dantenschutzkonform möglich sei, jedoch nur unter einer Vielzahl von Bedingungen, welche aktuell nicht erfüllt sind. Wie ich informiert bin, arbeitet die Bildungsdirektion gerade eine Vorlage für eine Datenschutzvereinbarung aus, welche die Mittel- und Berufsschulen dann Ihren Lehrpersonen, Schüler:innen/Student:innen und Mitarbeitenden vorlegen kann. Siehe dazu auch https://help.mba.zh.ch/datenschutz/faq-datenschutz.html. Ich finde es bedenklich, dass Datenschutzüberlegungen derart der Verwendung hinterherhinken. Sind die Daten schliesslich mal in falschen Händen, kriegt man sie nicht wieder da raus.

Lioh
Geschrieben von Lioh am 28. April 2022 um 17:02

Ich habe es insbesondere in der Schweiz schon mehrfach erleben dürfen, dass Datenschutzrichtlinien dahingehend 'angepasst' wurden, dass sie mit den Cloudanbietern kompatibel sind. In Deutschland läuft das etwas besser, da dort der Bundesdatenschutzbeauftragte sehr genau hinsieht. Auf ihn hören tuen dann jedoch die wenigsten oder fühlen sich gegängelt, wenn sie das ach so einfach M365 nicht mehr benutzen dürfen. Ja, ich spreche von Lehrern.

Bernhard
Geschrieben von Bernhard am 28. April 2022 um 23:26

? wo ist mein Kommentar von heute morgen hin ?