Zum Ende des Jahres hat das Siduction-Projekt eine neue Version der gemeinschaftlich entwickelten Distribution veröffentlicht. Durch die Bindung an den rollenden „unstable“-Zweig von Debian GNU/Linux handelt es sich dabei um ein fortlaufend aktualisiertes Betriebssystem. Entgegen anderer rollender Distributionen setzt Siduction stark auf die eigene Gemeinschaft und versucht dabei, nicht in elitäre Verhaltensmuster zu verfallen.
Ein rollendes Debian mit langer Geschichte
Siduction hat eine lange Tradition: Ursprünglich von der einst Knoppix-basierten Distribution Kanotix abstammend, spaltete sich eine Gruppe von Entwicklern nach einem dortigen Kurswechsel von der zuvor rollenden Distro ab und kochte fortan mit „Sidux“ ein eigenes Süppchen.
Durch anhaltende Probleme mit dem beigeordneten Sidux e.V. wurde die Distribution einige Jahre später in „Aptosid“ umbenannt. Im Jahre 2011 folgte daraufhin ein weiterer Fork und Siduction entstand als Community-fokussiertes Sid-Derivat.
Heute weist Siduction eine treue Nutzergemeinschaft auf, auch wenn es nicht unbedingt in den Linux-Mainstream gezählt werden kann. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass sich die Distribution nicht wirklich an blutige Anfänger, sondern eher an ambitionierte Anwender richtet, wobei natürlich jeder willkommen ist, die Software zu nutzen und ein Teil der Gemeinschaft zu werden.
Debian Sid und Siduction sorgen für aktuellste Software
Nach einem eher ruhigen vergangenen Jahr stellt Siduction 2022.1 „Masters of War“ die erste Veröffentlichung seit Monaten dar. Mit dem Codenamen besinnt sich das Entwicklerteam auf frühere Namesgebungen der eigenen Veröffentlichungen: „Masters of War“ bezieht sich auf den 1963 veröffentlichten Song von Bob Dylan -- warum genau dieses Lied als Namespate gewählt wurde, erklärt sich angesichts der momentanen Weltlage wohl von selbst.
Die aktuelle Veröffentlichung kommt mit einigen interessanten Änderungen und neuen Funktionen daher. Unterstützend wirkt dabei auch das angenehme Artwork, das auf das kommende Debian „Bookworm“-Hintergrundbild anspielt und die bisherige visuelle Identität der Distribution wahrt.
Auch wenn Versionsveröffentlichungen bei rollenden GNU/Linux-Distributionen eine weniger zentrale Rolle einnehmen als bei ihren statisch herausgebrachten Kollegen, sind neue Hauptveröffentlichungen gerade bei Siduction sehr gern gesehen, erleichtern sie doch den Einstieg in die Distribution.
Neueinsteigern und interessierten älteren Hasen stehen dabei Installationsabbilder mit den grafischen Oberflächen KDE Plasma in der topaktuellen Version 5.26.4 (KDE Frameworks 5.101, KDE Gear 22.12), Xfce in der jüngst herausgekommenen Ausgabe 4.18 sowie mit der leichtgewichtigen Arbeitsumgebung LXQt in Version 1.2.0 bereit.
Wer es minimaler mag, kann auf die Xorg-Variante mit Calamares als grafischem Installationsprogramm oder die noch abgespecktere noX-Edition zurückgreifen. Letztere muss allerdings im Textmodus auf die Platte gebannt werden.
Im Gegensatz zum regulären Debian Sid (oder „unstable“) verwendet Siduction stets den aktuellsten Linux-Kernel mit eigenen Patches, hauptsächlich aus der Backstube des Kernel-Bäckers Torsten Wohlfarth. Ein besonderes Augenmerk wird bei den Siduction-Kerneln auf den Anwendungsbereich des Linux-Desktop gelegt. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung liefert Siduction 2022.1 Linux in Version 6.1 aus, wobei sich auch die regulären Debian-Kernel sowie ältere Veröffentlichungsstände installieren lassen.
Nützliches für den Hobby-Admin
Neben den Sprüngen in den Versionsständen bringt die neue Siduction-Ausgabe drei wesentliche neue Änderungen mit: Einerseits erleichtert der „Siduction chroot helper“ nun den eigentlich etwas umständlichen Prozess, von einem Live-Medium aus auf eine bereits bestehende Festplatteninstallation zu wechseln.
Konkret liefert Siduction hier einen Schnellstarter über den Schreibtisch der Live-Oberfläche aus; ein Nutzer kann einfach darauf klicken und wird nach einer Warnmeldung und einer kurzen grafischen Abfrage direkt in eine chroot-Umgebung weitergeleitet.
Das ist gerade bei einer rollenden Distribution ein wahrer Segen, immerhin lassen sich ein paar Probleme nur von außen Lösen, zum Beispiel, wenn es um das Init-System oder den Bootloader geht.
Des Weiteren integriert die neue Version die alternative Paketverwaltung „nala“ besser in das System. Diese wird in den Veröffentlichungshinweisen als „apt on steroids“ beschrieben und sei vor allem übersichtlicher aber auch schneller als das althergebrachte apt aus der Debian-Welt.
Die Befehle, mit denen man nala herumkommandiert, gleichen denen von apt sehr, wodurch sich das Werkzeug leicht als Ersatz nutzen lässt. In seiner standardmäßigen Konfiguration ist nala auf Sid ausgelegt, was Siduction sehr entgegenkommen dürfte.
Wer lieber auf die gewohnten Lösungen rund um apt setzt, kann das natürlich auch weiterhin tun. Für Einsteiger wurde ein Abschnitt zu nala im umfassenden Siduction-Handbuch hinzugefügt. Dieses führt Endanwender oftmals sehr ausgiebig in Siduction ein und hilft bei vielen Kleinigkeiten, insbesondere, was die fortlaufende Administration des eigenen Systems angeht.
Eine weitere Neuerung betrifft „Snapper“, das dem ein oder anderen vielleicht von openSUSE bekannt vorkommen könnte. Snapper erleichtert kurz zusammengefasst die Handhabung von btrfs-Snapshots, über die sich ein (rollendes) System problemlos auf einen früheren Zustand zurückfahren lässt. Voraussetzung dafür ist natürlich eine Installation, die das b-tree-Dateisystem (kurz btrfs) verwendet. Das lässt sich, gerade bei einer Installation auf der gesamten Festplatte, vergleichsweise einfach über den mitgelieferten Calamares-Installer einrichten.
„The community based OS“
Genauere Informationen zur aktuellen Veröffentlichung bieten die offiziellen Release Notes von Ferdinand Thommes (aka devil). Wer sich als Neueinsteiger für Siduction, das freundliche rollende Debian, interessiert, sollte einen Blick auf das Siduction-Handbuch werfen. Dieses steht in deutscher und englischer Sprache zur Verfügung.
Weitere Anlaufstellen bieten das Forum und die IRC- bzw. Matrix-Kanäle des Projekts. Dort ist nicht nur Platz für Hilfegesuche und Bitten; Anwenderinnen und Anwender können sich auch aktiv an der zukünftigen Entwicklung von Siduction beteiligen.
Die aktuelle Version kann von der offiziellen Webseite des Projekts heruntergeladen werden:
https://siduction.org/installation-media/
Quellen:
Offizielle Veröffentlichungshinweise für Siduction 2022.1:
https://siduction.org/2022/12/release-notes-fur-siduction-2022-1-masters-of-war/
Siduction-Handbuch:
https://manual.siduction.org/
Siduction-Forum:
https://forum.siduction.org/
Zur Siduction-Geschichte:
https://siduction.org/2011/08/warum-wir-aptosid-forken/
Bild:
Siduction Logo von Andreas Weber, Coruja via Wikimedia Commons; CC BY-SA:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Siduction_Logo.svg
Danke für die Geschichtsstunde :)
Ich stehe mit debian absolut auf kriegsfuss, hab immer Probleme beim installieren. Kenne aber einige die schwören auf Debian, das sind aber auch meist langjährige Linuxnutzer. Debian würde ich keinen blutigen linux Anfönger empfehlen.