Titelbild: Ein in pink gefärbter Stapel Klemmbretter mit Unterstützungsunterschriftenformularen auf einem Tisch. Darüber in hellblau die Frage: Wo sind die Parteien?
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Beginnen möchte ich dabei mit einem näheren Blick auf die Parteien im dezentralen freien Social Media Netzwerk.
Tatsächlich macht es auch bei einer oberflächlichen Betrachtung den Eindruck, als gäbe es ein reiches Angebot mit einem recht breiten Spektrum der Parteien im deutschsprachigen Raum. Denn es sind viele Parteien im demokratischen Spektrum zu finden, von den Etablierten bis zu den Kleinparteien, von die Linke bis zu CDU Kreisverbänden und FDP-Politiker*innen.
Ein genauerer Blick zeigt jedoch leider, dass einige Parteien lediglich automatisierte Feeds nutzen, um das Fediverse zu bespielen. Von wieder anderen Parteien gibt es leider nur einige Einzelkämpfer*innen, die ihr Glück im Fediversum suchen. Doch einige Parteien nehmen die Möglichkeiten des Netzwerkes ernst und investieren nicht nur Zeit in die Betreuung der Accounts, sondern stellen sogar eigene Infrastruktur und fördern dessen Nutzung. Auf zwei dieser Positivbeispiele möchte ich im Folgenden näher eingehen und habe zwei Serverbetreibenden aus den Parteien oder parteinahen Vereinen hinter den Instanzen einige Fragen geschickt.
gruene.social und Netzbegrünung e.V.
Der Banner von gruene.social; in gelb auf grüner Schrift ist zu lesen: gruene.social, darunter in weiß: Mastodon für GRÜNE von Netzbegrünung e.V.
Vielen sind vermutlich die Server des parteinahen Vereins Netzbegrünung ein Begriff. Zu diesen habe ich mich mit Norbert Tretkowski Schriftkorrespondenz geführt.
Der Netzbegrünung e.V. betreibt aktuell Mastodon (Admin-Team Norbert und Marian Steinbach), Pixelfed (Admin-Team Norbert und Dirk Rüdiger), PeerTube (Norbert) und Mobilizon (Willi Junga). Am intensivsten wird aber die Mastodon-Instanz genutz, welche aktuell etwa 380 aktive Profile beherbergt. Diese hat im Juni ihren bereits 5. Geburtstag gefeiert. Pixelfed, Peertube und Mobilizon wurden erst deutlich später in Betrieb genommen.
Auf die Fragen, wie die internen Abläufe bis zum fertigen Server liefen und wie sich der Server finanziert, antwortert Norbert:
"Das ist tatsächlich relativ unbürokratisch. Wer eine schöne Idee hat, bekommt vom Verein die dafür nötigen Mittel und kann direkt loslegen. Es wurde also ein entsprechender virtueller Server angefragt und dann direkt losgelegt. Wir hatten uns im Vorfeld nur noch das OK der Partei für die Nutzung der Domain gruene.social geholt. Die Systeme werden auch direkt mit ins Monitoring und Config Management der Netzbegrünung aufgenommen. Finanziert werden die Systeme vom Verein, sprich über Mitgliedsbeiträge und Spenden."
Ob sie zu Projektbeginn ein konkretes Ziel vor Augen hatten, kann er gar nicht genau sagen. Die Idee des Vereins war es einfach, das Fediverse mit ihrer Instanz weiter zu vergrößern. Doch er fasst auch zusammen:
"Unser Ziel ist aber natürlich nach wie vor, die Partei und zumindest einige weitere digitalpolitische Abgeordnete ins Fediverse zu holen, die Fraktion ist ja bereits auf unserer Instanz vertreten und bespielt den Account auch aktiv."
Genau das, das Fediverse zu vergrößern und durch die bereitgestellte Infrastruktur das Fediverse zu bereichern, machen sie in meinen Augen auch sehr erfolgreich und es ist zu hoffen, dass noch mehr Politiker*innen und Verbände der Grünen die Server in Zukunft nutzen werden.
Die Voraussetzung für einen Account ist die Mitgliedschaft in der Partei oder dem Verein, aber es reicht auch Teil des Umfelds der Grünen zu sein. Es muss eben einen nachvollziehbaren Grund geben, warum es genau dieser Server sein soll. Aber eine aktive Kontrolle gibt es nicht. In einem parteiinternen Chat können Einladungslinks zur Erstellung eines Accounts angefragt werden. Natürlich können diese Links dann auch weiter getragen werden, dessen sind sich die Betreiber*innen bewusst, aber bisher gab es noch keine Probleme mit dieser Methode.
Damit das Angebot der Fediverse-Server von Netzbegrünung in der Grünen weiter verbreitet wird, hält der Verein ab und zu Webinare für Gliederungen der Partei und es gibt auch interne Bewerbung von Aktiven. Außerdem stellt der Verein seine Angebote regelmäßig auf Parteitagen vor.
"Unterm Strich halte ich die Nachfrage ehrlich gesagt aber für noch viel zu schwach, vor allem, weil immer wieder das "keine Zeit" Argument kommt, im selben Atemzug dann aber von der Partei eine Präsenz auf TikTok gestartet wird, die deutlich aufwändiger in der Betreuung ist. Ich hatte mich in meinem privaten Blog dazu vor kurzem auch mal darüber beklagt..."
So schließt Norbert seine Ausführungen. Es bleibt zu hoffen, dass die Nachfrage und das Interesse am Fediverse innerhalb der Grünen weiter steigen.
pirati.ca, piratenpartei.social, piraten-partei.social, social.globalpirates.net und viele mehr
Der Banner von piraten-partei.social; ein gezeichnetes Mastodon, welches freudig mit seinem Rüssel viele hellblaue, lila und orange Seifenblasen macht. Eine Seifenblase ist das Mastodon-Logo, eine das Logo der Piratenpartei. Außerdem zu lesen: piraten-partei.social.
Ein Verein, der sich um mehrere Server auf mehreren Fediverse-Plattformen kümmert, die dann alle einfach nachvollziehen können - so einfach und übersichtlich ist es bei der Piratenpartei, in meiner Partei, nicht.
Viele der Mitglieder sind "schon immer" im Fediverse und dem entsprechend gibt es viele offizielle und inoffizielle Server rund um die Pirat*innen. Eines der Urgesteine ist sicherlich die Freindica-Instanz pirati.ca, die privat von Michael Vogel betrieben wird und bereits seit über 12 Jahren besteht, aber so ganz genau weiß er das selbst nicht mehr. Darüber hinaus im deutschsprachigen Raum vertreten sind unter anderem der offizielle Friendica-Server der Piratenpartei Deutschland piratenpartei.social und der offizielle Mastodon-Server der Piratenpartei Östereich social.globalpirates.net. Aber auch weitere inoffizielle Server, wie der von einigen Mitgliedern genutzte Mastodon-Server piraten-partei.social, bereichern das Piraten-Angebot im Deutschsprachigen Raum. Darüber hinaus, wie es sich für eine internationale Partei gehört, gibt es aber noch viele weitere Server, auf denen die Hauptsprache nicht Deutsch ist.
Da Michael nicht nur pirati.ca, sondern auch piratenpartei.social technisch betreut, habe ich ihm einige Fragen zu diesem gestellt.
Der Friendica-Server besteht seit dem 2. Juni 2022 und ist tatsächlich eine Auftragsarbeit des Bundesvorstands an die interne Bundes-IT gewesen. Es war also eine Entscheidung der Partei, jetzt auch eigene offizielle Infrastruktur im Fediverse zu betreiben. Auch wenn das eine grundsätzlich sehr begrüßenswerte Entscheidung ist, wird das Angebot den Server zu nutzen leider wenig angenommen, wie ein Blick auf die Community-Seite zeigt. Vielleicht, weil es so ein großes Alternativ-Angebot an "Piraten-Servern" gibt, vielleicht, weil viele der offiziellen Accounts auch gezielt auf Server gehen, die nicht von der Piratenpartei sind, sondern z.B. als Landesverbände auf lokale Server ziehen wie die Landesverbände NRW und Sachsen. Aber selbst in der "Digitalpartei" gibt es schlicht viele, die sich noch nicht für das Fediverse interessieren, auch wenn es gezielte Vernetzung zum Thema Fediverse in einer internen Chatgruppe und auch ab und an Schulungen gibt und das Thema freie Netze der Partei eigentlich im Blut liegen sollte.
Denn auch wenn der Server tatsächlich offen ist, so gibt es nicht häufig aktive neue Accounts und das, obwohl sich das 2-3 köpfige Team sicherlich über mehr Nutzende freuen würde. Auch ich würde mir das sehr wünschen.
Der Banner von social.globalpirates.net; ein im Comic-Stil gehaltener Totenkopf umgeben von Wellen, Schiffen und vielen versteckten Details. Alles ist in orang, lila, hellblau und pink gehalten. Außerdem zu lesen: PPAT.
Fazit
Selbst bei den aufgeführten Positivbeispielen gibt es also noch einiges an Luft nach oben - Vor allem was die letztendliche Nutzung ihrer Angebote anbelangt.
Trotzdem oder genau deshalb sind Menschen wie Norbert und Michael so wichtig für die demokratischen Parteien. Denn ohne sie gäbe es vermutlich viel weniger Politik im Fediverse. Danke an dieser Stelle an die Teams und bitte macht weiter mit eurer wertvollen Arbeit!
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Dieser Beitrag ist der vierte Artikel meiner Kolumne hier bei GNU/Linux.ch. An jedem ersten Montag im Monat erscheint ein neuer Meinungsbeitrag von mir zum Fediverse.
Weiterführende Links:
https://podcasts.homes/@ueckueck_und_das_fediverse/episodes/wo-sind-die-parteien
https://netzbegruenung.de
https://gruene.social
https://gruene.social/@norbert
https://gruene.social/@marian
https://pixel.gruene.social
https://gruene.social/@dirkr
https://peertube.netzbegruenung.de
https://events.gruene.social
https://gruene.social/@b90g
https://netzbegruenung.de/blog/fuenf-jahre-gruene-social
https://gruene.social/@GrueneBundestag
https://pirati.ca
https://piratenpartei.social
https://piraten-partei.social
https://social.globalpirates.net
https://pirati.ca/profile/heluecht
https://piratenpartei.social/community
https://nrw.social/@piraten
https://dresden.network/@piratensachsen
Mastodon und Fediverse ist bedeutungslos. Der Punkt, wo es die Aufmerksamkeit gab, wurde mit Grabenkämpfen und Gatekeeping verbracht.
Parteien sollen also dort sein, wo jeder Fediserver selbst entscheiden tut (kann) mit wem er föderiert und / oder mit wem nicht. Genau mein Humor! Wozu soll das denn gut sein? Wohl um untereinander neue Filterblasen zu bilden: "Die Voraussetzung für einen Account ist die Mitgliedschaft in der Partei oder dem Verein, aber es reicht auch Teil des Umfelds der Grünen zu sein."
UND noch sehr viel wichtiger als das: Was ist denn der entscheidene Grund, weshalb sollten Parteien unbedingt im Fediverse vertreten sein (oder ist es nur, um auf jeder neuen Party zu tanzen)? Das wird mir hier aus diesem Artikel überhaupt gar nicht erklärt! ¿¿Reicht etwa der eigene Webserver (Newsletter/EMail/Chat/Forum/Wiki/Messenger) heute nicht mehr aus??
Mir gefällt es schon nicht, wenn öffentlich rechtliche Medien mit unser aller Geld "Online-Präsenzen" bei den kommerziellen closed-source Social Media (FBuch,Insta,Tik,X,Threads,WA etc. etc.) finanzieren. Das geht IMHO völlig an ihrem eigentlichen "Aufgabengebiet" vorbei! Die betätigen sich dort auf Platformen, die sich weder für Privatsphäre, noch für die Verbreitung von Fake-News interessieren. Das sind auch Orte, wo regelmässig die kompletten Rechte an allen Inhalten abgetreten und globale Tracking-Metriken zum Einsatz kommen. Und die Erklärung ist dann immer, "sie möchten näher an den Leuten sein" ... Bull*hit - dann könnten sie auch Plakate kleben oder Werbung schalten. Das ist für mich ungefähr die gleiche Plage wie mit den ganzen Telefon-Apps: Für jeden Sch**ss gibt es mittlerweile eine eigene App mit Cookies, Tracking, Updates und (unsichtbaren, geruchs- und geräuschlosen) Datendiebstahl inklusive, obwohl eine einfache Webseite in 99% der Fälle vollkommen ausreichend wäre!
Hallo, es ist sehr gut und wichtig, die kleinen Fortschritte der Parteien zu zeigen. Schließlich sollten die Parteien auf die Wählerinnen und Wähler schauen und diese erreichen. Und dort wächst das Fediverse und dafür gibt es gute Gründe, https://netzpolitik.org/2024/oeffentliches-geld-oeffentliches-gut-viele-gute-gruende-fuer-das-fediverse/ vom Juni zeigt, dass gerade Mastodon weiter wächst, da mehr Institutionen gefolgt werden kann.
Beim schauen nach Parteien im Netz habe ich noch https://spd.social/ und https://mastodon.social/@SPDde entdeckt, beides nur sehr kleine Pflänzchen. Vielleicht hilft gießen. ;)
Viele Grüße, Bernhard