Serie: Musik-Streamer - Tidal

  Ralf Hersel   Lesezeit: 7 Minuten  🗪 4 Kommentare

Auch dieser Musikstreamer möchte mit hoher Audioqualität und einer guten Vergütung der Künstler:innen überzeugen. Eines dieser Ziele erreicht Tidal.

serie: musik-streamer - tidal

In unserer Serie über Musikstreaming-Angebote darf Tidal nicht fehlen. Wie manche mitbekommen haben, hatte ich Probleme beim Anmelden eines Probe-Abos. Tidal kombiniert die Anmeldung und Registrierung in einem Fenster. Das macht durchaus Sinn, weil bestehende Accounts (Anmeldung) von nicht bestehenden Accounts (Registrierung) unterschieden werden können. Den Grund für meine Probleme mit der Registrierung liegt vermutlich an einem Uralt-Account, den ich irgendwann einmal erstellt habe. Nach langem Hin-und-her konnte ich einen neuen Account erstellen.

Die Firma

Nachdem die norwegisch-schwedische Technologiefirma Aspiro AB bereits seit 2010 mit WiMP einen Musikstreaming-Dienst angeboten hatte, wurde 2014 zusätzlich Tidal gegründet. Aspiro wurde im März des Jahres 2015 von dem Rapper Jay-Z übernommen. Daraufhin startete Tidal unter anderem mit dem Hashtag „#TIDALforAll“ eine großangelegte Werbekampagne in sozialen Medien. Auf einer Pressekonferenz am 16. März 2015 wurde bekannt gegeben, dass neben Jay-Z 16 weitere Künstler zu den Anteilseignern gehörten, darunter Beyoncé, Prince, Rihanna, Kanye West, Daft Punk, Jack White, Madonna, Alicia Keys, Usher, deadmau5, Nicki Minaj und J. Cole.

Im März 2021 gab Jack Dorseys Zahlungsunternehmen Square den Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an Tidal für 297 Millionen US-Dollar bekannt. Jay-Z soll im Vorstand des Unternehmens bleiben. Hinweis: Jack Dorsey ist auch der Kopf hinter dem Microblogging-Dienst BlueSky und Erfinder von Twitter. Im November 2021 kündigte Tidal eine direkte Künstlervergütung an. 10 Prozent der monatlichen Gebühr von TIDAL-HiFi-Plus-Abonnenten sollen an den im jeweiligen Monat persönlich meistgehörten Künstler gehen.

Das Angebot

Tidal bietet zwei verschiedene Abos an: HiFi und HiFi Plus. Ersteres liefert CD-Qualität (16 Bit, 44,1 kHz), beim zweiten erhält man HiRes-Qualität (bis zu 24 Bit, 192 kHz). Beide Abos gibt es für Einzelpersonen, Familien und Studierende.

Wer eine hohe Audioqualität wünscht, muss bei Tidal tief in die Tasche greifen. Für ein Jahr summiert sich das Abo auf 311 CHF. Den Euro-Preis für verschiedene europäische Länder habe ich nicht geprüft. Bei Qobuz kostet HiRes-Audio 15 CHF im Monat, das sind 180 CHF im Jahr und entspricht 58 % des Tidal-Preises; etwas mehr als die Hälfte.

Die Anwendungen

Die Liste der von Tidal unterstützten Hardware ist lang, sehr lang. Das beginnt bei Audio-Hardware von namhaften Herstellern, geht über Appliances im Auto und endet bei TV-Geräten noch lange nicht.

Selbstverständlich gibt einen Web-Player und Apps für Android und iOS. Trotz der grossen Auswahl findet sich nichts für GNU/Linux-Anwender:innen. Bei F-Droid gibt es lediglich einen Ad-Blocker und eine Steuerung für Onkyo-Geräte. Im Arch-Repo finden sich CLI-Clients, diverse Downloader und eine Electron-App, die den Web-Player abbildet. Eine Anwendung, mit der man Tidal auf einem Server betreiben und fernsteuern kann, habe ich nicht gefunden.

Den Web-Player seht ihr im Titelbild. Er ist aufgeräumt, enthält die von anderen Streaming-Diensten gewohnten Elemente, ohne es zu übertreiben.

Die Vergütung

Im Durchschnitt zahlte Tidal im Jahr 2023 etwa 0,013 Dollar pro Stream aus. Tidal ist einer der wenigen Streaming-Dienste, die mehr als 1 Cent pro Stream auszahlen, wobei Künstler etwa 80 Streams benötigen, um einen Dollar zu verdienen, und 80.000 Streams, um 1000 Dollar (etwa 880 Euro) zu verdienen. Für Künstler:innen sind Tidal und Napster die Streamingdienste to go, wobei Napster noch etwas mehr auszahlt als Tidal.

Die Musik

Um die Audioqualität zu testen, habe ich ein HiFi Plus Abo abgeschlossen. Tidal bietet einen Musikkatalog mit über 100 Mio. Titeln, so wie die meisten anderen Streaming-Angebote. Ich konnte keine Zahlen darüber finden, wie viel davon in HiRes-Qualität angeboten wird, weshalb ich eine Stichprobe gemacht habe. Zuerst möchte ich feststellen, dass sich der Web-Player und die Electron-App (Flatpak) nicht gleich verhalten.

Die höchste Qualität (Max) kann im Web-Player nicht gewählt werden, wohl aber in der Electron-App. Doch damit nicht genug. Meine Stichproben über ca. 10 Titel (in der Electron-App) ergaben ein seltsames Ergebnis.

Der letzte Screenshot zeigt die Qualitätseinstellungen bei der Wiedergabe von The Corrs - Forgiven, Not Forgotten. Denselben Effekt habe ich bei vielen anderen Songs ebenfalls gesehen. Die Qualitätsangabe (rechts unten) sagt HOCH, also CD-Qualität. Die Audioqualität sagt Max und die Anzeige "aktuell abgespielt" sagt HOCH, also CD-Qualität. Ich interpretiere das so: Die Einstellung der Audioqualität ist nur eine Anforderung, die nicht bei jedem Titel erfüllt werden kann. Welche Qualität tatsächlich zum Einsatz kommt, sieht man in der Vorschau (rechts unten) und bei "aktuell abgespielt".

Bei meiner Stichprobe habe ich 10 zufällige Titel aus meiner lokalen audiophilen Playlist ausgesucht: Nur drei davon konnte Tidal in Max-Qualität wiedergeben; die übrigen wurden in CD-Qualität abgespielt. Entschuldigung, aber dafür zahle ich doch keine 26 Franken im Monat.

Die Konnektivität

Für dieses Thema möchte ich einen eigenen Artikel im Rahmen dieser Serie schreiben. Deshalb fasse ich mich hier kurz. Soweit ich es bisher sehe, unterstützen Spotify, Qobuz und Tidal Connect Services. Das sind Implementierungen, die das Streamen von diesen Diensten über Server bzw. direkt an unterstützte Endgeräte ermöglichen. Dabei erfolgt die Steuerung über die bekannten Clients, die dann nur noch als Fernsteuerung, jedoch nicht mehr als Streaming-Quelle fungieren. Für viele Audio-afine Hörer:innen mit hochwertigem Audio-Equipment ist das ein relevanter Aspekt. Doch dazu mehr in einem weiteren Artikel in dieser Serie.

Fazit

Tidal ist teuer, wenn man HiRes-Audio hören möchte. Dabei ist die Auswahl an hochqualitativen Titeln geringer als bei Qobuz. Der Web-Player ist benutzerfreundlich und nicht zu sehr gepimpt, wobei das Geschmacksache ist. Wenn es um die Bezahlung der Musikschaffenden geht, rangiert Tidal unter den Besten. Die Unterstützung von verschiedenen Plattformen und Endgeräten (Connect) ist auch gut. Wenn Geld keine Rolle spielt, ist Tidal eine Empfehlung.

Nach allem, was ich bisher ausprobiert habe, ist Qobuz mein Favorit; doch das kann sich noch ändern. Gestützt wird dieser Eindruck durch viele Gespräche mit audiophilen Freunden.

Quellen:

https://tidal.com/

https://de.wikipedia.org/wiki/Tidal_(Musikstreaming)

https://www.lalal.ai/blog/music-streaming-payouts-2023/

https://duckduckgo.com/?q=tidal+connect+raspberry+pi&t=ffab&atb=v404-1&df=y&ia=web

Tags

Tidal, Musik, Musik-Streamer

Bernhard Reiter
Geschrieben von Bernhard Reiter am 4. März 2024 um 09:55

Falls mit "Steuerung für Onkyo-Geräte" auf Fdroid der Enhanced Music Controller Lite (https://f-droid.org/packages/com.mkulesh.onpc/) gemeint ist: Der kann deutlich mehr Geräte.

Zitat: "This app allows remote control of a Network Player or a Network A/V Receiver via the local network. The app supports Onkyo/Pioneer/Integra released in April 2016 or later and Denon/Marantz with build-in HEOS technology. Some TEAC models like Teac NT-503 are also supported."

Allerdings muss der Login für Tidal und andere Dienst wohl per " official Onkyo/Denon app additionally to this app" erfolgen.

Der Quelltext ist hier: https://github.com/mkulesh/onpc

Danke für den Test und die Hintergründe des Dienstes!

Schoeppi
Geschrieben von Schoeppi am 4. März 2024 um 21:45

Auch Tidal kann mit dem Logitech Mediaserver betrieben werden, der quelloffen verfügbar ist. Hochauflösende Inhalte, also das maximal Mögliche bei Tidal, kann damit abgespielt werden. Neben der alten, leider nicht mehr produzierten originalen Hardware von Logitech, können viele Player mit dem Logitech Mediaserver und damit auch mit Tidal genutzt werden, die Steuerung ist mittels diverser Apps oder auch über ein Webinterface möglich. Wer keinen Hardwareplayer nutzen möchte, greift auf Squeezelite zurück und emuliert damit quasi einen Player. Squeezelite läuft auf diversen Plattformen, u.a. den Raspberry PI, Squeezelite ist ebenfalls komplett open source.

Ob Tidal, Qobuz oder auch Spotify, mit dem Logitech Mediaserver ist also alles nutzbar, so lange ein PI, ein Rechner oder z.B. auch eine NAS, die die Installation von Paketen erlaubt, im heimischen Netz läuft. Player können selbst gebaut oder mittels UPNP genutzt werden.

Ich selbst würde mich auch als sehr audiophil bezeichnen und ich habe schon viele Player und diverse Abspielmöglichkeiten ausprobiert. Zwei Konstanten haben sich bei allen Versuchen etabliert...., Qobuz ist für mich persönlich klanglich der beste Streamingdienst und der Logitech Mediaserver ist seit mehr als 10 Jahren die einzige Software, die alle Hardwareplayer, Apps und sonstige Abspielvarianten überlebt hat ;-). Qobuz und den Logitech Mediaserver möchte ich als leidenschaftlicher Musikhörer und open source Anhänger also auf keinen Fall missen ;-).

Dirk Larisch
Geschrieben von Dirk Larisch am 5. März 2024 um 13:24

Tidal wird ab (10.) April 24 nur noch ein qualitativ hochwertiges Angebot haben. Die Qualitätssufe Hifi Plus wird es dann für alle geben. Die Preise sind die der der Qualitätsstufe Hifi. Insgesamt also ein sehr gutes Angebot.

Dirk Larisch
Geschrieben von Dirk Larisch am 5. März 2024 um 19:34

Ergänzend: Via AUR kann mensch via tidal-hifi-bin den Sound auch unter Linux genießen. Ein -git- und ein appimage-Paket gibt es auch.