Serie - Strukturierte Notizen: GNU Emacs im org-mode

  Lian Begett   Lesezeit: 5 Minuten  🗪 5 Kommentare

GNU Emacs ist bekanntermaßen das Programm, das alles kann. Sein Modus org-mode erlaubt es, in simplen, einfach lesbaren Rohtext verschiedenste interaktive Funktionen einzubetten: ein- und ausklappbare Überschriften, Tabellen, To-Do-Listen und vieles mehr. Wer sich zum Beispiel ein persönliches Wiki zur Organisation von Informationen aufbauen will, kann im org-mode mit internen und externen Hyperlinks arbeiten. Aber nicht nur für Wikis sind diese org-mode-Hyperlinks nützlich.

serie - strukturierte notizen: gnu emacs im org-mode

GNU Emacs ist bekanntermaßen das Programm, das alles kann. Selbst wer Emacs nie verwendet hat, hat sicherlich zumindest im Rahmen des sogenannten Kriegs der Editoren von dem Textbearbeitungsprogramm mal gehört. Man kann mit Emacs viel anstellen: Mails schreiben, Lisp interpretieren, To-Do-Listen und Aufgabenagenden anfertigen, Dateien managen, Nachrichten lesen, Musik hören, sogar den Nintendo Game Boy emulieren. Wer religiöse Züge hat, könnte sogar der Kirche Emacs beitreten. Und natürlich kann das Textbearbeitungsprogramm auch Text bearbeiten.

Eine der noch eher am Boden der Tatsachen verweilenden Features aber ist der org-mode. Dieser Modus, in den sich Emacs setzen lässt, ist darauf ausgelegt, ein Dokument in einer Auszeichnungssprache schreiben zu können, die von Emacs so interpretiert wird, dass wie durch Zauberhand allerlei interaktive Elemente entstehen. Ohne dabei ein einschlägiges binäres Format benutzen zu müssen, lassen sich so in reinen lesbaren Rohtext interaktive und funktionale ein- und ausklappbare Überschriften und Paragrafen, Tabellen, To-Do-Listen und vieles mehr einbinden.

Org-mode vollständig zu erklären, würde aber auf jeden Fall den Rahmen des Artikels sprengen. Lasst uns stattdessen über ein Feature reden, das uns erlaubt, kinderleicht Dinge wie persönliche Wikis zu erstellen: Hyperlinks. Es gibt viel spezialisierte Software für persönliche Wikis - Zim, Tomboy, um nur zwei zu nennen - aber wer das Kontrollschema und die vielen Funktionen Emacs', wie zum Beispiel Bufferverwaltung oder den eingebauten Screenreader nicht missen will, kann auch den Emacs org-mode dafür verwenden.

Wie man es bei Emacs gewohnt ist, hat auch dieses Randfeature einen überraschend großen Funktionsumfang. Die Syntax ist einfach: Ein Link von jeweils zwei rechteckigen Klammern umschlossen wird so im Dokument interaktiv und kann angeklickt werden. Das umfasst Hyperlinks in das Internet, aber auch viele andere Linktypen: Ein Dateipfad beispielsweise verlinkt auf eine Datei im eigenen Dateisystem. Ein String, der mit 'mailto:' beginnt, verlinkt eine Mail-Adresse (die direkt im Emacs-eigenen E-Mail-Client geöffnet werden kann), und genauso verhält es sich mit DocView, Usenet, Rmail, Gnus, BBDB, IRC und Info Nodes. Damit man nicht überall Links herumfliegen hat, lässt sich mit dem Format [[Link][Beschreibung]] auch ein Hyperlink mit anderem Anzeigetext einbinden.

Auch interne Links sind möglich: wenn beispielsweise einfach nur irgendein Text als Link vermerkt ist, wird beim Klick eine Suche nach diesem Text im aktuellen Dokument gestartet. Ebenso mit IDs ausgestattete Elemente wie in HTML lassen sich damit finden; was die Navigation in besonders großen Artikeln vereinfacht.

Theoretisch lassen sich so eine Menge Möglichkeiten erdenken: ein Wiki über die eigenen Kontakte inklusive Mail- und IRC-Links, schnelles Einbinden externer Webseiten in enzyklopädischen Artikeln, Verweise auf Bilddateien im eigenen Dateisystem. Natürlich ist der Hauptanwendungszweck aber ein persönliches Wiki: zum Beispiel für jene, die sich wissenschaftlich oder kreativ betätigen und eine Organisationsform, für ihre Gedanken und Notizen brauchen, die Querverweise erlaubt. Wer beispielsweise Fantasy-Welten für das Tabletop-Rollenspiel erfinden, die Charaktereigenschaften aller Nebenrollen für eine Romanreihe organisieren oder eine Rezeptsammlung verwalten will, kann von einem eigenen Wiki profitieren, das mehrere lokale org-mode-Dateien über Hyperlinks zusammenhängt.

Es gibt gegenüber alternativen Methoden einige Vorteile, ausgerechnet den org-mode für solche Wikis zu verwenden:

Erstens ist die resultierende Datei als reiner Rohtext leicht lesbar und sehr Speicherplatz sparend; und über die allgemeinen Vorteile des Rohtexts im Vergleich zu einschlägigen Formaten hat GNULinux.ch bereits vor einigen Monaten berichtet.

Zweitens bietet org-mode natürlich all den Komfort der Emacs-Bedienung, die es anderswo nicht zu haben gibt: die charakteristischen Tastenkürzel zur Navigation durch und Bearbeitung von Text, Buffer, Emacs Lisp, sowie unzählige Module und Erweiterungen.

Drittens lassen sich natürlich nicht nur grundsätzliche Formatierungen und Hyperlinks im Dokument einbinden, sondern die gesamte Power von org-mode: das schließt automatisch generierte Aufgabenorganisation, Tags, Datum und Zeitintegration, LaTeX, die umfänglichen Exportfunktionen und vieles mehr mit ein. Apropos Exportfunktionen: wer am Ende das Wiki nicht als Rohtext, sondern als fertiges Produkt exportieren will, kann sich über eine ganze Bandbreite an Exportfunktionen freuen, inklusive HTML, LaTeX, iCalendar und vieles mehr.

Wer sich aber nicht in GNU Emacs wohlfühlt und doch eher eine intuitive Erfahrung ohne Lernen eines doch recht idiosynkratischen Texteditors bevorzugt, sollte sich anderweitig umschauen. Alternativen gibt es genug; beispielsweise mit der freien Software Tomboy und seiner Weiterentwicklung Tomboy-NG. Tipp: Ein Link kann auch ohne manuelle Klammersetzung einfach in einem org-mode-Dokument erzeugt werden, indem man die Tastenkombination C-c C-l drückt. Dasselbe Kürzel ermöglicht es auch, einen existierenden Link wieder zu bearbeiten.

Zum Weiterlesen empfiehlt sich der orgmode.org Guide zum Thema Hypertext.

Tags

Notizen, Serie, Emacs, Links, Outliner, Organisation

Christoph
Geschrieben von Christoph am 22. September 2022 um 11:29

Wenn man sich in Emacs nicht wohlfühlt, könnte man es noch mit Spacemacs versuchen. Er verspricht bessere Tastenkürzel und ein runderneuertes Editierfeeling, insofern als er aus Emacs einen modalen Editor wie VIM macht. (https://www.spacemacs.org/) Ich hab ihn aber nie ausprobiert.

kamome
Geschrieben von kamome am 22. September 2022 um 13:34

Dann wäre aber auch gleich vim mit vimwiki denkbar – oder, wenn man ohnehin auf asciidoc steht: vviki.

Poldi
Geschrieben von Poldi am 25. September 2022 um 22:48

Als Alternative zu Spacemacs sei noch Doom Emacs genannt. Das lief bei mir zumindest deutlich performanter als Ersteres.

Stanok
Geschrieben von Stanok am 13. Oktober 2022 um 11:51

Hat jemand Tipp wo ich ein gutes Tutorial für blutigen Anfänger auf deutsch finde?

Doom
Geschrieben von Doom am 2. Mai 2023 um 11:20