Zum Wochenende: Dream Machines

  Ralf Hersel   Lesezeit: 2 Minuten  🗪 1 Kommentar

Bereits vor 50 Jahren gab es gute Vorstellungen über die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz, die weit über ChatGPT hinausgingen.

zum wochenende: dream machines

Künstliche Intelligenz ist der schönste und zugleich bedrohlichste Begriff der Welt. Er erschreckt und beeindruckt zugleich. Im Prinzip bedeutet er die Simulation von geistigen Prozessen mit allen Mitteln, aber im Allgemeinen handelt es sich um die eine oder andere Form der Computersimulation. Eigentlich ist künstliche Intelligenz ein Sammelbegriff für Systeme, die verblüffen, erstaunen, mystifizieren und nicht nach einfach zu erklärenden Prinzipien funktionieren. In gewisser Weise ist die künstliche Intelligenz eine Grenze, die sich immer weiter verschiebt: Je besser die Techniken ausgearbeitet und verstanden werden, desto mehr nimmt ihr Anschein von Intelligenz für die Anspruchsvollen ab. Es ist wie mit dem Ozean: Wie viel man ihm auch entnimmt, er dehnt sich immer noch weiter aus - so grenzenlos wie zuvor.

Ein wichtiger Zweig der künstlichen Intelligenz befasst sich mit der Frage, was ein Haufen imaginärer Neuronen tun könnte, sogar Neuronen, die wir uns ausgedacht haben, damit sie bestimmten Regeln folgen. Dieses Forschungsgebiet liegt irgendwo zwischen Neurologie und Mathematik; ein Grossteil davon befasst sich mit der Mathematik imaginärer Konfigurationen und nicht mit den Eigenschaften tatsächlicher Nervennetze, wie sie von Psychologen, Physiologen und anderen untersucht werden. Die hypothetischen Studien machen die Forscher natürlich auf komplexe Konfigurationen und Möglichkeiten aufmerksam, die in der Realität vorkommen könnten, und sind auch für sich genommen interessant - und möglicherweise eine nützliche Organisationsform für den Bau von Dingen.

Wer jetzt denkt, ich hätte ein Rad ab, liegt falsch. Was ihr bisher gelesen habt, stammt nämlich nicht von mir, sondern von Theodor H. Nelson. Der gute Mann ist ein US-amerikanischer Pionier der Informationstechnologie, Philosoph und Soziologe. Ausserdem hat er die Begriffe Hypertext und Hypermedia erfunden. Nelson gründete 1960 das Projekt Xanadu mit dem Ziel, ein Computernetzwerk mit einer einfachen Benutzeroberfläche zu schaffen. Die Bemühungen sind dokumentiert in den Büchern Computer Lib und Dream Machines. In Letzterem hat er u. a. seine Ideen zu Künstlicher Intelligenz und Neuronalen Netzwerken beschrieben. Das ist, was ihr oben gelesen habt.

Wer für das Wochenende einen grossen Lesespass erleben möchte, kann in dem 132-seitigem Buch (siehe Quelle) schmökern. Es enthält viele lustige Details und Grafiken, u. a. das Titelbild dieses Artikels.

Quelle: http://worrydream.com/refs/Nelson-ComputerLibDreamMachines1975.pdf

Tags

Historie, KI, Vorhersage, Buch

Robert
Geschrieben von Robert am 17. April 2023 um 18:35

Vielen Dank für den Hinweis auf diese Person und sein Buch. Der Mann scheint eine echte Koryphäe auf seinem Gebiet zu sein: Auf Seite 68 (PDF=65) -> Club of Rome -> Endgame (= recht gruselig). Und auf Seite 64 (PDF=69) -> sagt er 1975 praktisch TINDER vorraus!