Schaut man sich die Nachrichten der letzten Wochen und Monate an, kann man eine Tendenz hin zu Freier Software erkennen. Diesen Ruck sieht man insbesondere im öffentlichen Bereich, bei Behörden und Schulen. Ob sich dieser Trend fortsetzt und Bestand haben wird, ist fraglich, haben wir doch schon viele Rückschritte gesehen.
Jedes Jahr wird als Jahr des Linux-Desktops herbei gewünscht. Ob es so ist oder nicht, kann man mit Ja oder Nein beantworten. Es ist eine Frage der Sichtweise, Argumentation und der eigenen Wunschvorstellung. Tatsache ist, dass in Firmen, Behörden und anderen öffentlichen Einrichtungen, die Dominanz von Microsoft und Apple als Betriebssysteme und bei den Anwendungen für Büroarbeiten ungebrochen ist.
Allerdings sieht man in letzter Zeit einen Trend, der weniger auf der Überzeugung von CIOs, Behörden- oder Unternehmensvorständen basiert, auch nicht ein Drang der Mitarbeitenden ist, sondern durch Gesetzte, der DSGVO und politischen Entscheiden getrieben ist.
Über viele dieser Wechsel, bzw. Absichten, haben wir berichtet. Ich zähle einige auf:
- Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) geht gegen deutsche Behörden vor, die Facebook Fanpages betreiben.
- Die Stadt Bratislava baut derzeit ein neues Ökosystem von digitalen Open-Source-Diensten auf.
- Der IT-Dienstleister Dataport bietet einen Behördenarbeitsplatz für Deutschland, bzw. für die sechs beteiligten norddeutschen Bundesländer an.
- Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) betreibt für deutsche Behörden eine Mastodon-Instanz.
- Landesbeauftragter für den Datenschutz sagt: Microsoft nicht für Schulen geeignet
Dies sind nur einige Meldungen, über wir in den letzten Monaten berichtet haben. Hinzu kommen auch diese aktuellen Berichte:
- Schulen dürfen Microsoft Teams nicht mehr nutzen (zumindest im DE-Bundesland Rheinland-Pfalz).
- Weitere Bundesländer sprechen sich gegen die Nutzung von Office 365 und Teams aus.
- Auch in der Schweiz bewegt sich etwas: Der Berner Datenschutzbeauftragte rät zu Nuudel statt Doodle.
Ganz langsam sickert die Erkenntnis bei Gesetzgebern und behördlichen Entscheidungsträgern durch, dass die Verwendung von Produkten der aussereuropäischen IT-Anbieter, nicht mit den Datenschutzanforderungen der EU und der Schweiz vereinbar sind. Das Umschwenken auf freie Alternativen (ja, es sind fast immer freie Alternativen, die empfohlen werden), stärkt die IT-Unternehmen in unserem Wirtschaftsraum, verringert Abhängigkeiten und schützt die Daten der Menschen.
Interessant ist, dass für einmal die Behörden der Privatwirtschaft den Staffelstab abgenommen haben. Andererseits ist es traurig, dass in diesem Fall die liberale Selbstregulierung in der Marktwirtschaft nicht funktioniert. Dabei wäre ein Umdenken der "freien Wirtschaft" (sic) ein Alleinstellungsmerkmal, um den Kunden die Angst zu nehmen, nur noch als Produkt an die Werbewirtschaft verkauft zu werden.
Wie wäre es mit einem Portal, dass den Einsatz von Freier Software bei Behörden und Unternehmen misst und transparent macht?
Gute Idee, wie wäre so etwas umsetzbar? Wer bewertet (viele Bearbeiter in einer Art Wiki oder eine Software für die Bewertung)?
Vielleicht eine Art Status-Quo: WKIPEDIA-Übersicht "Open-Source-Software in öffentlichen Einrichtungen"
"... die liberale Selbstregulierung in der Marktwirtschaft nicht funktioniert." Bitte verbessert mich, aber hat sie überhaupt schon mal funktioniert? Das einzige Regularium einer freien Wirtschaft ist der Profit.
Ich lese das immer wieder: Year of the Linux Desktop. Entscheidend sind die Anwendungen, nicht das BS auf dem sie laufen. Für Leute, die gewöhnt sind, mit OpenSource-Anwendungen wie z.B. LibreOffice und Thunderbird zu arbeiten, spielt das BS darunter gar keine Rolle.
Wenn sie doch Mal mit dem Dateimanager hantieren müssen, stellen sie sich unter Windows wie Linux gleichermaßen hilflos an. Es interessiert sie nicht, hat es nie, und warum auch? Bis sie das wieder Mal brauchen, haben sie längst wieder vergessen, wie das läuft. Solange Anwender nicht an freie Anwendungssoftware herangeführt werden wie das bei den proprietären Gegenstücken der Fall ist und solange nur proprietäre Software die vermeintlich unabdingbaren Dienste bietet mit der vertrauten, da konditionierten, Bedienung der Anwendungen, die nur auf proprietären BS laufen, wird es Linux als Desktop BS bei den weniger IT-technisch interssierten Anwendern schwer haben.