Spielreview: "Shattered Pixel Dungeon"

  Bernhard Reiter und Piet Fischer   Lesezeit: 9 Minuten  🗪 3 Kommentare

In diesem freien Rogue-like-Spiel kämpfen sich Zocker durch zufällig generierte Verliese.

spielreview: "shattered pixel dungeon"

Das rundenbasierte Freie-Software-Spiel "Shattered Pixel Dungeon" macht lange Freude, weil es sein Fantasy-Verlies bei jedem Versuch neu generiert. Du kannst das Spiel gut mit Fingern bedienen und auf vielen Plattformen spielen. Erhalte Erfahrungspunkte durchs Ausschalten von Monstern in fünf Zonen. Komplettiere deine Ausrüstung, gewinne an Stärke und stelle dich den fünf Bossen.

Ein Erfahrungsbericht aus dem Zufalls-Verlies

Hat er mich gesehen? Schnell noch zwei, drei Felder vor, ums Eck. Ja, da steht seine aktive Energiequelle. Ein rotierender Starkstromblitz beschützt sie - wenn er mich erwischt, bin ich meine letzten 50 Lebenspunkte schnell los. Zum Glück kann ich aus der Ferne mit meiner langen Harpune in den Leitungen stochern. Einmal, zweimal, dreimal... geschafft! Mit einem dumpfen Knall raucht eine der Kraftquellen des krawalligen Roboters ab, der mir hier nach dem Leben trachtet und alles niederwalzt. Schon donnert die metallene Stimme des DM-300 durch das Verlies. Er stelle wieder auf Bodenstrom um, verkündet er lautstark, und dass er mich eliminieren würde. Boah, der nervt und sagt es auch noch. Dank meines Treffers ist er nun ein paar Runden lang verwundbar. Die Chance muss ich nutzen, da bricht er schon durch die Wand und speit Gift in meine Richtung. Ich schleudere ihm meinen letzten Trank des Frostes entgegen, haue zweimal mit meinem Schwert drauf und mache mich schnell aus dem Staub.

Plötzlich ruft jemand "Stopp" und alles im Verlies hört auf sich zu bewegen. Die Musik und Hintergrundanimation laufen weiter, aber wenn ich mich nicht bewege, beziehungsweise nirgendwo drücke, passiert auch nichts mehr. Ich kann verschnaufen und überlegen: Heiltränke: Schon verbraucht! Zauberstäbe: Sind entladen! Vielleicht habe ich noch ein paar Giftpflanzensamen im Beutel... Leider habe ich diesmal in den oberen Ebenen des Verlieses nur mittelmäßig gespielt, und deshalb dem unsympathischen redendem Blech nicht mehr genug entgegenzusetzen. Ich schaue dem Schicksal ins Auge: Mein Weg als Zweikämpferin endet vermutlich ein für alle Mal in dieser Ebene. Schade, gern hätte ich noch dem untoten Zwergenkönig, ein wenig tiefer, gezeigt, was eine Harke ist. Doch noch bin ich nicht tot, gleich wieder auf den DM-300 zu und ein letztes Mal das Schwert geschwungen für den Lucky Punch.

Viel Spannung, keine Wiederholungen und der "dauerhafte Tod"

Obwohl jeder Zug beim Spiel Shattered Pixel Dungeon unendlich lang überlegt werden kann, kommt viel Spannung auf. Besonders, da es keine Wiederholung gibt: Eine falsche Bewegung, oder ein Stolpern beim Schwerthieb und es ist aus. Dein Charakter ist tot und es bleibt nur ein Neustart mit einer frischen Figur; die verbesserten Gegenstände und angehäuften Runensteine sind weg. Der nächste Held betritt sogar ein neues Gemäuer, denn die Gänge und Räume werden neu ausgewürfelt. Viele Elemente kommen zwar immer wieder vor, aber wo und wann, das bestimmt der Zufallsgenerator.

Das Spielgenre nennt sich "Rogue-like". Zu gängigen Zutaten gehören der dauerhafte Tod, das rundenbasierte Spielprinzip, generierte Welten und zufällig auftauchende Gegenstände und Monster.

Wenn ein Spiel so gut gemacht ist, wie Shattered Pixel Dungeon, dann möchte mensch es gleich nochmal spielen und überhaupt nicht aufhören. Denn je mehr jemand über die internen Regeln der düsteren Welt weiß, desto weiter geht es - im Durchschnitt. Wer mehrmals dem Tod mit dem verzweifelten letzten Pfeil von der Schippe gesprungen ist, kann davon Geschichten erzählen. Und gerade wer die Regeln gut kennt, hat seinen Spaß - sieht sich schon beim ersten Bossgegner und bei jeder Handlung auf dem guten Weg dem Endgegner das Amulett von Yendor zu entreißen.

Das Spiel ist schwer, aber tatsächlich bringt Erfahrung und Nachdenken weiter. Mir gefällt das gut, denn sorgfältiges Lesen und logische Ideen lohnen sich. Das hebt sich angenehm von anderen Spielen ab, die heute auf Mobilgeräten angeboten werden. Oft betteln diese nur um Aufmerksamkeit, damit mehr Geld von Werbetreibenden eingenommen werden kann. Entsprechend belohnen solche Spiele diejenigen, welche viel Zeit mit ihm verbringen. Die Spielerfahrung rückt hinter die Kaufanreize. Wer jeden Tag fleißig die Schatztruhe des Tages anklickt, gewinnt irgendwann.

Ein Genre für Tastaturliebhaber - auf dem Smartphone?

Ursprünglich wenden sich Rogue-like-Spiele - wie "Nethack" - an Tastaturbediener, denn dort hat praktisch jede Taste eine eigene Aktion, wie zum Beispiel trinken oder treten. Damit lässt sich mit entsprechender Übung effektiv spielen. Beißt sich nur leider mit Smartphones, die seit dem N900 von Nokia eigentlich keine Tastatur mehr haben. Shattered Pixel Dungeon dagegen schafft es mit reinem Antippen, die vielen Handlungen angenehm spielbar zu machen. Es wirkt fast einfach, und so lohnt sich ein Blick auch für diejenigen, welche mal sehen wollen, wie Komplexität sich auf Fingerberührungen abbilden lässt.

Die Karte des Verlieses kann mit zwei Fingern groß und klein gezogen werden, wie bei digitalen Landkarten aus anderen Anwendungen. Wenn eine Fern- oder Nahkampfwaffe zum Einsatz kommt, ist das wahrscheinlichste Ziel bereits markiert und es braucht nur einen weiteren Druck zum Angriff. Hier haben der Autor des Spiels und sein Vorgänger genau analysiert, welche Aktionen als nächstes gefragt sind. Von dem Vorgehen können sich viele eine Scheibe Usability abschneiden.

Ein eigenes Spiel dank Softwarefreiheit

Wer mag, kann aus Shattered Pixel Dungeon auch sein eigenes Spiel machen, denn es ist Freie Software unter der GNU 'GPL-3.0-later'-Lizenz. Der Autor Evan Debenham wohnt in Kanada und hat vor mehr als einer Dekade damit angefangen das Spiel "Pixel Dungeon" von Oleg Dolya aka watabou zu verbessern. Evan dürfte mittlerweile deutlich mehr Aufwand reingesteckt haben, als mit der Vorlage kam. Trotzdem erwähnt er es immer wieder, und dass er allein kein Spiel hätte stemmen können. Musik, Titelgrafiken und die vielen Übersetzungen kommen von Freiwilligen. (Offenes Visier: der Autor hat bei der deutschen Übersetzung ein paar Stunden geholfen.)

Letztes Jahr im März habe ich Evan interviewt und er gab an, vom freien Spiel Shattered Pixel Dungeon leben zu können. Auf der Spendenplattform Patreon erhält er im Juni 2023 rund 680 €/Monat. Noch erfolgreicher sind allerdings die Veröffentlichungen auf den proprietären App-Läden, welche kostenpflichtig sind oder die Bezahlfunktion für Spenden nutzen. Auf der Haupt-Seite gibt es die Mobilversion und Desktop-Versionen allerdings umsonst. Auch im F-Droid-Store ist eine Version verfügbar, die lange offiziell beworben wurde. Wer F-Droid kennt, weiß, dass es dort zu Verzögerungen bei Updates kommen kann. Evan findet weiterhin gut, dass Shattered Pixel Dungeon dort verfügbar ist, er sah sich jedoch gezwungen nur zeitnah aktualisierte Distributionen offiziell zu nennen. Verständlich, da einige nicht verstehen, dass er nicht für die F-Droid-Infrastruktur verantwortlich ist.

Leichter umzuprogrammieren ist das in Java geschriebene Spiel auf dem Desktop, auf welchem es seit einigen Monaten genauso läuft. Steam und iOS Versionen sind ebenfalls verfügbar.

"Als die dunkle Energie aus der Tiefe des Dungeons hinauskroch,
veränderten sich die eigentlich harmlosen Lebewesen ..."

Egal woher beschafft, wer es probiert, bekommt ein technisch erstklassiges Spiel. Mit Retro-Pixel-Grafik, aber mit hohem Wiederspielwert und einer stimmungsvollen Rollenspielschlachtplatte. Es eignet sich durchaus für Kinder ab zehn Jahren, da es werbefrei ist und die Texte komplett auf Deutsch sind. Zumindest dann, wenn die Eltern ein "Dungeons & Dragons"-Pen & Paper auch nicht zu blutig finden würden.

"Du solltest nicht erwarten, dass Du bei deinen ersten Versuchen
sehr weit kommst, dieses Spiel ist schwer!"

~ Abenteuerhandbuch

Spielende erwarten fünf Zonen mit thematisch angepassten Monstern und Aussehen. Jede Menge Gegenstände, Interaktionsmöglichkeiten und Fähigkeiten, die es nach Erfahrungspunkten gibt. Am Ende jeder Zone wartet ein Bossgegner. Per Trank und Erkundung gilt es so stark zu werden, dass der Endgegner bezwungen werden kann. Goldmünzen werden in den gelegentlichen Läden investiert und jeder Zauberkessel ausprobiert: Viele Stunden später, wenn der Schleim besiegt und die Rose des gefallenen Geistes gefunden sind, weiß ich genau, warum ich mal ein paar Euro für das frei lizenzierte Spiel hinlege!

Informationen zu den Autoren und Hinweise zum Text

Bernhard Reiter ist Silber-Sponsor von Shattered Pixel Dungeon und war Übersetzungshelfer. Als Mitgründer der Free Software Foundation Europe, Geschäftsführer der Intevation GmbH und Familienvater kommt er nur selten zum Spielen. [Anmerkung der Redaktion: Die Firma Intevation sponsert GNU/Linux.ch.]

Co-Autor ist Piet Fischer, der aufs Gymnasium geht und gern mehr spielen würde, als er darf.

Der vorliegende Text wurde von Bernhard Reiter verfasst, die Bildschirmfotos hat Piet Fischer beigesteuert. Diese Fassung des Gastartikels wurde leicht von der GNU/Linux.ch-Redaktion bearbeitet.

Tags

Spiele, Gaming, Review, Rogue-like

onli
Geschrieben von onli am 22. Juni 2023 um 18:29

Es ist wirklich ein schönes Spiel, in das man überraschend viel Zeit hineinstecken kann und das immer wieder Spaß macht. Besonders toll, sowas auf dem Telefon spielen zu können, wo doch so viele andere Spiele auf den Mobilplattformen durch ihr Geschäftsmodell furchtbare Seelenfänger sind.

Fedorauser
Geschrieben von Fedorauser am 23. Juni 2023 um 14:21

sehr schön vielen Dank für den Beitrag.

kamome
Geschrieben von kamome am 23. Juni 2023 um 16:38

Es läuft von F-Droid manuell runtergeladen sogar auf Geräten, deren Android zu alt ist, um F-Droid selbst ausführen zu können :)