Früher habe ich im Durchschnitt jeden Monat ein paar Singles oder eine Langspielplatte gekauft. In den 80ern war es auch üblich, sich Musikplatten zum Geburtstag oder zu Weihnachten zu schenken. Dann gingen die Jahrzehnte ins Land, aus dem Vinyl wurden optische Datenträger, die sich wiederum in USB-Sticks wandelten. Dann kam die lange Phase der Raubkopien aus dem Internet, die bis heute anhält, doch langsam und stetig durch Musikstreaming-Dienste abgelöst wird.
Man kann auf die alten Zeiten nostalgisch zurückblicken. Es waren Momente des Glücks, in einem Plattenladen durch die LP-Covers zu stöbern, um anschliessend 20 Deutsche Mark auf den Tresen zu legen und den Neuerwerb stolz in einer Plastiktüte nach Hause zu tragen. Dort angekommen, wurde die neue Platte sogleich auf den Dual-Plattenspieler (Thorens, bei den Besserverdienenden) gelegt und die Nadel vorsichtig in die Rille abgesenkt. Auch damals war die Tonqualität wichtig, weshalb manche Nerds, zusätzlich zum Tonarm, auch den Arm des Alkohol-betriebenen Nass-Abspielers zum Einsatz brachten. Wer sich das nicht vorstellen kann, hier ist ein Bild dazu:
Genug des Gesülzes. Nachdem bei GNU/Linux.ch-TALK des Öfteren über Musik-Streamer diskutiert wurde, ist es an der Zeit, eine Serie darüber zu starten. Warum gleich eine Serie? Weil es diverse Aspekte gibt, die einer näheren Betrachtung würdig sind.
Dies ist der Eingangsartikel, in dem ich alle Leser und Leserinnen zum Mitschreiben auffordern möchte. Ihr wisst es ja, wir sind ein Portal, bei dem die Community für die Community schreibt, und nicht Ralf für alle. Folgende Artikel zu dieser Serie sind bisher erschienen, oder sind geplant:
- Intro (das ist dieser Artikel)
- Freegal - Der Bibliotheken-Streamer
- Qobuz - Verspricht gute Tonqualität und faire Bezahlung der Künstler
- Tidal - Weniger HiRes als vermutet
- Roon - Der Metastreamer
- Konnektivität - Wie gelangt der Sound zu den Lautsprechern?
- Mopidy - Lass deinen Server streamen
- Payday - Wie viel erhalten die Künster?
- Internet-Radio - Es geht auch ohne Spotify
- Spotify - Der Platzhirsch
- Audioqualität - Was können eure Ohren?
- Deezer - Grosses Musikangebot
- Raspotify - Spotify headless streamen
- Napster - Alter Glanz
- Fazit - The winner is?
Zum Einstieg möchte ich meine ersten Eindrücke bei Spotify, Deezer und Tidal schildern. Bevor ich damit beginne, noch ein Wort zu den Kosten. Wie oben erwähnt, habe ich vor Jahrzehnten, bestimmt 20 bis 50 Euro (Mark) pro Monat für Musik ausgegeben. Daran gemessen, sind die 10 bis 20 Euro, die man heute für ein Musikstreaming-Abo bezahlt, angemessen, obwohl einem die Musik nicht gehört. Na ja, man kann sie herunterladen, womit sie euch quasi gehört.
Spotify
Ich habe seit vielen Jahren ein unbezahltes Abo bei Spotify und nutze diesen Streamer gelegentlich in der Desktop-App oder auf dem Smartphone. Das UI von Spotify gefällt mir nicht besonders gut; so sieht es aus:
Dabei handelt es sich um eine proprietäre Anwendung aus dem Flathub-Store, die vermutlich auf Electron basiert. Der Vorteil von Spotify ist, dass es Clients für diverse Umgebungen gibt: den Linux-Desktop, Android, iOS, Raspi und sogar eine Reihe von Open Source Clients. Für den Raspberry Pi gibt es mehrere Optionen, wie Kodi, Mopidy oder Raspotify.
Tidal
Auf den ersten Blick ist mir Tidal sympathisch, weil der Dienst mehr an die Künstler zahlt, als andere, und mit besserer Tonqualität wirbt. Deshalb habe ich heute versucht, ein Probeabo bei Tidal zu buchen. Es ist mir nicht gelungen. Ich wiederhole den letzten Satz gerne noch einmal: Mir ist es nicht gelungen, ein Abo bei Tidal abzuschliessen. Vermutlich habe ich mich in einer Dummheitsschlaufe verfangen. Es kann doch nicht sein, dass ein Dienstleistungsvertrag im Internet sich strikt dagegen wehrt, abgeschlossen zu werden. Bevor ich das erläutere, lösche ich den Browser-Cache, starte Firefox neu und versuche ein Pro-Abo abzuschliessen:
Man kann machen, was man will, es endet in einer Endlosschlaufe. Ich habe meine Frau und meine Nachbarn aufgeboten; niemand war in der Lage, ein Abo bei Tidal abzuschliessen. Damit endet dieses Kapitel.
Deezer
Mein bester Freund verwendet Deezer seit Jahren und ist zufrieden damit. Der Registrierungsdialog sieht schon einmal besser aus, als der von Tidal:
Die Registrierung bei Deezer funktioniert ohne Fehl und Tadel. Nach dem Anmelden kann man aus einer unendlichen Liste von Künstler:innen 15 Favoriten auswählen. Ich habe 50 gewählt. Aus dieser Auswahl wird das Anfangsangebot für deine Musikvorschläge generiert. Das gefällt mir, obwohl die anfängliche Auswahl nie abschliessend sein kann.
Das UI der Deezer-WebApp erscheint mir aufgeräumter, nachvollziehbarer und angenehmer als bei Spotify. Die Tonqualität ist sowohl bei Spotify, als auch bei Deezer schlecht, bei Spotify ist sie jedoch einen Deut besser als bei Deezer. Ich sage das, obwohl meine Ohren 59 Jahre alt, aber geschult sind. Ausserdem höre ich mit hochwertiger Hardware ab. Und jetzt kommt mir nicht mit Kommentaren wie: "Ab CD-Qualität hört man keinen Unterschied mehr". Doch, man hört einen Unterschied, insbesondere, wenn man mit audiophilen Kopfhörern oder Lautsprechern seine Musik geniesst.
Ohne es genauer geprüft zu haben, bietet Deezer weniger Clients für verschiedene Plattformen als Spotify. Es gibt ein Flatpak, welches eine Authentifizierung über den Webbrowser benötigt. Es ist ebenfalls eine Electron-WebApp:
Sorry, wenn ich 15 Franken im Monate bezahlen soll, brauche ich weder eine WebApp, noch Web-Authentifizierung. Damit ist Deezer für mich aus dem Rennen.
Fazit
Es ist vermessen, in der Einleitung zu dieser Serie bereits ein Fazit zu ziehen; ich mache es trotzdem, aber ganz einfach:
- Spotify
- Deezer
- Tidal
Überzeugt hat mich keines dieser Angebote.
Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr das Thema dieser Serie aufgreift, und selbst einen Beitrag zu einem der oben genannten Aspekte von Musik-Streamern schreibt.
Bildquelle: https://www.rts.ch/2018/05/18/10/00/9579337.image
Zumindest deutsche Stadtbibliotheken haben in ihrem Digitalangebot oft eine Kooperation mit "FreeGal" (freegalmusic.com). Dort kann man über seinen Bibliotheksausweis mehrere Stunden/Tag Musik streamen und bis zu 3 Titel/Woche DRM-frei herunterladen und behalten.
Das unbezahtle Spotify Abo funktioniert ganz gut mit der Android App Spotube (https://f-droid.org/de/packages/oss.krtirtho.spotube/) ;).
Qobuz ist mit Abstand mein Favorit. Erstklassige Tonqualität, die sich auch mit audiophilen Gerätschaften bestens versteht und selbst Tidal in den Schatten stellt. Übersichtliche App. Und als Zugabe ein lesenswertes Magazin mit Interviews, Reviews und technischen Beiträgen, das in die App integriert ist. Bezahlweise an die Musizierenden vergleichbar fair mit Tidal.
So unterschiedlich sind die Höreindrücke: Ich persönlich schätze die Qualität der Streams von Tidal und Deezer- Spotify stinkt dagegen bei mir ab. Wenn man bei Tidal etwas tiefer in die Tasche greift, gibt es Hires-Audio auf die Ohren: Hört man das? Mit guten Kopfhörern und dem richtigen Material vielleicht ein bisschen. Würde ich dafür extra zahlen? No way.
Mir geht Streaming inzwischen gehörig auf die Nüsse und ich plane eher wieder zurück zu Usenet und Downloads zu wechseln.
Aus für mich nicht z.T. nachvollziehbaren Gründen fehlen einzelne Songs, Alben oder ganze Bands; und das, was ich heute hören kann, steht mir ggf. morgen nicht mehr zur Verfügung.
Naja, nachvollziehbar ist das schon. Geht halt wie immer ums Geld (Lizenzen).
Ich habe "für den Notfall" ein TIDAL-Abonnement, halte Spotify mit seinem Unwillen, Künstler angemessen zu bezahlen, für eine Frechheit und habe trotzdem (oder: deswegen...) einen reich befüllten Plattenspieler. Meine Platten sind in 50 Jahren noch da. Und eure Streamingdienste? ;-)
Ich höre viel Musik und habe eine große lokale Bibliothek, welche ich durch TIDAL und Qobuz ergänze. Dafür laufen auf einem NUC Roon, Plex(amp) und LMS - jeder hat seine Vor- und Nachteile. Dazu in jedem Raum ein Raspberry Pi mit Ropieee als Empfänger. Ich bin damit sehr zufrieden und kann die schlechte Soundqualität von TIDAL nicht bestätigen. Spotify habe ich seit Jahren nicht mehr - kein HiFi, überall werden einem Podcasts untergeschoben, schlechtere Bezahlung der Künstler,…
Ich bin von Spotify (wegen der großen Entlassungswelle) weg und hatte Deezer als nächstes getestet. Ich muss dazu sagen, dass meine Tochter Diejenige welche ist😁. Dann wollte ich als nächstes zu Tidal und bin dazwischen hängen geblieben. Auf Grund des Artikels (danke dafür) habe ich eine Registrierung gestartet und verstehe das Problem nicht. Bin bis zum Registrieren Button durch ohne ein Problem und diese würde auch funktionieren. Was Deezer angeht, so scheint lt. meiner Tochter (17) alles gut zu sein. App läuft auf einem Pixel 6a mit CalyxOS und microG. App kommt vom Aurora Store. Was mir auf den Kittel geht, ist die penetrante Werbung bzw. Rekrutierungsversuche. Das nervt gewaltig! Alles andere ist finde für mich (uns). Tidal werden wir wohl noch testen Was mich auch bei all den Tests interessieren würde: Alternative Apps mit FOSS Flair.
Sehe ich genauso. Auch DRM ist sehr nervig. Insbesondere unter GNU Linux.
Dieser Kommentar sollte eigentlich eine Antwort auf Art sein. Habe mich wohl verklickt. Ist das korrigierbar?
Spotify & Co sind Vernichter kultureller Vielfalt. Nachwuchskünstler und kleine Acts, zum Beispiel Nischengenre wie Jazz und Klassik, können von den Einnahmen kein Einkommen generieren. Zur Zeit ist mir leider nur eine einzige für Musikschaffende faire Plattform bekannt: Bandcamp.
@Ralf Von und für Spotify gibt es ein Debian-Paket, was Spotify als Dienst auch nicht besser macht.
https://www.spotify.com/us/download/linux/
Ich werfe Jamendo in den Ring. Ist für alternative lizenzfreie Musik. Also kein Kommerz. Wahrscheinlich deshalb auch bei den meisten raus. Hier gab es Kommentare, die Vielfalt wünschen. Bitte schön. Ich nutze es sehr selten ohne Anmeldung. Die Künstler können über Jamendo direkt bezahlt werden.
Und dazu passt Bandcamp, wenn es auch mal abseits vom Mainstream sein darf.
Bei Bandcamp können die Künstler genau bestimmen, wie die Fans ihre Musik beziehen können. Auch hier kann Musik gekauft werden, die Kohle kommt weitestgehend den KünstlerInnen zu, mein letzter Stand ist, dass die Plattform max. 15% kassiert. Die Songs können in verschiedenen Formaten runtergeladen und zusätzlich als Stream angehört werden.
Hallo, zum Thema Spotify gibts einen schönen 3-teiligen Podcast in der ARD-Audiothek. https://www.ardaudiothek.de/episode/wild-wild-web-geschichten-aus-dem-internet/geisterjagd-das-spotify-geheimnis-teil-1/ard/12887709/ https://www.ardaudiothek.de/episode/wild-wild-web-geschichten-aus-dem-internet/goldgrube-das-spotify-geheimnis-teil-2/ard/12908633/ https://www.ardaudiothek.de/episode/wild-wild-web-geschichten-aus-dem-internet/duell-der-giganten-das-spotify-geheimnis-teil-3/ard/12929311/
Grüße Ralf
Als alternativen Streamingdienst ist mir noch Soundcloud bekannt, ist eine Mischung zwischen Streamingdienst und Social Media für Musikkünstler. Es wird meines Wissens ein Programm (Soundcloud Premier) angeboten, mit dem Künstler, insbesondere auch unbekannte/klein Künstler, faire Einnahmen erhalten sollen. Einen Client für Linux gibt es nicht und Open Source ist wohl auch nichts, aber über eine API gibt es wohl den einen oder anderen Client auch für Linux.
Hallo Ich vermisse https://nonoki.com/ Bei den Anbietern Bezahlt werden dort die Künstler wohl über YouTube Vielen Grüße Mkuh