Serie: Ralf testet Plasma - Teil 5

  Ralf Hersel   Lesezeit: 6 Minuten  🗪 5 Kommentare

Schlussbetrachtung und Empfehlung.

serie: ralf testet plasma - teil 5

KDE Plasma auszuprobieren, war für mich eine schöne Erfahrung in der Welt der Desktop Umgebungen. Ich habe es genossen, die Vielfalt von KDE Plasma zu entdecken und mir meinen persönlichen Desktop zu konfigurieren. Das Ergebnis könnt ihr in Folge 4 betrachten. In der letzten Folge dieser Serie, möchte ich sowohl meine Meinung zu KDE Plasma mitteilen, als auch über Desktop Umgebungen im Allgemeinen schreiben.

Mir hat es viel Spass gemacht, mit KDE Plasma zu experimentieren, die Standard-Anwendungen zu entdecken und der Oberfläche meinen Stempel aufzudrücken. In diesem Beitrag fasse ich meine Eindrücke zusammen, betrachte den Desktop von einer höheren Warte, und gebe Empfehlungen ab.

KDE Plasma

Die "KDE Plasma Desktop Umgebung" ist ein führender Vertreter der Benutzeroberflächen in der GNU/Linux-Welt. Eine Trendanalyse über das letzte Jahr zeigte ein gleich verteiltes Interesse an GNOME und KDE.

Quelle: Google Trends

Hinsichtlich der Konfigurierbarkeit des Desktops, aber auch der Standard-Anwendungen, kenne ich nichts Vergleichbares. Wem das wichtig ist, findet bei KDE Plasma die richtige Umgebung. Aber auch bei der Unterstützung verschiedener Workflows werden bei Plasma unterschiedliche Ansätze geboten. Wer möchte, kann in KDE Plasma jeden anderen Desktop und Workflow nachbauen. Daher vergebe ich fast die höchste Punktzahl für die Systemeinstellungen, die Standard-Anwendungen, die Anpassbarkeit des Workflows und die Personalisierbarkeit (Theming). Warum nur 'fast' die höchste Punktzahl? Weil sie es übertrieben haben; die Einstellmöglichkeiten gehen so weit, dass es häufig schwierig ist, die gesuchte Einstellung zu finden.

Wer sich nun wundert, warum ich ein derart positives Fazit ziehe, hat meine Schlussbemerkung noch nicht gelesen. Das dicke Ende kommt jetzt. Nach meiner Meinung ist KDE Plasma eine Desktopumgebung ohne Vision. Die Entwickler haben alles gegeben und alles gemacht, was möglich ist (und noch mehr). Das führt bei mir zum Eindruck: "Nimm diesen Baukasten und mache daraus was du willst." Für Viele mag das die grosse Freiheit sein; andere sind damit überfordert, weil sie nicht sehen, wohin KDE Plasma will. Dieser Desktop folgt der Devise "viel hilft viel".

Ich empfehle KDE Plasma allen Anwendern und Anwenderinnen, die gerne an der Werkbank stehen und an jeder Schraube drehen möchten. Alle, die selbst eine genaue Vorstellung davon haben, wie ihre Arbeitsumgebung aussehen soll, sind mit KDE Plasma sehr gut bedient.

GNOME

Die GNOME-Shell ist, aus meiner Sicht, der Antipode zu KDE Plasma. Dort kann man nur sehr wenige Dinge konfigurieren, obwohl sich diese Situation in den letzten Versionen verbessert hat (wir werden darüber demnächst in einem eigenen Artikel berichten). Viele Sachen lassen sich nur über (wacklige) Extensions realisieren. Die Standard-Anwendungen (Datei-Manager, Text-Editor, Bildbetrachter, usw.) bieten nur rudimentäre Funktionen, die sich kaum erweitern lassen. Das Design ist strikt vorgegeben; da gibt es keine Einstellungen, die das Aussehen und Verhalten grundsätzlich verändern (so wie bei KDE Plasma).

Aber, GNOME hat eine Vision. Die GNOME-Entwickler folgen einem Satz von Ideen, die sich vielleicht mit diesen Adjektiven beschreiben lassen: stylisch, eigenständig, reduziert, konsistent. Ich empfehle GNOME-Shell allen Anwendern und Anwenderinnen, die sich nach 5-minütigem Ausprobieren in den Desktop verlieben und Freunde des K.I.S.S.-Prinzips sind. Wer nach 10 Minuten Bedenken hat, und vom Wunsch getrieben ist, dieses, jenes und Weiteres verändern zu wollen, wird mit GNOME nicht glücklich werden.

Xfce

Während KDE Plasma und GNOME-Shell zu den grossen, modernen Desktop Umgebungen gehören, ist Xfce eher der bescheidene Underdog. Xfce gibt es bereits seit 1996 und wurde seitdem in moderaten Zyklen weiterentwickelt. Ich würde diese Umgebung als "das Debian unter den Desktops" bezeichnen: stabil, konfigurierbar, unspektakulär.

Das Projekt beschreibt sich selbst so:

Xfce ist eine leichtgewichtige Arbeitsumgebung für UNIX-ähnliche Betriebssysteme. Ziel ist es, schnell und ressourcenschonend, aber auch optisch ansprechend und benutzerfreundlich zu sein.

Wer sich nicht zwischen Alles (KDE Plasma) oder Nichts (GNOME-Shell) entscheiden kann, dem empfehle ich Xfce. Damit kann man kaum etwas falsch machen. Diese Desktopumgebung bietet eine ausgewogene Mischung zwischen Schnelligkeit, Konfigurierbarkeit und optischem Erscheinungsbild.

Bei aktueller Hardware, spielt die Geschwindigkeitsfrage kaum eine Rolle, weil alle Desktops schnell genug laufen. Zwar habe ich in dieser Serie die Zähigkeit von KDE Plasma bemängelt, das ist jedoch 'Jammern auf hohem Niveau', sowohl KDE als auch GNOME laufen schnell genug, um damit ohne Probleme arbeiten zu können. Bei älterer Hardware kann das eher ein Problem sein; dann ist Xfce evtl. die bessere Wahl.

Butter bei die Kartoffeln

Trotz meiner überwiegend positiven Äusserungen zum KDE Plasma Desktop, schlägt mein Herz weiterhin für die GNOME-Shell und den Xfce-Desktop. Obwohl ich die vielen positiven Punkte bei KDE Plasma sehe und anerkenne (rational), sind mir GNOME und Xfce sympathischer (emotional).

Was ist eure Meinung dazu?

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Plasma, KDE, GNOME, GNOME-Shell, Desktop, Umgebung, Folge

Stefan
Geschrieben von Stefan am 4. Oktober 2021 um 11:03

Ich nutze seit 2013 XFCE weil es resourcenschonend, gut konfigurierbar, aufgeräumt und übersichtlich und optisch ansprechend ist. Die Optik lässt sich ja auch nach belieben verändern. KDE ist mir mit viel zu vielen Funktionen überladen und zu unübersichtlich. Mit dem GNOME Desktop kann ich mich leider weder optisch noch vom Bedienkonzept her anfreunden. Meine Workflows lassen sich am schnellsten mit XFCE erledigen.

orbit
Geschrieben von orbit am 4. Oktober 2021 um 11:55

Ein gnome-junkie testet KDE und ist dabei offen genug, die Sache objektiv zu bewerten. Teil 5 ist für mich der beste Teil dieser Serie und stellt die Philosophie von gnome und KDE super in den Vergleich. Gratulation dafür. Das taugt aus meiner Sicht für ein Desktop-Lehrbuch. Ich selbst werde mit gnome nicht warm, obwohl ich die Philosophie bei der Integration von gnome 40 in Fedora 34 erstmalig intuitiv erfassen konnte. Möglicherweise liegt meine Aversion daran, daß ich seit DOS-Zeiten dabei bin und klassische Menüs zu sehr verinnerlicht habe. Insgesamt finde ich die Vielfalt der Linux-Desktops super. Sicher ist manchmal weniger auch mehr. Gerade deshalb finde ich die Konfigurations-Tiefe von KDE eigentlich gut, obwohl ich KDE Plasma bisher nie selbst verwendet habe. Möglicherweise müßte man sonst noch mehr Desktop-Oberflächen anbieten. ;-)

kamome
Geschrieben von kamome am 4. Oktober 2021 um 16:10

Danke für diese Serie!

GNOME […] stylisch Dumm nur, wenn einem der „Style“ nicht gefällt ;) Die Fensterdekorationen finde ich nicht nur schrecklich, sie pfuschen dank Client-Side-Decorations auch noch ins geliebte Design, wenn man ein DE Server-Side-Deco verwendet. Das finde ich ärgerlich, wenn ich z. B. Simple Scan unter Plasma verwende.

pixel
Geschrieben von pixel am 4. Oktober 2021 um 17:38

Hallo,

ich war KDE-User der ersten Stunde (1998 / KDE 1) und war dem Desktop lange treu. Ich habe jedoch regelmässig auf Testrechnern andere Desktops ausprobiert.

Was mich an KDE bzw. Plasma wie es sich heute nennt immer gestört hat war die schlechte Integration von GTK-Programmen. Da war der Datei öffnen Dialog plötzlich eine Gnome-Dialog mit Doppeklick und ebenso bei Drucken. Auch hier kamen plötzlich Gnome-Dialoge.

Alles in allem war das für mich der auf seinem Arbeitsplatz PC ausschliesslich mit Linux arbeitet alles andere als befriedigend. Klar, mag sein dass man dies alles mit viel Handarbeit alles lösen hätte können aber daran bin ich trotz langer Erfahrung gescheitert.

Da ich viel mit GTK-Anwendungen (Gimp, Firefox, Darktable ....) arbeite habe ich vor ca. zwei Jahren habe ich dann "den Wechsel" beschlossen und Ubuntu (Standard-Desktop) installiert.

Mit diesem Desktop bin ich überhaupt nicht zurecht gekommen bzw. täglich bei der Arbeit behindert und ich musste erneut die Reissleine ziehen. Mit Linuxmint und dem Cinnamon bin ich dann glücklich geworden.

Bei den Desktops ist es also wie so oft unter Linux. Es ist für jeden etwas dabei :-)

Beste Grüße aus dem Schwarzwald

tuxnix
Geschrieben von tuxnix am 6. Oktober 2021 um 15:40

Ich nutze KDE-Plasma so wie es ist. Eine Überkonfigurierbarkeit fällt mir gar nicht auf, weil ich nur dann an etwas schrauben möchte, wenn ich spezielle Anforderungen habe. Ich halte es für einen logischen Fehlschluss Plasma schlechter zu Bewerten nur weil es viele Möglichkeiten eröffnet.

Was Desktops allgemein betrifft, so dürfte bei den persönlichen Vorlieben der Gewöhnungsfaktor die grösste Rolle spielen. Dass was praktisch ist, ist das was man gewohnt ist.

Insgesamt geht es uns bei Linux damit hervorragend. KDE-Plasma hat mit dem Debakel bei der Einführung der vierten Version gelehrt, kontinuierliche Innovation einzubringen ohne den User damit aus dem Takt zu bringen. Xfce bedient immer noch Hardware ohne openGL und die langsame Entwicklungsgeschwindigkeit passt hervorragend zu den Usern die sich nicht dauernd mit dem Desktop beschäftigen wollen. GNOME kann es sich deshalb auch leisten nach dem paradigmengesteuerten Ideal einer 'reduce to the max' Benutzerführung zu forschen und jedesmal mit einem neuen Zyklus alles abzubauen was unnötig erscheint um es dann allmählich wieder auf User Wunsch hinzuzufügen. Die vielen Nebensprosse von GNOME beweisen, dass nicht alle User mit dieser Politik zurecht kommen. Genauso belegen aber auch die vielen Anhänger von GNOME, dass das Resultat jedes mal sehr positiv ausfällt.