Remote Desktop im Heimnetzwerk

  Ralf Hersel   Lesezeit: 9 Minuten  🗪 5 Kommentare

Zugriff auf andere Geräte im lokalen Netzwerk. Dabei gibt es verschiedene Anwendungsfälle und unterschiedliche Lösungen.

remote desktop im heimnetzwerk

Die meisten von uns haben mehrere Computer im heimischen Netzwerk in Betrieb. In der Regel sind das ein paar Laptops oder Desktops und vielleicht noch den ein oder anderen Raspberry Pi. Dann stellt sich schnell die Frage nach einem Zugriff auf die anderen Geräte im LAN. Dafür gibt es verschiedene Anwendungsfälle und noch mehr Lösungen. In diesem Artikel beschreibe ich diese, um auf einen besonderen Anwendungsfall genauer einzugehen.

Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass es nur um den Remote Zugriff in einem geschlossenen LAN geht. Für den Zugriff über das Internet, sind Sicherheitsvorkehrungen notwendig, die hier nicht behandelt werden. Wer testen möchte, ob er oder sie über ein geschlossenes Heimnetzwerk verfügt, kann diese zum Beispiel auf dieser Seite überprüfen.

Die üblichen Verdächtigen beim Remote Desktop Zugriff sind bekannt: Remmina, GNOME-Connections, X2GO, TeamViewer, RustDesk, AnyDesk und so weiter. Doch schauen wir zuerst einmal auf die Anwendungsfälle.

Begriffe:

  • Client, ist das Gerät, mit dem auf einen anderen Computer (Server) zugegriffen werden soll.
  • Server, ist das Gerät, dessen Terminal oder Desktop man vom Client aus sehen und kontrollieren möchte.

Die Anwendungsfälle sind:

  • Terminal-Zugriff
  • Zugriff auf eine separate Desktop-Session
  • Zugriff auf eine laufende Desktop-Session

Terminal

Den ersten Fall kann man schnell abhaken, sofern auf dem Server ein SSH-Server eingerichtet ist. In meinem Beispiel möchte ich von einem beliebigen Computer im LAN auf einen Raspberry Pi zugreifen. Auf dem Raspi kann man in der Konfiguration (sudo raspi-config) einstellen, dass ein SSH-Server bereitgestellt werden soll. Unter dem Menüpunkt Interface Options findet man den SSH-Eintrag:

Danach ist es möglich mit: ssh user@server auf ein Terminal des Raspis zuzugreifen. Hier ein Beispiel:

ssh pi@192.168.1.49

Wer mehr darüber wissen möchte, kann sich gerne in unserem HELP-Raum melden.

Neue Desktop-Session

Auch dieser Fall funktioniert einigermassen. Die beste Lösung ist die Anwendung Remmina. Diese Anwendung unterstützt Remote-Desktops über die Protokolle: RDP, VNC, X2GO, SFTP, SSH und das Remmina Web-Protokoll. Die Bedienung ist einfach und die Einstellmöglichkeiten sind vielfältig. Im Gegensatz dazu kann ich GNOME-Connections nicht empfehlen. Seit der Loslösung von GNOME-Boxes funktioniert darin bei mir gar nichts mehr; weder RDP noch VNC.

Remmina mit zwei Desktop-Sessions


Der wesentliche Punkt ist jedoch der Unterschied zwischen einer eigenständigen Desktop-Session und der Kontrolle einer laufenden Session. Um das zu erklären, möchte ich meinen Anwendungsfall aufzeigen, der mich zum Schreiben dieses Artikels bewogen hat.

Mein Raspi4 dient als Multifunktionswerkzeug. Er macht NAS, Musiksammlung (MPD), zeigt meine Bildersammlung und spielt Serien auf dem angeschlossenen Fernseher ab. Für die Bedienung verwende ich eine Mini-Tastatur mit Trackpad (Rii RT-MVVK01).

Den laufenden Desktop auf dem Fernseher mit der Mini-Tastatur zu bedienen, ist nicht besonders angenehm. Zum einen liegt es an der Grösse (Kleine) der Tastatur, zum anderen an der geringen Funk-Reichweite der Tastatur. Man muss einen Meter neben dem Raspi stehen, damit die Tastatur-Kommandos angenommen werden. Für die Bedienung der Desktop-Session wäre eine Fernsteuerung über einen Laptop am Wohnzimmertisch angenehmer.

Mit Remmina (RDP, VNC) ist das nicht möglich, weil dort nicht die tatsächliche Desktop-Session angezeigt wird, sondern eine neue Session gestartet wird. Somit sieht man kein Spiegelbild des Fernsehers, sondern eine neue Sitzung, was nicht zielführend ist.

Laufende Desktop-Session

Die Lösung dafür bieten solche Remote-Desktop-Lösungen, die die tatsächliche Sitzung spiegeln und remote bedienbar machen. Aus naheliegenden Gründen (weil proprietär) kommen dafür Teamviewer und Co. nicht infrage. In unserem HELP-Raum wurde als erster Lösungsansatz die Anwendung X2GO empfohlen. Dieser scheiterte daran, dass auf der Client-Seite Wayland nicht unterstützt wird. Danach habe ich RustDesk ausprobiert. Diese Anwendung funktioniert, allerdings übermittelt der Client keine Tastatureingaben an den Server, was vermutlich ebenfalls mit der unvollständigen Wayland-Unterstützung zu tun hat.

Wie so oft hatte Lioh die beste Lösung im Köcher, worüber sie in diesem Artikel geschrieben hat. Da der erwähnte Artikel keine genaue Anleitung enthält, möchte ich das jetzt nachholen. Die Lösung liegt in der Anwendung NoMachine, für die es eine Server- und eine Client-Installation gibt.

Falls die Zielmaschine ein Raspberry Pi ist, den man kontrollieren möchte, findet man unter dieser Adresse die Download-Dateien. Dort kann man zwischen Raspi 2, 3 oder 4 und der ARM-Version auswählen. Welche Version des Raspis ihr habt, solltet ihr wissen. Bei der ARM-Version wird es schwieriger. Mein Tipp: installiert die neueste Version. Falls es die Falsche ist, lässt das Betriebssystem es euch wissen. Für meinen Raspi 3 und 4 war die ARMv7 die richtige Version. Auf meinem Raspi4 sah die Installation so aus, nachdem man sich auf dem Zielgerät mittels SSH angemeldet hat:

wget https://download.nomachine.com/download/8.4/Raspberry/nomachine_8.4.2_1_armhf.deb
sudo dpkg -i nomachine_8.4.2_1_armhf.deb

Nach erfolgreicher Installation sollte man die Desktop-Session auf dem Server ab- und wieder anmelden. Es funktioniert zwar auch sofort; ich hatte aber beim Abspielen von Videos seltsame Effekte, die nach einer Neuanmeldung nicht mehr auftraten.

Den Download für den Client findet ihr hier. Auch hier gilt es, die richtige Auswahl zu treffen. Für meinen Arch-basierten Computer habe ich NoMachine aus dem AUR installiert. Es stehen DEB, RPM und TAR.GZ Pakete zur Verfügung, die heruntergeladen und je nach Distro installiert werden können. NoMachine gibt es leider nicht als Flatpak.

Nach der Installation präsentiert sich der Client so:

NoMachine sucht nach Geräten im lokalen Netzwerk, auf denen der NoMachine-Server installiert ist. In meinem Beispiel seht ihr einen Raspi4. Mit einem Doppelklick auf den Eintrag wird der Remote-Desktop gestartet:

Remote-Zugriff auf die laufende Sitzung des Ziel-Rechners

Schön ist, dass NoMachine "out-of-the-box" funktioniert. Es gibt zwar viele Optionen, mit denen man die Verbindung und Übertragung feinsteuern kann; muss man aber nicht. Die Log-in-Informationen (Username/Passwort) für den Zugriff auf den Ziel-Rechner kann man abspeichern, sodass bei einem Zugriff sofort der Desktop erscheint. Eine serverseitige Bestätigung, dass ein Remote-Zugriff angefordert wird, kann eingestellt werden, ist jedoch mit den Standardeinstellungen nicht nötig. Es erscheinen auf dem Server lediglich Pop-ups, die den Zugriff ankündigen.

Fazit

NoMachine ist eine gute Lösung, wenn man einen Fernzugriff auf die laufende Desktop-Session eines Gerätes im heimischen Netzwerk benötigt. Die Installation ist sehr einfach; eine Konfiguration ist möglich, aber nicht nötig.

Quelle: https://www.nomachine.com/de

Bildquelle: https://www.stephan-frank.com/wp-content/uploads/2020/08/internet-04.jpg

Tags

Remote-Desktop, Zugriff, LAN, Remote, Remmina, NoMachine

Markus
Geschrieben von Markus am 20. Februar 2023 um 10:10

NoMachine klingt interessant, das schaue ich mir beim nächsten Mal genauer an.

Remmina mit VNC kann das allerdings auch. Läuft hier zwischen Wohnung und Werkstatt-Keller, wo ein altes Thinkpad zwischen den Schraubendrehern mit einer Wandhalterung montiert ist :-)

Wenn ich mich recht erinnere, ist der Witz, dass man dem VNC-Server das x.org Display "0" der lokalen Sitzung mitgeben muss, und das geht über den passenden Netzwerk-Port (Hier: 5900. 5901 wäre dann Display "1" und eine separate Sitzung)

Da hab ich ewig rumgefrickelt und jetzt schon wieder die Hälfte vergessen... Aber ich weiß, wo es steht 😉 (ubuntuusers.de Wiki)

Sepp
Geschrieben von Sepp am 20. Februar 2023 um 15:19

Aus naheliegenden Gründen (weil proprietär) kommen dafür Teamviewer und Co. nicht infrage. [...] Die Lösung liegt in der Anwendung NoMachine

NoMachine ist doch auch proprietär, daher sehe ich den Vorteil nicht.

Ansonsten interessanter Artikel, die anderen Optionen werde ich mir mal ansehen!

imbecile
Geschrieben von imbecile am 20. Februar 2023 um 16:40

meshcentral?

The_Raven
Geschrieben von The_Raven am 20. Februar 2023 um 20:13

Spannend, NoMachine muss ich mal ausprobieren. Aktuell verwende ich x11vnc am server und vinagre am client. Funktioniert ganz gut aber x11vnc ist nicht ganz einfach zu installieren wenn man nicht weiss wie (ich habe dafür ein script gebastelt). Früher gab es bei Linux Mint vino das mit wenigen klicks eingerichtet war. Bis heute ist mir nicht ganz klar warum man das aufgegeben hat 😢 Das war eine tolle Sache im Heimnetz (oder via VPN).

Jan
Geschrieben von Jan am 20. Februar 2023 um 23:38

Ich habe noch einen sehr heissen Tip: wer den Überblick über seine vielen ssh, rdp und vnc verbindungen behalten will, sollte sich mal den Asbru Connection Manager anschauen :) und danke für den artikel!