Die Ausgangslage
Die Einstellung in Firefox ‘Start: Vorherige Fenster und Tabs öffnen’ ist mein persönlicher Untergang. Wenngleich es mir zu Anfang sehr praktisch vorkam, über Rechner-Neustarts hinweg mit der immergleichen Browser-Sitzung weiterzumachen, so zeigt sich, dass die Anzahl der Tabs bei meiner normalen Nutzung einfach nur permanent steigt.
Da sind die tollen, neuen FLOSS-Projekte, welche ich mir unbedingt einmal anschauen will, News-Artikel, die mich interessieren, Websites welche ich für ein bestehendes Projekt unbedingt benötige. Und meist – wenn ich diese Seiten finde – nicht die Zeit oder Lust vorhanden, sie direkt zu konsumieren.
Ein Versuch der Verbesserung war das konsequente Anlegen von Lesezeichen, sowie das Starten mit leerer Browser-Sitzung. Dies führte zu sehr vielen Lesezeichen, welche doch nie gelesen wurden was letztendlich in Unzufriedenheit endete.
Der letztendliche Durchbruch kam mit der Einführung einer "read-it-later-Lösung", mit der ich jetzt sehr gut fahre.
Wallabag
Wallabag ist eine selbst hostbare Server-Software, die – gibt man ihr eine URL – dieser folgt, die Webseite herunterläd und für die spätere Nutzung sehr komfortabel bereithält. Für die Bedienung stehen sehr viele Integrationen zur Verfügung, so unter anderem für Firefox, Android und sogar meinen Ebook-Reader (ein PocketBook – Achtung, für die neuste Firmware wird dieser build benötigt). Auch das Webinterface selbst kann zum Lesen verwendet werden.
Durch die hervorragenden Integrationen konnte ich einen guten Workflow etablieren:
- Websites von laufenden Projekten werden als reguläre Bookmarks (mit manueller Hinzufügung von aussagekräftigen Stichworten) direkt im Browser lokal abgespeichert.
- Websites (meist Softwareprojekte), für die man im Moment keine Verwendung hat, die man sich aber ‘besser merken sollte’ und Artikel auf blogs oder news-sites, wandern über einen Klick auf das Wallabagger-Icon im Browser auf den Wallabag-Server.
- Am Mobiltelefon gefundene Seiten (z.B. durch Empfehlungen via Mastodon) werden mit der Wallabag-App geteilt und so ebenfalls zur Leseliste hinzugefügt. Ein Nebeneffekt davon ist, dass Wallabag häufig das cookie-banner bzw. sanfte paywalls umgeht (das funktioniert jedoch leider nicht immer).
- Die Ebook-Reader-App (Plop! reader) kann bei vorhandener Wifi-Verbindung zum Server synchronisiert werden. Auf dem Server befindliche Artikel werden im EPUB-Format heruntergeladen. Auf dem Reader als ‘gelesen’ (archiviert) markierte Artikel werden dem Server als solche zurückgemeldet.
- Gelesen werden die Artikel meist im Zug oder wenn sich anderweitig Wartezeiten ergeben – meist auf dem Ebook-Reader, manchmal auf dem Mobiltelefon, selten im Browser.
Es ist schön jederzeit eine größere Anzahl Artikel bei sich zu haben, um immer etwas Interessantes lesen zu können. Statt in solchen Momenten Zeit damit zu vergeuden news-sites zu durchforsten, kann man sich bei der eigenen Bibliothek sicher sein, dass die Artikel wirklich von (persönlicher) Bedeutung sind. Durch die ungefähre Lesezeit-Anzeige von Wallabag kann man die tatsächliche Leseentscheidung anhand der verfügbaren Zeit bzw. dem derzeitigen Interesse treffen.
Ja, auch durch die Nutzung von Wallabag sammeln sich ungelesene Artikel an, dies ist jedoch wesentlich weniger störend als angehäufte Tabs im Browser und die Tatsache, dass ein Artikel bisher noch keine Beachtung fand, zeigt schließlich auch, dass er offensichtlich (noch) nicht wichtig genug war.
Die Nutzung von z.B. Mozilla’s Pocket kam für mich nicht wirklich infrage, da ich meine Daten gerne bei mir halte und deshalb self hosting bevorzuge.
Installation
Die Software kann nativ, via docker oder via zum Beispiel YunoHost selbst gehostet werden. Sogar eine Installation auf einem Webspace mit lediglich PHP als Anforderung ist möglich, oder es kann auf die gehostete Lösung von wallabag.it zurückgegriffen werden. Letzteres ist jedoch nicht kostenfrei.
Fazit
Ich möchte Wallabag nicht mehr missen! Ich freue mich jedes Mal, wie schnell mein Browser startet und wie wenig RAM er im Vergleich zu vorher benötigt. Außerdem ist die eigene Artikelsammlung mit komfortabler sync-Funktion in der Tasche ein echter Luxus.
Danke für den Tipp. Ich habe zuhause einen Raspberry Pi und werde das später auf jeden Fall ausprobieren, weil ich ähnliche Probleme mit den vielen Artikeln habe wie Du.
GEILOMATIC!
Ich finde Wallabag auch sehr charmant, aber auch hier gilt: "gut genug" ist der Feind von "gut". Ich bin seinerzeit von Pocket - nachdem es von Mozilla gekauft und mit Reklame vollgemüllt worden war - zu Instapaper gewechselt und mir fehlt tatsächlich nicht genug, um den Mehraufwand des Selbsthostens für mich zu rechtfertigen.
Dabei ist Instapaper für mich auch nicht wesentlich mehr als eine Notizsammlung für neue Blogartikel (und eine "guck dir das später mal an"-Liste) - tatsächlich ist mir Datenschutz da völlig egal... aber mich freut, dass Wallabag noch existiert. Wirklich.
Obwohl ich den alten Namen "Poche" weniger bescheuert fand. Aber ich vermute, Mozilla hat da Einwände gehabt. Die wollen ja Geld verdienen.
Spannend. Möchte ich auch mal probieren.
Wenn ich home in FF öffne werden mir news angezeigt. Ich lese news da recht häufig. Die sind recht gut kuratiert.
Klingt gut, kann via Plop! reader aber nur auf einem Pocketbook Lux3/Lux5 gelesen werden ? Oder sind auch andere Reader möglich ? Ich nehme an auf einem Kindle lässt sich keine solche app installieren, oder?
Ich habe Wallabag unter Yunohost laufen und bin sehr zufrieden