Ückück und das Fediverse: Wie gut ist unser Onboarding?

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Viele wünschen sich, dass das Fediverse bekannter wird und sich mehr Menschen dort wohl fühlen. Doch was tun wir als Community wirklich dafür, dass die Menschen, die ihren Weg in das Fediversum gefunden haben auch gut ankommen und da bleiben wollen?

Ückück und das fediverse: wie gut ist unser onboarding?

Titelbild: In oränge gefärbtes altes Segelschiff, was in See sticht. Darüber in pixeliger lila Schrift die Frage: Wie gut ist unser Onboarding?

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Viele Gespräche, die ich in den letzten Monaten mit ebenfalls vielen schlauen Menschen führen durfte, haben immer wieder zur selben bitteren Erkenntnis geführt: Unsere Willkommenskultur im Fediverse wird oft als, sagen wir es freundlich, ausbaufähig wahrgenommen. Zeit für etwas Selbstkritik.

Das Ende der Erklärangebote?

Mittlerweile gibt es viele Erklärreihen, wie z.B. die Fediverse-Serie hier bei GNU/Linux oder auch diverse Erklärvideos und online verfügbare Vorträge in allen denkbaren Ausführungen.

Nur irgendwie scheint die Begeisterung, die in den letzten Jahren für diese Formate noch da war, verloren gegangen zu sein. Für die einen ist das Fediverse nicht mehr "neu und aufregend", sondern ein gut bekannter Ort und sie benötigen diese Anleitungen nicht mehr. Für die anderen, die tatsächlich noch dabei sind sich zurecht zu finden, sind die Erklärangebote schwer zu finden, da sie nicht mehr wie vor 2 Jahren immer wieder von den alten Hasen geteilt werden oder Neue entstehen.

Auch sind die Angebote für Online-Sprechstunden und konkreten Fragerunden deutlich zurück gegangen. Zum einen, weil auch die Nachfrage in den letzten beiden Jahren spürbar nachgelassen hat, zum anderen, weil viele derer die diese Veranstaltungen organisiert haben dies neben vielen anderen Aufgaben erledigt haben und die Motivation nach dem Abflauen der #neuhier-Wellen zurück ging.

Doch auch wenn es nicht mehr tausend neue Leute am Tag sind, die ihren Weg in das Fediverse finden, so gibt es doch jeden Tag einige neue Menschen, die den Schritt wagen und genau für diese sollten sich zumindest einige von uns wieder etwas mehr Zeit nehmen.

Haben wir einen Stock im Arsch?

Diese Frage kratzt vermutlich am eigenen Ego und auch ich muss mir da an meine Nase fassen, aber ein Thema, das mir in letzter Zeit vermehrt begegnet ist, ist wie neunmalklug und Hölzern wir Alteingesessenen im Fediverse doch sein können.

Damit ihr besser versteht, was ich meine, hier einige Beispiele, welche mir im Rahmen eines Workshops im September (Katzenvideos, radikale Antifafluencer*innen und du: 1 Fediverse größer als die netzpolitische Bubble mit Konstantin Macher und Markus Korporal von den Datenpunks) berichtet wurden.

Personen die neu bei Sozialen Medien sind, kennen oft einige Funktionen noch nicht, wie etwa Bild- und allgemein Medienbeschreibungen. Bei fehlenden Bildbeschreibungen wird jedoch oft nicht freundlich darauf hingewiesen, dass es eine Funktion dafür gibt, sondern es hagelt leider nicht selten Vorwürfe, wie egoistisch die Person sei, die diese nicht benutzt und das sie aktiv Leute ausschließen wöllte. Dabei könnte oft alles mit einer netten Nachfrage geklärt werden. Neue Menschen fühlen sich wegen solcher Vorfälle oft überfordert von der hohen Erwartungshaltung.

Auch wurde mir bei dem Workshop mehrmals von einem Phänomen berichtet, was ein Freund von mir einmal mit dem Namen "Techisplaining" versehen hat: ungefragte Erklärungen und Hinweise, was du bei deiner Nutzung des Netzwerkes gerade alles "falsch" machen würdest. Hierbei ist der Grad zwischen einem freundlichen Hinweis und einer übergriffigen Maßregelung oft sehr schmal beziehungsweise nicht leicht zu erkennen. Schnell kommt der Gedanke auf, dass der neue Fotograf bei mir auf dem Mastodon-Server vermutlich viel mehr Freude daran hätte, einen Pixelfed-Account für seine Bilder zu haben, wo er die technischen Details seiner Bilder, Copyright etc. ganz einfach angeben kann, oder? Ich kann den Impuls verstehen, gleich unter seinem ersten Bild einen Kommentar darunter zu verfassen, aber es ist mit Sicherheit keine gute Idee, einfach etwas wie: "Für Fotos solltest du lieber Pixelfed als Mastodon benutzen.", zu schreiben. Stattdessen hilft es in solchen Situationen kurz inne zu halten und sich in die Situation zu versetzen, wie ich das Thema zum Beispiel auf einer Party in lockerer Runde ansprechen würde. Da möchte ja auch kein Mensch in großer Runde belehrt werden, sondern es bietet sich ein kurzes Gespräch am Rande der Gruppe an. So kann bei dem Beispiel mit dem Fotografen auf dem Mastodon-Server eine kurze private Nachricht, mit einem kleinen Willkommensgruß im Fediverse und dem Hinweis auf einige Vorteile von Pixelfed eine viel hilfreichere Nachricht sein. Generell gilt im Fediverse, wie immer bei Ratschlägen, natürlich die Regel: Gebe ich diesen Ratschlag jetzt damit ich zeigen kann, wie toll ich bin oder weil es meinem Gegenüber wirklich hilft? Und nicht zu vergessen: Der Ton macht die Musik!

Das klingt jetzt alles vermutlich für einige selbstverständlich, aber die "Beschützer*innen" des Fediverse, die mit Rat und Tat aber auch mit Kritik oft etwas übereifrig sind, schrecken tatsächlich immer wieder Menschen ab. Stattdessen wäre es mit Sicherheit gut öfter tief ein zu atmen, bevor die nächste Kritik geschrieben wird und sich stattdessen gegenseitig wieder mehr Raum für Fehler und zum gemeinsamen Lernen zu geben.

Begrüßung auf dem eigenen Server

Auch das ist ein Thema, was ich konkret auch auf dem Mastodon-Server auf dem ich mit moderiere, dresden.network, beobachten kann: Früher wurde neuen Menschen einfach öfter: "Hallo", zur Begrüßung gesagt.

Als ich Ende 2019, damals noch als Nutzerin, zu unserem Server dazu gestoßen bin, wurde noch jeder neue Account einzeln begrüßt. Mit den #neuhier-Wellen ist das bei uns, aber auch auf anderen Servern, verloren gegangen. Dabei habe ich in diesem Herbst von vielen gehört, dass sie sich genau so etwas wünschen würden. Zumindest ich versuche diese verloren gegangene Tradition wieder bei uns auf dem Server einzuführen.

Ist Offline-Vernetzung die Lösung für ein Online-Problem?

Ein Wunsch, den ich ebenfalls in den letzten Wochen immer wieder gehört habe, war mehr Aktivität außerhalb des Online-Netzwerkes zum Thema Fediverse. Mittlerweile gab es mit dem Fediverse-Fachtag und dem Berlin Fediday bereits zwei größere Fachveranstaltung zum Thema Fediverse. Aber vor allem der Wunsch nach vor Ort Terminen um das Fediverse gemeinsam zu entdecken, scheint bei vielen gerade groß zu sein, größer als das Angebot durch die Fachtage.

Vielleicht können hier die FediTreffs, die es in einigen Städten gibt, eine gute Alternative sein. Auch Workshops und Installationspartys sind meiner Meinung nach eine gute Idee, um Menschen mit dem Fediverse in Verbindung zu bringen, die sich eventuell allein nicht trauen würden, sich zu registrieren.

Fazit

Auch wenn das sicherlich nicht für alle gilt, so habe ich doch den Eindruck, dass wir insgesamt wieder etwas mehr Rücksicht aufeinander im Fediverse nehmen und insbesondere die Erwartungen an die neuen Menschen im Fediverse nicht immer so hoch stecken sollten.

Und vermutlich zeigt sich gerade bei dem Thema Willkommenskultur, wie schwer es fallen kann, nicht zu vergessen, dass da am anderen Ende des Bildschirms wieder ein Mensch sitzt. Dabei ist das ja genau unsere Stärke im Fediverse: Ein Netzwerk von Menschen, die die Dienste oft aus Idealismus entwickeln oder Server in ihrer Freizeit bereit stellen und Menschen, die diese Dienste und Server mit Leben befüllen. Ein Miteinander, wo wir uns alle brauchen, aber auch alle eben zusammen etwas Großes schaffen können, wenn wir aufeinander achten.

Genau deshalb müssen wir uns auch wieder mehr damit beschäftigen, dass wir Menschen, die neu dazu kommen nicht allein lassen. Sei es durch ein freundliches: "Hallo", nach der Registrierung, einem Workshop im örtlichen Gemeindezentrum oder auch manchmal indem ich meinen schlauen Hinweis nach einem kurzen Nachdenken doch lieber für mich behalte.

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Dieser Beitrag ist der siebte Artikel meiner Kolumne hier bei GNU/Linux.ch. An jedem ersten Montag im Monat erscheint ein neuer Meinungsbeitrag von mir zum Fediverse.

Weiterführende Links:

https://podcasts.homes/@ueckueck_und_das_fediverse/episodes/wie-gut-ist-unser-onboarding
https://video.dresden.network/w/uhdUYqLfGP9s6Gi4ecyzQv
https://gnulinux.ch/serie-%E2%80%93-fediverse-dienste-die-idee
https://media.ccc.de/search/?q=Fediverse
https://eupolicy.social/@pneutig
https://fedifreu.de/@korporal
https://datenpunks.de/
https://dresden.network/
https://fsfe.org/news/2023/news-20230712-01.de.html
https://berlinfedi.day/
https://gnulinux.ch/wzs-ueckueck-und-das-fediverse

Tags

Fediverse, Mastodon, Onboarding, Kolumne, Ückück

Michael
Geschrieben von Michael am 4. November 2024 um 21:21

Das Fediverse wird zuerst als Mastodon wahrgenommen und ist mittlerweile ein rotes Tuch geworden, weil es als Antifa-Netzwerk von Verrückten gesehen wird. Das Gleiche kann ich von Bluesky sagen. Daher gehen mehr in andere Netzwerke. Contentersteller zieht es zu LinkedIn und Sportfans bzw. Sportjournalisten sind bei X oder Instagram. Für das Fediverse muss die Frage stehen, können auch unterschiedliche Meinungen nebeneinander stehen? Beispiel ist Corona. Im Fediverse wird geimpft, was das Zeug hält, kommt jemand und sagt, in den USA gibt es Studien, hier der Link, da ist es keine gute Idee. Dann wird es persönlich und ein Shitsturm losgetreten. Aber was ist die Idee von Sozialmedia? Streiten oder auf interessante Dinge hinweisen? Aus diesem Grund lese ich nur noch Blogs, bin in Foren, aber habe keine Lust mehr auf Sozialmedia

Tealk
Geschrieben von Tealk am 6. November 2024 um 08:36

Und Fotos sind keine sozialen Medien?

Tealk
Geschrieben von Tealk am 6. November 2024 um 11:20

Sollte Foren heißen, kp wie daraus Fotos geworden sind 😅

Karpow
Geschrieben von Karpow am 5. November 2024 um 13:15

Um mal kurz die Fragen zu beantworten: Haben wir einen Stock im Arsch? JA! Ist Offline-Vernetzung die Lösung für ein Online-Problem? NEIN!

"Viele Gespräche, die ich mit ebenfalls vielen SCHLAUEN Menschen", Neu und Aufregend, Onboarding, Willkommenkultur, Erwartungshaltung, "Tradition der Begrüßung auf dem eigenen Server", "Beschützer*innen" des Fediverse, "wieder etwas mehr Zeit nehmen für Leute die DEN SCHRITT ins Fediverse WAGEN", "Workshops und Installationspartys sind eine gute Idee, um Menschen mit dem Fediverse in Verbindung zu bringen, die sich eventuell ALLEIN NICHT TRAUEN würden, sich zu registrieren."

ERNSTHAFT?? Der gesamte Artikel ist von oben bis unten durchzogen von sozial theoretischem Gebrabbelspeak ... hier noch so ein Beispiel: "Ein Netzwerk von Menschen, die die Dienste oft aus Idealismus entwickeln" Ist damit etwa das Internet gemeint oder was soll dieser Nullsatz? Aber ich glaube zu verstehen, du meinst damit diese für Dich besonders schlauen Leute, die in der Lage sind schnell und unkompliziert einen Mastadon-Server für die Kommunikation mit ihrer eigenen Peergruppe aufzusetzen und dann wie kleine Könige ihre eigenen politischen Idealismus und (Diskussions-)Regeln durchzusetzen und sich dann wundern, das nicht viel mehr Leute kommen. Habe ich recht!?

IMHO sind das wahre Problem weder schlechte Erklärvideos, noch irgendwelche völlig unwichtigen Icons (ich glaube das hattest du hier auch schon mal total sozial-theoretisch und vollkommen an der - zumindest meiner eigenen - Realität vorbei erörtert) noch das Onboarding oder eine Willkommenskultur. Vielmehr ist die Diskussionskutur in allen Social Media - entschuldige bitte den Ausdruck - völlig im Arsch! Die Gründe dafür sind vielfältig: Fake-News, Verschwörungstheorien, Bubbles, Shitstorms, Meinungsunterdrückung, Pauschalisierungen, aber auch und gerade diese vorgeblichen Idealisten, die in Wahrheit aber meist "Ideologen" sind, mit denen man über fast gar nichts mehr vernünftig diskutieren kann, die nicht mal 1cm von ihrer vorgefertigten Meinung abrücken, sind ein sehr großer Teil des Problems! Und inzwischen hat man das digitale Problem genauso ins offline Reallife kopiert und verlagert. Guck dich also vielleicht erstmal in der eigenen Community um. Ich nehme das übrigens genauso wahr, wie es Michael hier in einem anderen Kommentar bereits geschildert hat. Ein schönes Beispiel war und ist der CCC, als die immer politischer wurden und sogar die Antifa einzug hielt, haben viele den Klub folgerichtig verlassen. Selbst solche Urgesteine wie Fefe.

Technik für sich allein ist vollkommen unpolitisch, versuche das vielleicht bitte in deinen kommenden Artikeln und Gedankengängen einfach mal zu berücksichtigen. Und bitte verstehe diesen Kommentar nicht als persönlich gegen dich gerichtet, sondern als Antwort mit Erklärungen und Hinweisen auf die von dir selbst gestellten Fragen. Danke!

Tealk
Geschrieben von Tealk am 6. November 2024 um 08:37

Dein Absatz 3, in dem Zitat geht es um Entwickeln, ein aufsetzen eines xy Servers hat nichts mit Entwickeln zu tun. Das ist administrative Arbeit.