Ückück und das Fediverse: Was kommt nach der nächsten Welle?

  Ückück   Lesezeit: 9 Minuten  🗪 13 Kommentare Auf Mastodon ansehen

Kann sie jetzt also in die Zukunft sehen? Nein, natürlich nicht. Aber ich möchte mit euch meine Gedanken zu der aktuellen Wechselwelle in das Fediverse teilen - ein ganz klassischer Meinungsbeitrag eben.

Ückück und das fediverse: was kommt nach der nächsten welle?

Titelbild: In hellblau gefärbter Ostseestrand. Darüber in grün die Frage: Was kommt nach der nächsten Welle?

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Die Walled Gardens brechen zusammen

Das, was viele Menschen aus der Freien-Software-Bubble schon lange vorhergesagt haben, passiert gerade: Die zentralisierten, Daten sammelnden und geschlossenen Social Media Netzwerke sind unbewohnbar geworden und zerfallen. Doch statt sich jetzt zurück zu lehnen, die Hände zu reiben und hämisch: "Hab ich doch gesagt", zu flüstern, sollten wir überlegen, wie es jetzt weiter gehen soll.

Denn viele, die früher auf X, Instagram und Co. unterwegs waren, sind gerade auf der Suche nach einem neuen digitalen Zuhause. Aber nicht alle, die auf dieser Suche im Fediverse landen, sind das erste Mal im dezentralen Netzwerk unterwegs. Denn seit der Übernahme Elon Musks von Twitter, gab es immer wieder Vorkommnisse, die die Menschen dazu gebracht haben, sich nach Alternativen umzusehen. Es sind zwar einige nach diesen Umzugswellen im Fediverse geblieben, aber viele sind auch wieder zurück zu Twitter gegangen oder haben sich auf dritte Plattformen, wie etwa Instagram und Facebook, konzentriert. Allerdings wollen jetzt viele, die damals wieder auf Twitter, oder wie Elon Musk es umgenannt hat X, zurück gegangen sind, dem Netzwerk jetzt endgültig den Rücken zu kehren. Aber auch für viele, die sich noch nie nach Alternativen umgesehen haben, ist ein Netzwerk, dessen Eigentümer öffentlich den Hitlergruß macht, kein Ort, an dem sie mehr unterwegs sein wollen. Denn seit Trumps Amtsantritt scheint es so, als hätte Musk jetzt die Chance, alles Schlechte umzusetzen, was ihm so einfällt. Und dieses Verhalten weitet sich auch auf die Dienste von Mark Zuckerbergs Meta aus. Seit er die Nutzungsrichtlinien grundlegend geändert hat, wollen auch viele von Instagram, Facebook und Co. so schnell wie möglich verschwinden.

Es kommen also aktuell sehr viele Menschen aus sehr vielen unterschiedlichen Gründen im Fediverse an. Menschen, die zum ersten Mal aus geschlossenen Netzwerken raus wollen, Menschen die das Fediverse bereits kennen, Menschen die bisher nur Mastodon kennen und natürlich nach wie vor all die Menschen, die noch keine Vorerfahrungen mit Sozialen Netzwerken haben.

Migration in das Fediverse?

Doch es wäre vermessen zu glauben, dass alle, die gerade nach Alternativen zu X, Instagram und Facebook suchen, (nur) im Fediverse landen. Viele gehen Richtung Bluesky oder bauen sich möglichst viele Standbeine bei ihrer Online-Präsenz auf und für sie ist der obligatorische Mastodon-Account jetzt einer von vielen, die betreut werden müssen.

Eine wirkliche Migration findet deshalb nicht unbedingt statt, u.a., weil viele nicht mehr nur auf einer Plattform aktiv sein wollen. Ihnen fehlt das Vertrauen in nur ein einziges Netzwerk, auch wenn es dezentral ist. Auch wenn ich diese Entwicklung prinzipiell gut finde und jeder Zeit einen guten Newsletter oder eine informative Website einem Social-Media-Auftritt auf einer geschlossenen Plattform vorziehe, kann es bedeuten, dass doch weniger Liebe in den neu eröffneten Account fließt. Wer zehn Informationswege statt drei mit der gleichen Anzahl Menschen anbietet, hat eben weniger Zeit für jeden einzelnen.

Zudem hat sich in meiner Wahrnehmung leider wenig an der Mastodon-Fixierung vieler Neulinge geändert. Dabei wäre jetzt die Chance, dass auch andere Dienste mehr Zuspruch erhalten, weil die Menschen nicht nur von einem Microblogging-Dienst zum nächsten wechseln, sondern viele eben von Diensten kommen, die nur wenig mit Mastodon gemein haben. Diese Menschen hätten mit anderen Diensten wie Friendica, Pixelfed oder Misskey vermutlich mehr Freude. Aber alle Anfragen von politischen Gruppen und Privatpersonen, die aktuell an mich gerichtet oder weiter geleitet werden, betreffen Mastodon.

Das hat defintitiv viel mit der meist mangelhaften Berichterstattung über das Fediverse zu tun, aber wir machen als Community auch nicht gerade die beste Eigenwerbung.

Da stellt sich die Frage, wie diese Missverständnisse ausgeräumt werden können?

Das Spannungsfeld zwischen Hilfe, Überforderung und Belehrung

Die einen brauchen diese, die andere jene Hilfestellung und manche wollen gar keine Hilfe. So gut gemeint es ist, neue Menschen mit Anleitungen zu überschütten, kann diese Informationsflut auch überfordern und ein nett gemeinter Ratschlag belehrend bei der anderen Seite ankommen. Für manche ist es auch abschreckend, dass es überhaupt so viele Anleitungen, Vorträge etc. für das Fediverse gibt oder sie gelangen an eine technische Erklärung, obwohl sie nur ihren Account einrichten wollen oder an Tipps neue Accounts zu finden, obwohl sie die Technik hinter dem Fediverse verstehen wollen.

So sehr es in den Fingern juckt, jeder neuen Person ungefragt Tipps zu geben, bitte unterdrückt den Impuls. Begrüßt die Leute stattdessen freundlich, fragt nach, ob und wie ihr helfen könnt und wenn ihr gern eure Expertise teilen wollt, überlegt euch, wie ihr konkrete offene Angebote schaffen könnt. Ob ihr jede neue Person auf dem Server freundlich begrüßt, Online-Sprechstunden anbietet oder einen Workshop in eurer Stadt organisiert (mein nächster ist übrigens am 13. März 2025), haltet die Arme offen, aber knüppelt die Leute nicht mit zu vielen Informationen nieder.

Unendliches Wachstum?

Die eine oder der andere fragen sich vielleicht, ob es überhaupt gut ist, wenn jetzt so viele neue Menschen in das Fediverse dazu kommen. Schließlich hatten wir in den letzten Jahren ganz schöne Wachstumsschmerzen, von Servern, die ausgefallen sind, weil in sehr kurzer Zeit zu viele Neuanmeldungen kamen, über Bot-Wellen und der Angst vor Veränderung bis hin zu rechtlichen Fragen, wenn Server zu groß werden, gibt es einige Unsicherheiten. Auch ist ein dezentrales Netzwerk nicht auf schnelles Wachstum ausgelegt und viele wollen vor allem große Server und die damit einhergehenden Probleme im ganzen Netzwerk vermeiden (dieses Thema wäre sicherlich einen gesonderten Beitrag wert).

Allerdings sehe ich diese Gefahr bei der aktuellen Welle der Neuankömmlinge gar nicht so groß, wie bei den Wellen der letzten Jahre, da diese eigentlich aus vielen kleinen Wellen besteht. Eben den vielen verschiedenen Menschen, von denen ich eingangs geschrieben habe. Außerdem haben wir die Zeit seit Elon Musk Twitter gekauft hat auch überlebt und wenn wir mit den wirklich alten Hasen im Fediverse sprechen, können sie von etlichen Wellen mit Neuanmeldungen zuvor erzählen, als noch gar nicht an Elon Musks Weltherrschaftspläne zu denken war.

Und nun?

Auch dieses Mal werden viele Neue wieder gehen und es wird sich vermutlich für die, die bereits länger dabei sind, gar nicht so viel verändern. Der Ton im Fediverse ist mit dem Wachstum der vergangenen Jahre schon länger rauer geworden. Mehr Leute insgesamt im Netzwerk bedeuten eben auch mehr Menschen, die gern pöbeln, trollen oder einfach andere stören wollen. Das Fediverse ist eben kein Wohnzimmer mehr. Aber dafür ist es seit den letzten Wellen auch bunter geworden. Natürlich sind auch unterschiedliche Kommunikationsweisen im Internet aufeinander gestoßen und das passiert auch jetzt wieder, aber viele haben sich in den vergangenen Jahren auf die neuen Gepflogenheiten eingelassen und das wird wieder passieren. Auch unsere Struktur bleibt gleich. Es gibt immer noch neue Dienste und funktionale Trends, es gibt immer noch neue Bubbles und es ist immer noch alles im Aufbau und nie wirklich fertig. Daran wird sich auch, denke ich, nicht so schnell etwas ändern. Wir werden diese Welle überstehen, Menschen werden wieder gehen und es wird die nächste Welle kommen und auch die werden wir zusammen meistern.

Aber ich weiß natürlich auch nicht alles. Vielleicht täusche ich mich komplett und alle werden auf einmal erkennen, dass auch Bluesky keine Lösung ist, Monopole werden auch für die letzten auf X, den Meta-Diensten, TikTok und Co. unattraktiv und es entstehen zig neue Fediverse-Server. Oder vielleicht ist die dezentrale Struktur des Fediverses doch nicht so resilient, wie ich hier behaupte, und wir werden von einem Dienst, der wieder irgendwelchen Tech-Bros gehört, aber föderiert, faktisch überschwämmt. Vielleicht werden auch bald ganz viele zur nächsten goldenen Kuh pilgern und das Fediverse verlassen und es bleiben nur die alten Hasen übrig. Vielleicht passiert auch nichts davon. Das wird vermutlich nur die Zeit zeigen.

Aber ich möchte nicht die Hoffnung aufgeben, dass wir zusammen vielen neuen Menschen auf Dauer ein neues digitales Zuhause im Fediverse bieten können und wir dadurch alle profitieren können.

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Dieser Beitrag ist der zehnte Artikel meiner Kolumne hier bei GNU/Linux.ch. An jedem ersten Montag im Monat erscheint ein neuer Meinungsbeitrag von mir zum Fediverse.

Weiterführende Links:
https://podcasts.homes/@ueckueck_und_das_fediverse/episodes/was-kommt-nach-der-nachsten-welle
https://www.kursif.eu/termine/workshop-das-fediverse-ein-selbstbestimmter-raum-im-internet-3/
https://gnulinux.ch/wzs-ueckueck-und-das-fediverse

Tags

Fediverse, Kolumne, Ückück, ÜckückUndDasFediverse, Twitter, Facebook, Instagram

Michael Schäfer
Geschrieben von Michael Schäfer am 3. Februar 2025 um 22:06

Ein interessanter und wichtiger Artikel! Die aktuelle Migrationswelle ins Fediverse zeigt, dass das Bedürfnis nach dezentralen Alternativen wächst. Allerdings ist es tatsächlich schade, dass viele nur Mastodon wahrnehmen, obwohl das Fediverse viel mehr zu bieten hat. Eine bessere Sichtbarkeit der verschiedenen Plattformen und ein freundlicher Einstieg für Neulinge könnten helfen, das volle Potenzial auszuschöpfen. Vielleicht braucht es mehr einfache Erklärungen, um die Vielfalt verständlich zu machen.

V wie Vendetta
Geschrieben von V wie Vendetta am 4. Februar 2025 um 13:00

Ja, auch ich finde es schade, dass Alternativen wie Pleroma und Misskey gerne ignoriert werden, obwohl sie zumindest vor Jahren technisch besser waren und mehr Funktionen geboten haben als Mastodon. Wie es heute aussieht, kann ich nicht sagen.

rlx
Geschrieben von rlx am 3. Februar 2025 um 22:57

Danke für den Artikel. Ich beobachte schon seit einigen Monaten ein Momentum auf BlueSky - obwohl BlueSky in der Hand von Investoren liegt und zudem immer noch kein tragfähiges Geschäftsmodell hat. Trotzdem gibt es viele Journalisten, Medien und Meinungsmacher von X dorthin wechseln. Es sind nicht die Hetzer und Leugner, sondern eher alle anderen. Das Klima und der Umgangston ist freundlich bis sachlich (zumindest bei mir). Ich finde es schade, dass Mastodon es nicht schafft diesen Menschen ein neues Zuhause zu bieten. Aber es stimmt schon, was mir einige Leute gesagt haben, BlueSky sieht übersichtlicher aus und es ist einfacher, sich anzumelden (welchen Server soll ich jetzt nehmen und was ist bitte jetzt das Fediverse?). Beides sollte sich eigentlich einfach ändern lassen. Derzeit ist die Situation wie sie ist. Gleichzeitig gibt es diverse staatliche Organisationen, die im Moment nach einem neuen Netzwerk suchen. Anfang Januar hat der Bundesgerichtshof ganz sachlich mitgeteilt "Wir stellen diesen Kanal ein" und ist jetzt u.a. via Mastodon zu erreichen. Solchen Akteure sollten für Mastodon sensibilisiert werden und gleichzeitig sollte es eine Interoperabilität (in beide Richtungen) zu BlueSky geben. Davon kann Mastodon langfristig nur profitieren. Denn es wird auch in Zukunft immer wieder Wanderungsbewegungen weg von anderen Netzwerken geben und Mastodon sowie die anderen Teile des Fediverse sollten bereit stehen - das heisst aber: der einstieg muss für Neuankömmlinge wirklich einfach sein und die neue digitale Heimat muss gut und professionell aussehen.

V wie Vendetta
Geschrieben von V wie Vendetta am 4. Februar 2025 um 13:06

Bluesky ist schon auf Heise fachgerecht auseinandergenommen worden, denn in Sachen Transparenz und Dezentralität hapert es da gewaltig. Bei den Krypto-Hintermännern ja auch kein Wunder.

Es ist schade, dass viele unabhängige FOSS-Projekte an schlechter Nutzererfahrung und GUI kranken. Das war auch schon bei Hubzilla der Fall.

Klaus
Geschrieben von Klaus am 4. Februar 2025 um 10:30

"Weg von ..." hat nicht unbedingt etwas mit einem bewussten "hin zu ..." zu tun. Es ist auch nicht verwunderlich, dass Leute sich von einem Käfig in einen anderen Käfig begeben, wenn er nur vertraut genug ist und dadurch ein Zuhause-Gefühl einstellt. Die meisten verlassen ihre bisherigen Medien eben nicht, weil sie von den geschlossenen Plattformen weg wollen, sondern weil es nicht mehr ihr Zuhause ist. Zuhause ist vermutlich das, wo sie die Dinge finden, die sie bisher auch hatten. Wir sind schließlich Gewohnheitstiere. Offen, geschlossen, föderiert, zentralisiert sind dabei keine relevanten Kriterien.

Mutant77
Geschrieben von Mutant77 am 5. Februar 2025 um 15:52

Früher waren die Leute in Foren aktiv. davor in Newsgroups. Jeder hatte dort für seine Interessen einen Bereich. Die Vorstellung das alle zusammen auf einer Plattform abhängen müssen ist erst durch Facebook populär geworden (etwas Vorarbeit haben MySpace, StudiVZ oder WKW geleistet). Damals ging es vor allem darum sich auszutauschen und gegenseitig zu helfen. Damit können die Unternehmen aber kein Geld verdienen, denn sie brauchen eure Daten für die Vermarktung und das hat in den letzten 10-15 Jahren super geklappt. Ob es einen Weg zurück in die Amateurhaftigkeit geben kann ist hier die Frage? Ich würde es mir wünschen. Aber die Realität ist das Kommerz und Vermarktung unseren Alltag noch mehr dominieren als vor 10 Jahren. Denn auch die Meinungsbildung wird heute maßgeblich von Unternehmen finanziert und organisiert. Solange es noch Nischen gibt ist das schön, wird es aber meiner Ansicht nach nicht mehr lange. Die Gesetzesgebung erfindet jeden Tag neue Regel die jede Selbstorganisation erschweren und irgendwann unmöglich machen werden.

(Warum hat der Beitrag eigentlich als Tag "ExifTool-Metadaten-Betrachter"?)

Ralf Hersel Admin
Geschrieben von Ralf Hersel am 5. Februar 2025 um 15:59

Habe es gelöscht. War wohl ein Versehen. Danke

Tobias
Geschrieben von Tobias am 6. Februar 2025 um 02:43

Ich kann diese teils euphorische Herleitung zum Thema dezentralisierte Plattformen überhaupt nicht nachvollziehen und das aus unterschiedlichen Gründen:

  1. Zunächst einmal ist der dezentralisierte Ansatz sicherlich löblich. Aber ist dieser wirklich geeignet für den Datenschutz? Simpel gesagt: Nein, ist er nicht. Es ist ein absoluter Trugschluss der einfachen Formel "Dein Profil, deine Daten" zu folgen. Selbst wenn Profile umgezogen werden, von Instanz zu Instanz: Die Alt-Daten sind weiterhin vorhanden, werden dann auch nur bedingt entfernt. Das zeigt Diaspora so wunderbar: Selbst bei gelöschten und längst deaktivierten Profilen sind die derweil föderierten Beiträge immer noch vorhanden. Also was dann? Erneut: "Dein Profil, deine Daten"? Das funktioniert einfach nicht. Also Privatsphäre und Datenschutz wie auch vermeintliche Anonymität sind schnell entzaubert, wenn nur ordentlich hinter die Kulissen geschaut wird.

  2. Mehr Demokratie und Schutz von Minderheiten? Wo denn? Indem bereits als absolut "fehlgeleitet" definierte Abläufe und Herangehensweisen einfach fröhlich weiter kopiert werden? Wer hindert denn irgendwen einfach das weiter zu betreiben was auch in den sog. proprietären, nicht-freien Plattformen zelebriert worden ist und weiterhin auch wird? Will sagen: Angefangen von den sogenannten "InfluencerInnen" bis hin zu ausgewachsenen DemagogInnen und Hass-Profilen. Das wird bei nur genügend Bekanntheit und Durchdringung dieser "neuen" und "ach-so-freien" Plattformen ebenso geschehen. Ja, dann eben mit weit weniger Algorithmus-Antrieb. Aber es ist quelloffene Software: Wer hindert denn wen daran eben jene Algorithmen wieder erneut dort zu implementieren oder direkt die Software in Form eines sog. "Forks" zu modifizieren? Oder haben wir hier jetzt kollektiv das "truth.social" des Herren Trump oder "gab.com" einfach vergessen? Das sind respektive waren deutliche Abspaltungen. Quizfrage: Was passiert ergo wenn ein Unternehmen auf diese "hervorragende Idee" einer Abspaltung kommt? Das "Fediverse" als sicherlich gut gedachte Utopie zerbricht umgehend in Bestandteile und wird erneut zurück gedrängt.

  3. Wer kümmert sich um Hass und Hetze? Erneut Diaspora als Beispiel und zwar als sehr unrühmliches Beispiel. Ein Blick in manche Instanz dort: Antisemitismus übelster Form, Hass gegenüber Menschen mit Beeinträchtigung, Hass und Hetze gegenüber Transmenschen, Sexismus, Rassismus. Wahlweise dann Leute, die vielleicht irgendwann einmal noch dagegegn gehalten haben und nunmehr Bilder von ihren täglichen Ausflügen in die Natur hinterlegen und fröhliche Miene zum hässlichen Spiel betrieben. Oder dann auch die TeilnehmerInnen, die nur noch "Augen zu und durch" mimen. Fällt das wirklich Niemandem auf? Das ist ein mehr als bedenklicher Zustand einer dereinst guten Idee. Und was bleibt am Ende? Genau das: Selbiges wie nun der besagte Bruch.

Das Konzept der sog. "sozial gedachten Plattformen" ist eine Illusion. Ob es an uns Menschen liegt, ob es an anderen Faktoren liegt, es gäbe da Einiges zu untersuchen. Faktisch haben die benannten Plattformen Teile der globalen Gesellschaft derart in Unruhe versetzt mit Falschmeldungen, Lügen, Propaganda, Hass und schlimmster menschenverachtenden Hetze, dass ein Diskurs nicht mehr möglich ist. Damit haben wir doch schon genug zu tun. Und das wollen wir nun ausweiten respektive "transformieren"? Oh bitte, wohin denn noch? Das hier ist doch nur Zeugnis davon, dass diese Idee ganz furchtbar ist. Wofür denn? Damit wir weiter illusorischen Ideen hinterher laufen? Kommunikation ist wichtig, aber bitte zielorientiert. Oder wollen wir doch nur mit unserem digitalen Alter-Ego weiter kokettieren? Wenn dem so ist: Na dann, viel Vergnügen aber bitte dann weit weg von der ursprünglichen Idee. Wenn dem nicht so ist: Wie wäre es mit anderer Konzeption? Weniger globalisiert, weniger Illusionen, mehr Tatsachen und vor allem auch Medienkompetenz. Fort der Fokus auf immer mehr fluffige Weboberflächen, mehr simple Ansätze, mehr Inklusion auch für ältere Software und Technik. Weniger ist mehr, schlicht und einfach. Geht es da um Konkurrenz oder eben genau das: Gesellschaftliche Teilhabe und Inklusion?

Karpow
Geschrieben von Karpow am 6. Februar 2025 um 13:11

Gut erkannt!

Hinzu kommt noch (das hat die Autorin bereits in den vorherigen Artikeln dieser Serie ausführlich beschrieben und alle meine Vorurteile dahingehend bestätigt) dass im Fediverse nicht jeder Mastadon-Server mit allen anderen spricht. Jeder kleine "Mastadon-Möchtegern-Admin" überzeugt davon ist unbedingt seine ureigenen Regeln durchsetzen zu müssen. Da wurden und werden massenhaft "Elfenbeintürme" gebaut, unangenehme Server oder User mit anderer kritischer Meinung werden ganz bewusst blockiert und ausgeschlossen. Innerhalb der eigenen Bubble feiern sich diese Leute sogar dafür und wundern sich nun warum sie nicht wachsen und wieso die neuen User nicht in Scharen zu ihnen kommen. Ein teuflischer Plan :-D Denkt mal drüber nach!

Niemand braucht Mastadon oder "das Fediverse" um im Netz Sozial zu interagieren. Zum Diskutieren waren schon damals Newsgroups bzw. das Usenet vollkommen dezentral ... heute gibt es Reddit / Quora und 1000 andere Spezial-Foren. Zum Chatten gab es Internet Relay Chat (IRC erfunden in Finnland) auch das funktioniert schon immer vollkommen dezentral ... heute gibt es dafür unzählige Messenger. Euer "Fediverse" ist also sehr viel älter als ihr alle denken tut!

Tobias
Geschrieben von Tobias am 6. Februar 2025 um 20:50

Natürlich gibt und gab es dezentralisierte Möglichkeiten - ohne dann auch inkludierte Persistenz mitunter. Das Problem reicht aber leider inzwischen viel tiefer: Zum Einen ist ja die sog. "Anonymität" einfach eine schlichte Illusion und dennoch meinen Leute mit Beitritt von Diaspora, Hubzilla, Friendica, Mastodon oder welcher Plattform auch immer ihrem absolut innersten Wahnwitz Freilauf zu gewähren. Damit gesagt: Offenkundig scheinen genügend Menschen davon überzeugt zu sein, dass sie sich ordentlich daneben benehmen können. Könnte dann überhaupt ein ehrenamtlich respektive privat freundlich zur Verfügung gestellter Server dem Einhalt gebieten bei nur genügend Menschen, die diesem Verhalten den Vorschub gewähren? Genau das meinte ich ja: Das Fediverse als grundlegender Alternativ-Entwurf ist löblich, richtig und wichtig. Es bleibt aber eine beschädigte Idee, weil kein wirklicher Paradigmenwechsel stattfindet.

Es sollte nicht um "Wachstum" gehen, nicht um "mehr Folgende" oder sonstige Zahlenspiele. Auch eben nicht darum eine Darstellung zu gewähren, also eine Person zu sein, die der eigentlichen Realität überhaupt nicht mehr entspricht. Viel eher sollte es doch dann darum gehen Diskurse zu führen, gemeinsam zu lernen, nicht sich eben nur "darzustellen". Aber genau das ist der zentrale Punkt und genau das lösen die erwähnten Plattform-Projekte auch nicht, sie kopieren eben nur bekannte Paradigmen.

Zum Anderen erleben wir aber auch einen grundlegenden Wandel innerhalb der globalen Gesellschaft, auf vielen Ebenen. Es kommt zum Wechsel hinein in eine völlige Ellenbogenmentalität. Das geneigte Individuum will nur noch "Unterhaltung" wie auch "Belustigung" finden, egal zu welchem Preis. Sich belehren oder lernen? Sich auch dann selbst regulieren lassen, weil eben zugegeben nicht Jeder Alles wissen kann und andere TeilnehmerInnen mehr Kenntnisse haben könnten? Unmöglich, nein und niemals nicht. Eher friert noch der nächstbeste aktive Vulkan zu bevor sich so manche Person(en) und / oder Gruppen etwas sagen lassen oder aus der Geschichte lernen wollen. Eigene Fehler machen wollen? Gut, das ist ja nicht falsch. Sich aber partout jedwedem Diskurs verweigern? Das ist falsch. Andere zu beleidigen, zu bedrohen oder auch direkt aktiv noch schlimmer anzugehen? Ohne Frage weiterer Bewertung: Zu keiner Zeit irgendwie noch begründbar.

Aber genau das geschieht, und genau deswegen suchen die Menschen ein digitales Zuhause. Das ist verständlich. Aber sie führen sich selbst wie auch Andere mit auf Irrwege und kommen nicht von dort zurück. Genau das ist Teil der Kritik und genau daher halte ich das "Fediverse" konzeptionell für richtig in der Ausführung aber für falsch.

Pirsmode
Geschrieben von Pirsmode am 7. Februar 2025 um 10:58

@Tobias: Halte das "Fediverse" konzeptionell für richtig in der Ausführung aber für falsch. DANKE, genau so ist es!

Disclaimer: Nachfolgende Kritik bezieht sich ausschließlich auf den Artikel.

Wer die Einrichtung eines Mastadon-Kontos als "Spannungsfeld zwischen Hilfe, Überforderung und Belehrung" bezeichnet, der hält wohl das senden eines Toots für eine hochintelektuelle Angelegenheit und hat damit grundlegende Dinge der allgemeinen Kommunikation im Internet missverstanden. Genau, durch "Online-Sprechstunden und Workshops" sind Twitter, Instagram & Co erst so richtig groß geworden (Ironie Off). Und Sätze wie "ein dezentrales Netzwerk ist nicht auf schnelles Wachstum ausgelegt" offenbaren völliges technisches Unwissen. Ückück & Co bauen sich dort mit viel Regel-Plüsch Inseln auf, kreieren ihre eigenen "Fantasie- und Wohlfühlecken" mit (Meinungs-)Safe-Spaces und glauben damit allen ernstes Wechsel-Wellen erzeugen zu können und "Walled Gardens" zu brechen. Motto: Man muss sein geliebtes Paradies "den Dummen" nur richtig erklären. Naja, träumt ruhig weiter!

Tobias
Geschrieben von Tobias am 8. Februar 2025 um 11:32

Ich setze da auf: Genau deswegen wäre ich persönlich dafür all diese Plattformen grundlegend abzuschalten. Es gab ja schon wie bereits hier im Kommentarverlauf erwähnt zuvor IRC, Foren und sonstige Kommunikationsmöglichkeiten. Die Plattformen bilden insofern ein "Bedürfnis" ab. Aber leider ist genau dieses nicht unbedingt immer von Logik, Fakten und dem Interesse nach freundlichem Miteinander geprägt. Das zeigen ja aktuelle Entwicklungen.

Und ich kann nur davor weiterhin warnen: Bei genügend Durchdringung und Größe werde sich Mastodon und Andere ebenso toxisch entwickeln. Es sind eben die besagten "Bedürfnisse" nach erratischen Formen der Kommunikation. Nicht Jeder denkt um die nächste Ecke, nicht Jeder denkt empathisch und dann auch nur an die persönlichen Bedürfnisse und die eigene Betroffenheit respektive somit Emotionen wie unerklärbare Wut oder auch schlichtweg Hass ausdrücken zu können.

Ist das gut? Nein, sicherlich nicht. Wünsche ich mir eine andere Form des Miteinanders? Na aber sicher. Wir können doch aber sicherlich feststellen, dass es all das zuvor bereits gegeben hat. Es ist insofern nun sichtbarer aber auch leider intensiver geworden. Will sagen: Andere werden ebenso "motiviert" diesem erratischem Ausdruck von Hass freien Lauf zu gewähren. Einfachste, falsche und simple Aktionen sind dann doch "perfekt"? Sie machen das eigene Weltbild ebenso simpel wie auch platt. Das dies falsch ist? Also das brauche ich - denke ich - nicht weiter erklären. Fakt bleibt aber auch: Diaspora stellt genau das dar wohin Andere sich ebenso hinein entwickeln können. Alternativ bleiben sie dann vielleicht auch Inseln der Ruhe. Es ist ja nicht falsch einen sicheren Ort zu haben. Das würde aber auch bedeuten: Keine weitere Wachstumsentwicklung. Mir persönlich wäre das nur passend, aber die Sehnsucht nach "mehr" ist ja auch hier Ausdruck der Artikelserie. Die Frage ist: Ist das Bewusstsein für die Folgen vorhanden? Diaspora war auch einst ein Hort toller Debatten. Ich habe dort viel lernen können über GNU/Linux und vieles mehr. Dafür bin ich dankbar bis die Atmosphäre dann 2013 nachfolgend dermaßen vergiftet war, dass keine Kommunikation mehr möglich war. Wie gesagt: Ich bleibe dankbar für das davor an tollen Unterhaltungen. Das "heute" ist dagegen eine Katastrophe und ein Hort des Hasses. Der Grund? Nun die Sehnsucht nach eben "mehr": Mehr Inhalt, mehr Unterhaltung. Ja, es gab "mehr" Inhalt, nur nicht mehr Diskussionen sondern nur noch Propaganda, Lügen und eben das bereits Erwähnte. So scheitert das "Fediverse", weil ein Teil der Menschheit gar kein Interesse and Diskursionen hat und ein anderer Teil möchte einfach noch etwas viel Schlimmeres.

Habe ich ein Rezept dagegen? Wohl kaum. Aber zumindest ließe sich das eindämmen: Zurück zu den kleinen Diskussionsorten statt große Instanzen von was auch immer mit hunderten und mehr TeilnehmerInnen.

Tobias
Geschrieben von Tobias am 8. Februar 2025 um 12:23

Addendum: Ich möchte noch betonen, dass ich keineswegs Orte zum Wohlfühlen nicht gut finde. Insofern finde ich das Bestreben zu diesen sehr gut und befürtworte das. Nur gibt es das im Kontext des aktuellen "globalen Netzwerks" nicht wirklich sofern der Gedanke nach "mehr" vorhanden ist. Die meisten Menschen wollen nur ihre persönliche Freiheit durchsetzen. Das zeigen auch die teils schmähenden Worte hier im Kommentarverlauf, von denen ich mich aber persönlich nochmals distanzieren möchte.

Ich kann wie gesagt nur davor warnen: Besser wäre es das "Fediverse" würde eigene Akzente setzen, gleichbleiben gar nicht oder nur gering wachsen. Somit einen schönen Ort erhalten, in welchem sich Diskussionen auch wirklich entfalten können und Gedanken hängen bleiben, nicht übersteuert werden von überbordendem Hass, Wut oder schlichtweg Lügen. Davon haben wir doch beileibe genug. Wer eben das sucht oder der Meinung ist dies würde zum guten Umgang gehören, bittesehr. Ich bleibe auf dem besagten Standpunkt: Die Idee ist toll, die Umsetzung nicht wirklich und bei "Wachstum" wäre ich vorsichtig - gelinde gesagt. Was hier Andere daraus machen wollen? Nun, wenn ihr euch stetig verbal direkt mit Anderen "prügeln" möchtet? Ich habe da kein Bedürfnis nach und ich möchte mich auch nicht stetig als "Gegner" von wem auch immer beleidigen oder in Grund und Boden reden lassen. Wenn Andere überzeugt werden müssen, dass Anstand, Ehrlichkeit, Solidarität, Empathie und Güte wichtig sind, sollten wir wirklich unser Gesellschaftsbild initial einmal grundlegend hinterfragen.