Vom Elektroschrott zum Mittel digitaler Teilhabe

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Vereine wie "Computertruhe" und "Hey Alter!" ermöglichen Schüler:innen, Geflüchteten und anderen Digitale Teilhabe und verhelfen "Elektroschrott" zu neuem Glanz - mit Linux.

vom elektroschrott zum mittel digitaler teilhabe

"Armutsbetroffene sind überdurchschnittlich offline" (netzpolitik.org). Viele Menschen verfügen insbesondere aus finanziellen Gründen nicht über geeignete Hardware und oft auch über keinen Internetanschluss. Neben dem sozialen Aspekt geht es dabei auch um Nachhaltigkeit: Der CO2-Fußabdruck von Computern und Laptops ist hoch. "Der größte Teil der klimaschädlichen Emissionen im Leben eines Computers entsteht durch die Herstellung." (Umweltbundesamt). Computer haben eine immer geringere Nutzungsdauer. Vor allem Firmen tauschen ihre Rechnerinfrastruktur in relativ kurzen Abständen aus und auch viele Privatpersonen rangieren noch voll funktionsfähige Geräte aus verschiedenen Gründen aus, ohne sich über eine sinnvolle Weiternutzung Gedanken zu machen, so dass enorme Mengen oft noch funktionsfähiger Geräte entweder ungenutzt im Keller vergammeln  oder (hoffentlich zumindest fachgerecht) verschrottet werden.

Da digitale Teilhabe durch staatliche Unterstützungssysteme nicht gewährleistet ist, haben sich in den letzten Jahren zunehmend Freiwillige im Rahmen ehrenamtlicher Arbeit in Vereinen wie "Computertruhe" und "Hey Alter!" organisiert, die ausgemusterte, gespendete Rechner und sonstige Hardware sammeln, wieder instand zu setzen, um mehr Menschen mit geeigneter Hardware auszustatten und zum Teil auch darüber hinaus digitale Kompetenzen zu fördern. Danach werden die Geräte kostenlos an bedürftige Menschen sowie an andere gemeinnützige Organisationen weitergegeben. "Es ist schön, die strahlenden Gesichter der Empfänger zu sehen. Aber wir möchten auch dazu beitragen, dass weniger Elektroschrott anfällt", berichtet ein freiwilliger Helfer.

Die uMap-Karte http://technikspenden.de/ bietet einen Überblick über Projekte und Vereine in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die "Computer-Hardware annehmen, diese aufbereiten und für bedürftige Menschen und/oder gemeinnützige Organisationen zur Verfügung stellen."

International tätig ist das Projekt "Labdoo", dessen Ziel es ist, "nicht mehr genutzte Laptops mit leistungsfähiger Bildungssoftware CO2-neutral zu Schulen in der ganzen Welt zu bringen." Es gibt es zahlreiche Annahmestellen für Spenden (s. Karte bzw. Liste).  In Österreich ist seit 2020 der Verein "PCs für Alle" aktiv, der neben der Zentrale in Wien auch Standorte in Linz und Graz hat. Ebenfalls 2020, als mit Beginn der Corona-Krise die Nachfrage nach Laptops und PCs starkt anstieg, gründete sich in der Schweiz der Verein "Wir lernen weiter", der mit mittlerweile über 900 Gemeinden, Kantonen und sozialen Organisationen eine Partnerschaft aufgebaut hat.

In Deutschland gibt es zahlreiche lokal tätige Vereine sowie mit der Computertruhe und Hey Alter! zwei inzwischen größere Dach-Organisationen mit regionalen Standorten.

Alle diese Projekte haben gemeinsam, dass sie soziale Teilhabe ermöglichen und dem Umweltschutz dienen. Nicht zu unterschätzen ist auch der Aspekt, dass sie dies mit Hilfe Freier Software realisieren und vielen Menschen positive Erfahrungen mit Linux vermitteln.

Ich habe vier dieser Organisationen dazu befragt, wie sie arbeiten, warum sie Linux und welche Software sie installieren und wie sie den Menschen, die Computerspenden empfangen, den Einstieg in Linux und Freie Software vermitteln. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, die Vereine zu unterstützen.

Über zahlreiche Standorte deutschlandweit verfügen die beiden derzeit größten Vereine "Computertruhe" und "HeyAlter".

Die „Computertruhe“
Eines der ersten Projekte dieser Art ist der Verein "Computertruhe": Die Idee für das Projekt „Computertruhe“ entstand ursprünglich Anfang 2015 im Rahmen der Flüchtlingshilfe. Den Gründungsmitgliedern wurde durch ihre Erfahrungen in der Flüchtlingshilfe verdeutlicht, dass das Fehlen einer digitalen Infrastruktur für die Integration der neu angekommenen Menschen ein großes Problem darstellte. Um diese digitale Kluft zu schließen, entschlossen sie sich daher, zunächst bei der Einrichtung von Internetzugängen zu unterstützen, und dann auch gebrauchte Computer zu sammeln, diese instand zu setzen und an die geflüchteten Menschen kostenlos weiterzugeben. Somit wurden den Menschen ermöglicht, einfacher und kostengünstiger mit ihren daheimgebliebenen Familienmitgliedern zu kommunizieren, Online-Sprachkurse zu nutzen, im Netz nach Ausbildungs- oder Jobangeboten zu suchen, die Computer für Schularbeiten zu verwenden, aber sich auch einfach nur zu unterhalten. Das Projekt richtete sich aber von Beginn an nicht ausschließlich an geflüchtete Menschen, sondern allgemein auch an bedürftige Personen und gemeinnützige Organisationen.
Da der Bedarf sehr viel höher war als ursprünglich erwartet, wurde etwa ein Jahr später der gemeinnützige Verein „Computertruhe e. V.“ gegründet.


Der Verein startete in Baden-Württemberg, mit der Zeit kamen weitere Standorte in ganz Deutschland hinzu. Die Vereinsstruktur bietet den Vorteil, dass Personen, die einen neuen Standort gründen wollen, keinen eigenen Verein gründen müssen. Sie können Mitglied bei der Computertruhe e.V. werden und so kurzfristig mit Gleichgesinnten in ihrer Region einen eigenen Standort starten. Durch die Vereinsstruktur wurden u. a. die Hürden gesenkt, um bspw. an Sach- und Geldspenden für das Projekt zu gelangen.
Mittlerweile hat der Verein 7 Standorte innerhalb Deutschlands, an denen Mitglieder gebrauchte Computer-Hardware einsammeln, reinigen, ggf. reparieren und/oder aufrüsten, testen und anschließend an berechtigte Personen weiterverteilen.

Der Verein vergibt Geräte - v.a. Laptops, aber auch PCs inklusive Peripherie sowie Smartphones - an bedürftige Einzelpersonen und an Organisationen im Bereich Flüchtlingshilfe, Erwachsenenbildung und Jugendarbeit. Nach dem Ahrtal-Hochwasser wurden Geräte in die betroffene Region gesendet, wo viele durch das Hochwasser ihre Smartphones und PCs verloren hatten. Außerdem werden punktuell auch internationale Gruppen unterstützt wie bspw. ein Schulprojekt in Nigeria.

HEY ALTER!
Ein ebenfalls deutschlandweit tätiges Projekt ist "HEY ALTER!". Die Inititative startet im April 2020 in Braunschweig und hat inzwischen bundesweit zahlreiche lokale Standorte. Aufgrund der Schulschließungen stieg der Bedarf an für Home-Schooling bzw. E-Learning geeignete Geräte rapide an, zugleich konnten die beiden Gründer der Initiative Kontakt zu Firmen und Hochschulen herstellen, die bereit waren, Geräte zu spenden.

Das Prinzip von "HEY ALTER!" ist "ganz einfach: Zusammenbringen, was zusammengehört. Wir sammeln diese alten Rechner bei Unternehmen, Institutionen und von privaten Haushalten, machen sie fit und verteilen sie an Schülerinnen und Schüler, die bislang nicht oder nur eingeschränkt an e-Learning oder homeschooling teilnehmen konnten. So wird Kindern und Jugendlichen zu mehr Chancengleichheit verholfen."
Während die "Computertruhe" ein breites Feld von Spendenempfängern bedient, hat sich "Hey Alter" speziell auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen konzentriert, die keinen eigenen Rechner haben. HEY, ALTER!-Initiativen gibt es inzwischen in 39 Städten und Regionen in ganz Deutschland. Gemeinsam wurden inzwischen über 14.500 Rechner verteilt.

"Nur eine Anekdote... Ich habe gerade letzte Woche jemanden aus einer Kölner Linux-Usergroup kennengelernt. Er hatte schon von "Hey, Alter!" gehört und meinte scherzhaft, dass wir vermutlich mehr für die Verbreitung von Linux in Köln getan hätten, als alle Kölner Linux-Usergroups zusammen. Ich fand's einen schönen Gedanken, auch wenn es nur quantitativ der Fall sein mag."

Auf den Homepages der Vereine sind zahlreiche Informationen zu finden und die Tätigkeiten sind sehr transparent dokumentiert. Ich habe den Vereinen "Computertruhe" und "HeyAlter" sowie den lokal tätigen Vereinen "Angestöpselt" aus Würzburg  und "Computerspende Regensburg"  darüber hinaus einige - auch Linux-spezifische -  Fragen gestellt, die sie schriftlich beantwortet haben*.

Warum installiert Ihr Linux?
Linux-Distributionen werden von den Vereinen zum einen aus pragmatischen Gründen bevorzugt installiert, zum anderen weil die dort Engagierten auch Freie Software fördern und bekannter machen möchten.

Die pragmatischen Erwägungen sind zum einen:

  • Linux ist kostenlos. "Müssten wir für jeden Rechner noch eine Windows-Lizenz bezahlen, wäre das Projekt nicht denkbar." (Angestöpselt). Es entstehen so keine weiteren Kosten: "Erhalten wir also alte Geräte, die ursprünglich mit einem Windows-System ausgeliefert wurden, für das es jedoch aktuell keine Sicherheitsupdates mehr gibt, müssen wir kein neues Betriebssystem kaufen, das evtl. sogar zudem zu leistungshungrig wäre." (Computertruhe)
  • Linux läuft auch auf älteren Geräten stabil, sicher und schnell(er): "Unsere Minimalanforderungen sind "2 GHz Dual Core Prozessor und 4 GB RAM" - da läuft zwar zur Not auch irgendwie träge Windows drauf, aber mit Linux läuft es halt flott :)" (HeyAlter) Denn da es sich um gebrauchte Geräte handelt, sind diese entsprechend häufig mehrere Jahre alt - teilweise sogar bis zu 10 Jahre. Geräte älter als 10 Jahre "nehmen wir nicht mehr an, da deren nicht austauschbare Hardware (CPUs oder GPUs) für heutige Anwendungsfälle dann in der Regel leider zu leistungsschwach ist. Da GNU/Linux-Systeme für gewöhnlich sparsamer mit den vorhandenen Ressourcen umgehen, als es Windows macht, lassen sich hiermit sehr gut ältere Geräte weiterhin performant verwenden. Die Situation verbessert sich sogar noch zusehens, wenn wir zusätzlich mehr Arbeitsspeicher in einen Rechner packen und eine Festplatte durch ein Solid State Drive ersetzen können." (Computertruhe)

Neben diesen pragmatischen Gründen engagieren sich die Vereine auch explizit für Freie Software:
"Freie Software meint nicht in erster Linie „kostenfrei“. Hauptkriterium gemäß den Richtlinien des GNU Projektes ist die freie Verfügbarkeit des Quellcodes. Dadurch kann nachvollzogen werden, was die Software tatsächlich macht. Datenklau wie manche Anbieter betreiben ist damit ausgeschlossen. Auch kann jeder den Quell-code verbessern oder eigenen Bedürfnissen anpassen. Freie Software entwickelt sich dadurch sehr dynamisch und anwenderbezogen. Linux beispielsweise ist sehr modern konzipiert, benötigt keinen Virenscanner und nutzt Hardwareresourcen effektiv. Damit kann auch auf älteren Rechnern noch flüssig gearbeitet werden. Zudem stehen etwa 360 Varianten zur Wahl, den eigenen Vorlieben sind hier keine Grenzen gesetzt. Vor allem Gelegenheitsnutzer und Neueinsteiger kommen oft mit Linux besser zu Recht." (Computerspende Regensburg)
Auch Angestöpselt möchte den Umgang mit freier Software fördern und installiert auch aus diesem Grund Linux. Weil sie "den sozial- und umwelt-zerstörerischen Monopolkapitalismus im IT-Bereich nicht unterstützen möchten, wird auf den Rechnern das Betriebssystem Linux installiert. Für das Team ist Linux eine echte, womöglich sogar bessere Alternative zu Windows."

Welche Distribution(en) installiert Ihr und warum diese?
Hier kommen in erster Linie (X)Ubuntu und/oder Linux Mint zum Einsatz:
HeyAlter und Angestöpselt installieren Ubuntu: "Für Ubuntu ist die Community am größten und es gibt auch gleichnamige Foren, wo man Unterstützung bekommt."
Die Computerspende Regensburg installiert das etwas schlankere "Xubuntu, weil es auf alten Rechnern gut läuft (weniger Rechenleistung als das Original Ubuntu braucht), aber doch recht komfortabel, eben XFCE ist (Antix und Co wäre zu spröde und puristisch, Mate hat viel Unsinn an Bord, wie beispielsweise nicht änderbare Ordner im Menü). Allerdings in aufgehübschter Form".
Die Computertruhe installiert hauptsächlich Linux Mint: "Sein Look and Feel ist vergleichbar mit dem, der den letzten Windows-Versionen (Startknopf, Menüstruktur, Taskleiste etc.), so dass sich Umsteiger schneller zurechtfinden."
Angestöpselt bereitet momentan die Umstellung auf Linux Mint vor: "Aus unserer Sicht ist es die aktuell benutzerfreundlichste Distribution, die auch eine große Nutzerbasis hat."

Handelt es sich um eine Standard-Installation oder gibt es angepasste/persistente Images?

Die Computerspende Regensburg berichtet dazu: "Weil es ja kein Tool zum Umwandeln in eine ISO mehr gibt (Systemback ist leider eingestellt), steht unser Mustersystem auf einem Masterlaptop, wird dort regelmäßig aktualisiert und dann von Festplatte oder via FOG-Server per dd auf die Computer kopiert. Dauert über FOG - Server einschließlich Anpassung der Partition etwa 15 Minuten. Der Rechner muss dann nur noch getestet werden. Ein Skript liest die Rechnerdaten für unsere Bestandsdatenbank aus."
Die Computertruhe verwendet die "Standard-OEM-Installation, die per bootfähigem USB-Installationsmedium auf die herkömmliche Weise installiert wird. Im Anschluss lassen wir noch ein Script laufen, welches das System auf den aktuellsten Stand bringt, einige zusätzlichen Programm- oder Sprachpakete installiert und unser Linux Mint-Handbuch für jeden zukünftig angelegten User auf den Desktop packt.

Tutorials und Einstiegshilfen
Auch die anderen Vereine bieten einige Anpassungen und Material an, um die Benutzerfreundlichkeit - gerade im Hinblick auf die Hauptempfängergruppen der Spenden - noch weiter zu verbessern:
Computerspende Regensburg platziert auf dem Desktop "auch eine ausführliche Anleitung, speziell für unsere Version geschrieben und ebenso in Ukrainisch. In der Leiste gibt es auch einen Umschalter für die Tastaturbelegung, deutsch, russisch, ukrainisch, arabisch. Außerdem ein Icon für die Onboard - Tastatur (damit Fremdsprachler die Tastaturbelegung sehen können). Vorinstalliert sind auch mehrere Sprachen, so dass schnell umgestellt werden kann (Russisch, Ukrainisch, Arabisch, Englisch)".


Auch HeyAlter hat "ein 'Supporthandbuch' (PDF) für die ersten Schritte hinterlegt und, wichtiger noch, ein Link zur "Hey, Alter! Hilfe". Dahinter verbergen sich ein paar Youtube-Tutorials, die Schülerinnen & Schüler mit ihrem neuen Computer vertraut machen sollen. Alternativ werden auch bereits vorab erstellte Images auf "nackte" Festplatten/SSDs überspielt, die nur noch in die Rechner eingebaut werden müssen."


Welche Software wird ggf. nachinstalliert?
Ein weiterer Vorteil gegenüber Windows ist sicher, dass Linux-Systeme wie Linux Mint und Ubuntu zum einen eine sinnvolle Auswahl an Anwendungen bereits vorinstallieren, zum anderen aber keine Bloatware enthalten.

Die Vereine installieren aber auch zum Teil einiges an Software nach, um denjenigen, die die Spenden erhalten, den Einstieg zu erleichtern:
"Zu Beginn hat unser Script noch gigabyteweise Software nachinstalliert: Lernprogramme, diverse Grafikprogramme, Spiele etc. Ein Grund war der, dass wir anfangs häufig Rechner in Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete gebracht haben, in den es überhaupt keinen Zugang zum Internet gab. Somit sollten die Rechner dennoch für viele Menschen nützlich sein." (Computertruhe)
Inzwischen werden im Normalfall "nur noch ein paar wenige Programme vorzuinstalliert - schon allein um die Einrichtungszeit verkürzen zu können. Immerhin werden viele unserer Lieblingsapplikationen momentan sowieso von Mint selbst standardmäßig vorinstalliert, bspw. Firefox, Thunderbird oder LibreOffice. Von daher packen wir bspw. nur noch KeePassXC, VLC und einige Pakete für interne Tests, wie hardinfo, gparted, regionset und cheese auf die Platte."

Die Computerspende Regenburg installiert "außerdem PCManFM statt Thunar (wegen Doppelfenstermodus), bleach bit, gdebi, Mate-Systemmonitor, vlc statt Parole, Audacious, Brasero statt xfburn (läuft instabiler), Softwarecenter, Chromium zusätzlich (braucht weniger Rechenleistung), nomacs (einfaches Zuschneiden und überhaupt sehr übersichtlich), Simple Image Reducer. Vorschläge wie Viber, Teams oder Zoom haben wir abgelehnt, um den Aufwand für Aktualisierungen in Grenzen zu halten."

Bei HeyAlter sind die Schwerpunkte etwas anders, da hier Schüler:innen die Hauptzielgruppe sind. So "wird neben LibreOffice Gimp, Inkscape, Audacity, Geogebra, OpenSCAD, uvm. installiert. Natürlich noch die üblichen Browser und Thunderbird. Uns ist aber auch wichtig, dass die SuS auch untereinander, bzw. mit ihren LehrerInnen kommunizieren können. Daher werden alle Rechner (sofern nicht bereits ohnehin eingebaut) mit einen Wlan-Stick und einer Webcam ausgestattet. Entsprechend sind zusätzlich noch Teams for Linux und Skype installiert."

Angestöpselt hat bei Codeberg.org ein Repo, in dem der aktuelle Stand der Software dokumentiert ist.

Inwiefern gibt es Rückmeldungen von den Nutzer:innen, wie gut sie mit dem System klarkommen?
Die Vereine unternehmen also einiges an Aufwand, um die Nutzer:innen beim Einstieg in Linux zu unterstützen. Es ist jedoch erneuter Aufwand, systematische Rückmeldungen von den Empfänger:innen der Spenden zu erhalten.

Bei HeyAlter kommt hinzu, dass in der Regel kein direkter Kontakt zu den Empfänger:innen besteht: "Direkte Rückmeldungen von SchülerInnen erhalten wir leider sehr, sehr selten. Die Ausgabe der Rechner erfolgt ja nicht durch uns, sondern über die Schulen. Aber einige Kölner Schulen haben schon mehrfach Rechner für Ihre SuS bei uns abgeholt und da fragen wir dann natürlich auch nach. Insbesondere wollte ich wissen, ob die SchülerInnen Windows installieren. Das kommt natürlich vor, aber wohl eher selten. Wir haben noch keine Rückmeldung, dass die Jugendlichen nicht mit dem System klarkommen. (...) Anders als bei meiner ersten Berührung mit SUSE 5, ist es als Anwender ja heute völlig egal vor welchem Betriebssystem man sitzt. Selbst wenn man schon Windowserfahrung hat, ist die Umgewöhnung minimal. Kinder und Jugendliche sind da ja sowieso offen und aufgeschlossener. Durch den Umgang mit Android und IOS sind sie auch den Umgang mit anderen Betriebssystemen gewöhnt."
Die Computerspende Regensburg hatte "mehrere 100 Nutzer angeschrieben und etwa 92% der Rückmelder waren mit unserem System zufrieden. Aber wir wissen auch, dass manche trotz Warnung unsererseits Windows installieren und dann oft Probleme bekommen. Wir bieten auch mehrsprachigen Support (via Internet, Telefon und persönlich) an, allerdings wird der nur relativ bescheiden in Anspruch genommen."
Auch die Computertruhe hat nach der Übergabe der Geräte nur selten noch einmal Kontakt zu den Menschen, denen wir die Hardware gespendet. Sie evaluieren das Programm nun per Online-Befragung: Seit dem August 2022 erhalten die Empfänger:innen "in einer letzten E-Mail einen Link zu einer kurzen Umfrage, die wir auf unserem eigenen LimeSurvey-Server erstellt haben. Hier erfragen wir neben dem Gerätetyp, Zufriedenheit mit der Kommunikation und weiterem auch, wie gut die erste Inbetriebnahme verlief und wie die alltägliche Nutzung der Geräte bewertet wird. Es zeigt sich bisher, dass die überwiegende Mehrheit mit dem von uns installierten Linux Mint (und Kubuntu) gut zurecht kommen.
In Zahlen: Von 201 Antworten auf die Frage nach dem installierten Betriebssystem (112 Linux, 73 Windows, 6 macOS, 8 Android, 2 iOS) fanden sich 171 sehr schnell/ eher schnell mit dem Gerät zurecht und 30 fanden es eher langsam/ sehr langsam (davon 21 Linux, 7 Windows, 2 keine Angabe). Die alltägliche Nutzung bewerteten 190 sehr gut/ eher gut und 9 eher schlecht/ sehr schlecht (davon 7 Linux, 1 Windows, 1 keine Angabe)."

Auch die offenen Angaben im Freitextfeld der Umfrage sind weitgehend positiv. Hier zwei Beispiele:

"Hi, die Umstellung von Windows auf Linux Mint war am anfang nicht ganz so einfach. Üben halt. Bin wirklich froh über eure Spende und grossen Dank an euch."

"Guten Tag, liebes Team, meine Familie drückt Ihnen ihre tiefe Dankbarkeit für Ihre Hilfe aus, für ein 'Geschenk' wie einen iMac für uns. Wir sind etwas ungewohnt im Umgang mit dem Betriebssystem Linux, früher nur Windows, aber Linux ist besser als Windows, Linux ist viel sicherer und auch einfach zu bedienen (besonders wenn man sich daran gewöhnt hat). Wir sind Ihnen sehr dankbar, vielen Dank für Ihre Arbeit. "

Spenden und Unterstützung

Die Nachfrage nach Geräten ist seit dem Corona-Home-Schooling und erst recht seit dem Ukraine-Krieg groß. Gesucht werden v.a. Laptops. „Auf unserer Warteliste für einen Laptop stehen im Schnitt 100 bis 120 Menschen“, sagt Lukas Seeber von "Angestöpselt". Für Desktop-PCs gibt es dagegen einen Überhang an Angebot und die meisten Intiativen nehmen aus Mangel an Lagerraum kein PC-Tower mehr an.

Wer einen Desktop-PC braucht, kann in der Regel sofort oder mit sehr geringer Wartezeit ein Gerät (inklusive Peripherie) erhalten. Doch auch hier ist Platzmangel ein Hindernis: "Kinder, die keinen eigenen Rechner haben, stammen in aller Regel aus Familien mit niedrigem Haushaltseinkommen. Diese Kinder haben häufig kein eigenes Zimmer oder einen Schreibtisch, zu wenig Platz also, um stationäre Rechner aufzustellen. Deshalb benötigen wir in erster Linie Laptops, am besten nicht über sieben Jahre alt, mit Kamera und Mikrofon. Und möglichst viele." (HeyAlter)

Darüber hinaus werden SSDs für den Einbau in Laptops benötigt sowie Arbeitsspeicher, Webcams, Adapter und Ersatzteile. Die verschiedenen Vereine sind auch untereinander vernetzt und helfen sich gegenseitig aus bspw. mit Ersatzteilen und auch mit Know-How.

Alle diese Vereine freuen sich über weitere Engagierte, die mithelfen. Es ist äußerst willkommen, wenn sich Menschen dem Verein anschließen, um selbst aktiv zu werden und einem der bestehenden lokalen Teams beitreten oder sogar einen neuen Standort gründen möchten (Computertruhe): "Man muss auch kein IT-Nerd sein, um bei uns mitzumachen. Freude an Technik genügt. Am besten gepaart mit der Lust, etwas für die Umwelt tun zu wollen. Rechner aufzubereiten, ist nun mal besser, als sie zu shreddern. Außerdem helfen die Computerspenden Menschen in sozialer Not." (Angestöpselt)
Es sind nicht nur Sachspenden, sondern auch finanzielle Unterstützung willkommen, um die weitere Arbeit der Organisationen zu ermöglichen. Damit werden u.a. Anschaffung von Ersatzteilen und Zubehör (Webcams, WLAN-Sticks, Arbeitsspeicher, Festplatten, Tastaturen, Mäuse, usw.) sowie die nötigen Räume finanziert.

Links und Kontakte

Angestöpselt: Homepage & im Fediverse: @angestoepselt@social.tchncs.de
Computerspende Regensburg: Homepage
Computertruhe: Homepage & im Fediverse: @computertruhe@mastodon.social
HeyAlter: Homepage & im Fediverse: @HeyAlter@social.cologne & @heyaltermuc@misskey.de

PCs für Alle (Österreich): Homepage & im Fediverse @PCsfueralle@wien.rocks
Wir lernen weiter (Schweiz): Homepage

Bildquellen: mit freundlicher Genehmigung von Computertruhe e.V., HeyAlter und Computerspende Regensburg

*Vielen Dank für die Antworten an Johannes (Computerspende Regensburg), Matthias (HeyAlter Köln), Matthias (Angestöpselt) und Marco (Computertruhe)!

Tags

Nachhaltigkeit, Teilhabe, Digitale Grundrechte, Computer, Computerspende, Computertruhe, HeyAlter, Angestöpselt, Hardware, RechtAufReparatur, Ubuntu, Xubuntu, LinuxMint

Olaf
Geschrieben von Olaf am 6. Juli 2023 um 11:58

Hallo caos, ein sehr sehr schöner Bericht. Seit langem einer, den ich sehr intensiv gelesen habe. Er inspiriert und er hat mich inspiriert, sofort einem Verein beizutreten. Denn das ist genau das, was ich schon immer gerne mag: An Geräten arbeiten und Linux. Eine wundervolle Kombination mit Herz!

Vielen Dank!

kistenschieber
Geschrieben von kistenschieber am 6. Juli 2023 um 18:58

Wie so oft herrscht auch Schatten, wo Licht ist. Mit diesen Projekten agieren die Projekte im Markt und machen es Anbietern, welche gerne ihren Lebensunterhalt durch das Bereitstellen von Freier Software auf gebrauchter Hardware erwirtschaften wollen, unnötig schwer. Sofern sich das Angebot auf Menschen begrenzt, die sich andernfalls kein Gerät von einem Preis von unter EUR 100 leisten können, ist das natürlich was anderes. Aber wer überprüft das wirklich?

caos
Geschrieben von caos am 6. Juli 2023 um 20:29

Ja, die "Bedürftigkeit" muss offiziell nachgewiesen werden, um ein Gerät zu erhalten. Bei der Computertruhe sind die Kriterien für den Empfang einer Gerätespende bspw. hier erläutert: https://computertruhe.de/faq/#wer-kann-ein-geraet-von-euch-erhalten

Wolfgang
Geschrieben von Wolfgang am 7. September 2023 um 03:20

Bei der Computerspende Regensburg wird das auch geprueft, zum Beispiel durch Vorzeigen des Bescheids ueber Wohngeld oder Sachbezugsleistungen Die meisten Rechner die wir ausgeben sind wohl um die 8 Jahre alt und sehr oft auch verkratzt oder manchmal auch beschaedigt. Ich denke fuer diese Gearaete gibt es sonst keinen Markt mehr.

tuxnix
Geschrieben von tuxnix am 8. Juli 2023 um 14:47

Ein richtig gut recherchierter toller Bericht über eine wichtige und sehr nützliche Angelegenheit. Einfach Klasse was ihr da macht. Eine Bitte an die Initiativen hätte ich da aber doch. Spielt doch bitte Debian statt Ubuntu auf die Rechner. Die Installation hat sich bei Debian inzwischen sehr vereinfacht und aktueller ist es auch geworden. Ubuntu liefert den Firefox nur noch als Snap aus, was zur Folge hat, dass der Benutzer mehr und mehr den kommerziellen Interessen von Canonical ausgeliefert werden wird.

Robert Riebisch
Geschrieben von Robert Riebisch am 9. Juli 2023 um 15:08

"Der digitale CO2-Fußabdruck von Computern und Laptops ist hoch." -- Einspruch! Was soll am CO2-Fußabdruck denn bitte digital sein?

kamome
Geschrieben von kamome am 11. Juli 2023 um 13:49

Abgesehen davon dürfte CO2 wohl ein geringeres Problem beim Fußabdruck von Elektronik(schrott) sein.