MS 365 an Schulen, oder doch nicht?
Mi, 27. April 2022, Ralf Hersel
Es ging durch alle Tech-Medien: vorgestern hat der Datenschutzbeauftragte des Deutschen Bundeslandes Baden-Württemberg (Stefan Brink) in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, dass er von Schulen erwartet, bis zu den Sommerferien 2022 Alternativen zum Cloud-Dienst Microsoft 365 für den Schulbetrieb anzubieten.
Ab dem kommenden Schuljahr ist die Nutzung von MS 365 an Schulen zu beenden oder deren datenschutzkonformer Betrieb ist von den verantwortlichen Schulen eindeutig nachzuweisen.
Grund dafür ist, dass das Cloud-Angebot von Microsoft nicht der Datenschutz-Grundverordnung genügt, was in einem Pilotprojekt nachgewiesen wurde.
Da stellen sich mir einige Fragen:
- Warum stellt dies nur der Datenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg fest? Gelten in anderen Bundesländern andere Datenschutz-Gesetze?
- Warum stösst das bei Schulen und Eltern nur auf mässigen Applaus?
- Warum behauptet die Schweiz das Gegenteil?
Die erste Frage kann ich nicht beantworten. Doch zur zweiten Frage fällt mir etwas ein. In vielen Kommentaren zur hier erwähnten Pressemitteilung, findet man dieses Argument:
Die Schüler:innen sollen doch das lernen, was sie später im Beruf brauchen: MS Office.
Nun, dieses Argument hat in etwa die gleiche Flughöhe wie "Ich habe nichts zu verbergen, also habe ich auch nichts zu befürchten!". Lernt man in der Fahrschule Autofahren oder Opelfahren? Schüler und Schülerinnen sollen allgemeine Kenntnisse erwerben und keine Produktschulung durchlaufen. Wer Textverarbeitung und Tabellenkalkulation lernt, dem ist es später im Beruf egal, ob man mit LibreOffice oder AbiWord oder MS Word arbeiten muss. Wehe dem, der nur MS Word kann und dann in einer Werbeagentur arbeitet, die MacOS mit der Textverarbeitung Pages einsetzt.
Ok, Schulen haben kein Geld, keine Unterstützung und keine Lehrkräfte, die nebenbei noch Informatikunterricht machen wollen, bzw. die Schul-IT umkrempeln sollen. Aber auch dieser Satz ist falsch, weil es in den letzten Jahren erhebliche Gelder für den Bildungssektor gab, weil der Informatikunterricht aufgewertet wurde und weil man die Schul-IT an Dienstleister auslagern kann. Man muss es nur wollen und durchziehen. Das ist Chef-Sache an Schulen und darf nicht an den Physiklehrer ausgelagert werden.
Was passiert in der Schweiz? Glaubt man dem Beitrag von Inside-IT, gilt in der Eidgenossenschaft das Gegenteil:
Anders als der Datenschützer von Baden-Württemberg sieht man an den Schweizer Schulen keine Gefahr durch die Verwendung der Software des amerikanischen Herstellers.
Lest bitte einmal die letzten Kapitel des Inside-IT-Artikels und sagt mir, ob ihr irgendetwas davon versteht. Für mich klingt das nach "Wirtschaft first, Schüler:innen last". Es ist an der Zeit, dass ich mich um ein Interview mit dem Schweizer Datenschutzbeauftragen bemühe.
Wie sieht der Trend in Österreich aus? Die Plattform https://kids-tec.at/ liest sich wie ein Werbeportal für Microsoft. Die Seite des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung beruft sich auf die DSGVO und macht konkrete Angaben zum Datenschutz an Schulen. Ob es in Österreich Anweisungen zum Einsatz bzw. Ersatz von MS 365 an Schulen gibt, erschliesst sich mir nicht. Vielleicht haben unsere österreichischen Leser:innen dazu nähere Informationen.
Quelle: https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/nutzung-von-ms-365-an-schulen/
Bildquelle: https://articulo.mercadolibre.com.mx